„Nein", sagte ich bestimmt. „Auf gar keinen Fall! Wenn ihr ihn dort raus holt, erschieß ich mich!" „Dieses Risiko müssen wir eingehen!", meinte Ben, der auf der Couch gegenüber von mir saß.
„Nein", wiederholte ich. „Nein! Nein! Nein! Von mir aus kann er den Rest seines Lebens in seiner Zelle verbringen. Nein!" Ich machte eine Pause. „Zumindest bekommt ihr von mir KEIN Geld. Nicht um IHN dort herauszuholen!" „Das verlangt hier ja auch keiner", meinte Ben.
„Worum geht's?", fragte Rylie, der gerade von der Toilette kam. Er ließ sich neben mich auf die Couch plumpsen.
„Die wollen Ian aus dem Knast holen!", maulte ich.
„Ian Howe?", fragte Rylie entsetzt.
Ben nickte. „Niemand sonst weiß mehr über Südafrika als er. Er weiß wahrscheinlich mehr über ganz Afrika als wir alle jemals gewusst haben und jemals wissen werden!"
„Trotzdem", warf ich ein. „Was ist wenn wir den Schatz finden? Dann müssen wir Ian doch auch etwas davon abgeben, oder etwa nicht?" Ich versuchte meinen gegenüber mit allen Mitteln davon zu überzeugen, dass Ian BLOß NICHT mitkommen durfte. Unsere gemeinsame Vergangenheit war nicht so sonderlich toll. Ich hasste ihn. Aus mehreren Gründen. Aber dazu später mehr. Zurück zu unserer Konversation in Bens Wohnzimmer.
„Das müssten wir dann wohl", meinte Abigail, die die ganze Zeit schweigend zu Bens Rechten gesessen hatte. „Nein", protestierte nun auch Rylie. „Ich will nicht, dass ER etwas davon abbekommt!" „Wir brauchen ihn nichtsdestotrotz!", erwiderte Ben. „Ich werde das Lösegeld für ihn bezahlen, das braucht nicht euer Problem zu sein."...
Am Nachmittag des nächsten Tages stand ich vor einer Zelle im neuen Hochsicherheitsgefängnis der Stadt. Ben, Abigail und Rylie waren im Wartezimmer. Da wir uns nicht darauf hatten einigen können, wer von uns Mister Howe aus seiner Zelle holen würde und da nur einer mitgehen durfte,hatten wir ausgelost- und natürlich war ich die Doofe, die verloren hatte. Nun stand ich also dort und beobachtete den Officer , wie er die kleine Zelle aufschloss, in der Ian auf seinem Bett lag.
Ian setzte sich überrascht auf, als ihm mitgeteilt wurde, dass jemand für ihn Lösegeld bezahlt hatte. Er sammelte seine Sachen zusammen und entdeckte schließlich auch mich.
„Di-Di...", flüsterte er nicht wenig überrascht, mich dort zu sehen.
„ Nenn mich nicht so", entgegnete ich in der gleichen Lautstärke. Dann umarmte er mich ganz plötzlich. „Lass das!", sagte ich und schob ihn weg.
„Du hast dich verändert", sagte Ian leise.
„Wir haben uns alle verändert, Ian!", sagte ich. „Jetzt komm!"
Wir folgten dem Officer durch einige Flure hindurch in Richtung Wartezimmer.
„Hast du das Lösegeld für mich bezahlt?", fragte Ian sehr nah an meinem Ohr, was für ein Kribbeln in meinem Bauch sorgte. Ich wandte mich ihm zu.
„Nein", sagte ich. „Ben war das. Er meinte, wir bräuchten deine Hilfe."
„Wobei?"
„Irgendsoein Hinweis auf einen Schatz in Südafrika. Mehr weiß ich auch nicht. Da musst du ihn schon selber fragen!"
„Südafrika?"
„Hm-hm." Ich nickte.
Ian ließ einen Seufzer aus. Ich blickte ihn an. Er war immer noch so hübsch, wie damals als ich ihn kennen gelernt hatte: Die grünen Augen, die blonden Haare... Einfach alles... Warum ich ihm nie gestanden hatte, was ich für ihn empfand, wusste ich nicht, doch als er versucht hatte, meinen kleinen Bruder zu verprügeln, weswegen auch immer, war er bei mir unten durch.
„Und dafür braucht ihr mich so dringend, dass ihr mich aus dem Knast holt?", fragte Ian nach einer kleinen Pause.
„Scheinbar. Glaub mir, das war sicherlich nicht meine Idee!" Wir erreichten den Warteraum.
Ben, Abigail und Rylie standen von den Stühlen auf, auf denen sie gesessen hatten.
„Gates...", kam von Ian.
Die beiden waren seit der letzten Schatzsuche verfeindet. Ein weiterer Grund dafür, warum ich nicht verstand, warum Ben Ian aus dem Gefängnis rausholen musste, um den Schatz zu finden. Er hätte genauso gut einen Führer oder ich weiß nicht was organisieren können. Das wäre außerdem billiger gewesen. Zurück zur Szene im Wartezimmer.
„In der Tat, Ian. Ich bin es. Lang nicht mehr gesehen." Die beiden starrten sich feindlich an.
Das würde eine tolle Reise werden.
Ian antwortete nicht direkt. „Was willst du eigentlich von mir?", fragte er schließlich.
„Ich will nur deinen Hilfe. Ich kannte niemanden sonst, der so viel über Südafrika weiß wie du, also dachte ich 'Holen wir ihn doch einfach daraus' und hier stehst du nun als freier Mann." Ian schnaubte. „Und was wollt ihr in Südafrika?"
„Ein Schatz", antwortete Rylie. Ian schnaubte erneut.
Er und Rylie waren keine besonders guten Freunde mehr. Sie waren es gewesen, aber dann gab es einen kleinen Zwischenfall in der Schule und seitdem waren sie zerstritten. Rylie ist mein kleiner Bruder müsst ihr wissen. Er ist zwei Jahre jünger als ich. Ian und Rylie lernten sich in der Schule kennen kurz nachdem Ian von England nach Washington D.C in das Haus neben uns gezogen war. Ben wohnte auch auf der Straße. Rylie freundete sich schnell mit Ian an, obwohl er knapp vier Jahre älter war als er. Er hing fast jeden Tag bei uns rum und Ben war auch öfters dabei. Dies führte dazu, dass ich mich ein klein wenig in Ian verguckte. Oft saß ich einfach nur in einer Ecke des Zimmer und beobachtete Ian, seine Bewegungen und lauschte dem Klang seiner Stimme. Allerdings traute ich mich nicht, ihm zu gestehen, was ich für ihn empfand. Und so kam der Tag, an dem Ian seine Freundin bekam und ich fast wahnsinnig wurde. Lange waren sie zum Glück nicht zusammen, doch Ian warf Rylie absurderweise vor, dass ER sie ihm ausgespannt hätte. Ian war mittlerweile fünfzehn und Rylie war elf. Seine Freundin war vierzehn und Ian wurde verrückt, weil er daran festhielt, dass Rylie ihm seine Freundin weggenommen hatte, was er natürlich nicht getan hatte. Die beiden prügelten sich und Rylie musste mit einer gebrochenen Nase und einer Platzwunde über dem linken Auge ins Krankenhaus gebracht werden. Damit war ihre Freundschaft zu Ende und Ian kam nicht mehr. Mir war es auch recht so. Er hatte meinen kleinen Bruder verprügelt und ihm unterstellt, er hätte ihm die Freundin ausgespannt. Seit diesem Moment hasste ich Ian...
Vier Stunden später betraten wir den Flieger nach Kapstadt. Als ich zu meinem Platz kam, sah ich, dass Ian neben mir sitzen würde. Ich ließ meine Tasche auf meinen Sitz fallen und hastete zu Ben.
„Hast du die Plätze ausgesucht?", fragte ich leicht angepisst.
„Nein", meinte Ben mit einem schelmischen Grinsen auf dem Gesicht. „Das war Rylie."
„Den mach ich kalt", murmelte ich, als ich mich auf den Weg zu Rylie machte, der ein paar Reihen vor mir saß. Das Flugzeug war relativ leer, also war es kein großes Problem für mich schnell zu ihm zu gelangen. Ich schlug ihm auf den Kopf.
„Hey! Wo war das denn für?", fragte er.
„Das weißt du genau!", rief ich und schlug ihn erneut.
„Hör auf mich zu schlagen!"
„Ich schlag dich so oft ich will!", rief ich und wollte ihn erneut schlagen, doch er hielt meinen Arm fest. „Hey!", schrie ich. „Hör auf mich zu schlagen, ja? Außerdem: Wo ist das Problem neben Ian zu sitzen?" Ich blickte ihn wütend an. „Er ist doch ein ganz netter Kerl und ihr versteht euch doch eigentlich ganz gut miteinander."
Meine Hand schwang wenige Millimeter an Rylies Kopf vorbei als er sich duckte.
„Nein, das tun wir nicht,Rylie! Aber wenn du denkst, dass Ian ein ach so netter Kerl ist, dann können wir ja gerne Plätze tauschen."
Rylie zögerte. „Nein, danke", sagte er schließlich.
Ich war kurz davor, ihm wieder eine zu klatschen, riss mich allerdings zusammen und ging zu meinem Platz neben Ian.
„Na?", fragte dieser und grinste mich an.
„Halt bloß den Mund, Ian", grummelte ich.
„Schlechte Laune?"
„Oh, ja. Und wie! Und wenn du nicht endlich deinen Mund hälts dann fängst du dir noch eine genauso wie Rylie!"
Ian gluckste leise und wandte sich dem Fenster zu.
Ich nahm mir meine Tasche und holte ein Buch raus. Es handelte sich um 'Sag kein Wort'.
„Sag kein Wort", kam von Ian, der scheinbar lesen konnte.
Ich blickte ihn genervt an und wandte mich wieder dem Buch zu, wobei ich einmal tief ausatmete. „Sicherlich ein spannendes Buch", meinte Ian mit gehässigen Unterton.
„Jetzt reicht's!" Ich nahm 'Sag kein Wort' und haute Ian eine damit über.
„Au!", rief dieser.
„Das bist du selber Schuld! Wenn du mich nicht in Ruhe lässt!"
„Ist ja schon gut!" Er drehte sich von mir weg und schaute wieder aus dem Fenster. Kurze Zeit später schlief ich ein.
Irgendwann wurde ich durch ein Pieksen auf meiner linken Schulter wach. Es war Ian, der mich da pickte.
„Aufwachen, kleine Maus, wir sind bald da!" Kleine Maus!!!!???
„Nenn mich nicht so", murmelte ich verschlafen. Erst jetzt realisierte ich, dass ich die ganze Zeit über auf Ians Schulter geschlafen hatte. Oh Scheiße!
„Wieso nicht?", fragte Ian breit grinsend. Oh, Gott, dieses Lächeln. seufz
„ räusper Weil ich erstens nicht klein bin und weil ich zweitens keine Maus bin?", riet ich.
Ian kicherte. „Das mag stimmen."
Wenige Minuten später setzte der Flieger in Kapstadt zur Landung an. Wir stiegen aus und Ben führte uns zu einem Wagen, der neben dem Parkplatz wartete.
„Wann hast du den denn besorgt?", fragte ich überrascht.
„Mein Geheimnis", grinste Ben. Er und Abigail stiegen vorne ein und ich endete zwischen Rylie und Ian, wo ich leise vor mich hinbrummelte.
„Rylie, wärest du so lieb und würdest mit mir den Platz tauschen?", fragte ich, denn ich wollte nicht neben Ian sitzen.
„Nö", meinte Rylie nur.
„Rylie!", knurrte ich.
„Nein. Ich will nicht mit dir den Platz tauschen."
„Bitteee!" Hundeaugen an dieser Stelle einfügen.
„Nein", meinte Rylie erneut. Warum musste er bloß der einzige sein, auf den Hundeäuglein keinen Effekt haben?!?!?
„Wieso nicht?"
„Wieso willst du mit mir den Platz tauschen?"
„Weil ich nicht neben Ian sitzen will?!"
„Denkst du ich will das?"
„Ich kann euch sehr gut hören, wollte ich nur mal sagen", kam von Ian.
„Schön für dich", knurrte ich zurück. Er drehte sich entnervt von uns weg.
„Rylie...", versuchte ich erneut.
„Nein!"
„Ist ja schon gut, dann halt nicht!"
Eine gute Viertelstunde später kamen wir an unserem Hotel an. Wir checkten ein und brachten unsere Sachen nach oben.
„Schick", bemerkte ich. Rylie hatte uns eine Suite besorgt, was mir sehr gut gefiel. Das war wahrscheinlich das einzige vernünftige, was er heute getan hatte :-).
„Wer bekommt welches Zimmer?", fragte Ben. Und ehe ich mich versah endete ich mit Ian in einem Zimmer.
„Ich bring ihn um!", schwor ich mir, als ich meine Tasche in das Zimmer schleppte, das ich mir mit Ian teilen musste
. „Mich?", fragte Ian, der gerade den Kleiderschrank inspizierte.
„Rylie", antwortete ich grinsend. „Aber wenn du dich in irgendeiner Weise versuchen solltest an mich ranzumachen oder ich weiß nicht was, dann bring ich dich auch um!" Ian kicherte leise vor sich hin, als ich mich auf den Weg zum Restaurant machte, das sich unten im Hotel befand und mir etwas zu trinken holte. Mit einem Bier in der Hand machte ich es mir schließlich auf dem Stuhl vor dem Fenster in mei- unserem Zimmer bequem.
„Schmeckt's?", fragte Ian, der gerade hinein kam.
„Hm-hm", nickte ich. „Willst du auch was?" Ich grinste ihn an.
„Nein, danke", meinte Ian nur und verschwand wieder.
Ich kicherte leise vor mich hin.
Ein Wecker klingelte. Ich öffnete verschlafen die Augen, drehte mich um und haute auf den Wecker. Das Gepiepste verstummte. Es was 5:30 Uhr -und ich war schon wach, was mir gar nicht passte. Ich streckte mich und drehte mich um. Ian lag im Bett nur wenige Meter von mir entfernt und schlummerte immer noch vor sich hin. Wie süß er doch war! Ich setzte mich im Bett auf und beobachtete ihn. -Moment! Was tat ich hier eigentlich? Ich saß auf dem Bett und beobachtete Ian?!
Ich ging Zähne putzen, und hoffte, dass Ian von alleine aufwachen würde. Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, musste ich allerdings feststellen, dass Ian immer noch schlief. Ich kniete mich vor seinem Bett hin und pustete ihm leicht ins Ohr. Ian rührte sich nicht. Ich versuchte es erneut. Nichts. Diesmal pickte ich ihm an die Schulter. Ian drehte ich auf die Seite und ich pickte ihn noch einmal. „Ich bin ja schon wach!", grummelte er, doch nichts deutete darauf hin, dass er nun auch aufstehen würde. Ich zuckte mit den Schultern und ging in wieder in das Badezimmer, das direkt an Ians und meinem Zimmer angeschlossen war.
Ich wollte gerade die Dusche verlassen, als ich ein Rascheln auf der anderen Seite des Vorhangs hörte. Ich streckte meinen Kopf hinaus und sah Ian, der scheinbar etwas suchte. Ich räusperte mich. Ian blickte zu mir.
„Hm?"
„Da du schon so da stehst könntest du mir doch sicherlich auch ein Handtuch reichen?!"
„Natürlich", meinte Ian zuckersüß und gab mir eines der kleinsten Handtücher, die hier im Badezimmer rumlagen.
„Dankeschön", sagte ich nicht wirklich begeistert und versuchte mit dem Tuch das nötigste an mir abzudecken. Ich trat aus der Dusche heraus und huschte so schnell wie möglich an Ian vorbei ins Schlafzimmer, wobei ich seine Blicke auf mir spürte. Ich zog mich so schnell wie möglich an , wobei ich darauf achtete, dass Ian mich nicht sah.
Gerade als ich fertig umgezogen war, kam Ian zurück ins Schlafzimmer. Er hatte scheinbar auch geduscht, denn seine Haare waren nass und das einzige Kleidungsstück, das er trug, war ein weißes Handtuch, was er um seine Hüften geschlungen hatte. Ich schmunzelte, als ich ihn so reinkommen sah. Er sah meinen Blick und musste auch grinsen. Ian suchte sich eine Hose raus, drehte sich um und nahm das Handtuch ab, wobei er mir seinen blanken Hintern präsentierte. Ich grinste bei dem Anblick und wandte mich dann ab, wobei ich sagen muss, dass Ian schon einen kleinen hübschen Arsch hat. Ich suchte mir eine Taschenlampe für später raus und ging dann an Ian vorbei in die Küche, wo die anderen schon (mehr oder weniger) saßen und Kaffee tranken.
Rylie lag mehr, als dass er saß. Er hatte den Kopf auf die Tischplatte und einen Arm über seinen Kopf gelegt.
Ich deutete auf Rylie und formte tonlos die Worte „Schläft der?" Abigail zuckte müde mit den Schultern. Ich ließ mich neben Rylie auf den Stuhl fallen und tippte ihm einmal auf die Schulter. Er stöhnte auf und schlug nach meiner Hand. Abigail fing an zu kichern. Ich lächelte und goss mir ebenfalls eine Tasse Kaffee ein. Ben gähnte.
Ian trat ans Ende des Tisches. Scheinbar hatte er sich endlich angezogen. Ian setzte sich auf den Stuhl, der vor ihm stand und goss sich auch eine Tasse Kaffee ein. Ich rückte näher an Ian ran.
„Du hast einen hübschen kleinen Arsch", flüstere ich leise und grinste ihn an.
Ian, der gerade einen Schluck Kaffee genommen hatte, verschluckte sich. Abi fing wieder an zu kichern. Ben verschluckte sich ebenfalls und Rylie hob langsam den Kopf.
„Sag das nochmal", meinte Ian.
„Du hast einen hübschen kleinen Arsch", sagte ich erneut, wobei ich dieses Mal die letzten drei Worte besonders verführerisch betonte und wir alle in Lachen ausbrachen.
Wenige Minuten später saßen wir wieder im Auto, doch dieses Mal musste sich Rylie neben Ian setzen und ich machte es mir am Fenster gemütlich.
„Wo ist dieses Mienen-Dingens eigentlich ?", wollte Rylie wissen.
„Ungefähr 50 Kilometer außerhalb von Kapstadt", antwortete Ben. Schweigen folgte.
Eine Viertelstunde später meldete sich Rylie wieder zu Wort : „Ich finde wir sollten etwas singen." „Nein!", sagte ich schnell, bevor Rylie auch nur auf die Idee kommen könnte anzufangen zu singen. „Lieber nicht, Rylie", meinte Ian und blickte zu mir rüber.
„Da sind wir uns ja einmal mal einig!"
Ian grinste. Ich auch.
„Whoa", kam von Rylie. „Leute... tut das bitte nicht, wenn ich zwischen euch sitze!"
Ich blickte ihn fragend an.
„Du weißt schon, was ich meine!"
„Nein, tut mir Leid, Rylie, aber ich glaube, ich kann dir nicht so ganz folgen."
„Was ist denn los dahinten?", fragte Ben von vorne.
„Nichts", antwortete ich schnell. Dann wandte ich mich wieder Rylie zu. „Was zur Hölle meinst du??" „Nun ja..." Rylie blickte zwischen mir und Ian hin und her.
„Ach sooo..." Mir wurde plötzlich bewusst, was er vermutete. Ich grinste und fing an Rylie zu kitzeln, der hektisch um sich schlug und versuchte sich von mir zu befreien.
Der Wagen hielt und jemand pickte mir auf die Schulter.
„Jetzt nicht!", rief ich.
„Wir sind da", erklärte Ian, der gerade dabei war sich loszuschnallen.
„Öhm... ach so... OK." Ich erlöste Rylie, der sofort nach Luft schnappte.
„Das kriegst du zurück!"
„Ich freu mich schon drauf."
Ich hörte Ian außerhalb des Autos lachen, als ich ebenfalls ausstieg.
„Lach nicht!", hörte ich Rylie motzen, der auf Ians Seite ausgestiegen war. Ich grinste.
Wir waren auf einem alten Fabrikgelände angekommen, das ziemlich runtergekommen aussah. Ich schaute mich um. Hie und da stand ein alter verrosteter Truck. Die Lagerhalle war ebenfalls total verrostet. Alte kaputte Maschendrahtzäune säumten das Gelände.
„Und wo ist jetzt diese Miene?", fragte Rylie ungeduldig.
Ben blickte zu Ian.
„Der Eingang könnte sich vielleicht in der Halle da drüben befinden", meinte dieser und deutete auf die Lagerhalle.
„Also, worauf warten wir?", meinte Ben. Wir gingen rüber und blieben vor den riesigen Metalltüren stehen.
„Und jetzt?", fragte ich, denn ich hatte beim besten Willen keine Ahnung, wie wir diese alten , großen und dazu noch verrosteten Türen aufkriegen sollten.
„Anklopfen", meinte Rylie und lachte ganz alleine über seinen Witz.
„OK", murmelte er schließlich als er merkte, dass niemand lachte und hörte auf zu lachen.
Ich blickte zu Ben. Er schlug einmal gegen die Tür, um herauszufinden, wie stabil diese war. Dann zog er daran und versuchte sie auf diese Weise zu öffnen. Sie bewegte sich keinen Millimeter.
„Helft mir mal!", sagte er und zog weiterhin an der Tür.
„Das bringt nichts, Ben", meinte ich, denn die Tür sah nicht wirklich so aus, als könne man sie bewegen. „Versuchen können wir es doch wenigstens!"
Ich war nicht wirklich überzeugt, aber half ihm trotzdem. Die bewegte sich zuerst gar nicht, doch als wir fester daran zogen, schwang sie plötzlich auf und wir wurden alle nach hinten geschleudert, wobei ich irgendwie auf Ian landete.
„Oh", entfuhr mir und ich versuchte mich so schnell wie möglich wieder auf die Beine bekommen. Ian schien es genauso zu gehen. Wir konnten gar nicht schnell genug voneinander runterkommen.
Ben zögerte nicht und betrat sofort die Halle. Drinnen war kein Licht.
Ich lief zum Auto und holte die Taschenlampen raus, die Ben in den Kofferraum gepackt hatte. Rylie kam ebenfalls angelaufen und nahm mir ein paar Lampen ab. Wir liefen zurück zu den anderen und ich reichte Ben und Abigail je eine Lampe. Ben blickte uns an.
„Lasst uns auf Schatzsuche gehen!"
Wir schalteten die Taschenlampen an und betraten die Halle. Es war stockfinster hier drinnen- besonders in den hinteren Teilen- und das einzige Licht, das hier herein schien, kam von draußen und von unseren Taschenlampen.
„Dort drüben!", rief Ian und deutete auf ein Holzgestell am anderen Ende der Halle.
„Was ist das ?", fragte ich, denn ich konnte in der Dunkelheit nichts erkennen.
„Das", antwortete mir Ian, „ist der Eingang zur Miene."
„Aha."
Wir liefen auf den Eingang zu als plötzlich aus der Dunkelheit heraus ein Augenpaar auftauchte. Dann noch eins und noch eins. Es wurden immer mehr!
„Heilige Scheiße!", murmelte ich.
„Was sind das denn für kleine Tierviecher ?", entfuhr Rylie.
„Hyänen", meinte Ian gelassen.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich in eine hundert Jahre alte Miene gehen möchte, wenn ich weiß, dass ich, wenn ich rauskomme eh lebendig aufgefressen werde", sagte Rylie und eine Spur Angst war deutlich in seiner Stimme zu hören.
„Mach dir nicht ins Hemd, Rylie", hauchte ich ihm sarkastisch rüber, wobei ich zugeben muss, dass mir auch etwas mulmig zumute war.
„Die werden uns nichts tun", sprach Ben aus der Dunkelheit heraus, aber er klang auch nicht wirklich so, als würde er auch meinen, was er da sagte.
„Scheiß auf die Hyänen", rief ich und lief auf den Eingang der Miene zu.
Die anderen folgten mir dicht auf den Fersen. Ich war zwei Meter von der Miene entfernt,als ich plötzlich ein Rascheln hörte. Ich blickte mich ängstlich zu den anderen um.
„Was ist das denn jetzt?", fragte Rylie panisch.
Die Antwort kam sofort angeflogen. Ein großer Schwarm Fledermäuse kam uns aus der Miene entgegen geflattert. Ich warf mich zu Boden, in der Hoffnung nicht von den Biestern attackiert zu werden.
„Oh, Gott!", hörte ich Rylie hinter mir.
Ich wartete bis ich kein Flügelschlagen mehr hören konnte und stand auf. Ben und Ian grinsten mich an. Ich blickte sie fragend an.
„Was?"
„Nichts", antworteten die beiden unisono und grinsten sich gegenseitig an.
Ich blickte zu Boden, schüttelte den Kopf und folgte dann den beiden Männern in die Miene.
„Äh... Leute?", kam von Rylie, der als letzter hinter und her lief. „Ich will nicht als letzter laufen!" „Angst?", fragte ich hämisch.
Rylie antwortete nicht. Ich wandte mich wieder um und rannte fast in Ians braune Lederjacke. „Whoa!", entfuhr mir. „Was jetzt?" I
ch blickte an Ian vorbei und sah ein großes Loch, dass sich vor uns im Boden auftat. Die Schienen, die uns den Weg gezeigt hatten, waren durchgeschmolzen und hingen jetzt nach unten in das Loch hinein. „Das ist unser Weg", antwortete mir Ian.
Ich blickte ihn ungläubig an. Das war unser Weg? Ein Loch? Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe hinein. Circa drei Meter unter dem Loch wurde wieder fester Untergrund sichtbar. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch blickte ich zu Ian.
„Wollen wir?", fragte Ben.
Ich schaute zu ihm rüber und nickte.
„Hat jemand ein Seil oder so ?", fragte Abigail.
„Ich glaube, im Auto sind welche...", antwortete ich. „Ich geh mal gucken!", meinte ich und lief los.
Ian kam hinter mir her.
„Denkst du, ich schaff das hier nicht alleine, oder wie?", fragte ich ihn, als wir draußen am Auto standen und ich den Kofferraum öffnete.
Ian gluckste leise vor sich hin. „Na ja..."
„Was na ja??"
„Ach nichts."
Ich blickte misstrauisch zu ihm rüber.
Im Kofferraum waren keine Seile. Ich schaute vorne im Auto nach, doch auch dort waren keine Seile zu finden.
„Scheint, als müssten wir mit leeren Händen zurückgehen", bemerkte Ian.
Ich nickte, machte den Kofferraum zu und wir gingen gemeinsam zu den Anderen zurück. Ich schüttelte den Kopf, als wir bei ihnen ankamen.
„Keine Seile da", sagte ich.
Ben blickte durch das Loch im Boden.
„Dann müssen wir halt so runter."
„Wus?", entfuhr Rylie und mir gleichzeitig. Wir blickten uns an, dann blickten wir wieder zu Ben.
„Wir können doch nicht einfach so in ein drei Meter tiefes Loch springen!", beschwerte sich Rylie. „Was schlagt ihr sonst vor?"
„Ich schlage vor, dass Ian als Erster runtergeht!", rief ich und gab ihm einen Schubs, sodass er in das Loch hinunter fiel.
Ben, Abigail und Rylie starrten mich total verblüfft an. Ich blickte sie mit einem 'Es-ist-doch-die-natürlichste-Sache-der-Welt-einen-Ian-Howe-durch-ein-drei-Meter-tiefes-Loch-zu-schmeißen'-Blick an.
„Es ist sehr dreckig hier unten", hörten wir Ian aus dem Loch rufen.
Ich blickte in das Loch und leuchtete Ian mit meiner Taschenlampe an.
„Alles OK da unten?"
„Musste das sein?"
Ich antwortete nicht, stattdessen warf ich ihm meine Taschenlampe hinunter.
„Geh mal zur Seite!"
Ich setzte mich an den Rand des Loches und ließ mich hinunterfallen. Ich landete perfekt auf meinen Füßen und grinste Ian an.
„Siehst du das?", fragte Ian und drehte sich ein wenig zur Seite, sodass ich seine Jacke von hinten sehen konnte.
Wir traten zur Seite, als Ben zu uns runterkam.
„Da", fuhr Ian fort und deutete auf ein winziges Loch hinten an seiner Jacke. „Das ist deine Schuld. Das ist grade passiert, als du mich hier runter geschubst hast!"
„Und jetzt werden wir alle sterben!", murmelte ich.
„Nein, nur du!", grummelte Ian.
Abigail kam runter gesprungen.
„Äh... Leute", hörten wir Rylie von oben. „Ich will euch nicht drängen, aber könnt ihr mal hinne machen?!"
Er hatte Angst. Das war mehr als eindeutig. Ich musste kichern. Man soll sich zwar nicht über die Ängste von anderen Menschen lustig machen, aber Rylie war heute ja mal wieder wie ein Kleinkind. Er kam runtergesprungen und wir machten und auf den Weg.
Vor und tat sich ein dunkler Tunnel auf. Das war unser Weg.
Ben ging vor. Ihm folgten Abigail und Rylie. Hinter Rylie lief ich und das Schlusslicht bildete Ian. Wir liefen bestimmt eine Viertelstunde durch diesen scheinbar endlosen Gang bis wir an eine Abzweigung kamen. Ein Gang führte nach rechts, der andere nach links. An der Wand vor uns stand etwas geschrieben, was ich nicht verstand. Wahrscheinlich war es afrikanisch oder so. Ian trat an die Wand und richtete seine Taschenlampe auf die Schrift.
„Bla, bla, bla", las Ian. Plötzlich hellte sich Ians Miene auf und er deutete nach rechts. „Wir müssen in die Richtung."
„Woher weiß du das?", fragte Abigail.
„Weil es da steht?", schlug Ian vor.
„Und was ist, wenn das ganze nur eine Falle oder so ist. Ich meine, die werden einen wohl kaum den direkten Weg zur Schatzkammer einfach so sagen!", meinte ich.
Ian und Ben schauten sich an.
„Irgendwo hat sie recht", erklärte Ben. Ian nickte.
„Wir könnten uns aufteilen. Die eine Gruppe geht nach rechts, die andere nach links. Ich glaube, im Auto sind noch ein paar Walkie-Talkies..."
„Glaubst du?", grummelte Ian gehässig. „Genauso, wie du glaubtest, dass im Auto auch Seile wären?" „Ian, wie wäre es ,wenn du jetzt mit mir zurückgehst, mich durch das Loch hebst und ich gehe schnell zum Wagen und hole die Talkies, die sicherlich dort sind!", konterte ich, denn ich wusste, dass im Auto ein paar Walkie-Talkies waren.
Ian blickte zu Ben rüber. Er seufzte.
„Na gut",sagte er schließlich.
Ian und ich sprinteten förmlich den Weg zurück. Als wir zurückkamen hielt jeder von uns ein Talkie in der Hand. Touché.
„Wer geht mit wem?", wollte Rylie wissen.
„Ich geh mit Abigail und Rylie, OK?",schlug Ben vor.
Ich schaute zu Ian. OH GOTT!
„Muss das sein?",nörgelte ich.
Ben antwortete nicht.
„Is ja schon gut..." Ich gab nach. Ian und ich gingen nach links, die anderen nach rechts. Wir folgten schweigend den Gang.
„Was hast du eigentlich gegen mich?", brach Ian schließlich die Stille.
„Vielleicht sollte ich dich an dieser Stelle an den kleinen Zwischenfall mit Rylie vor ..hmm... zwanzig Jahren erwähnen..?"
„Di... ich hab mich tausendmal dafür entschuldigt. Was willst du denn noch?"
Ich antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Doch Ian gab nicht nach und stellte sich einfach vor mir in den Weg. Ich blickte auf.
„Diana...", hauchte Ian und blickte mir tief in die Augen. Ich glaube, das war der Moment, in dem ihn klar wurde, was ich für ihn empfand.
Ian schaute zu Boden und fuhr sich nervös durch die Haare, dann ging er einfach weiter. Ich folgte ihm in einigen Schritten Abstand, als das Talkie plötzlich klickte und ich Rylies Stimme vernehmen konnte.
„Wie sieht es bei euch aus?"
Wir blieben stehen und starrten auf das Walkie-Talkie.
„Wir laufen noch. Bis jetzt haben wir noch nichts außergewöhnliches entdeckt. Wie ist es bei euch?"
„Wir sind in eine Sackgasse getreten. Hier ist nichts. Aaaaaaaah!"
„Rylie?", riefen Ian und ich nun gleichzeitig.
„Rylie, was ist passiert? RYLIE!"
„Al-alles OK", keuchte Rylie. „Alles OK. Hier kamen grade irgendwelche Speere aus dem Boden, aber uns ist nichts passiert."
„Wir werden jetzt umdrehen", meldete sich Ben zu Wort.
„In Ordnung",antwortete ich und blickte kurz zu Ian. „Aber seid vorsichtig!"
Ian fummelte nervös an seiner Nase rum.
„Denkst du uns könnte auch so etwas passieren?"
Er nickte. „Ich hätte es eigentlich auch ahnen müssen. Ich hab den Scheiß schließlich studiert!"
„Mach dir keine Vorwürfe."
„Mach ich a-" Er verstummte, als wir plötzlich ein tiefes Grummeln vernehmen konnten und der Boden unter uns anfing zu wackeln. Ich blickte erschrocken zu Ian. „Fuck!"
„RENN!";schrie Ian und zog mich an meinem Arm hinter sich her.
„Was ist das?", keuchte ich.
„Eine Kugel", antwortete Ian einfach.
Scheiße,dachte ich nur. Scheiße, das werden wir nicht überleben!
