Titel: Das Haus

Teil: 1/3

Autor: Shiva

Email: shiva@anime.de

Serie: Gravitation

Rating: PG 12

Warnings: Böse Geister, Spuk und Dämonen

Pairing: K/ Sakano (angedeutet)

Kommentar: Es ist nun genau ein Jahr her, seit ich mit dieser Geschichte begonnen habe und ungefähr in der Mitte hat mich eine furchtbare Schreibblockade erwischt und mir wollte einfach nix mehr einfallen *drop* Jetzt habe ich's doch noch fertig gebracht und ich hoffe, sie gefällt euch. Note: Dies hier ist nie durch eine Beta gegangen, weil ich das pünktlich zu Halloween rausbringen wollte. Jetzt ist es in etwa eine Real-Time Story. ^-^; Reviews, Anmerkungen und Kritik nehme ich daher gerne an, aber besten per email! Wre rehctshcreibfheler fidnet, darv sie behahlten ;)

29.10.03 Der Schrecken beginnt

Grauer Nebel verhängte die Welt mit einem dunklen Schleier. Wabernd kroch er zwischen den hohen Bäumen des nahe gelegenen Waldes hervor, der wie eine Reihe schwarzer Säulen in den Himmel wuchs. Obwohl es noch mitten am Tage war, war es dunkel und die Sicht betrug nicht mehr als hundert Meter. Weit in die Ferne mussten sie jedoch nicht sehen.

Pompös ragte das mit Weinranken bewachsene Herrenhaus vor ihnen auf. Unter den bereits bunt gefärbten Blättern konnte man noch die gotischen Spitzbögen und Erker ausmachen. Doch die Fassade unter dem blutroten Weinlaub war grau und strahlte eine gewisse unheimliche Atmosphäre aus. Zumindest auf K. Dem Manager der Musikgruppe Bad Luck standen die langen blonden Haare zu Berge, als er das gruselige Haus betreten sollte.

„Warum mussten wir ausgerechnet dieses Haus für den Videodreh buchen?", seufzte er, das flaue Gefühl in der Magengegend bekämpfend.

„Du wolltest doch ein altes Schloss für das ‚Crimson Love' Projekt", entgegnete Sakano schulterzuckend. „Was mir eher Sorgen macht, ist der Termindruck. AAAAHHHH! Wir haben schon den 29. Oktober und wir werden nie rechtzeitig fertig! Und der Chef wird..."

„Ruhe!", unterbrach ihn K mit drohendem Unterton. „Ich bin schon unruhig genug, also schweig!"

Sakano schwieg, eine Augenbraue über den Brillenrand hebend. „Du bist doch nicht etwa abergläubisch?!"

Das hatte der dunkelhaarige Producer der derzeit erfolgreichsten Popgruppe Japans nicht erwartet. Jedenfalls nicht von K, der immer ruhig, gelassen und furchtlos in jede Schlacht des Lebens zog. Im Moment allerdings machte er keinen sehr mutigen Eindruck. Den Kopf unruhig zwischen die Schultern gezogen, die Arme schützend vor der Brust verschränkt stand er da wie ein kleiner Junge, der am liebsten so schnell wie möglich in das Bett seiner Mutter krabbeln würde.

„Ich weiß nicht, was es ist, aber mit diesem Haus stimmt etwas nicht. Es ist unheimlich!", brummte K mit kehliger Stimme, die fast schon eine Krächzen gleichkam. Entweder er hatte ich erkältet oder er hatte wirklich einen Kloß im Hals. Sakano tippte auf letzteres, denn er konnte ein leises Zähneklappern von ihm hören.

„Man kann sich auch anstellen. Wir hatten uns auf dieses Haus geeinigt, weil es weit abgelegen ist und keine Nachbarn uns wegen der lauten Musik, die bei einem Videodreh unabdingbar ist, verklagen können. Und da wir hier als Ortsfremde in England sind, kann das nur von Nutzen sein. Hier hätten wir unsere selige Ruhe und schau dir das Haus doch an: Es ist perfekt. Jetzt lass uns da rein gehen und endlich den Vertrag klar machen!"

Sakano klopfte K auf die Schulter und schritt an ihm vorbei, um den uralten Türklopfer an dem riesigen Portal zu bedienen. Bevor er dazu kam, öffnete sich die schwere Eichentür vor ihm. Der dunkelhaarige Producer erschrak und machte einen Satz zurück, wobei er gegen Ks Brust stieß, der ihn wieder von sich schob.

„Stimmt, man kann sich auch anstellen", sagte grinsend, mit einem Wink auf den älteren Mann der nun in der Tür stand.

„Sie müssen Sakano-san und K-san sein", sagte dieser mit brüchiger Stimme und vollzog die Andeutung einer Verbeugung. „Ich bin der Besitzer und Verwalter dieses Hauses, mein Name ist Anthony Hills, sehr erfreut."

K klappte der Unterkiefer herunter, als er registrierte, was Mr. Hills gerade gesagt hatte. „Sie sprechen japanisch?!", rief er erstaunt aus.

Der Hausbesitzer lachte kehlig. „Jaja, meine Schwiegertochter ist Japanerin und hat mir in einem mehrmonatigen Aufenthalt in Nipon diese schöne Sprache beigebracht. Lesen kann ich Ihre Zeichen allerdings nicht." Wieder lachte der alte Mann sein einnehmendes Lachen.

„Kein Wunder, dass Seguchi-san uns diesen Kontakt empfohlen hat", flüsterte Sakano.

Eine halbe Stunde und einige Smalltalkfloskeln später saßen die drei Männer an einem großen Kirschholztisch im Esszimmer. Es war deutlich, dass dieses Haus für mehrere Besucher ausgerichtet war, denn am dem Tisch hätten ohne Schwierigkeiten mehr als 20 Leute Platz gefunden. Die Gesellschaft würde über fein gewebte Hochflor-Perser schreiten und die roten Wandbehänge aus Samt sowie die antiken Ritterrüstungen bewundern können. Eine halbrunde Nische im Raum war wohl für die Barden und Minnesänger gedacht. Die Akustik in dieser großen Halle war phänomenal, jedoch nahm nur Mr. Hills davon Gebrauch, indem er die einzelnen Teile des Vertrages, seine Bedingungen inklusive, laut vorlas.

„Sie werden ja sicher haften, falls etwas bei den Dreharbeiten zu Schaden kommt, nicht wahr?", fragte der alte Mann in freundlichem, aber bestimmten Ton. Sakano, der gerade das Gemälde eines jungen Reiters auf seinem Ross betrachtete, überließ K die Antwort.

„Ja, natürlich. Aber so weit wird es nicht kommen, zumal die Schätze ihres Hauses sicher nicht mit Geld zu ersetzen sind." K wusste wirklich gut, wie man sich die Leute warm halten konnte.

„Kommen wir nun zum finanziellen Teil. Mit welcher Preislage können wir pro Tag rechnen?"

„Über Geld spreche ich prinzipiell nicht." Er kritzelte etwas auf einen kleinen Zettel und schob ihn seinen Vertragspartnern hin. „Dieser Betrag versteht sich in englischen Pfund", sagte Hills und sah K aus eisblauen Augen an, die angesichts seines Alters von der Lidfalte verkleinert wurden. Er lächelte, aber hinter der Opa-Fassade steckte ein gewiefter Geschäftsmann.

Sakano erschrak, als er die sechsstellige Summe las. „Dafür könnte ich mir hier schon ein kleines Landstück kaufen."

„Sie haben hier allein im Haus siebenhundertzehn Quadratmeter mit edelster Ausstattung und Übernachtungsmöglichkeit zur freien Verfügung, von der Umgebung mal abgesehen, was wollen sie mehr?", fragte Hills gereizt.

Nun mischte Sakano sich ein und trat hinter Ks gepolsterten Buchenholzstuhl. „Ich dachte, das Haus verfügt über eine Fläche von über tausend Quadratmetern?"

Hills nickte. „Ja, das ist richtig, aber der Westflügel ist zur Zeit wegen Restaurierung gesperrt. Die Arbeiten sind zur Zeit allerdings eingestellt, so dass sie im Prinzip sofort nächste Woche beginnen können."

„Nur, wenn wir uns preislich einigen. Ich bin sicher, Sie werden uns etwas entgegenkommen", grinste der blonde Manager und zog seine langläufige Magnum aus dem Schulterholster. Sakano konnte ihn noch mit einem harten Druck in die Schulter davon abhalten, die Waffe auf Mr. Hills zu richten.

„Ich weiß, dass Sie stark verschuldet sind und die Bauarbeiten deswegen eingestellt sind. Aber deswegen haben Sie nicht das Recht, von uns einen unangemessenen Preis zu verlangen. Ich möchte Sie bitten, Ihr Angebot noch einmal zu überdenken." Sakanos Stimme klang ruhig, der Blick seiner braunen Augen traf direkt den des Hausbesitzers. K war beeindruckt. Da hatte jemand seine Hausaufgaben gemacht und sich eingehend informiert. Sakano war nicht so wie er, nein, bei ihm war alles voll sachlichem Kalkül. Er hätte wohl alles vermasselt und sie hätten sich einen neuen Drehort suchen müssen. Doch nun einigten sie sich auf einen Preis, der beiden Parteien gerecht wurde.

Gerade als er die Unterschrift unter den fertigen Vertrag setzen wollte, klopfte es. Das Hallen des Türklopfers war sogar bis hier ins Esszimmer zu hören.

Hills entschuldigte sich höflich und verschwand, um zu öffnen. Sehr bald kam er wieder herein, gefolgt von ein paar wohlbekannten Personen.

„Shachou!!", rief Sakano erstaunt beim Anblick von Seguchi Tohma. Der blonde Präsident von NG-Productions hatte eine große Reisetasche bei sich, ebenso wie seinen Schwager Yuki Eiri, Ukai Noriko und Sakuma Ryuichi.

„Was macht Ihr denn alle hier?", wollte K nicht minder verdutzt wissen. Tohma lächelte und erklärte das Ganze mit einem einzigen Satz: „Nittle Grasper macht Urlaub!"

Der Nebel hatte sich verzogen und war einem schönen Nachmittag und einem noch schöneren Abend gewichen. Daraus entstand K's Entschluss, sich seinen grauen Trenchcoat anzuziehen und sich zu einem Spaziergang hinaus zu wagen. Obwohl es in Anbetracht dieses unheimlichen Hauses keine große Überwindung kostete, es zu verlassen, von dem überraschenden Auftauchen Seguchis und Co mal abgesehen. Die Urlauber hatten schnell ihre Gästezimmer belegt.

Nachdem Ryuichi nach dem Auspacken eine Stunde damit verbracht hatte, in seinem Nebenzimmer lautstark mit seinem Plüschhasen Kumagorou zu spielen, war K froh, ein wenig Ruhe zu schöpfen.

K atmete erleichtert aus, als er vor die Tür trat. Sein Atem kondensierte dabei zu Dampf. Es war ein klarer, kalter Oktobertag, wie es ihn in England nicht oft gab, da der Herbst zumeist von Regen und Nebel bestimmt wurde. Um so mehr genoss K die klare Luft und den milden Wind, der an seinem Haar zerrte.

Die Hände in die Taschen gegraben, spazierte er ein Stück in den Wald hinein. Da die Kronen des Nadelgehölzes viel Licht abschirmten, wuchs hier nur sehr wenig Gebüsch. Die kahlen Stämme strahlten eine Atmosphäre aus, die der des Hauses in nichts nachstand. Jetzt im Dämmerlicht des Abends war es fast unheimlich.

„Das ist nur die Angst vor der Angst", murmelte K um sich zu beruhigen. Die Sonne war am Untergehen und warf lange Schatten zwischen die Bäume, dort wo ihre letzten Strahlen rötlichen Lichts hinfielen.

Plötzlich schauderte K. Bewegte sich da etwas zwischen zwei Baumstämmen? Ihm war, als ob kleine schwarze Schemen zwischen den Bäumen hin und her huschten.

Und jedes Mal, wenn er ihnen mit den Augen folgte, waren sie verschwunden. Kalter Angstschweiß brach ihm aus und er wollte sich gerade schleunigst auf den Rückweg machen, als er ein Knurren hörte.

Langsam drehte er den Kopf und sah einen schwarzen Dobermann vor sich stehen, der bedrohlich die Zähne fletschte. Das allein hätte K nicht sehr geängstigt. Nein, es waren der modrige Verwesungsgeruch und die grün glühenden Augen, die ihm Sorge bereiteten.

„Grundgütiger", flüsterte K und griff bereits nach seiner Waffe.

Plötzlich fasste ihn etwas an der Schulter. Mit einer raschen Bewegung fuhr K herum und schlug nach seinem Angreifer, der aber gerade noch ausweichen konnte. Die Erleichterung darüber, dass es nur Sakano war, verflog sofort wieder.

„Bleib zurück! Der Hund...", rief er entsetzt.

Sein Gegenüber blickte ihn verwundert an. „Welcher Hund?"

K drehte sich zu der Stelle um, wo ihn bis eben noch eine grünäugige zähnefletschende Bestie bedroht hatte. Doch diese war wie vom Erdboden verschwunden.

„Das gibt's doch nicht!", entfuhr es dem blonden Manager. Er sah so verdattert aus, dass er Sakano fast Leid tat. Daher fragte dieser: „Was war denn los?"

„Ich glaube, ich schiebe Hallus. Hier war bis vor einer Sekunde noch ein schwarzer Hund!", erzählte K aufgeregt.

„Und ich glaube du hast recht, was die Hallus angeht. Da war nämlich überhaupt nichts. Du hast nur vor dich hin gestarrt. Ich dachte, ich hole dich mal in die normale Welt zurück und du schlägst nach mir!"

„Ich dachte du wärst ein... böser Geist", gestand K stockend. Sakano blickte ihn erst verdutzt an und brach dann in schallendes Gelächter aus.

„Du glaubst diesen Unsinn doch nicht wirklich, oder?"

„Nachdem, was ich gerade erlebt habe, wäre ich bereit zu glauben, dass mir Mary Stuart mit ihrem Kopf unter dem Arm entgegenkommt", erwiderte K ohne Humor in seinen Worten.

„Es gibt keine Geister! Ich dachte, du wärst ein erwachsener Mann!"

K blickte Sakano bestimmt aus seinen strahlend blauen Augen an. „Das ist nicht lustig. Ich bin kein Feigling, aber... so was macht mir Angst."

„Ich verstehe dich. Nadelgehölze sind immer etwas unheimlich, gerade im Dämmerlicht."

„Nein, du verstehst nicht. Das ist nicht nur unheimlich. Das ist Angst"

Erst jetzt begriff Sakano, wie ernst es K wirklich war. Er klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und beruhigte ihn: „Es gibt keine Geister, also gibt es auch nichts, wovor du Angst haben musst. Deine Fantasie hat dir nur einen Streich gespielt. Lass uns zurückgehen, es wird langsam dunkel und der Himmel gefällt mir gar nicht."

Etwa eine halbe Stunde später standen die beiden patschnass vor der Tür des Hauses. Ein Wolkenbruch hatte sie mitten auf dem Heimweg überrascht und völlig durchnässt. Zitternd vor Kälte rückten sie näher zusammen, während K den Türklopfer bediente. Sakanos hellgraue Jacke hatte sich so mit Wasser vollgesogen, dass sie dunkel und schwer geworden war. Mit den Zähnen klappernd sagte er: „England ist eine verfluchte Gegend!"

K schüttelte den Kopf, so dass sein durchgeweichter blonder Zopf Wassertröpfchen versprühte. „Ich würde es eigentlich nur auf dieses Haus beschränken..."

„Was würden Sie nur auf dieses Haus beschränken?", wollte Mr Hills wissen, der soeben die Tür geöffnet hatte. K suchte verzweifelt eine Antwort, doch Sakano kam ihm zuvor.

„Er meint die Dreharbeiten", versicherte er mit einem gezwungenen Lächeln.

Sakano hatte sich gerade die Haare getrocknet und sich umgezogen, als der Türklopfer ein dröhnendes Geräusch durch das Haus hallen ließ. Aufgrund der guten Akustik konnte man ihn wirklich in jedem Raum des Hauses hören, zumal die Schlafräume sich auf einer Empore im ersten Stock direkt über der Eingangshalle befanden. Sogleich vernahm er das schlurfende Geräusch von Mr. Hills Pantoffeln, in denen er durch die Gänge zu gehen pflegte und kurz darauf wurde die friedliche Stille der Landside durch einen quäkenden Schrei zerrissen. Er seufzte; nur zu gut kannte er die Stimme, die nun den Namen des jüngst angereisten Autoren durch das Haus brüllte.

„Yukiiiiii? Wo bist du?"

Das war Shindou-kun, ganz eindeutig. Sakano streckte den Kopf aus seinem Zimmer. Er rieb sich mit der linken Hand die Augen, bevor er sich mit der rechten seine Brille aufsetzte. Keine zwei Sekunden später sah er auch schon einen pinken Haarschopf mit einem aufgebrachten Sänger darunter die Treppen hinauf stürmen.

„Sakano-san!", keuchte Shuichi außer Atem. „Haben Sie Yuki gesehen? Ist er hier?"

Sakano schlug die Augen nieder und versuchte, sich zu sammeln und ruhig zu bleiben. „Ja, er ist hier. Er ist vor drei Stunden, kurz nach K und mir angekommen."

Shuichis Blick verfinsterte sich.

„Sakano-san? Steckt Seguchi-san hinter Yukis überraschendem Kurzurlaub?", fragte er drohend. Der Angesprochene schaute ihn verdutzt an und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. „Ähm, er ist zumindest mit ihm hier angekommen. Aber woher wusstest du, wo wir sind? Und wie bist du hierher gekommen?"

„Ich habe Mika-san angerufen und die meinte, ihr Bruder sei mit Seguchi-san in England. Sie war auch so freundlich uns die Adresse zu geben", erwiderte Shuichi strahlend. „Und nun sind wir hier!"

„Wieso wir?"

Sakanos Frage beantwortete sich von selbst, als Hiro einen riesigen Schrankkoffer durch die große Tür schleifte, wohl beobachtet von den Augen des Hausbesitzers.

„Shuichi! Hilf mir mal, Fujisaki ist schwerer als er aussieht!", rief der langhaarige Gitarrist und fegte sich eine rotbraune Strähne aus den Augen.

„Das ist nicht euer Ernst, oder?", fragte Sakano besorgt. Erst jetzt fiel ihm auf, wie zerzaust Shuichi aussah.

Shuichi grinste schief. „Wir haben uns zu dritt ein Ticket geteilt. Fujisaki und ich mussten leider die Koffer nehmen..."

„Ihr könnt doch nicht...! Seid ihr denn des Wahnsinns?!", rief der dunkelhaarige Producer besorgt. Shuichi zuckte nur mit den Schultern.

„Zu einen Medizin-Studenten mit zwei Skeletten zu Forschungszwecken sind die Zollbeamten wirklich freundlich, auch wenn er nicht im Besitz der Schlüssel zu den Koffern ist..."

Aus dem Innern des anderen Gepäckstücks drang ein gedämpftes Husten. „Nakano-san! Mach bitte auf! Ich glaube, ich muss mich übergeben!"

Hiros dunkle Augen weiteten sich vor Schreck. „Shuichi, schnell den Schlüssel!"

„Du hast ihn doch!"

„Ich dachte, du hast ihn! Ich hab ihn jedenfalls nicht..."

Eine halbe Stunde später war das Schloss des Koffers aufgebrochen und Fujisaki befreit, der sich daraufhin sofort über die nächste Toilettenschüssel beugte. K steckte seinen Dietrich wieder weg und linste zu Shuichi, der sich sogleich an Yukis Arm geklammert hatte. Auch Tohma und Ryuichi hatten sich, auf die Befreiungsaktion aufmerksam geworden, in der Eingangshalle eingefunden. Der Hausbesitzer hatte die Szene wortlos mit angesehen, aber sein Blick sprach Bände. Sonderlich begeistert war er über diesen vielen Besuch offensichtlich nicht, aber andererseits würde es ihm mehr Geld einbringen. K seufzte. Zumindest könnten sie die Kosten für die zusätzlichen Übernachtungen von der Steuer absetzen.

„Sie kommen gerade recht zum Abendessen", sagte Mr. Hills freundlich, wobei er mit einer Handbewegung auf das Esszimmer deutete. „Nach dem Essen stehen Ihnen natürlich alle Salons zur Verfügung, in denen Sie es sich vor der Nachtruhe gemütlich machen können. Ich kann Ihnen außerdem den hiesigen Sherry nur empfehlen"

„Auf dieses Angebot kommen wir gerne zurück", erwiderte Seguchi Tohma mit einem dankbaren Nicken.

„Da wäre aber noch eine Kleinigkeit", druckste Mr. Hills herum, „So wie es jetzt aussieht, habe ich ein Zimmer zu wenig..."

„Ich schlafe bei Yuki, das ist gar kein Problem!" Shuichi strahlte, während er selig zu Yuki aufschaute. Dieser verzog keine Miene, sondern schloss entnervt die Augen.

„Eigentlich wollte ich Urlaub haben", murrte er.

„Hast du doch auch. Und jetzt wo ich da bin, wird er noch schöner!"

„Das wage ich zu bezweifeln."

Heute Nacht wirst du sterben!

Die flüsternde Traumstimme ließ K aus seinem gerade erst begonnenen Schlaf hochschrecken. Er keuchte und war schweißnass. Die erste Nacht in diesem verfluchten Haus begann ja wirklich wunderbar. Nun, da er wach war, glaubte er unheimliche Geräusche zu hören. Die Fenster waren nicht dicht, denn er verspürte eine unangenehme Zugluft, die ihn bis in die Knochen verkühlte.

„Wenigstens rasseln hier keine Ketten", brummte er und zog sich die Decke über den Kopf. Doch der kalte Luftzug in seinem Nacken verschwand nicht.

Nun ergriff die Furcht von ihm Besitz. Unter der dicken Federdecke dürfte keine Luftzirkulation möglich sein. Vorsichtig schob K seinen Kopf wieder unter der Decke hervor und machte schnell Licht an, da ihn die Schatten, die das fahle Mondlicht durch die Vorhänge warf, ängstigten.

Doch das einzige was er sah, war der kleine mit rotem Samt bezogene Stuhl, der vor einem Eichenholz-Sekretär stand, direkt neben dem Fenster. Der Vorhangstoff passte farblich perfekt zu dem des Stuhls. Dieses Zimmer hatte etwas von einem kleinen Burgzimmer, und lag gerade an der Grenze zwischen Romantik und Kitsch.

„Es gibt keine Geister. Also gibt es nichts, wovor ich mich fürchten muss", wiederholte er Sakanos Worte, doch völlig überzeugt war er davon nicht.

Im selben Moment begannen dicke Regentropfen die Scheibe zu bearbeiten. Das Prasseln des Regens gegen die Scheibe schuf eine barmherzige, stete Geräuschkulisse, die die unregelmäßigen Schauerlaute des Hauses übertönte.

K legte sich wieder hin und löschte das Licht. Nun würde er endlich einschlafen können. Doch gerade als er im Begriff war, vom Dämmerschlaf wieder in den richtigen Tiefschlaf überzugleiten, riss ihn ein krachendes Donnergrollen ins Bewusstsein zurück.

K war wieder hellwach. Er ging zum Fenster und sah hinaus. Das tosende Gewitter mit zuckenden Blitzen und dröhnendem Donner brachte nicht nur Schlaflosigkeit, sondern auch einen Hauch Weltuntergangsstimmung mit sich. Missmutig warf er sich wieder ins Bett, um erneut seine Nachtruhe zu suchen. Doch das Plätschern des Regens erweckte ein dringendes menschliches Bedürfnis in ihm.

„Auch das noch", murrte er und schlüpfte in seine Pantoffeln um das gemeinsame Örtchen auf dem Gang aufzusuchen.

Als er sein Geschäft verrichtet hatte und wieder in sein Zimmer zurückkehren wollte, sah er dicken Qualm unter der Spalte seiner Tür hervorkriechen. Brandgeruch schlug ihm entgegen. K riss die Tür auf und sah bleckende Flammen, die gerade von den Roten Samtvorhängen auf das breite Jugendstilbett und den Sekretär überschlugen. K schlug die Tür wieder zu, drehte sich auf dem Absatz um und schrie laut: „FEUER! Es brennt!"

Er riss die nächstgelegene Zimmertür auf, und Sakano aus dem Schlaf.

„Was schreist du hier mitten in der Nacht rum?", brummte der Geweckte schlaftrunken.

„Es brennt, du Idiot! Mein Zimmer steht in Flammen!"

„Was?!" mit einem Satz sprang Sakano aus dem Bett und rannte auf den Gang. „Ich wecke die anderen und du rufst die Feuer..." Er stockte, ihm etwas auffiel. „Das ist dein Zimmer?", fragte Sakano irritiert.

„Ja, aber..."

Sakanos braune Augen wurden noch dunkler und seine Augenbrauen zogen sich unter aufsteigender Wut zusammen.

„Ich finde das nicht lustig, K!", schimpfte er, während er die Tür zu K's Zimmer öffnete. K's erstaunten Augen bot sich ein völlig anderes Bild als zuvor. Keine Spur war mehr vor der tosenden Flammenhölle, die er eben noch gesehen hatte.

„Streiche dieser Art finde ich nicht sonderlich witzig!" Sakanos Stimme war eiskalt.

„Aber ich habe es gesehen!", versicherte K verwirrt. Seine Stimme überschlug sich. „Als ich eben von der Toilette kam, hat es hier gebrannt! Ich bin doch nicht verrückt!"

Sakano beruhigte sich wieder ein wenig, im Gegensatz zu K. Er war nur dankbar, dass niemand sonst wach geworden war. „Du warst müde, da kommt so was schon mal vor..." Er schwieg eine Weile. „Ich hab's! Vielleicht bist du schlafgewandelt!"

K sagte nichts dazu, sondern zog nur vorwurfsvoll eine Augenbraue hoch, als wollte er sagen: Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Statt dessen sagte er. „Ich bin nicht schlafgewandelt. Ich habe es gesehen, so wie ich dich vor mir stehen sehe!"

K stützte seinen Kopf in die Handflächen. Seine offenen blonden Haare fielen ihm lang über die Schultern. Sakano dachte bewundernd daran, wie viele Frauen ihn um diese herrliche Lockenpracht beneiden würden.

Angesichts K's Verzweiflung (und dem Zweifel am eigenen Verstand) drängte er diese Gedanken beiseite und legte ihm sanft eine Hand auf die Schulter. „Jetzt beruhig dich wieder und geh schlafen. Es kann nichts passieren."

K blickte auf und fuhr sich nervös durchs Haar. „Sakano... Kann ich heute nacht bei dir bleiben?"

Sakano wollte schon zu einem empörten „Nein" ansetzen, als ihm K's Furcht bewusst wurde. Der große Mann von einem Meter neunzig wirkte plötzlich verletzlich wie ein kleines Kind und seine Angst war so gegenwärtig, dass sie beinahe greifbar schien.

„Bitte!", sagte K eindringlich und beendete so Sakanos Ringen mit sich selbst. Er seufzte. „Na gut. Aber nur für heute nacht!"

„Danke", flüsterte K und folgte Sakano in dessen Zimmer.

K hatte endlich den erlösendenden, angstfreien Schlaf gefunden, als Sakano ihn wachrüttelte. „K! Wach auf, es riecht verbrannt!"

Wie auf Einsatz erklang das lautstarke Heulen eines Rauchmelders. Die beiden liefen hinaus auf den Gang, der schon voller Rauch war. Die anderen kamen auch aus ihren Zimmern gehastet und konnten sehen, wie die Schwaden schwarzen, stinkenden Nebels aus K's Zimmer drangen.

Noch ehe jemand reagieren konnte, kam auch schon der Hausbesitzer die Stufen hochgerannt, mit einem Feuerlöscher in der Hand. Er entsicherte das rote Löschobjekt, öffnete die Tür und hatte das Feuer mit dem Löschschaum schnell unter Kontrolle gebracht.

Finster betrachtete K die Flammen, die unter der Löschmasse erstickten. Innerlich dankte er Sakano, dass er ihn bei sich aufgenommen hatte. Sonst hätten ihn der Blitzschlag und der anschließende Brand das Leben gekostet. Seine Gedanken rankten sich um die Stimme in seinem Traum und er schnaubte verächtlich. Nein, ich werde heute Nacht nicht sterben!