Es war ein Tag wie jeder andere in Roma. Wieder einmal hatte Ezio es geschafft, eine der gut bewachten Kodexseiten aus den Fängen der Wachen zu reißen. Sogleich eilte er zu Leonardos Werkstatt, die der Künstler mittlerweile in Rom führte. Er klopfte an die Tür. Als ihm nach mehrfachen Klopfen immer noch niemand öffnete, trat er einfach ein. Plötzlich erstarrte er.
Überall lagen Skizzen und Entwürfe auf dem alten Holzboden verteilt und auch die Regale mit diversen Ordnern und alten Schriften waren halb ausgeräumt und auf dem Boden verstreut. Aus dem offenen Gang zu Leonardos Schlafgemach begrüßte ihn ein ungemachtes Bett mit quer im Raum verteilten Nachthemden und Unterwäsche des Künstlers. Die Unordnung war für Ezio nichts ungewöhnliches. Was ihn jedoch stutzig machte, war der Fakt, dass Leonardo in seinem Chaos nicht aufzufinden war. Er suchte die gesamte Werkstatt ab und als er seinen geliebten Künstler nirgendwo auffinden konnte, erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Dort lag Leonardos zinnoberrote Mütze auf dem staubigen Boden.
Ezio beugte sich hinunter und hob sie auf. Ohne einen weiteren Gedanken stürzte er aus der Werkstatt auf die offene Straße. Er rannte vorbei an den zahlreichen Wachen, ohne auch nur den leisesten Gedanken daran zu verschwenden von ihnen entdeckt zu werden - direkt in die als Taverne getarnte Diebesgilde „La Volpe Addormentata".
Nach wenigem umschauen konnte er auch schon La Volpe unter den zahlreichen Trunkenbolden und Kurtisanen entdecken. Er saß in der hintersten Ecke des Raumes an einem großen Holztisch, welcher vermutlich aus Olivenholz gefertigt war – zumindest wies die ausgefallene Maserung darauf hin - zusammen mit den anderen Dieben und schien in ein ernstes Gespräch vertieft. Das alles war Ezio aber in diesem Moment egal. Er hatte ausser seinem geliebten Leonardo nichts anderes im Kopf. Es war kein Platz für Verstand oder Vernunft in ihm, alles was er gerade spürte war Angst – Angst eine weitere wichtige Person zu verlieren, wieder zusehen zu müssen wie mit dieser Person ein Teil von ihm starb. Nein! Das konnte er nicht zulassen. Diesmal würde er nicht einfach tatenlos zusehen, er würde Leonardo retten – egal um welchen Preis.
Der Italiener stürmte an den Tisch, stieß dabei vermutlich mehrere Personen um, die sich hinter ihm beschwerten und ihm so manche italienischen Schimpfwörter zuriefen, doch auch diese hörte der Assassine nicht. Bei dem Fuchs und seinen Kollegen angekommen, zog er den Dieb in seinem von der Angst vernebelten Geist schon fast grob zu sich hoch und hauchte mit zittriger Stimme:„L-Leonardo...E-er ist...weg." Der sonst so souveräne Italiener musste sich zusammenreißen nicht loszuheulen. „Ezio, jetzt beruhige dich doch erst einmal", versuchte der Fuchs von Venedig den Brünette zu beruhigen „warum bist du dir denn so sicher, dass Leonardo etwas zugestoßen sein könnte? Vielleicht ist er ja nur auf dem Markt neue Utensilien für seine arbeiten kaufen."
Ezio kramte in seiner Tasche, holte das zinnfarbene Kleidungsstück aus seiner Assassinenrobe und hielt es La Volpe ohne richtig aufzublicken vor die Nase. Dieser erschrak. Er hatte den Blonden Maler noch nie ohne seine Mütze gesehen. Das hieß Ezio könnte Recht haben, was den jahrelangen Freund der Familie Auditore betraf. „Ich schicke sofort einige meiner Spione, um nach ihm zu suchen." versicherte er dem Assassinen und dieser nickte nur stumm, drehte sich ohne aufzusehen um und verließ die Taverne, hoffend der Dieb habe die Tränen nicht gesehen, die ihm vereinzelt die Wangen herunterliefen und sofort in den staubigen Holzdielen versickerten.
