Ich lief schnurgeradeaus zum Büro der Schulleiterin Professor Dolores Umbridge.

Ohne Anzuklopfen ging ich hinein und befand mich plötzlich im Zuckerwatte-Wunderland, das sich aus pinken Wänden, dicken pinken Vorhängen und ebenso pinken Polsterungen auf den Stühlen zusammensetzte. Die verabscheuungswürdigste und grausamste Bedrohung - ebenfalls in Pink gekleidet - saß mit einer kleinen Teetasse in der Hand an ihrem Schreibtisch, auf dem alles akkurat und parallel zur Tischkante lag.

»Ach, Ms Potter, was kann ich für Sie tun?«, fragte sie. Ich hasste ihren Süßholzraspelton noch mehr als ihren Katzenwahn, der sich in der Hinsicht äußerte, dass sie Millionen von Tellern an die Wand ihres Büros gehängt hatte, auf denen Katzen mit Wollknäueln oder Bällen spielten oder einen anfauchten, so wie sie es jetzt bei mir taten. Überall waren Fauchgeräusche oder drohendes Knurren zu hören.

»Ich werde alle Strafen jedes einzelnen Schülers an dieser Schule auf mich nehmen, lassen Sie sie in Ruhe und bestrafen Sie nur mich«, sagte ich absolut und unwiderruflich ernst.

»Was haben Sie da gesagt?«, fragte sie mit ihrer Mädchenpuppenstimme. Die Freude, die plötzlich in ihren Augen aufblitzte, brachte mich fast zur Weißglut.
»Sie haben mich schon verstanden«, sagte ich vorlaut. »Ich habe den Hogwartsschülern dieses Unheil beschert, also werde ich auch für sie ausbaden, wofür ich verantwortlich bin. Ich werde jede Art von Strafe auf mich nehmen. Und Sie werden sie im Gegenzug verschonen und ihnen keine Strafen mehr aufbürden.« Mein Blick war eiskalt und entschlossen auf ihr Gesicht gerichtet, in dem gerade ein Tornado an Gedanken wütete.

»Lassen Sie mich das nochmals zusammenfassen, Ms Potter«, sagte sie, stellte ihre Tasse auf die Untertasse auf dem Tisch, stand von ihrem Plüsch-Barbie-Sessel auf und lief um mich herum, wie eine Motte um das Licht. »Sie übernehmen die Strafen für die Schüler dieser Schule, die Sie ihnen aufgebürdet haben und denken, dass ich das einfach so tolerieren werde?« Sie stellte sich vor mich und reckte das Kinn, sodass sie mir zumindest mal bis zur Brust ging. »Wo wäre denn dann der Lernfaktor?«
»Sie mögen mich nicht, das weiß ich«, sagte ich. »Außerdem bin ich mit unter fast die einzige, die je Nachsitzen bekommen hat-«

»Mit Ausnahme von ihren Freunden Ms Granger und Mr Weasley«, warf Umbridge ein. Na ja, das war leider wahr. Ron Weasley und Hermine Granger waren meine besten Freunde in Hogwarts, seit ich denken kann, wobei Ron wohl mein erster wirklicher Freund in meinem ganzen Leben war, bevor noch Hermine dazukam, nachdem wir sie vor dem Bergtroll gerettet hatten. Gemeinsam mit ihnen hatte ich schon einiges erlebt und sie vertrauten mir, genauso wie ich ihnen, deswegen hatten sie sich - genau wie ich - viel zu oft Nachsitzen bei der pinken Kröte vor mir eingehandelt, nur weil sie meine Meinung über Lord Voldemort vertreten haben. »Oder sollte ich lieber auch noch die gesamte Familie von Mr Weasley dazu nehmen«, fügte Umbridge hinzu. »Diese drei haben ja auch oft meine Nachsitzstunden mit ihrer Anwesenheit bereichert.«

»Fred, George und Ginny haben damit überhaupt nichts zu tun. Außerdem würde Sie es doch freuen, wenn ich viel öfters zu Ihnen zum Nachsitzen kommen würde, oder?«, fragte ich immer noch steinhart.

»Hm«, machte sie und legte einen Finger nachdenklich an ihr wulstiges Kinn. »In der Tat, es würde meinen Tag nur zu sehr versüßen, wenn ich wüsste, dass wir mehr miteinander in dieser Richtung zu tun hätten.« Sie drehte sich um und setzte sich wieder an ihren Schreibtisch. »Nur … sagen Sie mir, Ms Potter: Wie sind Sie auf diese brillante Idee gekommen?« Ich schluckte meine Wut über ihre Freude herunter und atmete kurz tief durch.

»Ich habe den kleinen Dennis Creevey gesehen, wie er gerade zum Essen gekommen ist. Er war in Tränen aufgelöst und hatte höllische Schmerzen. Er hatte wohl gerade Nachsitzen bei Snape. Und da habe ich mir diesen Entschluss gefasst.« Umbridge nahm einen Schluck von ihrem Tee und dachte kurz nach. Dann lächelte sie wie ein Honigkuchenpferd, das zu viel von der Siruptorte genascht hatte.

»Ich will ja nicht so sein«, sagte sie und faltete die Hände auf dem Tisch. »Wenn Sie den unstillbaren Durst nach Buße haben, dann will ich nicht diejenige sein, die Ihnen das verwehrt. Ich wäre angetan von Ihrer Idee.« Sie sah an der Wand entlang, an der ihre Teller mit Katzen hingen. Es sah aus, als ob sie in eine Art Trance fallen würde. »Ich werde Sie benachrichtigen, wenn ein Schüler mal wieder Unfug treibt und eine Strafe verdient hat.« Ich nickte und wollte schon aus dem Raum laufen, doch plötzlich schwang die Tür schlagartig auf und Filch kam mit einem Gryffindor-Fünftklässler, den er am Kragen hinter sich herschleppte, herein. Dem Jungen fiel seine Brille beinah von der Nase und durch seine verstrubbelten blonden Haare musste ich feststellen, dass es Kendall Deverill war. Er war in so einer Gang mit Stewart Molesworth, Neil Randall und Thomas Paley. Ich hatte schon öfters das Vergnügen, seine Hochmütigkeit kennenzulernen. Ich sage nur: kein Kommentar!
»Professor Umbridge, diesen Rotzlöffel habe ich gerade dabei erwischt, wie er mit seinen Freunden die Wände im 5. Stock beschmiert hat«, berichtete Filch. »Seine Kumpanen sind mir leider entwischt, jedoch konnte ich ihn noch schnappen.« Filch sah Deverill mit einem seine Psychoblicke an. »Für wann sollen wir das Nachsitzen ansetzen?« Deverill sah etwas ängstlich zwischen Filch und Umbridge hin und her und wartete auf seine Strafe.

»Nicht nötig, Mr Filch«, verkündete Umbridge fast schon feierlich und zeigte auf mich. »Ms Potter hat sich freiwillig bereitgestellt, die Strafen der Schüler auf sich zu nehmen.« Deverill sah mich geschockt an.

»Du hast was gemacht?«, fragte er leise entsetzt.

»Ich musste es tun«, sagte ich entschieden. »Es war meine Schuld, dass ihr euch das antun musstet, aber damit ist jetzt Schluss. Das erschien mir einfach die wirkvollste Lösung.«

»Genug der Worte«, beendete Umbridge ruhig. »Sie können beide gehen. Ich werde mir einen Termin für das Nachsitzen überlegen, Ms Potter.« Ich nickte und verließ mit Deverill das Büro.

»Wieso hast du das gemacht?«, fragte er sofort. »Wir können das doch bestimmt alle durchstehen, wenn wir nur alle an einem Strang ziehen. Du brauchst dich nicht zu opfern. Das ist unnötig.«

»Zu spät, Deverill, es ist schon geschehen; du kannst nichts mehr ändern«, sagte ich und starrte nur weiterhin geradeaus. »Hättest du bestimmt auch gemacht, wenn du in meiner Situation wärst, aber sei froh, dass du es nicht bist.«

»Aber wenn Ravenclaw, Hufflepuff und Gryffindor zusammenarbeitet, dann können wir der alten Mistkröte doch bestimmt eins auswischen.«

»Wir können Umbridge eins auswischen?«, kam es urplötzlich aus einem dunklen Gang links von mir und zwar so gespenstisch und unerwartet, dass ich einen kleinen Schrei ausstieß und gleichseitig meinen Zauberstab zog und ihn auf den Gang richtete. Drei Stimmen begannen zu lachen und kurz danach traten drei Jungen aus der Dunkelheit, von denen mir sofort klar war, dass sie Stewart Molesworth, Thomas Paley und Neil Randall waren. Die Drei waren die totalen Gegensätze zueinander: Molesworth war ziemlich groß, hatte kurze dunkelblonde Haare, war breitschultrig und hatte Arme, die einem Bodybuilder Konkurrenz machen konnten, außerdem war er zu jeder Jahreszeit bleich. Randall war dunkelhäutig, hatte schwarze Rastazöpfe, die ihm bis zum Kinn gingen, und war ziemlich schlaksig und hochgewachsen. Paley war außerordentlich klein für ein Junge seines Alters, hatte eine Schweinchensfigur wie Dudley und hellbraune Haare, oder eher gesagt hellbraune Stoppeln, die ihm gerademal ein oder zwei Millimeter aus dem eierförmigen Schädel ragten.

»Dann stimmt die Legende also doch nicht«, sagte Randall, während die Drei sich zu uns gesellten und ich den Zauberstab wegsteckte.

»Sagte ich doch«, grinste Paley und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Was labert ihr da?«, fragte ich verwirrt und sah in die Runde.

»Unter einigen Hogwartsschülern geht die Legende herum«, begann Randall, »dass du noch nie vor etwas Angst hattest oder dich erschrocken hast.«
»Welcher Schwachkopf denkt sich denn so was aus?«, fragte ich genervt. »Natürlich habe ich manchmal Angst.«

»Der Schwachkopf steht direkt vor Ihnen«, verkündete Molesworth. »Stewart Molesworth. Stets zu Ihren Diensten, Ma'am.« Er machte eine tiefe Verbeugung vor mir, während die anderen beiden ihn nur grinsend dabei betrachteten und Deverill ihm einen warnenden Blick zuwarf.

»Aber jetzt mal wieder zu 'nem anderen Thema«, beendete dieser. »Du kannst das nicht allein durchstehen, Potter, du wirst kläglich untergehen.«

»Ich habe keine Lust auf deine Predigten, Deverill, das werde ich schon von meinen Freunden zu hören bekommen«, sagte ich genervt und ging einfach weiter in Richtung Große Halle, doch die Vier kamen mir hinterher.

»Hör zu, wir können doch bestimmt so was wie einen Plan entwickeln«, meinte Deverill.

»Worum geht's hier eigentlich?«, fragte Randall verwirrt, doch ich gab Deverill gar nicht erst die Chance, zu antworten und tat es mit: »Das ist eine Sache zwischen Umbridge und mir und da werdet ihr euch gefälligst raushalten!« Endlich waren wir in der Großen Halle angekommen, wo gerade das Mittagessen begonnen hatte. Der Lärm, der hier herrschte, war im Vergleich zu Umbridge's Büro ohrenbetäubend. Einige Gerichte erschienen schon auf den Tellern der Schüler. Ich ließ meine Augen über den Gryffindortisch wandern auf der Suche nach meinen Freunden und ich fand sie auch schnell. Sie saßen am anderen Ende des Tisches, also lief ich einfach weiter, jedoch folgten mir die vier Plagegeister weiter.

»Aber sie wird dir doch ewige Schmerzen zufügen!«, versuchte Deverill es noch einmal, doch ich beendete unsere Auseinandersetzung mit einem bösen Blick und einem geknurrten: »Verschwindet endlich und lasst mich in Ruhe!« Mein Mörderblick musste wohl ziemlich einschüchternd sein, denn, als ich weiterlief, blieben die Vier stehen und ließen mich endlich in Ruhe.

Wann würde ich wohl zum ersten Nachsitzen müssen? Heute? Morgen? Ich wusste es nicht, denn ich wusste nicht, wann mal wieder die Erstklässler irgendwo eine Stinkbombe hochgehen ließen oder Deverill und seine Freunde wieder Wände beschmierten. Also musste ich auf heißen Kohlen sitzen und warten.
Ich lief ans andere Ende des Gryffindortisches und setzte mich zu meinen Freunden - Hermine und Ron -, die immer noch den weinenden Dennis Creevey trösteten. Er hatte höllische Schmerzen, die von den eingeritzten Worten auf seiner Hand ausgingen: Ich darf Professor Umbridge und das Ministerium nicht in Frage stellen! stand blutig auf seinem bleichen Handrücken.

»Das wird schon wieder«, sagte Hermine mütterlich.

»Nach ein paar Tagen wirst du fast gar nichts mehr sehen; war bei uns auch so«, fügte Ron hinzu und schob sich einen Löffel voll Kartoffelbrei in den Mund. Ich setzte mich neben ihn und sofort fragte er schmatzend: »Wasch hascht duh gemascht?«

»Ich habe nur diesen Blödsinn da beendet«, sagte ich, nickte zu Dennis' Hand und stocherte in den Spaghetti herum, die gerade auf meinem Teller erschienen waren.

»Was meinst du? Wie willst du das beendet haben?«, fragte Hermine hellhörig, doch ich hatte nicht die Chance zu antworten, da eine Stimme hinter mir das verhinderte.

»Hey, Hailey«, sagte sie und als ich mich umdrehte sah ich in die Gesichter der Zwillinge Fred und George Weasley, den großen Brüdern von Ron. Mein Magen machte einen kleinen Hüpfer, als ich Fred's Lächeln sah. Ehrlich gesagt hatte ich mich schon eine ganze Weile in den Bruder meines besten Freundes verguckt und war immer ganz wuschig, wenn er in der Nähe war. Wenn er mich genau wie jetzt anlächelte, dann wurde mir immer heiß und kalt zugleich und mein Magen begann zu kribbeln und Saltos rückwärst zu schlagen. Ron wusste davon nichts. Außer Hermine und Ginny Weasley - meine beiden weiblichen besten Freunde, neben Luna Lovegood - wusste das niemand und die beiden waren von selbst draufgekommen. Beide hatten mir hoch und heilig versprochen, keinem ein Sterbenswörtchen darüber zu erzählen und bis jetzt hatte das auch gut funktioniert.

»Was gibt's?«, fragte ich ungewohnt lässig. Wie konnte meine Stimme nur so ruhig wirken, wenn ich mich in meinem Innern wie kurz vor dem Auszug von den Dursleys fühlte?

»Umbridge hat uns gerade einen Brief für dich gegeben«, sagte George und setzte sich neben mich.

»Wir hatten grad Nachsitzen«, fügte Fred hinzu, der sich auf George's andere Seite setzte.

»Und ich glaub, das sieht nicht gut für dich aus«, sagte George wieder - ach übrigens: das einzige, was ich an den Zwillingen wirklich hasste, war ihr Hin- und Hergerede. Man musste entweder den Kopf immer von einer Seite auf die andere drehen oder die Augen zwischen den beiden hin und her huschen lassen, um auch immer denjenigen anzugucken, der gerade sprach. Meist jedoch sah ich George an, da ich Angst hatte, rot zu werden, wenn ich Fred ansah, und mich somit zu verraten.

»Wieso sollte ein Brief denn schlecht sein?«, fragte ich scheinheilig und sah aus Prinzip George an.

»Die alte Kröte hat sehr glücklich ausgesehen, als sie ihn uns übergeben hat«, antwortete jedoch Fred und warf einen Briefumschlag um George herum, sodass er direkt vor meinem Teller zum Liegen kam.

»Das kann nur eins sein«, meinte ich und öffnete ohne Umschweifen den Umschlag:

Sehr geehrte Ms Potter,
in Anbetracht der Tatsache, dass nur noch Sie das Nachsitzen mit Ihrer Anwesenheit bereichern werden, habe ich einen Termin für ebenselbiges angeordnet.
Finden Sie sich in spätestens 20 Minuten in meinem Büro ein, damit wir die Nachricht, dass Sie keinen Unfug treiben sollen, schnell in Ihren Kopf bekommen.
Unterzeichnet:
Dolores Jane Umbridge, erste Untersekretärin des Zaubereiministers und Schulleiterin der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei

»War klar«, sagte ich, nachdem ich den Zettel gelesen hatte und warf diesen in meine Tasche.

»Was stand denn drin?«, fragte Hermine besorgt, denn sie wusste, dass Umbridge mich nicht leiden konnte und mich auf dem Kieker hatte.

»Ich habe Nachsitzen«, sagte ich achselzuckend, ließ meinen Teller unberührt stehen, stand auf und warf mir meine Tasche über die Schulter.

»Wie? Jetzt?«, fragte sie entsetzt. »Aber es ist Mittag-«

»Denkst du, dass es Umbridge interessiert, ob ich ein Mittagessen hatte oder nicht?«, warf ich ein. »Ich soll in 20 Minuten zu ihr kommen, sonst verlängert sie wahrscheinlich. Wir sehen uns in Zauberkunst.« Mit diesen Worten verließ ich den Gryffindortisch und lief geradewegs in die Höhle des Löwen.