Tanz der Vampire Fanfiction

Part 1

~Böses Erwachen~



Das mechanische Klacken seiner Absätze auf dem perfekt gebohnerten Marmorfußboden war das einzige Geräusch, das Herbert begleitete, als er zum etwa hundertsten Mal an dem dicken Bücherregal mit Wälzern über geschichtliche Ereignissen vorbeiging, den aus Kirschholz angefertigten, monströsen Studientisch passierte und an dem verstaubten Globus vorbeiging, der â€" wie er zähneknirschend dachte â€" sein Vater schon längst auf den Müll hätte werfen sollen, da er Australien noch gar nicht zeigte und somit quasi wertlos war...

Wertlos! Herbert seufzte bei dem Gedanken an dieses Wort tief auf. Wertlos... ja, das wäre passend für ihn! Nicht nur, dass sein Charme, sein unvergleichlicher Charme, der ihn bis jetzt noch nicht einmal im Stich gelassen hatte, gnadenlos versagt hatte! Nein, auch sein Stolz war tief gebrochen.

Herbert legte bei diesem schmerzenden Gedanken die Hand auf sein Gesicht und schluchzte einmal kurz auf. Das war alles soooo furchtbar!

Doch wäre es nur dieses eine Mal gewesen, da ihm Alfred entwischt war. Wenn es nur das gewesen wäre! Aber nein, - neeiin!- die Hölle musste gegen ihn sein â€" nicht einmal war ihm dieser hinreißende Jüngling durch die Lappen gegangen, sondern gleich zwei Mal! Und beim zweiten Mal war die halbe Sippschaft anwesend, was die Schamesröte Herbert noch jetzt ins blasse Gesicht steigen ließ.

Der Vampir ließ einen unwilligen Laut aus seiner Kehle entweichen und hielt mitten in Runde einhuntertunddrei inne. Sein Stolz war zwar den Bach hinunter, doch seine Willenskraft hatte sich über die Jahrhunderte soweit aufgebaut, dass sie ihn selbst jetzt â€" in der tiefsten seiner Phasen â€" nicht im Stich ließ.

Das Gefühl der Rache brannte in Herbert. Nein... es war das Gefühl der Rache und des kindlichen Trotzes, das in ihm zu brodeln anfing; er wollte Alfred für sich â€" und er würde ihn bekommen!

"Liebling?" Mit besorgtem Blick beäugte Sarah den jungen Mann, der ein paar Meter vor ihr auf dem Boden saß. "Liebling, geht es dir gut?" Sie raffte ihr rotes Kleid und krabbelte auf allen Vieren zu Alfred. Schräg musterte sie ihn von der Seite und zog die Brauen zusammen. Alfred hatte ein höchst zufrieden aussehendes Lächeln auf den Lippen; ja er grinste gerade zu apathisch vor sich hin. Sein Blick war glasig irgendwo in die Ferne gerichtet und schien einen blinkenden Stern am Himmel zu fixieren. Sarah seufzte und verdrehte die Augen. Es war immer das Gleiche mit diesen Neuen... Kurz nach dem Biss müssen sie erstmal ne halbe Stunde wie auf Drogen vor sich hingrinsen, bis sich der Körper an den neuen Zustand des Vampir-seins gewöhnt hat und sie aus ihrer Starre erwachen.

Doch erstens war es hier draußen schweinekalt, und Sarah hatte nur ein schulterfreies Ballkleid an, und zweitens wollte sie es nicht riskieren, von Wölfen aufgespürt zu werden. Also wog sie kurz die Möglichkeiten ab:

Alfred war definitiv ein Vampir. Soviel stand fest. Ob dieses Greenhorn allerdings seine Zähne auch richtig in den Hals von Professor Abronsius versenkt hatte, blieb fraglich. Sarah kannte Alfred mittlerweile recht gut... Und wissen konnte man bei dem Schussel nie so recht.

Also würde sie auf Nummer sicher gehen; schaden konnte es ja nicht.

Die junge Frau kroch an dem noch immer wie ein Stockfisch grinsenden Alfred vorbei zu der leblos am Boden liegenden Gestalt des Professors. Sie drehte ihn leicht um, sodass sein Hals frei lag. Anerkennend wiegte sie den Kopf hin und her; diese kleinen roten Bisslöcher waren recht sauber angebracht, das meinte sie trotz eigener Erfahrungslosigkeit erkennen zu können. Nichts desto Trotz beugte sich Sarah vor, riss den Mund auf und schlug genüsslich ihre weißen, spitzen Eckzähne in den Hals des Professors.

Herbert wirbelte herum; sein Gesicht glühte leicht, sein Mund war zu einem siegessicheren Lächeln verzogen und seine Augen glitzerten. Ja! So würde er es machen! Das war doch der perfekte Plan! Perfekter hätte es selbst sein ach-so-toller Vater nicht hinbekommen.

Geladen mit Enthusiasmus ging der Vampir mit großen Schritten zur Tür der Bibliothek, ergriff die Klinke, drückte sie kräftig nach unten, schwang die Tür auf, und...

-Wham!- ... knallte sie irgendwem voll auf die Nase.

"Ups", murmelte Herbert verlegen. Er wollte gar nicht wissen, wer das hinter der Tür war... (zumal es mittlerweile nur noch eine Person in diesem Schloss gab, die es sein konnte...).

"Verdammt noch mal! Sohn!", kam eine ziemlich miesepetrige Stimme von der anderen Seite der großen Flügeltür. "Was zur Hölle schlägst du deinem alten Herrn Bibliothekentüren an die Schnauze!"

Herbert ließ den Kopf hängen... Wer sollte es auch sonst sein!

Graf von Krolock, stolzer Vampir und langjähriger Besitzer dieses prächtigen Anwesens, kam fluchend und schimpfend mit einer Hand auf der Nase hinter dem Türflügel hervorgetreten. Unter seinen Fingern tropfte dunkelrotes Blut hervor und lief sein weißen Kinn hinab. Das Rot in Kontrast zu dem Weiß gab ein verblüffendes Bild ab, und Herbert fand sich selbst mit offenem Mund darauf starrend. Sein Vater allerdings schien es in diesem Moment nicht gerade amüsant zu finden, als lebendes (lebendes...?) Kunstobjekt zu fungieren und gab seinem Sohn eine leichte Backpfeife.

Herbert fiel aus seiner Starre. "Au! Was sollte das!?", protestierte er beleidigt und rieb sich die Wange. Krolock ließ einen drohenden Laut seiner Kehle entweichen und sah seinen Herrn Sohn so streng wie es ihm mit blutiger Nase möglich war an. Herbert zuckte die Schultern. "Ich hab bloß noch nie einen Vampir bluten sehen", erklärte er, machte auf dem Absatz kehrt und drückte sich an seinem verdattert dreinblickenden Vater vorbei.

Krolock schlug mental die Hände über dem Kopf zusammen. "Söhne!", dachte er "dem Teufel sei Dank, hab ich nur einen davon!".

Damit begab er sich leise schimpfend und jammernd auf die Suche nach irgendetwas, mit dem er seine arme, blutende Nase verarzten konnte.

Sie hätte es wissen müssen, sie hätte es verdammt noch mal wissen müssen!

Dieser Nichtsnutz von einem Vampir, dieser Alfred!, hatte es einfach nicht geschafft, sich einen Ruck zu geben, sich aus seiner Starre zu befreien und mit ihr den schweren Körper Abronsius' zu tragen. Sarah verlangte ja gar nicht, dass Abronsius gleich nach dem Biss munter durch die Nach hüpfen würde, doch wenigstens Alfred hätte sich aufrappeln können.

Sarah hielt inne um zu verschnaufen. Sie warf einen vernichtenden Blick über ihre Schulter zu den beiden Männern in ihrem Schlepptau. Beide sahen höchst zufrieden grinsend in den Sternenhimmel hinauf und schienen es gar nicht zu bemerken, dass sie gerade von einer äußerst wütenden jungen Frau im Ballkleid in tiefster Nach durch den Schnee Transsylvaniens geschleift wurden.

Sarah seufzte zum zehnten Mal in der letzten Minute. Dann packte sie Alfred und Professor Abronsius wieder beim Kragen und setzte ihren mühsamen Weg fort.

Zum Glück konnte man in der Ferne schon die Silhouetten des Schlosses ausmachen. Mit dem Gedanken an den netten Grafen durchströmte Sarah etwas mehr Kraft und sie beschleunigte ihren Schritt ein wenig.

Herbert stürmte die Treppen hinab, rannte die Korridore entlang und gelangte schließlich zum schmiedeeisernen Eingangsportal des Schlosses. Gerade wollte er Luft holen um nach dem Hausdiener Koukol zu rufen, als ihm einfiel, dass der ja unglücklicherweise den Wölfen in die Pfoten gefallen war. Herbert biss sich auf die Lippe und dachte angestrengt nach. In seinem Kopf konnte man fast die Zahnräder rattern hören: "Keiner da, der mir das schwere Ding hochkurbelte... mh... schlecht, ganz schlecht... Das heißt...". Herbert verzog unwillig das Gesicht "...Ich muss es selber machen!", stöhnte er.

Das erste, das Herbert nach diesem bereichernden Gedanken tat, war sich am Kopf zu kratzen. Wie hatte Koukol das immer angestellt, dass das große Tor sich scheinbar leicht nach oben bewegte...? Da war eine Kurbel; irgendwo... Die musste man drehen; irgendwie...

Herbert fand das gesuchte Objekt schließlich und schaffte es auch, die Seilwinde unter Zetern und Ächzen langsam zu drehen und somit das Gitter â€" Zentimeter für Zentimeter â€" nach oben zu bewegen.

Als der Durchgang hoch genug für ihn war und er sich daran machen wollte, sich unter dem Fallgitter hindurchzuducken, stieß er beinahe mit etwas Rotem, Weichen zusammen.

"Was zum...", murmelte der Vampir und richtete sich verdutzt wieder auf. Er blickte zu seiner Überraschung in das im Mondlicht sehr fahl und sehr wütend aussehende Gesicht Sarahs, die ihn â€" neben dem Ärger, der sich in ihren Zügen widerspiegelte â€" genauso verdattert ansah. Doch dann fing sie langsam an, ihr patentiertes Sarah-Lächeln (möglichst unschuldig und möglichst kokett â€" das schafft nur Sarah!) zu lächeln.

"Ah, das nenne ich Service! Seit Koukols tragischem Ableben hat dein Vater wohl dich zum Hausdiener abkommandiert, mein lieber Herbert", säuselte sie.

Herberts Züge verdunkelten sich. Er schürzte verärgert die Lippen um sich irgendeine schlagfertige Antwort einfallen zu lassen, doch die junge Dame kam ihm zuvor. "Also, darf ich? Ich habe hier", sie deutete mit dem Kopf über ihre Schulter "wirklich kein leichtes Gepäck".

Herbert folgte Sarahs Kopfnicken und entdeckte schließlich die zwei Gestalten, die steifgefroren im Schnee lagen. Zuerst dachte er, die frisch geborene Vampirin hätte einen Abstecher zum nächstbesten Bauerndorf gemacht und zwei wahllos ausgesuchte Landwirte als 'Willkommensgeschenk' für ihn und den Grafen mitgebracht. Doch beim genaueren Hinsehen erkannte Herbert â€" nicht ohne den Anflug von Entsetzen â€" dass das niemand geringeres war als Professor Abronsius und dessen Assistent Alfred.

Der junge Vampir machte einen Laut, der irgendwo zwischen Unwille und Beleidigtsein einzuordnen wäre, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte Sarah abschätzend. Es passte ihm nämlich überhaupt kein Bisschen, dass sie diejenige war, die seinen Alfred um die Ecke gebracht â€" oder besser: Zum Vampir gemacht - hatte. Das wäre ganz eindeutig sein Job gewesen (und wenn schon nicht aus eigenem Interesse, dann doch wenigstens des Stolzes wegen).

Sarah wippte ungeduldig mit dem Fuß während ihre Augen ruhelos über die Silhouette des Grafenschlosses wanderten.

Herbert jedoch warf seufzend die Arme in die Luft, stapfte an dem Mädchen vorbei und fischte seinen Alfred am Kragen auf, warf ihn über die Schulter und tappte zum Eingangsportal zurück. Kurz davor drehte er sich noch einmal um und warf Sarah ein kurzes "Komm schon rein!" zu. Dann bückte er sich unter dem Fallgitter hindurch und setzte seinen Weg durch den Schlosshof fort.

Herbert kochte. Sein Gesicht war â€" wenn das für einen Vampir überhaupt möglich war â€" tomatenrot gefärbt; so fühlte es sich zumindest an, und er wusste gar nicht, auf wen er nun am wütensten sein sollte. Auf Sarah, weil sie ihm seinen wunderschönen Plan, Alfred in der Dunkelheit aufzuspüren und ihn 'hilfsbereit' wieder zurück zum Schloss zu führen, gründlich vermasselt hatte, oder auf seinen Vater, weil der nicht fähig genug war, drei dumme Menschen (na gut: Zwei dumme Menschen, dachte Herbert und warf einen liebevollen Seitenblick auf Alfred) in ein Schloss zu sperren, sodass eine ganze Horde beißwütiger und verdammt hungriger Vampire sich über sie hermachen konnte... Oder sollte er gar auf sich selbst wütend sein, weil er sich von diesem Jungen hatte austricksen lassen, und statt des warmen Bluten plötzlich nur kaltes Buchleder geschmeckt hatte?

Herbert seufzte als er die letzte der weitlaufenden Treppen hinaufstieg. Er bog nach links ab, trat in eines der Zimmer und legte Alfred vorsichtig auf dem Himmelbett ab, das einladend in der Mitte des Raumes stand. Alfred war wohl vor Unterkühlung oder Müdigkeit eingenickt und schien nun friedlich zu schlafen.

Herbert betrachtete das weißlich schimmernde Gesicht eine Weile lächelnd.

"Wenigstens bist du jetzt einer von uns", flüsterte er. Dann nahm er eine der Daunendecken und legte sie behutsam über Alfred. Herbert beugte sich zu dem jungen Mann hinunter um die Decke bis zu dessen Kinn hochziehen zu können, als Alfred schlagartig die Augen öffnete.

Herbert hielt inne.

Ihre Gesichter waren nur noch Zentimeter von einander entfernt; Herbert konnte Alfreds abgehackte Atemstöße hören â€" und an seiner Wange spüren.

Stille. Bis auf die Atemgeräusche der beiden Vampire herrschte vollkommene Stille.

Es schien, als ob die Szene eingefroren wäre; als ob der Raum zu einem lebendigen Gemälde transformiert wurde...

Graf von Krolock war gerade dabei, seine noch immer sehr schmerzende Nase unter allerhöchsten Vorsicht mit einem weißen Spitzentaschentuch abzutupfen, als ihn der markerschütternde Schrei in Schock auffahren ließ:

"WAAAAASZUMTEUFEL MACHT DU HIER?! ICH GLAUB, DU HAST NE MEISE! WAS FÄLLT DIR EIGENTLICH EIN, DU....". Das Folgende konnte der Graf nicht mehr verstehen, da seine Aufmerksamkeit nun wieder seiner Nase galt, die er durch eine fahrige Handbewegung aufgrund des Gezeters (dessen Ursprung der Graf auch nur zu ahnen wagte...) angestupst und somit wieder zum Bluten gebracht hatte.

Leise vor sich hinjammernd zog er das zweite Taschentuch aus seiner Weste und begann mit der ganzen Abtupf-Prozedur noch einmal von vorne.

Alfreds Augen sprühten Funken! â€" Stellte Herbert fasziniert fest.

Doch diese Faszination hielt nicht lange, denn ein wirklich verdammt wütender Alfred setzte zur nächsten Schimpfkanonade an.

"Was mache ich hier? Hä?! Antworte gefälligst, du Sarah-immitierende Vollschwuchtel!".

Autsch â€" das hatte gesessen... Herbert verzog etwas beleidigt das Gesicht. Er trat einen Schritt zurück, nur zur Vorsicht, man konnte ja nie wissen, ob dem Wortschwall nicht plötzlich Taten folgen würden, und setzte sich auf den Ohrensessel, der neben dem Bett stand.

"Nun...", setzte der Vampir möglichst gelassen an "...ich habe dich wirklich nicht hierher gebracht. Das war deine kleine Freundin... Wie hieß sie doch gleich? Sarah, nicht wahr? Jedenfalls hat sie dich und den Professor am Kragen durch den Schnee zurück zum Schloss geschleift".

Alfreds Mine änderte sich von einer Sekunde auf die andere von wütend auf ungläubig, dann wieder auf wütend.

"Du lügst doch! Warum sollte Sarah so etwas tun?!", keifte er in Richtung Herbert und krallte sich dabei an der Bettdecke fest, als könnte diese ihm Unterstützung für seine Worte geben. Doch unter der Wut, stellte Herbert mit einem leichten Grinsen fest, war noch ein Fünkchen Unsicherheit verborgen.

"Tja mein Schatz", Herbert zuckte ergeben mit den Schultern "das kann ich dir leider auch nicht beantworten".

Damit stand er auf, schenkte dem böse dreinblickenden Alfred ein kurzes Lächeln und marschierte in Richtung Tür. Gerade wollte er durch eben diese nach draußen gelangen, als Alfred ihn rief: "Hey, Oberschwuchtel, Herbert!"

Herbert drehte sich wieder um (und versuchte das nicht gerade schöne Wort, das Alfred noch vor seinem Namen ausgespuckt hatte, zu ignorieren). Er lächelte den jungen Mann freundlich an. "Ja, bitte?", säuselte er.

Alfred schnaubte und zischte dann: "Ich nicht dein Schatz, merk dir das!".

Herbert verzog unwillig die Lippen zu einem (wäre Alfred auf Herberts 'Seite' wohl furchtbar süß aussehendem) Schmollmund.

Damit verließ er den vor sich hinschimpfenden Alfred entgültig.

Alfred fiel so erschöpft in die Kissen zurück, dass es staubte. Er starrte zur betuchten Decke des Himmelbettes hinauf.

Na schön... Wie hatte der Professor ihm immer eingebläut? Logik, Logik â€" immer alles logisch betrachten. Alfred dachte nach.

Seine Situation war â€" logisch gesehen â€" beschissen. Er wusste erstens nicht, wie er hier her kam (und keiner sollte von ihm erwarten, dass er diesem schwulen Vampir Glauben schenken würde!), und zweitens war es ein unbestreitbarer Fakt, dass er nun auch ein Vampir war. Zwar konnte er sich noch dunkel daran erinnern, dass Sarah ihn gebissen haben musste, doch warum sie ihn wieder zurück zum Schloss gebracht hatte ( - durch den Schnee geschleift! Haha, wer's glaubt...), war ihm schleierhaft. Doch noch viel schleierhafter war dem jungen Mann, warum er sich an die Zeit zwischen dem Biss und dem grinsenden Herbert über ihm in keinster Weise erinnern konnte.

"Also schön", dachte Alfred müde "schlimmer kann's ja wohl nicht werden, beißen können die mich nicht noch einmal. Werd' ich mich halt auf die Suche nach Sarah und Professor Abronsius machen".

Logisch gesehen war das noch immer das Beste, das er machen konnte. Alfred richtete sich auf und kroch aus dem Bett. Beim Stehen wackelten seine Beine zwar noch etwas, doch schon kurz darauf hatte er sich soweit wieder gefangen, dass er gefahrlos nach draußen wanken konnte.

Als der junge Vampir in den Gang hinaus tappte und sich umsah, bemerkte er, dass er trotz der völligen Dunkelheit überraschend gut sah. Anerkennend wog er den Kopf; Vampir zu sein hatte anscheinend auch Vorteile.

Alfred betrachtete das Areal genau. Zum ersten Mal war er froh, schon einmal in diesem Schloss gewesen zu sein. So wusste er binnen kurzer Zeit, wo genau er sich befand. Und wenn er sich tatsächlich nicht irrte, so musste die Bibliothek einen Gang hinunter zu seiner Rechten liegen.

Genau diesen Weg schlug Alfred dann auch ein.

"Hallo Vater". Herbert hob kurz die Hand als er ins Studiolo des Grafen von Krolock eintrat und sich auf das kleine, verschnörkelte Sofa fallen ließ, das an der Wand stand.

Der Graf schenkte seinem Sohn hingegen nur einen kurzen, vernichtenden Blick, bevor er sich wieder seiner Nase zuwandte. Innerlich verfluchte er die Tatsache, kein Spiegelbild zu haben; das hätte ihn nämlich jetzt eine Menge genutzt. Doch andererseits war er auch froh darüber; der Anblick einer dicken, blau angelaufenen, blutender Nase (so zumindest fühlte sie sich Graf von Krolocks Meinung nach an), konnte wahrlich nicht berauschend sein.

Eigentlich hätte der Graf gegen die Ruhe, die in diesem Zimmer herrschte, nichts einzuwenden gehabt, doch Herbert war selten still, und das beunruhigte von Krolock etwas. Schließlich griffen die Vaterinstinkte über den Trotz und der Graf drehte sich ungeduldig zu seinem Sohn um:

"Was?", fragte er leicht genervt.

Herbert zog wieder einen Schmollmund. Gekränkt betrachtete er seinen Vater eine Weile (Er wusste er konnte den Leidenden perfekt spielen, und das machte richtig Spaß!).

"Er mag mich nicht", murmelte Herbert schließlich abgrundtief traurig.

Graf von Krolock stöhnte völlig entnervt auf. Liebeskummer! Herrje â€" womit hatte er das verdient!?

"Und?", fragte er so ruhig wie möglich, doch seine Stimme zitterte trotzdem ein wenig.

"Was â€" Und?!", regte sich Herbert plötzlich auf und erhob sich. "Du sollst mir sagen, was ich jetzt tun soll!". Setzte er beleidigt hinzu und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Woher soll ich das denn wissen, Sohn?". Graf von Krolock merkte, wie er langsam die Kontrolle verlor. Herbert war jetzt schon 500 Jahre ein Vampir; das sollte wirklich genug Zeit gewesen sein, sich mit so lächerlichen Kleinigkeiten wie Liebe oder â€" noch schlimmer! â€" Liebeskummer auseinandersetzen gelernt zu haben.

"Du bist mein Vater, du musst sowas wissen", fauchte Herbert und schenkte dem Grafen einen verletzten Blick.

"Ich weiß es aber nicht. So. Und jetzt geh". Mit einer strengen Handbewegung wollte von Krolock seinen Sohn zum Studiolo hinausscheuchen. Doch dieser ließ sich nicht bewegen.

"Dann willst du wohl auch nicht wissen, wer gerade hier eingetroffen ist, oder?", fragte er schnippisch und lächelte seinen Vater vielsagend an.

Krolock zog die Augenbrauen zusammen.

"Doch", gab er schließlich zu. "Wer ist hier? Warum weiß ich davon nichts?", setzte er â€" etwas zornig â€" hinzu.

"Tja, jedes Küken kommt irgendwann zu seinem Nest zurück", sagte Herbert und drehte sich zum Gehen. "Komm", winkte er dem Grafen zu "ich zeig's dir".

~Ende Part 1~