Ich versuche mich mal an einer kurzen Geschichte über Paul Andrews. Ihr werdet Paul zu Anfang etwas anders beschrieben finden als wir ihn aus BTS kennen, die Gründe erfahrt ihr später. Ich weiß noch nicht, in welche Richtung die Geschichte gehen soll, sondern schreibe jedes Kapitel so, wie es mir grad einfällt. Ich habe keine Ahnung vom britischen Schulsystem; bitte erwartet also keine Authenzität.

GEBRANNTES KIND…..

Ann Beresford sah ihren neuen Kollegen stirnrunzelnd von der Seite an. Sie galt als aufgeschlossen und hilfsbereit und hatte eigentlich nie Probleme mit anderen Menschen auszukommen, nur hier schienen die Weichen von Anfang an auf Krieg gestanden zuhaben. Es hieß, die ersten acht Sekunden seien entscheidend für einen bleibenden Eindruck und für Sympathie und Antipathie; bei Paul Andrews hatten vier Sekunden ausgereicht. Ann wusste nach wie vor nicht, was sie eigentlich falsch gemacht hatte. Mr. Andrews hatte im Lehrerzimmer an seinem Platz gestanden und seine Tasche ausgepackt; sie war auf ihn zugegangen, hatte ihm die Hand entgegengestreckt, sich vorgestellt und ihn freundlich begrüßt. Daraufhin hatte sich sein Gesichtsausdruck recht abrupt von neutral zu unangenehm berührt geändert und Ann hatte die Rollläden, die hinuntergingen, förmlich quietschen hören. Na denn nicht, wer nicht will, der hat schon, dachte Ann und wandte sich nach der kurzen Begrüßung wieder ihren Aufgabenblättern zu.

Dabei war es dann auch geblieben. Ann hatte noch einen zweiten Anlauf gemacht, denn schließlich konnte jeder mal einen schlechten Tag haben - , auch wenn man den nicht unbedingt auf den ersten Tag an der neuen Schule legen sollte – aber auch hier war Paul Andrews zwar höflich gewesen, aber mehr auch nicht.

Paul Andrews war nach den Ferien als neuer Lehrer für Sport für die männlichen Schüler und für Geschichte eingestellt worden, nachdem der bisherige Lehrer eine Frau aus Wales kennen gelernt hatte und die Schule mitten im Schuljahr verlassen hatte. Ann hatte gehört, dass Mr. Andrews nach seinem Studium als Lehrer einige Jahre als Bewährungshelfer gearbeitet hatte und hatte vorausgesetzt, dass er gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen konnte. Das konnte er wohl im Allgemeinen auch, denn was sie so von den Schülern hörte, war positiv, auch wenn ein paar Mädchen klagten, dass er die Jungen bevorzuge.

Seltsam, auch nach sechs Monaten wusste sie nichts über Paul Andrews und irgendwie wurde sie aus dem Mann nicht schlau. Er sah unheimlich gut aus, knapp 1,90 m groß und schlank mit kurzen mittelbraunen Haare und graublauen Augen. Irgendwann in einem früheren Leben musste er auch gerne gelacht haben, denn er hatte Lachfältchen um die Augen.

Der Direktor hatte ihn vorgestellt und Mr. Andrews hatte den üblichen Einstand mit belegten Platten, Tee und Saft gemacht, aber bei der Vorstellung hatte er nichts, aber auch gar nichts über sich erzählt. Er freue sich hier arbeiten zu können, hoffe auf gute Zusammenarbeit, so das übliche Blabla. Paul Andrews blieb dennoch ein Fremdkörper im Kollegium. Keiner konnte etwas an seiner Arbeit aussetzen. Die Vergleichsarbeiten in Geschichte bescheinigten ihm im Gegenteil eine ungewöhnlich gute Arbeit und seine Klasse hatte in Rugby sogar den 3. Preis bei den Landesschülermeisterschaften errungen. Er hatte allerdings anscheinend kein Interesse sich abseits von fachlichen Fragen mit den anderen Kollegen zu unterhalten und ging immer sofort nach Unterrichtsende nach Hause.

„Sag mal, John," sprach Ann den Direktor John Simmons an. „Ich weiß wirklich nicht, was ich von dem Mr. Andrews halten soll und ich bin mir auch nicht sicher, ob er hierher passt."

„Ich gebe dir ja teilweise Recht," erwiderte John. „Und wenn wir nicht so dringend einen Ersatz für Carl Palmer gebraucht hätten und sich jemand anderes auf diesen Posten beworben hätte, der auch nur annähernd die gleiche Qualifikation hat, wäre ich auch nicht mit ihm einverstanden gewesen. Bereits beim Vorstellungsgespräch, als ich ihn nach Hobbies und dergleichen fragte, erklärte er mit etwas anderen Worten, aber deutlich, dass mich das nichts anginge und dass er nicht wünsche, dass irgendwelche Details aus seinem Privatleben breitgetreten würden. Wenn ich nicht sicher wäre, dass das Schulamt uns nur Leute schickt, bei denen alles in Ordnung ist…Wäre er zwanzig Jahre älter, würde ich einfach sagen, er ist ein schrulliger Junggeselle. Als Lehrer ist er gut, wirklich, aber als Mensch…Ich habe auch schon bemerkt, dass zwischen euch beiden regelrecht die Eiswürfel klirren. Womit bist du denn ins Fettnäpfchen getreten?"

Ann zuckte die Achseln. „Wenn ich das bloß wüsste, es wäre mir auch egal, wenn ich nicht Angst hätte, dass die ganze Atmosphäre im Kollegium darunter leidet. Außerdem sitze ich im Lehrerzimmer neben ihm. Ich würde mich ja umsetzen, aber ich fürchte, es will keiner mit mir tauschen." Sie grinste etwas gequält.

Ausgerechnet heute hatte Mr. Andrews auch noch zur gleichen Zeit Freistunde wie sie und nutzte sie ebenfalls zum Korrigieren seiner Klausuren. Er schaute nicht einmal rüber. Wie man sich täuschen kann, dachte Ann, er sieht nett aus. Und sehr attraktiv, flüsterte eine leise Stimme, aber die gleiche Stimme erinnerte Ann daran, dass sie sich schon einmal in einem sehr gut aussehenden, angeblich netten Mann getäuscht hatte

„Entschuldigen Sie, kann ich Sie mal kurz sprechen, Mrs. Beresford? Es ist wichtig." Eine Schülerin aus der 9. Klasse stand am Eingang des Klassenzimmers. Ann war Vertrauenslehrerin. Sie klappte ihre Mappe zu und bedeutete dem Mädchen ihr zu folgen.

„Ich heiße Christine Miller und bin in der Geschichtsklasse von Mr. Andrews und…Ich weiß, man soll so etwas nicht sagen, aber ich habe das Gefühl, er kann mich nicht leiden und benachteiligt mich…Ich hab wirklich nichts Schlimmes gemacht, jedenfalls nichts, was so eine Wahnsinnsstrafarbeit wert wäre. Okay, ich hab mal nicht aufgepasst und als er in mein Heft geschaut hat, da hatte ich Herzchen reingemalt und seinen Namen daneben. Aber muss er da gleich so sauer werden und mir so ein Riesenreferat über Richard III aufbrummen? Ich meine, was ist denn so schlimm dran? Er sieht echt total toll aus…Wir hatten noch nie einen so gut aussehenden Lehrer hier und…Er bevorzugt die Jungs total, es ist echt ungerecht…"

„Stopp, stopp, Christine. Ich glaube, ich weiß jetzt, worum es geht. Ich werde mal mit ihm sprechen," unterbrach Ann den Redeschwall der Schülerin. Nachdem Christine verschwunden war, ging Ann langsam wieder an ihren Platz zurück. Paul Andrews war noch immer damit beschäftigt seine Klausuren zu korrigieren. „Mr. Andrews, haben Sie einmal einen Augenblick Zeit für mich?"

Paul nickte zustimmend, auch wenn sein Gesichtsausdruck alles andere als einladend war.

„Eine Schülerin aus Ihrer Geschichtsklasse war grade bei mir. Wie Sie wissen, bin ich Vertrauenslehrerin. Sie hat mir von dem Vorfall erzählt und sie fühlte sich von Ihnen ungerecht behandelt. Die Mädchen in dem Alter schwärmen nun mal oft für ihre Lehrer. Das ist harmlos. Waren Sie nicht etwas zu streng?"

„Aus harmloser Schwärmerei kann leicht mehr werden," erwiderte Paul ungerührt. „Sie wird sich in Zukunft zweimal überlegen, wie sie damit umgeht."

Ann platzte der Kragen. „Das ganz sicher. Sie hat gleich gelernt, dass es bei Ihnen nichts zum Schwärmen gibt. Aber wahrscheinlich war es auch zu viel von Ihnen Einsicht zu erwarten."

Sie packte ihre Tasche und verließ das Lehrerzimmer; ihre Klausuren würde sie anderswo korrigieren.