Dies ist der Zweite Teil- Man kann die Geschichte sicher auch verstehen wenn man den Ersten nicht gelesen hat- aber es ist einfacher..
Was bisher geschah:
Dass Jeannas Vater wirklich ausgerechnet Hank McCoy ist, musste sie auf recht unangenehme Weise erfahren. Seit etwa einer Woche ist sie selbst ein kleines Biest, womit sie derzeit noch nicht wirklich zurechtkommt- Am Ende des letztenTeils stand sie vor der Entscheidung ob sie im Internat bleiben will, oder besser doch nach Hause- oder vielleicht mit nach Washington. Jeanna entschließt sich zu bleiben...
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Die Woche mit Hank verging für mich viel zu schnell.
Wie sollte ich es nur schaffen, ohne ihn klar zukommen?
Fünf Tage bis zum Wochenende erschienen mir wie ein unüberwindbares Hindernis.
Natürlich musste er nach Washington zurück, das war mir klar und ich wollte auch nicht, das er wegen mir noch mehr Stress bekam.
"Du bist ja nicht allein", sagte er aufmunternd,"Du kannst jederzeit zu Ororo oder dem Professor gehen.."
Ich nickte, aber mir war klar, das ich das wohl eher nicht machen würde.
Natürlich hätte ich für immer ins Gästezimmer, in Hank altes Zimmer, ziehen können-was natürlich allen Komfort und mein eigenes Reich gewesen wäre.
Aber ich hatte das Gefühl, es würde mich noch mehr ausgrenzen.Also wollte ich ganz normal ins Internat.
Natürlich hatte ich Angst.
Angst vor den anderen Schülern.
Angst, dass ich meinen Alltag nicht geregelt bekommen würde.
Angst, nochmal so aus zuflippen, wie es im Schwimmbad passiert war.
Hank hörte sich geduldig und verständnisvoll all meine Ängste an.
"Ich finde, dass du wirklich eine ganze Menge in der letzten Woche geschafft hast. "
Er lächelte und nahm meine Hand.
"Den Rest bekommst du auch hin, Jeanna -du musst dir einfach Zeit geben-"
Ich nickte unsicher.
Er half mir, meine Sachen mit herunter zu tragen.
Miss Munroe wartete im Kreuzgang.
Zu dritt gingen wir in Richtung der Schlafräume.
Mein Herz pochte.
Nun würde es ernst werden.
"Ich bin mir sicher, du wirst hier auch jede Menge Spaß haben", sagte Hank.
Ich wusste das er aus Erfahrung sprach. Aber er war ja erst so geworden, als er längst ein Teil dieses Hauses gewesen war. Er war sowieso anders als ich. Ich wünschte ich hätte halb soviel von seiner Leichtigkeit und seinem Humor, mit dem er sein Leben nahm.
Miss Munroe klopfte an eine der Türen im Mädchentrakt und öffnete die Tür.
Der Raum war hell und freundlich und sah gar nicht so sehr nach einem Internatszimmer aus.
Drei Betten standen in dem Raum, nur eins schien besetzt zu sein.
Ein rothaariges Mädchen sass auf ihrem Bett, aß Chips und las eine Zeitschrift.
Als wir den Raum betraten, sah sie auf.
"Hallo Rahne", sagte Miss Munroe freundlich, "Das ist Jeanette Tilby"
"Jeanna", fügte ich vorsichtig hinzu.
Miss Munroe sah zu mir herüber und lächelte mich an.
"Ok, Jeanna"
Dann ließ sie uns drei allein.
Langsam begriff ich, das ich das Mädchen schon kannte.
Es war das Wolfsmädchen von meinem ersten Tag.
"Hi", sagte sie artig und ein bisschen schüchtern, "Du hast quasi noch freie Auswahl.."
Ich suchte mir das Bett am Fenster aus.
Mein Vater stellte die Reisetasche auf den Boden und ich begann meinen Schrank einzuräumen.
"Du Jeanny, mein Flieger geht bald...kannst du nicht auspacken, wenn ich weg bin?"
Ich nickte.
Vor dem fremden Mädchen, dass uns eh schon anstarrte, wollte ich gewiss keine Abschiedsszene geben.
Abschied nehmen war auch ohne Beobachtung von außen schwer genug.
Ich zog ihn also bei seiner großen Hand aus dem Zimmer.
Wir gingen vors Haus.
"Du hast meine Handynummer, oder?", fragte er besorgt, "Jederzeit,
hast du gehört?...Ich kann in etwa 4 Stunden hier sein, wenn ich in Washington bin - sollte irgendetwas sein.."
"Ja Dad", ich nickte und nahm seine Hände.
Die Tränen waren schon wieder verdammt nah, aber ich versuchte standhaft nicht zu weinen.
Wir umarmten uns fest.
"Du schaffst das, hast du verstanden?", flüsterte Hank und streichelte mir übers Haar.
Vorsichtshalber antwortete ich nicht.
Ich wusste ja wirklich nicht, ob ich es schaffen würde.
Dann kam sein Taxi und ich war plötzlich allein.
Ich starrte dem Auto hinterher.
Als ich ins Zimmer kam, hoffte ich inständig, Rahne würde nicht merken, wie sehr ich geweint hatte.
"Als ich neu war, habe ich auch erst mal geweint..." sagte sie ausgerechnet nach einer Weile zu mir.
Na super, ich hätte es mir denken können.
Rahne war ein viel zu instinktives Mädchen, um nicht zu merken, dass ich vollkommen am Ende war.
Ich fand das nicht besonders tröstlich.
Stumm räumte ich meinen Schrank ein und versuchte sie, soweit es überhaupt möglich war zu ignorieren.
Super ich ich würde mir den Rest meiner Zeit das Zimmer mit einem Werwolfsmädchen teilen. Wie außerordentlich passend.
Das hatten diese Leute hier ja geschickt eingefädelt.
Ich würde bestimmt nicht schlafen können, bei der Vorstellung, dass im Bett gegenüber lag jemand, der mir jederzeit ins Bein oder sonst wohin beißen konnte-
Hatte sie sich unter Kontrolle?
Ganz unten in der Tasche lag ein großer brauner Umschlag.
Ein Brief rutschte mir entgegen, als ich ihn öffnete.
Erstaunt falte ich den Zettel auf und las:
Liebe Jeanna,
Du hast gesagt, das Du es traurig findest, das Du nicht einmal ein Bild von deiner Mom hast.
Deswegen war ich gestern Abend auf dem Dachboden und habe ein bisschen in meinen alten Sachen gekramt.
Leider habe ich natürlich kein aktuelleres -aber bis wir ein besseres auftreiben, hast du nun überhaupt eins.
Ich hoffe, es macht es dir leichter, dich ein zuleben.
Ich liebe Dich und denk dran, du kannst immer anrufen.
Alles liebe,
Hank
( Dein stolzer Papa )
Erstaunt griff ich in den Umschlag.
Das war ja total lieb von ihm.
Im Umschlag befand sich ein kleiner Rahmen mit zwei Bildern.
Eines war relativ neu.
Es war ein Portrait meines Vaters.
Daneben ein älteres Foto.
Meine Mom ganz eindeutig, so wie ich sie kannte.
Und doch nicht.
Wie jung und glücklich sie auf dem Foto aussah...
Sie saß am Tisch in irgendeinem Restaurant und hielt in der rechten Hand ein Weinglas und prostete dem Fotografen lachend zu.
Der andere Arm war von Hanks Foto verdeckt.
Ich öffnete den Rahmen, um zu sehen was auf dem Rest des Bildes war.
Der andere Arm lag um die Schulter eines jungen, gut gebauten Mannes mit strahlend blauen Augen.
Er lachte ebenfalls und hatte sein Weinglas erhoben.
Wer dieser Mann war, brauchte ich mich nicht zu fragen.
Seine große Hand, die das Weinglas festhielt, sagte eigentlich schon alles.
Ich legte mich aufs Bett und betrachte das Foto.
So hatte Hank also ausgesehen, früher.
Vierzehn Jahre, vielleicht mehr, lagen zwischen den beiden Fotos, die ich nun von Hank hatte.
Es gab auf alle Fälle Ähnlichkeiten.
Seine Augen waren wirklich noch die gleichen, seine Gesichtzüge waren erwachsener und ausgeprägter, aber durchaus ähnlich.
Wie war es ihm wohl gegangen die alten Fotos durch zugehen?
Bestimmt war es ein seltsames Gefühl.
Wie würde es mir gehen, wenn ich später meine Kinderbilder ansah?
Hatte er sich irgendwann damit abgefunden, nicht mehr dieser Mann auf den Fotos zu sein?
Oft schien es mir so. Wie konnte er nur so darüber stehen, wie so locker sein?
Ob ich das auch schaffen konnte?
Beide sahen so verdammt jung und glücklich auf dem Foto aus.
Ich drehte das Bild um, denn auf alten Fotos wurde ja oft vom Labor noch ein Datum eingeprägt.
Hinten auf dem Foto war eine Widmung.
In Erinnerung an einen super schönen Abend, grüß mir deine Süße, Jeannie
Ich musste ein wenig schlucken.
Jean Grey.
Die Fotografin und die Fotografierte waren beide tot.
Mein Vater hatte sich so verändert...
Was wäre wohl gewesen, wenn irgendjemand diesen jungen Leuten an diesem Abend erzählt hätte, wo sie in 15 Jahren sein würden?
Hätten sie es glauben können?
Ich steckte das Foto wieder in den Rahmen. Hanks Foto steckte ich in meine Börse.
"Kommst du mit zum Abendbrot?", fragte Rahne
"Ja...",sagte ich zögernd.An diesem Abend würde ich das erste Mal nicht mit meinem Vater zusammen essen.
Natürlich hatte ich jetzt schon im Speisesaal mit ihm gegessen, aber dann eher zusammen mit Miss Munroe und Mr. Summers, als mit den Schülern, was zwar nicht explizit geplant war, aber wohl natürlich.
Immerhin war mein Vater ja keine siebzehn mehr und die beiden waren seine Freunde.
Und ein ungeschriebenes Gesetz in Schulen ist: Lehrer essen mit Lehrern, Schüler mit Schülern. Es gab sicher Ausnahmen, aber die gibt es ja immer. Bei uns war es halt auch so gewesen.
In den letzten Tagen hatte mittlerweile auch herausgefunden, wie ich mein Tablett am besten zum Tisch bekam.
Wenn ich mich nicht so unglaublich bemühte, gerade zu bleiben, war es vergleichsweise leicht- Zumindest sich auf zwei Beinen zu halten. Es war nicht besonders elegant, weit entfernt von der menschlichen Zweibeinigkeit, nach der ich mich so sehnte. Aber es war immerhin praktisch.
Und brachte mich außer Gefahr, ständig übersehen zu werden.
Die Technik hatte ich von meinem Vater, der jetzt wahrscheinlich gerade in sein Flugzeug stieg und später am Abend am Ronald Reagan Airport in Washington ankommen würde.
Ich fragte mich, ob er jetzt an mich dachte?
Wäre ich doch ein bisschen taffer, dann wäre ich mit geflogen...
Rahne steuerte gut gelaunt einen Sechsertisch an und da ich keine Ahnung hatte, wohin ich mich hätte sonst setzten sollen, folgte ich ihr etwas unsicher.
Am Tisch saßen bereits zwei Jungen und ein Mädchen.
Ein blonder Junge, den ich nicht mal vom sehen kannte, was mich ein wenig verwunderte, denn ich dachte ich hatte zumindest alle Schüler schon mal gesehen-und das Mädchen mit den braunen Haaren, das durch mich hindurch gelaufen war, diskutierten eifrig über einem aufgeklappten Laptop.
Kitty Pryde.
Ich hielt den Atem an. Würde sie mich erkennen? Wie würde sie dann reagieren?
Auf ihrer Schulter saß ein Wesen, das mich an einen violetten Fantasydrachen in Taschenformat erinnerte. Er stibitzte frech, während sein Frauchen gerade so eifrig war, Stückchen aus ihrem Abendessen.
Ganz schön verrückt, ein solches Haustier zu haben..
Aus dem Zoogeschäft war der ganz sicher nicht.
Ich war ganz neidisch, denn ich hatte ja immer Haustiere haben wollen.
Und ein Drache war schon echt exotisch-selbst fürs Institut.
Der dritte am Tisch war ein Latino. Ich erinnerte mich wage gehört zu haben, dass er Roberto hiess. Auch ein Bobby also, dachte ich amüsiert.
Unwillkürlich sah ich mich nach dem großen Bobby um.
Er sass zusammen mit einigen der älteren Schüler.
"Hallo!",sagte Rahne und Kitty sah auf und machte freundlich Platz, in dem sie Laptoptasche zur Seite räumte.
Ich stand mit meinem Tablett im Raum und war mir nicht sicher, ob es eine gute Idee war sich einfach dazu zusetzen.
Roberto nahm mir die Entscheidung ab.
"Setzt du dich, oder stehst du nur so in der Gegend herum?", fragte er und zeigte seine glänzend weissen, durchaus „zahnpastawerbungstauglichen" Zähne.
Dankbar stellte ich mein Tablett ab und setzte mich betont ordentlich hin.
"Danke, ich heiße Jeanna Tilby..", stellte ich mich fast zu förmlich vor.
"Sie ist meine neue Zimmergenossin", fügte Rahne hinzu und schob sich eine Gabel voll mit Essen in den Mund.
Nachdem es geschluckt war, fuhr sie fort.
"Der Secretary ist ja heute abgereist"
Nun sah auch der blonde Junge von dem Laptop auf und machte ein verwundertes Gesicht.
Er musterte mich und zog eine Augenbraue in die Höhe.
Kitty grinste.
Doug, du bekommst wirklich gar nichts mehr mit, oder?", sie stupste ihm freundschaftlich mit dem Ellenbogen in die Seite.
"Jeanna ist doch die Tochter vom Biest..."
Mein Magen zog sich zusammen, bei dieser Bezeichnung.
„Biest?", fragte ich und funkelte sie an.
Kitty zog ihren rechten Mundwinkel in die Höhe,sah mich fragend an und schüttelte verständnislos den Kopf .
"Das war doch sein Codename als er noch bei den X-Men war, oder?"
War er das?
Ich merkte wie mir das Blut in den Kopf stieg.
Was es mit diesen ominösen X-Men auf sich hatte, wusste ich ja Mittlerweile.
Mein Vater hatte mir beinah alles darüber erzählt- nur seinen „Spitznamen", den hatte er dezent verschwiegen.
"Ich glaube nicht, dass er darauf steht wenn gerade du ihn bei diesem Namen nennst, Kitty Pryde"
Innerlich atmete ich auf.
Ich hatte es geschafft, mich zumindest nicht total zu blamieren.
Wenn sie jetzt dachte, ich wäre eine Oberzicke, seis drum.
Zumindest stand ich nicht wie der letzte Idiot da.
Kitty sah mich verdutzt an.
"Du kennst meinen Namen?", fragte sie erstaunt.
Wie könnte ich den jemals vergessen?
Dann ging mir auf, dass es vielleicht doch nicht so brillant gewesen war, was ich da gerade gesagt hatte.
"Bist du denn nicht dieses Mädchen, dass durch alles durchlaufen kann?"
Das war ja der reinste Eierlauf.
"Mein Vater und der Professor haben mal über dich gesprochen"
Zumindest hatte ich nicht gelogen, das war doch schon mal was.
Kitty sah mich ziemlich lange an.
In ihr schien es zu arbeiten.
"Oh bitte frag nicht", dachte ich verzweifelt.
Wenn sie sich auch an die Episode im Flur erinnerte, war das nicht so klasse.
Alle würden dann erfahren, dass ich gerade eben so geworden war.
Das war mir peinlich.
Sie fragte tatsächlich nicht, aber ich war mir ganz und gar nicht sicher, ob sie nur aus Höflichkeit nicht fragte- oder es wirklich nicht mehr wusste.
