Geneigter Leser,
ich habe die Geschichte in den letzten Tagen komplett überarbeitet und Fehler ausgemerzt, bzw. Verhältnisse angeglichen, die aufgrund der langen Zeit, in der ich nun schon an diesem Geschehen dahinschreibe, nicht mehr stimmig waren. Da es sich um sehr kleine Details handelt, die einem sowieso nur auffallen, wenn man Martinas Stundenpläne vor sich liegen hat, musst Du Dich also nicht dazu genötigt fühlen, alles noch einmal von vorn zu lesen!
Viel Spaß bei allen neuen Kapiteln wünscht jedoch
die Autorin
1. Die Pfütze
Es war einmal...
An einem sonnigen Tag im Münchner Süden, als Martina B. völlig unschuldig und verträumt durch die Straßen spazierte. Ihre Gedanken hingen bei ihrer Freundin Serafina S., die witziger als eine Nacktschnecke ist. Doch nicht ausschließlich bei der oben genannten... denn gerade in dem Moment, als Martina anfing, an Serafina zu denken, fiel ihr die erstaunliche Übereinstimmung der Initialen ihrer Freundin mit dem Potions Master aus den allseits bekannten und beliebten Harry Potter Büchern auf.
... Severus Snape ...
Sogleich stellte sich ein kuhblickähnliches Grinsen bei Martina ein, und sie rannte prompt in einen Laternenpfosten hinein. Das raubte sie denn erstmal ihrer Gedanken, schließlich musste sie sich sogleich unauffällig umtun, ob auch niemand ihr peinliches Manöver mitbekommen hatte.
Puh! Niemand war in der Nähe.
Nun fiel ihr jedoch eine seltsame Anomalie auf: Der Laternenpfosten, der sich ihr auf so ungehörige Art in den Weg gestellt hatte, war zu einer kleinen Pfütze flüssigen Metalls zusammengeschmolzen. Aus dieser lugten sie zwei grüne Glupschaugen ungehalten an.
„Was woin'S denn?" hörte sie eine Stimme. Martina sah sich verdutzt um. Woher kamen diese Worte? „Mei Madl, hier unt'n bin i!" Sie blickte wieder hinab zu der Pfütze.
„Entschuldigen Sie, reden Sie mit mir?"
„Jo wos glaubst'n du nachad mit wem i red? Siagst hier vielleicht no' jemand andersd bleed umanandastehn?" Etwas perplex war das junge Mädchen nun doch. Sie beugte sich irritiert über die zwei Augen und erkundigte sich:
„Wer sind Sie denn?"
„Jo wo gibts nachad sowas a? Jetz schreckt die mi aus mei'm scheen Schlaf so recht auf und donn woaß's needamal, wer i bin! Mei, d'r Eingang zur Krass'ngasse bin i hoit! Deppads Weiberl a! Mogst jetzad neikimma oda need?"
Martina wurde diese Sache etwas unheimlich. Nicht nur, dass die zwei Augen munter vor sich hin schimpften, die ganze Situation kam ihr etwas deplaziert vor. So etwas gehörte in einen Traum, nicht in die Realität. Sie kniff sich und zog sich an den Haaren, schluckte, kniff die Augen mehrmals auf und zu. Mit dem Ergebnis, dass sie nunmehr eindeutig wusste, dass sie putzmunter war.
Na, das ist mir nicht geheuer, dachte sie bei sich und beschloss, einen großen Bogen um die sprechende Wasserlache zu machen und möglichst ihr ganzes Leben lang nie wieder hierher zurückzukommen (nur blöd, dass der vermeintliche Laternenpfosten genau neben der Tiefgarageneinfahrt stand, vor der sie immer auf ihre Freundin Serafina wartete, wenn sich die beiden Mädchen zu einem gemütlichen Ratschabend trafen).
Wie dem auch sei, Martina trat einen Schritt zur Seite, stieß mit dem Fuß gegen einen Blobb (1), verlor das Gleichgewicht und landete mit einem PLATSCH in genau der Pfütze, die sie mit so selbstsicherer Kombinationsgabe vermeiden hatte wollen.
Martina fand sich in kühlem, blauen Wasser wieder, um sie herum stiegen große und kleine Luftblasen empor, die an ihrer Haut kribbelten, wenn sie um ihren Körper strichen. Sie hielt unwillkürlich den Atem an und versuchte, wieder an die Oberfläche zu schwimmen, doch in weiter Ferne sah sie über sich einen hellen Fleck. Denn wie in einem Wasserstrudel wurde sie unbarmherzig nach unten gezogen. Helles grünes Nass umgab sie, sie sah aber sonst nichts. Bis sie die Orientierung auch nur annähernd wieder gefunden hatte, und noch bevor sie in Panik ausbrechen konnte, zu ertrinken, tauchte sie auf.
Sie schlüpfte wie eine dunkelhaarige Meerjungfrau an die Oberfläche, prustete sich ein wenig Wasser aus der schön geformten Nase und blinzelte sich perlende Tropfen aus den Augen. Dann sah sie sich um.
Es war beeindruckend!
Die vertraute Straße, in der sie sich nicht nur mit ihrem Kuhblickgrinsen, sondern auch mit dem Rennen gegen einen Laternenpfahl lächerlich gemacht hatte, war – … nun, wie soll man so etwas in Worten ausdrücken?
Sie war verschwunden. Ganz und gar weg. Nicht mehr da. Hinfortgespült im Mahlstrom der Zeit-Raum-Krümmung, vom Winde verweht, verblichen im Herzschlag eines Gedankens.
Stattdessen erblickte Martina einen von heiterem Sonnenschein erhellten Platz, in dessen Mitte ein Springbrunnen platziert war, aus dem sie wie die Susanna im Bade (2) aufgetaucht war. Der Brunnen war aus großen weißen Steinen gefertigt, stand auf dunkelgrauem Marmor, der nach ein paar Schritten in eine saftige Wiese endete und um den in ehrfürchtigem Abstand Marktbuden aufgestellt waren, vor denen sich viele Menschen drängten. Am äußersten Rande des runden Areals entdeckte Martina etwa dreistöckige Häuser, viele waren aus weißem Stein gemacht, einige sahen eher modern aus, mit buntem Anstrich und Blumenkästen vor den Fenstern. Auch konnte sie eine Menge Messingschilder entdecken, die entlang der Straßen, die vom Platz wegführten, an den Häusern angebracht waren und wohl ein Hinweis auf Geschäfte waren, die sich darunter befanden. Weit hinten konnte sie auch ein blaues Straßenschild ausmachen, doch den Namen konnte sie nicht lesen, es war zu weit weg.
Logisch denkend und praktisch veranlagt, wie sie war, beschloss sie, diesem Zustand abzuhelfen, indem sie aus dem Brunnen stieg (langsam wurde das peinlich, die Leute guckten schon!) um sich dem Schild zu nähern. Sie erhob sich, triefend wie sie war. Ihr sonst hellblaues T-Shirt hatte sich dunkelblau verfärbt, die Jeans war mit Wasser voll gesogen, sodass sie das Gefühl hatte, zweimal so schwer zu sein wie sonst. Auch ihre roten DocMartens', die sie nun schon seit Jahren mit Erfolg bei jedem Wind und Wetter getragen hatte, waren durchnässt bis auf die Socken, und Martina platschte gemütlich in ihnen hin und her.
Jetzt an einem „Miss Wet Shirt"-Wettbewerb teilnehmen, und ich gewinne den ersten Preis! dachte sie stolz, als sie an ihren properen Formen hinunterblickte, die sich deutlich unter dem Kleidungsstück abzeichneten. Sie schwappte langsam auf den Rand des Brunnens zu, schwang ein Bein auf die Ummauerung, krabbelte etwas umständlich (da in der nassen Hose sehr unbeweglich) darauf und ließ sich dann graziös auf einen weiteren Blobb nach unten gleiten, sodass sie ausgestreckt auf dem Bauch zu liegen kam.
Zum zweiten Mal an diesem Tag sah sie sich möglichst unauffällig um, ob jemand ihr kleines Manöver beobachtet hatte. Mit Sand (3) bedeckt, der an ihrer nassen Wange und auf dem T-Shirt an zwei wirklich ungünstigen Stellen kleben geblieben war, hob sie den Kopf ein wenig, um genau vor ihrer Nase ein paar schwarze, glänzend polierte Stiefel zu sehen.
(1) Blobbs sind Dinger, die im Weg liegen, wenn man sie am wenigsten braucht.
(2) Susanne im Bade, Gemälde von Anton van Dyck (1599-1641); basierend auf Daniel 13,1-64
(3) Auch Sand findet man immer dort, wo man ihn am wenigsten vermutet.
