One step forward, two steps back

Kapitel 1

Es war ein strahlend schöner Spätsommertag, als Lisa gemeinsam mit Inka das Kerima Gebäude verlies, um den verlorenen Brautschuh beim Schuhmacher nacharbeiten zu lassen.

Lisa hing wieder einmal ihren etwas verworrenen Gedanken nach.

Wieso muss mir aber auch immer so was peinliches passieren? Und wie Hugo geschaut hat! David, verdammt immer wieder David, warum bin ich ihm denn auch ins Wasser nachgesprungen? Dabei liebe ich doch Rokko! Wie kommt es nur, dass ich mich immer zu solchen Verrücktheiten hinreißen lasse?'

Das Wiehern eines Pferdes riss sie jäh aus ihren Gedanken. Sie konnte kaum glauben, was sie da sah. Ein Schimmel, mitten auf den Potsdamer Platz und auf ihm ritt David, komplett gestylt im Reiteranzug, geradewegs auf sie zu. Lisa ging langsam zu ihm.

„David was soll das?"

Sie musste unwillkürlich ein wenig lächeln. Wie gut er aussah und er war offensichtlich nur wegen ihr in dieser Aufmachung hier. Nun sprang er vom Pferd und kniete sich direkt vor ihr nieder.

„David!"

Lisas Blick flog hektisch umher. David packte nach ihrem Fußgelenk, streifte ihren Schuh ab und legte ihren Fuß auf seinem Knie ab. Lisa hätte beinahe das Gleichgewicht verloren. Dann realisierte sie, wie er den verlorenen Schuh aus seiner Hosentasche nahm und ihr sanft über streifte. Sie fühlte sich wie in einem Trance Zustand und sofort drängte sich ihr ein Gedanke auf.

Genau wie bei Aschenputtel, mein Gott ist das romantisch!'

Dann hörte sie ein sanftes, „Lisa, bitte heirate mich", von David und versank mit ihrem nächsten Atemzug ganz in diesem Gefühl in eine Märchenwelt eingetaucht zu sein, in der es nur schwarz und weiß gab, keine Grautöne, höchstens strahlend bunte wundervolle Blumen. In dieser Welt war es der perfekte Moment, der perfekte Mann und erst recht der perfekte Heiratsantrag. Für einen Augenblick genoss sie dieses Gefühl unbeschreiblich, der Traum ihrer Kindheit war Realität geworden.

Was Lisa nicht wahrnahm, war, dass noch jemand, außer Inka und den herumstehenden Passanten, diese Szene beobachtet hatte. Rokko wollte sich gerade auf den Weg zu Jürgen machen, um bei einem Kaffee ein bisschen mit ihm zu plaudern, als auch er den Schimmel bemerkte. Er stand ein wenig abseits und so konnte er die Situation zwar visuell beobachten, aber er verstand nicht, was die beiden sprachen. Das war auch nicht wirklich nötig, denn die Bilder, die sich ihm boten, bohrten sich direkt in sein Herz. Im ersten Moment wäre er am liebsten einfach nur auf David zugerannt, hätte ihm vom Pferd gerissen und kurz und klein geschlagen. Aber Lisa hatte beim letzten Mal schon Recht gehabt. Er war schließlich kein Urmensch, der erst den Rivalen ausstach und dann die Frau in seine Höhle schleppte! Und wenn er es recht bedachte, dann ging es ja auch nicht um David, sondern darum was Lisa für ihn empfand. Es war alleine ihr Entschluss, wen sie liebte, nur hatte sie sich doch eigentlich schon entschlossen. Sie hatte ihm jetzt mehrfach versichert, wie sehr sie ihn liebte und sie wollte ihn sogar heiraten, warum konnte sie dann nicht einfach einen klaren Schnitt machen, wenn es um IHN ging? Dann sah er ihren Blick, als David vor ihr kniete und er glaubte, dass ihn der Schmerz jede Sekunde zerreißen würde. War das Liebe, was er da sah?

Mein Märchen wird Realität!'

Realität – dieses gedachte Wort war es, welches Lisa genau in die Selbige zurückriss. Sie liebte Rokko! Was machte David hier nur? Ein unglaubliches Chaos bemächtigte sich ihrer Gefühle und tobte einen wilden Veitstanz. Sie spürte Wut, Verunsicherung, die Reste des Schwebens in ihrer Traumwelt und vieles mehr, was sie nicht zuzuordnen wusste, aber wenigstens war sie nun in der Lage sich aus ihrer verzückten Erstarrung zu lösen. Auch Rokko nahm nun die Veränderung in ihrem Blick wahr und beobachtete, wie Lisa auf David einredete, bevor sie die goldene Sandalette abstreifte und sie vor ihn auf den Boden warf, um sich dann regelrecht fluchtartig rumzudrehen und wegzulaufen.

Wie betäubt starrte er ihr hinterher und erst als sie aus seiner Sichtweite verschwand, schreckte er hoch und folgte ihr.