Hallo ihr Lieben! :)
Dies ist meine allererste selbstgeschriebene FF, also bitte bitte geht nicht allzu hart mit mir ins Gericht! :) Schließlich ist noch kein Meister vom Himmel gefallen! (Oder falls doch - ich bin jedenfalls keiner)
Entstanden ist diese Story aus dem Wunsch heraus, das Bild, das viele Leute leider immernoch von Severus haben, etwas gerade zu rücken. Und auch, weil mir das Ende der Bücher definitiv nicht gefällt! *grummel*
Angesiedelt ist die Story am Ende von Band 5 - wobei ich allerdings so manches außer Acht lasse, das mir nicht gefällt. So erfreut sich z.B. Sirius bester Gesundheit und die Umbridge war niemals Lehrerin in Hogwarts, geschweige denn Direktorin. Ihren Platz als Lehrerin nimmt stattdessen "meine" Evelyn ein. :) Umbridge kommt zwar vor, aber nur nebenbei - und selbst dann spielt sie nur eine untergeordnete Nebenrolle als Schnüfflerin des Ministeriums.
Die ersten drei Kapitel sollen dazu dienen, Evelyn und ihren Charakter vorzustellen und ihr Verhältnis zu Severus näher zu bringen. Ab dann wird sie in regelmäßigen Flashbacks ihre Schüler an gemeinsamen Erinnerungen mit Severus teilhaben lassen.
Wie gesagt, es ist meine erste Story, daher bitte ich, dass ihr nicht unbedingt mit Keulen über mich herfallt, sollte euch die Story nicht gefallen.
Natürlich freue ich mich über jedes Review und über konstruktive Kritik! Denn nur wenn man mir sagt, was ich falsch gemacht habe, kann ich meine Fehler verbessern. :)
So, nun zu den nötigen Formalitäten: Die Welt und alle Figuren gehören JKR, mir gehört hier leider gar nix - ich habe mir die Orte und Personen lediglich ausgeborgt und verspreche hiermit feierlich, sie unversehrt wieder zurück zu geben! ;)
Mein besonderer Dank geht hier an KeyMagic, auf deren Story "(Alp)Traumhafte Ferien des Mr. Snape" ich per Zufall gestoßen bin und die ich dann kurzerhand zu meiner Beta erklärt habe.^^ Und die diese Arbeit seit nun fast zwei Monaten mit Engelsgeduld verrichtet und mir stets mit Rat und Tat zur Seite steht. - Danke Simone, du bist die Größte!
Noch eine kleine Erläuterung zum Ranking: Bisher würde ich den Beziehungsstatus von Evy und Severus als "Freundschaft" bezeichnen. Da ich aber noch keine Ahnung habe, in welche Richtung meine Story gehen wird und ich für alles offen bin, was Amor vielleicht im Schilde führt, habe ich lieber vorsorglich "M" gewählt, um nicht später Probleme zu bekommen. :)
Und jetzt hab ich genug gelabert - ich wünsche euch (hoffentlich) viel Spaß mit diesem ersten Kapitel!
Ein Unwetter zieht herauf
Es war Juli und unerträglich heiß. Die Luft war zum Schneiden dick und ein schweres Gewitter zog bereits auf London zu. Jeder, ob Mensch oder Tier, der sich nicht zwingend in den stickigen Straßen aufhalten musste, blieb zuhause. Die ganze Stadt wirkte daher, obgleich es ein Arbeitstag war, wie ausgestorben.
Auf das äußere Erscheinungsbild des Grimmauldplatzes Nr. 12 hatte dieser Umstand allerdings keine Auswirkung. Die ganze Gegend wirkte stets wie ausgestorben, obwohl dies zumindest im Falle von Nr.12 absolut nicht der Wahrheit entsprach.
Hinter den geschlossenen Türen und Fensterläden herrschte reges Treiben, obgleich sich der Enthusiasmus wegen der drückenden Sommerhitze etwas in Grenzen hielt. Dieser wurde allerdings von Molly Weasley stets und ständig neu angefacht, wann immer sie jemanden tatenlos herumsitzen sah... Dies hielt jedoch nur solange an, wie sie anwesend war. Kaum hatte sie den Raum verlassen, senkte sich wieder Trägheit auf die restlichen Bewohner. Und das waren derzeit Einige. Praktisch der gesamte Orden hatte sich seit Ende des Schuljahres am Grimmauldplatz vorübergehend häuslich eingerichtet. In den letzten Wochen ergaben sich sehr regelmäßig neue Entwicklungen bei den Vorbereitungen zum Kampf gegen Voldemort, sodass es zwingend erforderlich war, alle Mitglieder des Ordens so schnell als möglich auf den neuesten Stand bringen zu können.
Harry, Hermine und die Weasleys freute das. Sie konnten die Ferien zusammen verbringen, und saßen direkt an der Quelle, wenn es neue Informationen gab. Nicht, dass es der Orden für nötig befunden hätte, die Minderjährigen über alles in Kenntnis zu setzen, aber was man nicht erzählt bekam, wurde einfach erlauscht, den Langziehohren der Weasley-Zwillinge sei Dank!
Aber am heutigen Tag war selbst mit den neugierigen Jugendlichen nicht viel anzufangen. Sie hatten sich alle im kühlsten Raum des Hauses versammelt: der Küche. Dort saßen Ron und Harry über einer Partie Zauberschach, die aber mehr oder weniger lustlos dahin dümpelte, da Ron bereits zum vierten Mal in Folge dabei war zu gewinnen. Hermine hatte die Nase tief in ein Buch über "Einhörner und die Auswirkungen ihrer Magie auf ihre direkte Umwelt" vertieft, während Ginny gelangweilt ihren Brüdern Fred und George bei einer Runde Zauberschnippschnapp zusah.
Molly Weasley bereitete das Abendessen für die Ordensmitglieder zu, während sie ihren Sprösslingen missbilligende Blicke zuwarf.
"Ihr könntet euch ruhig mal nützlich machen! Fred, George, geht und schaut bitte mal nach, ob Kreacher im ersten Stock nicht wieder Chaos angerichtet hat, ihr wisst, dass ich da oben erst gestern alles auf Vordermann gebracht habe!" "Oh Mum, muss das ausgerechnet jetzt sein?", maulte Fred. "Ich bin grade am gewinnen!" In dem Moment explodierte sein mühsam aufgetürmtes Kartenkunstwerk. "Von wegen, am gewinnen! Verloren hast du, mal wieder!", rief George gehässig.
"Da eure Partie ja dann beendet ist, könnt ihr auch tun, was ich euch aufgetragen habe. Abmarsch!"
"Okay Mum. Komm George, schauen wir mal nach, was der ekelhafte kleine Scheißer wieder anstellt!"
"Bei Merlins Bart! Fred, ich hab dir gesagt, dass du nicht solche Kraftausdrücke gebrauchen sollst!"
Die Jungs wollten darauf gerade etwas erwidern, als Professor Evelyn Callahan die Küche betrat. Die neunundzwanzigjährige Lehrerin hatte seit Anfang des gerade zu Ende gegangenen Schuljahres den Posten des Lehrers für Verteidigung gegen die Dunklen Künste inne, und war fast ebenso lange ein Mitglied des Ordens.
Sie hatte in Cambridge Zaubertränke und VdK studiert und nach Abschluss ihres Studiums für drei Jahre in Beauxbatons beide Fächer unterrichtet. Sich nach der guten schottischen Landluft sehnend, wie sie es nannte, war sie nun vor einem Jahr nach Großbritannien zurückgekehrt und hatte mit größter Freude den ihr angebotenen Posten in Hogwarts angenommen. Gab diese Stelle ihr schließlich die Möglichkeit, nicht nur wieder an ihre ehemalige Schule zurück zu kehren, sondern auch nach langer Zeit ihrem einstigen Zaubertrankprofessor und Mentor, Severus Snape, wieder zu begegnen und Seite an Seite mit ihm zu arbeiten. Was dieser, zum größten Erstaunen aller Schüler - und auch der Kollegen - nicht nur ohne Einspruch hingenommen, sondern sogar - für seine Verhältnisse - freudig begrüßt hatte. Alle hatten erwartet, dass er mit der neuen Kollegin auf Kriegsfuß stehen würde, da ihm ja durch sie erneut die Chance auf die VdK-Stelle verwehrt blieb. Umso verblüffter waren sie, als er sich ihr gegenüber kollegial, ja geradezu zuvorkommend verhielt!
Zu Anfang noch recht selten, im Laufe des Schuljahres aber immer häufiger, sah man beide einträchtig nebeneinander übers Schulgelände spazieren, stets in eine angeregte Diskussion oder gelegentlich auch in einen nicht weniger angeregten, dafür aber umso heftigeren, Disput vertieft. Diese Streitgespräche hatten aber dieselben Eigenschaften wie ein Sommergewitter: Sie kamen unerwartet und heftig, waren dann aber ebenso schnell wieder vorbei wie sie begonnen hatten. Die Luft war gereinigt und die Eintracht wiederhergestellt... bis zum nächsten Reibungspunkt, und dann fing das Spiel wieder von vorne an. Anfangs war Dumbledore über diese Stimmungsschwankungen seiner beiden Kollegen beunruhigt, merkte aber rasch, dass sich beide ganz getreu einer alten Redensart verhielten: Hunde die bellen, beißen nicht...
Ihre Schüler stellten allerdings bald eine beunruhigende Tatsache fest: Dass Professor Callahan zwar weitaus umgänglicher und offener war als Professor Snape (und bei weitem ansehnlicher, wie böse Zungen noch hinzufügten), sich aber ansonsten kaum von ihrem männlichen Kollegen unterschied, zumindest was die Unterrichtsmethoden betraf. Sie war äußerst streng, und forderte im Unterricht absolute Konzentration und Disziplin, und wehe dem, der sich nicht daran hielt! Sie hatte absolut keine Schmerzen dabei, Nachsitzen zu erteilen oder in ganz harten Fällen die Erlaubnis fürs Hogsmeade-Wochenende zu entziehen. Da sie das aber nicht oft tat, und wirklich nur in Extremfällen zu solchen Mitteln griff, nahmen ihr die Schüler das nicht krumm. WAS sie ihr übel nahmen, war, wenn sie die Schüler zum Nachsitzen zu Professor Snape schickte... Wenn man sich deswegen bei ihr beschwerte, war die gängige Antwort: "Ein Abend Kessel schrubben unter Professor Snapes Aufsicht wird Sie nicht umbringen, und hoffentlich zukünftig davon abhalten, in meinen Stunden Maulaffen feil zu halten!"Und in sanfterem Tonfall setzte sie dann hinzu: "Einige von Ihnen haben vor, Auroren zu werden. Da können Sie sich keinerlei Ablenkungen erlauben, die könnten Sie oder einen Ihrer Kameraden das Leben kosten. Und alle anderen sollen auch in der Lage sein, sich im Ernstfall gegen einen Fluch verteidigen zu können, aber dafür brauchen Sie absolute Konzentration! Ich möchte bloß, dass Sie das auch wirklich einsehen und es sich für die Zukunft merken, und wenn der geschätzte Kollege mit seinem sonnigen Gemüt dazu beitragen kann, dass Sie sich meine Worte hinter die Ohren schreiben, haben wir alle was davon: Sie alle leben um einiges länger, ich kann infolgedessen ruhiger schlafen, und Professor Snape hat ordentlich geschrubbte Kessel!" Letzteres sagte sie immer mit einem Grinsen, das man als eine irritierende Mischung aus neckisch, liebevoll und süffisant bezeichnen konnte.
Ja, sie konnte Snape in einer fast schon beängstigenden Art und Weise ähneln, und dann wiederum waren die Unterschiede dieser beiden starken Persönlichkeiten wieder so offensichtlich wie der Unterschied zwischen Feuer und Wasser…
Für die Menschen um sie herum war es unbegreiflich, wie zwei so unterschiedliche Charaktere derart gut miteinander auskommen konnten, dass man sie fast schon als Freunde bezeichnen musste! Und was ihnen besonderes Kopfzerbrechen bereitete, war die Tatsache, dass Evelyn Callahan mit Severus Snapes schwierigem Charakter umgehn konnte, als hätte sie ihr Leben lang nichts anderes getan, als diesen so vielschichtigen, undurchschaubaren Mann zu studieren und nach und nach zu decodieren. Sie wusste mit ihm so gut umzugehn, dass es Dumbledore, der Severus ja nun schon bald 30 Jahre kannte, fast an... Zauberei grenzte.
Ein Zucken eines Gesichtsmuskels verriet ihr, ob sie ihn morgens beim Frühstück in der Halle grüßen oder den Mund halten und ihm einfach seinen Kaffee hinschieben sollte.
Ein bestimmtes Wölben der Augenbrauen zeigte ihr an, ob bei einem weiteren Wort die derzeitige Unterhaltung so friedlich wie bisher weiter verlaufen, oder in einen handfesten Streit ausarten würde.
An der Art, wie er die Stirn runzelte, konnte sie erkennen, ob er einfach nur gestresst war und einen Moment seine Ruhe brauchte, oder ob sich wieder seine Migräne ankündigte, unter der er schon litt, seit sie ihn kannte.
Wenn sie dieses charakteristische Stirnrunzeln wahrnahm, fasste sie nur wortlos in ihren Umhang, zog eine Phiole mit einer kristallklaren, aber leicht zähflüssigen Substanz heraus, reichte ihm diese, ohne irgendeinen Kommentar dazu abgeben zu müssen, und er nahm ebenso wortlos die Phiole entgegen, quittierte ihre Geste mit einem stummen Nicken, um dann mit einer Miene, die Todesverachtung ausdrückte, die Phiole an die Lippen zu setzen und den Heiltrank seine Wirkung entfalten zu lassen. Abschließend ging noch ein von Ekel gezeichnetes Schütteln durch seinen Körper. Der Trank schmeckte aber auch wirklich widerwärtig! Dieses Ritual ging, wie so viele andere ihrer Rituale, absolut stumm vonstatten. Nicht, weil man nichts dazu sagen wollte, sondern weil man nichts dazu sagen brauchte. Wozu auch? Sie verstanden einander.
Diese Rituale waren Selbstverständlichkeiten zwischen ihnen, wie die Tatsache, dass sie sich jedes Mal, wenn sie eine dieser Phiolen aus ihrer Tasche zog, daran erinnerte, dass er ihr vor beinahe genau dreizehn Jahren bei genau solch einer Gelegenheit ebenso wortlos eine Phiole aus seinem Umhang mit demselben Inhalt gereicht hatte.
Sie hatte bei ihm Nachsitzen müssen. Er hatte an seinem Pult gesessen und Aufsätze korrigiert, während sie den Trank, den sie morgens im Unterricht aus purer Nachlässigkeit verdorben hatte, nochmal braute. Dabei hatte sie plötzlich, wie aus heiterem Himmel, einen Migräneanfall bekommen, wie so oft seit jener schicksalhaften Nacht, zwei Jahre zuvor, von der nur sehr wenige Menschen wussten.
Der Schmerz war so unvorhersehbar gekommen, dass sie leise aufgestöhnt hatte. Sehr leise, aber doch laut genug, dass er wegen des ungewöhnlichen Geräuschs den Blick von seiner Arbeit gehoben und zu ihr hinüber gesehen hatte. Es hätte ja durchaus sein können, dass sie gerade wieder dabei war, den Trank zu verderben. Aber stattdessen saß sie nur da, und die Art wie sie dasaß, gepaart mit der typischen Geste, die er von sich so gut kannte, zeigte ihm sofort, was los war: Wie sie mit Daumen und Zeigefinger auf ihren Nasenrücken drückte und diesen in kleinen rhythmischen Kreisbewegungen rieb. Ohne etwas zu sagen griff er in seinen Umhang und zog eine Phiole mit eben jener kristallklaren, aber leicht zähflüssigen Substanz heraus, erhob sich geräuschlos von seinem Stuhl und ging zu ihr hinüber. Wortlos hatte er sie ihr hingehalten, ihr nur kurz in die Augen gesehn. Mehr war nicht nötig. Ein leise gehauchtes "Danke" ihrerseits und nur einen kurzen Moment darauf ein aus tiefster Seele kommendes "Bääh!" reichten, um ihm zu sagen, dass sie seine Geste verstanden hatte. Er war wieder an sein Pult gegangen, hatte ein Stück Pergament hervorgeholt und aus dem Gedächtnis etwas darauf notiert.
Dann war er zu ihr zurückgekommen, hatte einen prüfenden Blick in den Kessel geworfen, ihr gesagt, dass der Trank diesmal gelungen sei und sie dann jetzt gehn könnte, vorausgesetzt, sie hätte ihre Lektion gelernt und würde zukünftig konzentrierter und disziplinierter arbeiten, um eine weitere unnötige Stunde Nachsitzen zu vermeiden. Nachdem sie das versprochen, ihre Trankutensilien zusammengepackt hatte und aufgestanden war um zu gehn, legte er ihr das Stück Pergament auf den Tisch, dass er eben beschrieben hatte. Sie blickte darauf und erkannte, dass es ein in seiner unverwechselbaren kleinen, aber sauberen und klaren Handschrift verfasstes Rezept für einen Trank war. Den kristallklaren, leicht zähflüssigen Trank aus seiner Phiole. "Denken Sie daran, für Notfälle immer eine oder zwei dabei zu haben.", war das letzte, was er an diesem Abend noch zu ihr gesagt hatte, bevor er sich wortlos umdrehte und an seine Arbeit zurückging. Und seither war nie mehr ein Wort über dieses Thema zwischen ihnen gefallen, bis zum heutigen Tag nicht. Wozu auch? Sie verstanden einander...
Dieses stumme und blinde Verständnis, das man normalerweise nur von Paaren kennt, die mehrere Jahre oder gar Jahrzehnte zusammen sind, war für ihre Umwelt nicht zu begreifen. Sie selbst begriffen es auch nicht wirklich. Aber sie hinterfragten es auch nicht, wozu auch? Wozu etwas hinterfragen, worauf man sowieso keine Antwort bekommen kann? Für sie beide war es einfach ein Verständnis, eine tiefe Freundschaft, die sich über die Jahre langsam entwickelt hatte, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Beide hatten, ganz für sich, damals vor vierzehn Jahren, einen Schlüsselmoment erlebt, sie beide gemeinsam, und doch jeder für sich. Jeder hatte seinen eigenen, ganz besonderen Moment erlebt, der den Grundstock für diese tiefe Verbundenheit gelegt hatte, aber ohne es voneinander zu wissen. Sie hatten einander Halt gegeben in ihren jeweils schwersten Stunden, ohne zu wissen, dass sie es taten.
Er hatte ihr, völlig ohne sich dessen bewusst zu sein, geholfen, wieder in ein normales Leben - ein Leben nach dem Krieg - zurückzufinden.
Sie hatte ihm, ohne auch nur den Hauch einer Ahnung davon zu haben, dabei geholfen, eine sinnvolle Aufgabe in seinem Leben zu finden. In dem Leben, das für ihn eigentlich bereits verwirkt, sinn- und ziellos war, seit jener Nacht... Seit jener Nacht vor vierzehn Jahren.
Jene Nacht vor vierzehn Jahren, in der Voldemort verschwand, der Krieg endete, das Leben für die gesamte Zaubererwelt wieder neu begann!
Jene eine Nacht, als Voldemort verschwand, der Krieg endete!... aber auch ihr Leben endete.
... Lily ...
... seine einzige, geliebte Lily ...
... seine Schuld ...
Jene Nacht, in der das Leben aller neu begann! ... Seines gemeinsam mit ihrem endete... und sein Leidensweg begann... sein Martyrium... seine persönliche Hölle...
Und dann, nur wenige Monate danach, war sie gekommen, Evelyn.
Eine Schülerin, eine unter vielen. Eine Schülerin, deren Talente sich langsam, nach und nach heraus kristallisierten. Ein echtes Talent, mit einem hellen Kopf und einem messerscharfen Verstand! Eine einzige unter diesen vielen, die seine Leidenschaft teilte... die Liebe zu den Zaubertränken!
Eine einzige Schülerin, die wirklich begriff, welche Schönheit in dieser flüchtigen Welt verborgen lag! Ein Talent, das es zu fördern galt.
Zuerst behielt er sie nur im Auge. Beobachtete, ob er recht gehabt hatte, oder ob ihr Interesse für die Welt der Tränke nur oberflächlich oder gar nur vorübergehend existierte. Und dann tat sie eines Tages selbst den Schritt. Fand den Mut, dem strengen Zaubertranklehrer, den inzwischen zwar alle respektierten, aber auch fürchteten, gegenüber zu treten, und ihn um Hilfe bei ihrer Ausbildung zu bitten. Sie hatte den Mut, ihn zu bitten, ihr Mentor zu werden. Ihr zu helfen, an die beste Fakultät für Zaubertränke zu kommen, die es gibt - Cambridge. Dieser absolut gryffindorsche Mut hatte ihn gegen seinen Willen beeindruckt. Und er hatte die Herausforderung angenommen, sie zu seinem Schützling zu machen. Eineinhalb Jahre lang war er ihr Mentor, half ihr auf dem langen, steinigen Weg nach Cambridge. Und das, obwohl sie eine Gryffindor und er zu diesem Zeitpunkt bereits Hauslehrer von Slytherin war, was besonders bei Professor McGonagall für großes Erstaunen sorgte.
Aber seine und ihre gemeinsamen Mühen sollten sich bezahlt machen:
Sie bestand die schwierige Aufnahmeprüfung für Cambridge mit Bravour, ihren UTZ in Zaubertränke schloss sie mit "Ohnegleichen" ab - was bis heute nie mehr einem Schüler unter Severus gelungen war. Auch hatte er nach ihr nie wieder einen Schützling angenommen. An ihr Talent und ihre Hingabe an sein Fach hatte es bisher keiner herangeschafft. Es hatte sich aber auch keiner mehr gefunden, der den Mut gehabt hätte, ihn darum zu bitten.
Daran dachte Evelyn in dem Moment, als sie die Küche am Grimmauld Platz Nr. 12 betrat. Vielleicht würde Hermine es wagen, ihn zu bitten, ihr Mentor zu werden. Das Talent, um nach Cambridge zu gehn, hätte sie in jedem Fall…
Während sie die Küche durchschritt und zur Arbeitsfläche trat um Molly beim Zubereiten des Abendessens zu helfen, dachte sie einen Moment darüber nach, was wohl gewesen wäre wenn...
Wenn Severus damals vor vierzehn Jahren nicht ihr neuer Lehrer in Zaubertränke geworden wäre. Wenn er nicht diese Leidenschaft in ihr entfacht hätte, diese fast schon obsessive Hingabe an die Zaubertränke. Wenn sie damals in ihrem sechsten Schuljahr nicht den Mut gehabt hätte, ihn zu bitten ihr Mentor zu werden. Ihr Leben wäre auf jeden Fall komplett anders verlaufen, da war sie sich absolut sicher. Ohne ihn wäre sie niemals nach Cambridge gekommen. Seinem strengen Unterricht, seinem Genie und nicht zuletzt seiner unendlichen Geduld verdankte sie es, dass sie diesen Weg hatte gehen dürfen. Ohne ihn hätte sie ihre Liebe zu den Tränken gar nicht entdeckt, dessen war sie sich genauso sicher. Denn bevor er kam, die ersten vier Jahre in Hogwarts, hatte sie Zaubertränke abgrundtief gehasst. Dann, nach Ende des Krieges, zu Beginn ihres fünften Schuljahres, kam er, Professor Severus Snape, als Lehrer zurück an seine alte Schule, und es begann Evelyns neues Leben. Es war, wie aus einem Dornröschenschlaf zu erwachen.
Sie musste lächeln bei der Erinnerung an die erste Zeit. Er war sehr streng, ungemein fordernd, er verlangte ihr und ihren Mitschülern alles ab. Aber es machte ihnen Spaß! Denn endlich hatten sie einen wirklichen Lehrmeister. Die einen waren mit mehr Begeisterung bei der Sache als die anderen, aber das gibt es ja immer und überall. Aber im Großen und Ganzen waren sie alle vollauf zufrieden mit ihrem neuen Lehrer. Seine Fachkompetenz und sein Genie fielen sogar dem größten Idioten auf, und das machte seinen zugegebenermaßen zeitweise sehr schwierigen Charakter allemal zu einem erträglichen Übel…
Mit einem dumpfen Poltern, das definitiv aus dem ersten Stock kam, gefolgt von einem wütenden Aufschrei, dem Schlagen mehrerer Türen und schließlich dem hektischen Rennen zweier Paar Füße auf der Treppe, wurde Evelyn unsanft aus ihren Gedanken in die Wirklichkeit zurückgeholt.
„Großer Merlin, was treiben die da oben?", entfuhr es Molly Weasley, und wie zur Antwort stürzten nur zwei Sekunden darauf ihre beiden Zwillingssöhne in die Küche, von Kopf bis Fuß tropfnass, als seien sie in einen Wolkenbruch geraten – allerdings in einen, der im Haus stattgefunden hatte.
„Mom, keine Sorge, es ist alles wieder im Butter!", keuchte Fred, während er sich an der Anrichte festhielt und Wasser aus seinen Ohren schüttelte.
„Was, in Circes Namen, ist da oben passiert?"
„Kreacher hat eines der Gästebäder geflutet!", erklärte George, während sich um seine Füße eine ansehnliche Pfütze sammelte. „Und dann hat er einen Eimer genommen und mit dem Wasser aus `em Klo einen … nun ja, kleinen Teich errichtet, wie er es nannte … in ihrem Zimmer, Professor…..", fügte George mit einem zerknirschten Blick in Evelyns Richtung hinzu.
„Was? In meinem Zimmer? Bei Merlin, all meine Sachen, meine Kleider! Meine Bücher! Und … oh verflucht, der Zutatenkoffer!", schrie sie und wollte gerade aus der Küche stürzen um nach oben zu stürmen, als Fred einen kleinen, silbernen Gegenstand in die Höhe hob, von dem leicht das Wasser abperlte. „Meinen sie den hier? Der war bei dem Chaos, das die kleine Pestbeule angerichtet hat, neben ihr Bett gerutscht. Er sah wertvoll aus, als brachte ich ihn vorsichtshalber mit runter." Sichtlich erleichtert atmete Evelyn aus und nahm dankbar den kleinen, verzierten Silberkoffer entgegen.
„Und wer kümmert sich um die Katastrophe da oben?", fragte Molly Weasley, während sie hektisch jedem ihrer Söhne ein Handtuch reichte, damit nicht auch noch die Küche ein Opfer der Fluten wurde.
„Das haben Sirius und Tonks schon erledigt.", beschwichtigte Fred seine aufgebrachte Mutter. „Sie haben Kreacher vorerst in eine Seemannstruhe auf dem Dachboden gesperrt und vorsorglich das Schloss mit Magie abgesichert, damit er nicht auf krumme Gedanken kommen kann. Naja, und jetzt beseitigen sie die Springflut da oben." Fred grinste. „Man, da siehts aus wie in einem der Gemeinschaftsklos in Hogwarts! Jetzt fehlt nur noch die Maulende Myrte und ich würde mich ganz wie zuhause fühlen!" „Fred Weasley!", kreischte Molly und zog ihm eins mit dem Handtuch über, während in der Küche schallendes Gelächter ausbrach.
Resolut packte Molly ihre beiden Tunichtgute am Kragen und schob sie in Richtung Vorratskeller. „Steht hier gefälligst nicht rum, sondern macht euch mal nützlich! Mindestens der halbe Orden wird nachher zum Essen erscheinen, und da benötige ich noch eine Menge Kartoffeln. Also los, dalli dalli, bewegt euch und tut mal was!" „Tun wir doch!", wagte George, mit einem Blick über die Schulter, seiner Mutter noch zuzurufen. „Zur Abwechslung meinte ich mal was Produktives! Und jetzt schleich dich!", schrie Molly ihm noch nach, während sie neben Evelyn trat, und George gab Fersengeld.
„Sind die Zutaten noch in Ordnung, Evelyn?", fragte Molly besorgt, während sie der Hexe über die Schulter sah. Diese hatte routiniert, aber sehr gründlich die in dem Koffer aufbewahrten Zutaten durchgesehen und nickte nun erleichtert auf. „Ja, sie wurden nicht beschädigt, Merlin sei Dank!"
Hermine war neugierig näher getreten und betrachtete nun die sehr exotisch aussehenden Dinge, die, teilweise in Papier, teilweise aber auch in Stroh, Sand oder gar Algen gebettet waren und in kleinen, sorgfältig getrennten Kammern in dem silbernen Koffer ruhten. „Was sind denn das für Zutaten? Sowas hab ich ja noch nie gesehen!" Und neugierig, gepaart mit einem leichten Schuss Ekel, beugte sie sich über etwas das verdächtig aussah wie eine … Zunge! „Vorsicht Hermine, die ist ganz frisch!" Und wie zur Bestätigung von Professor Callahans Worten rollte sich die lose Zunge (!) auf, um sich dann wieder blitzschnell zu entrollen und Hermines Nasenspitze bloß um wenige Zentimeter zu verfehlen.
„Verdammt, die lebt ja noch!", stieß Harry entsetzt hervor und wich noch ein Stück von der Anrichte und dem Koffer mit diesen mehr als seltsamen Zutaten zurück. Evelyn grinste amüsiert und verschloss den Koffer wieder sorgfältig. „Natürlich tut sie das, Harry, das ist schließlich die Zunge eines Gakis. Herausgetrennt lebt sie noch etwa zwei Tage weiter, allerdings nur bei fachmännischer Aufbewahrung. Denn nur solange sie noch lebt, kann man sie verwenden, danach ist sie wertlos und teilweise sogar gefährlich, je nachdem wofür man sie verwendet hat." Hermine starrte entsetzt auf den Koffer. „Soll das heißen, die Zunge wurde dem Gaki bei lebendigem Leib herausgenommen?"
Überrascht sah Evelyn sie an. „Also wirklich, Hermine, jetzt enttäuschst du mich! Gakis wurden doch in „Pflege magischer Geschöpfe" behandelt, oder irre ich mich da? Dann wirst du dich ja sicherlich daran erinnern, dass ihnen ihre Zungen in regelmäßigen Abständen herausfallen, um dann nachzuwachsen." Verlegenheit ließ Hermines Wangen rot werden. „Oh ja stimmt, jetzt wo Sie es sagen…." „Und was ist all das andre für `en Zeugs?", fragte Ron, mit einem Blick über Harrys Schulter.
Evelyn zog eine Augenbraue kraus, was ihr wiedermal eine erschreckende Ähnlichkeit mit Professor Snape einhandelte, wie ihre Schüler mit leichtem Entsetzen feststellen mussten. „Dieses Zeugs, wie du es nennst, Ronald, sind unter anderem die Zähne eines gelbfüßigen Wyverns, was ein sehr selten gewordener osteuropäischer Drache ist, wie dein Bruder Charlie dir sicher bestätigen kann. Weiter haben wir hier Vampirstaub, die gemahlenen Reißzähne eines bei Vollmond gestorbenen Werwolfes, Ektoplasma, die frisch gelegten Eier eines Basilisken, die Schweifhaare eines Einhorns, die dieses wohlbemerkt freiwillig hergegeben hat, mehrere Skarabäen,… ahja, und natürlich die in Essig und Honig eingelegten Hoden eines Widders!" „Die… bitte, was?", stießen die anwesenden Jungs angewidert und entsetzt hervor.
„Eingelegte Hoden? Cool, dürfen wir mal sehn?", rief George von der Kellertreppe her, während er mit Fred einen schweren Sack Kartoffeln nach oben wuchtete. „Ihr arbeitet und haltet den Rand!", befahl Molly streng, während sie sich ans Erbsenauslesen machte. Dafür schwang sie kurz den Zauberstab und die eine Hälfte der Erbsen begann sich selbst aus ihren Hüllen zu befreien, während sie die andere Hälfte per Handarbeit auslas.
„Und wozu sind die … Dinger … in Honig eingelegt?", fragte Ginny interessiert. „Essig versteh ich ja, aber Honig? Steigert der die Wirkung in den Tränken?" Professor Callahan grinste spitzbübisch. „Nein, der Honig hat keinerlei Auswirkung auf die Wirksamkeit der Zutat. Er dient lediglich zur Verbesserung des … Geschmacks, verstehst du? Damit die Dinger …naja, besser rutschen!" Die Mädchen grinsten von einem Ohr zum andern, während Ron und Harry ein angewidertes Würgen zu unterdrücken versuchten.
„Ich will lieber gar nicht erst wissen, für welchen abartigen Trank man sowas braucht!", stieß Fred angeekelt hervor. „Das ist gut, denn du hättest es auch nicht erfahren!", gab Evelyn trocken zurück. „Hat es etwas mit dem Orden zu tun?", fragte Harry in einem, wie er hoffte, beiläufigen Ton, der seine extreme Neugierde nicht verriet. „Ja, hat es, Harry.", entgegnete sie gnädig und grinste schief.
„Sind die Zutaten sehr wertvoll?", wollte nun Hermine wissen. Evelyn nickte heftig. „Unschätzbar wertvoll! Professor Snape braucht sie dringend für seine Forschungen, ohne diese Zutaten geht es nicht vorwärts. Aber weil sie so selten sind, sind sie auch dementsprechend teuer. Was in diesem Koffer liegt, Kinder, reicht im Wert aus, um in Notting Hill ein schickes kleines Appartement zu kaufen!" Den Kindern blieb vor Erstaunen die Spucke weg. „Einiges davon ist so selten und kostbar, dass manche Leute bereit wären, einen Mord dafür zu begehen." Mit Ehrfurcht betrachteten sie nun den kleinen silbernen Koffer, dem man seine wertvolle Fracht absolut nicht ansah.
„Kreacher hat keine Ahnung, wie viel Glück er hatte, dass die Zutaten nicht verdorben wurden!", schnaubte Evelyn wütend. „Professor Snape wartet seit zwei Wochen darauf, und er hat mir nicht nur sein Geld für den Kauf anvertraut, sondern auch die Verantwortung für die Zutaten übertragen! Wenn sie jetzt in meiner Obhut vernichtet worden wären… Er hätte mich glatt umgebracht! Und dann bekäme Kreacher ein echtes Problem – mit mir nämlich!" Harry und Hermine sahen sich an und unterdrückten mühsam ein Grinsen. Ihnen brannte förmlich die Frage auf der Zunge, wie sich Professor Callahan denn Kreacher vorknöpfen wollte, wenn Snape sie erst mal kalt gemacht hätte…
Molly Weasley sah von ihrer Arbeit auf. „Da wir gerade von ihm sprechen, Evelyn, glauben Sie, dass wir Severus fürs Abendessen einplanen müssen?" Evelyn, die sich inzwischen einen Topf und ein Messer von der Anrichte genommen und damit am Tisch Platz genommen hatte um Kartoffeln zu schälen, schüttelte den Kopf. „Nein, Molly, ich denke nicht. Er ist jetzt seit zwei Tagen nicht mehr hier gewesen, und ich weiß auch gar nicht, ob wir heute überhaupt noch mit seinem Erscheinen rechnen können. Und selbst wenn, Sie wissen doch selbst, dass er niemals zum Essen bleibt."
Ron murmelte in diesem Moment etwas wie „Na, zum Glück!" – allerdings nicht leise genug. Mrs. Weasley und Professor Callahan stießen gleichzeitig ein empörtes „Ronald!" aus und sahen ihn böse an. Evelyns sonst so offenes und freundliches Gesicht hatte einen harten, verschlossenen und enttäuschten Ausdruck angenommen. Molly begnügte sich allerdings nicht mit einem Blick. Wütend fuchtelte sie mit dem Zauberstab in der einen, und einer Menge Erbsen in der anderen Hand herum und schrie ihren jüngsten Sohn an. „Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du nicht so respektlos sein sollst! Meine Güte, er ist dein Lehrer! Und ein Mitglied des Ordens! Also benimm dich ihm gegenüber gefälligst auch so!" „Er ist ja gar nicht da!", wagte Ron einzuwerfen, aber nun schaltete sich Evelyn ein. Molly wollte gerade mit einer weiteren Schimpftirade loslegen, als Evy ihr mit einer resoluten Geste zu verstehen gab, dass sie das jetzt in die Hand nahm. Wer den harten Ausdruck in ihrem Gesicht sah, konnte absolut verstehen, warum diese Frau die Stelle für VdK bekommen hatte, und dass mit ihr absolut nicht zu spaßen war.
Sie sah Ronald streng an. „Es geht nicht darum, ob er da ist oder nicht, und ob er deine Beleidigung hört, Ron. Man spricht niemals derart respektlos über seinen Lehrer." Langsam wich der harte Ausdruck aus ihrem Gesicht, machte dafür aber Enttäuschung und Trauer Platz, was die Kinder noch weniger ertragen konnten. Sie ließ ihren Blick einmal über die sechs Jugendlichen wandern, die am Tisch saßen und zumindest versuchten, zerknirscht auszusehen. „Niemand verlangt von euch, Professor Snape gern zu haben, absolut nicht. Aber was man von euch verlangen kann, sind Anstand und Respekt! Und das ist das Mindeste, was er verdient für die Opfer, die er für uns alle hier bringt, Tag für Tag!"
„Welche Opfer denn?!", entfuhr es Harry verächtlich. Evelyns Augen blitzten böse und sie lehnte sich etwas vor. „Welche Opfer? Welche Opfer, fragst du? Jeden Tag muss er mit dem Ruf Voldemorts rechnen, und muss diesem Ruf bedingungslos gehorchen! Jedes Mal, wenn er vor dem Dunklen Lord steht, ist er dessen Willkür auf Gedeih und Verderb ausgeliefert! Jedes verdammte Mal muss er damit rechnen, von ihm gefoltert zu werden! Nicht, weil er Voldemort einen guten Grund dafür geliefert hätte, nein! Sondern weil es diesem Bastard eine perverse Freude bereitet, seine Anhänger zu quälen! Und wird Severus mal nicht gefoltert, muss er sich der Angriffe auf seinen Geist erwehren, was ihm nur durch sein jahrelanges, erbarmungsloses Training immer wieder so erfolgreich gelingt! Du hattest doch Okklumentik-Stunden bei ihm, Harry! Du hast doch eine Vorstellung davon bekommen, wie schwer es ist, jemanden aus deinem Kopf fernzuhalten. Jemanden, der da einfach rein spaziert und alles durchwühlt, auf der Suche nach Informationen!
Es war dir schon fast nicht möglich, Professor Snapes leichten Angriffen standzuhalten, was glaubst du, wie es sich anfühlt, wenn Voldemort in deinen Kopf eindringt? Severus ist ein Meister der Okklumentik, genau wie der Dunkle Lord, und es kostet ihn jedes Mal ungeheure Kraft, ihn aus seinem Kopf fern zu halten, beziehungsweise bestimmte Informationen vor ihm zu verbergen. Dazu kommt dann noch das Misstrauen der anderen Todesser ihm gegenüber, wegen seiner Nähe zu Dumbledore. Immer wieder streuen sie bei ihrem Herrn Gerüchte über Severus aus, wohl wissend wie paranoid ihr Meister geworden istund wie empfindlich er auf Verrat reagiert! Er lebt jeden Tag mit der Gewissheit, dass es sein Letzter sein könnte, und trotzdem trägt er diese schwere Bürde ohne sich jemals zu beklagen. Im Gegenteil, er sieht sie als die gerechte Strafe für seine Sünden an!"
„Womit er ja auch nicht unrecht hat, oder?", warf Ron vorsichtig ein. „Schließlich ist er ein Todesser! Niemand hat ihn damals gezwungen, das Dunkle Mal zu nehmen und sich Voldemort anzuschließen!" „Ronald Weasley, jetzt ist es aber wirklich genug!", zischte Molly wütend, und man konnte sehen, dass es ihr bitterernst war. „Nein, nein, Molly, der Junge liegt ja gar nicht so falsch.", beschwichtigte Evelyn die aufgebrachte Mrs. Weasley. Dann sah sie Ron traurig an. „Aber ganz so einfach, wie du es dir machst, Ronald, ist es leider nicht. Ist es nie… Was du sagst stimmt soweit: Niemand hat ihn damals gezwungen, sich Voldemorts Reihen anzuschließen. Es war seine eigene freie Entscheidung. Aber: Er war ein junger Mann, nur ein paar Jährchen älter als ihr jetzt. Und so junge Menschen machen eben manchmal Fehler. Was sag ich! Viel ältere, die es eigentlich besser wissen sollten, machen oft genauso schlimme und dumme Fehler!
Ihr habt sicher auch schon Dinge getan, die ihr hinterher bereut habt und gerne wieder rückgängig machen würdet. Jedem passieren solche Dinge. Aber das ist auch normal, schließlich sind wir alle nur Menschen. Und Menschen machen nun mal Fehler, das liegt in der Natur der Sache. Wichtig ist, sich seine Fehler einzugestehen und aus ihnen zu lernen! Und, wenn möglich, sie wieder gut zu machen. Und das tut er, ihr Lieben, Tag für Tag, nun schon seit mehr als vierzehn Jahren…" Sie machte eine Pause und sah in die Runde.
Ihre Worte schienen eine Wirkung zu zeigen. Die Kinder sahen nachdenklich vor sich hin. Harry runzelte gelegentlich die Stirn, als würde ihm ein Gedanke schwer zu schaffen machen. Evelyn registrierte das und sah ihn direkt an. „Sprich dich aus, Harry. Sag, was du denkst." Er sah auf und seufzte schwer. „Ich will es ja verstehen, ehrlich! Mir will nur nicht in den Kopf, wie jemand überhaupt auf die Idee kommen kann, sich Voldemort anzuschließen! Schließlich hab ich ihm letztes Jahr gegenüber gestanden! Er ist schrecklich, abgrundtief böse und … einfach wahnsinnig! Ich hatte nur das Bedürfnis, so weit von ihm wegzukommen wie möglich! Und Professor Snape ist damals freiwillig zu ihm hin gegangen! Was war es, das ihn dazu veranlasst hat?" Hermine nickte bekräftigend. „Genau das bereitet mir auch immer wieder Kopfzerbrechen, Professor! Haben Sie eine Ahnung, was ihn damals angetrieben hat?"
Evelyn strich sich die langen dunklen Locken hinter die Ohren und sah die Kinder eindringlich an. Als ihr Blick auf ihm ruhte, nahm Harry mal wieder die merkwürdige Intensität ihrer noch merkwürdigeren Augen wahr. Dieser Augen, die absolut magnetisch wirkten, wenn man hinein sah, wegen ihrer Einzigartigkeit: ein Auge, blau wie Kobalt - ein Auge, grün wie ein Smaragd… Feenaugen…
„Eigentlich wundert es mich etwas, dass du diese Frage überhaupt stellen musst, Harry. Du warst schließlich derjenige, der unerlaubterweise in Professor Snapes Denkarium gesehen hat…" Harry zuckte zusammen. „Sie wissen davon?" „Ja. Und daher weiß ich auch, dass dir zumindest einer seiner Beweggründe bekannt sein dürfte." Harry nickte beschämt. „Sie meinen, weil mein Vater und Sirius ihn gequält haben…" „Gequält und gedemütigt, und das nicht nur ein Mal. Wieder und immer wieder, über ihre komplette Schulzeit hinweg. Ich werde nicht näher darauf eingehen, das sind Professor Snapes private Erinnerungen, die gehen niemanden etwas an, und ich werde sein Vertrauen sicher nicht missbrauchen. Aber das brauche ich auch gar nicht, schließlich seid ihr schlaue und verständige Kinder…
Er war von jeher eher still und zurückgezogen, also nicht gerade prädestiniert für einen großen Freundeskreis. Durch die ständigen Demütigungen zog er sich noch mehr zurück. Um nicht ebenfalls unter den Hänseleien deines Vaters und deines Paten leiden zu müssen, zogen sich auch die Mitschüler von ihm zurück. Wenn man mit Snape gesehen wurde, bekam man vielleicht auch was ab! Das Endergebnis war ein einsamer junger Mann, der verzweifelt irgendwo dazugehören und gemocht und respektiert werden wollte. Und da kamen die Todesser: Sie boten ihm etwas, das er in Hogwarts vergeblich gesucht hatte: Freundschaften, Respekt, Anerkennung, Teil von etwas Größerem zu sein. Plötzlich war jemand an ihm interessiert, an seinen Fähigkeiten, seiner Meinung! Ein sehr verlockendes Angebot für jemanden, der stets ein Außenseiter war.
Und als ihm dann endlich klar wurde, in was er da hinein geraten war, saß er schon zu tief drin. Er trug nun das Dunkle Mal…
Er hätte es sich durchaus einfach machen können, hätte fliehen und sich verkriechen können. Aber das tat er nicht. Stattdessen ging er zu Dumbledore, beichtete seine Fehler und bat um die Chance, Buße tun zu können. Und Dumbledore erkannte die Aufrichtigkeit in seinen Worten, ließ ihn nicht fallen, sondern gab seinem ehemaligen Schüler die Chance, seine Fehler wieder gut zu machen.
Wisst ihr, Dumbledore hat erkannt, dass es absolut falsch ist, zu denken „Einmal ein Todesser, immer ein Todesser". Er vertritt nach wie vor die Einstellung, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient. Und Professor Snape vergilt ihm diese Chance und das enorme Vertrauen, dass der Direktor in ihn setzt, durch unerschütterliche Treue zu ihm und Hingabe an den Orden.
Wie ich bereits sagte: Er riskiert jeden Tag aufs Neue sein Leben, in der Hoffnung, ein paar nützliche Informationen für den Orden bekommen zu können. Und wie wird es ihm gedankt? Mit ständigem Misstrauen und böswilligen Unterstellungen, er würde ja eigentlich für Voldemort spionieren und uns bald alle verraten um seine eigene Haut retten zu können. Und als ob das nicht bereits genug wäre, kommen noch Respektlosigkeiten und Demütigungen hinzu!" „Was meinen Sie denn damit, Professor?", fragte Hermine irritiert.
Evelyn sah sie erst erstaunt an und strich sich dann etwas ungehalten ihre widerspenstigen Locken hinter die Ohren. „Na, beispielsweise die ganze Geschichte mit dem Essen hier. Alle Mitglieder des Ordens können jeder Zeit an den Mahlzeiten teilnehmen, stimmt`s nicht?" Alle nickten zustimmend. „Gut, jeder der teilnehmen möchte, ist gern gesehn, aber: Ist es euch noch nicht aufgefallen, wie Mr. Black sich benimmt, wenn Severus bloß die Küche betritt? Wie er ihn ständig reizt und herausfordert mit seinen geringschätzigen und beleidigenden Äußerungen? Die feindselige Haltung, die Mr. Black bei seinem Erscheinen stets an den Tag legt? Professor Snape mag Vieles sein, aber blöd ist er mit Sicherheit nicht. Er spürt natürlich, dass man ihn nur der Form halber bittet, zum Essen zu bleiben, dass aber im Grunde niemand wirklichen Wert darauf legt.
Er ist in diesem Haus solange gern gesehn, bis er den Orden über alle neuen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt hat, danach gilt die Gastfreundlichkeit nicht mehr für ihn. Meine Güte, man kann die Ablehnung seiner Anwesenheit förmlich spüren! Nach jedem Treffen sagt die Körpersprache der Ordensmitglieder: So, nun haben wir was wir von dir wollten, danke, und jetzt – verzieh dich!" Diese Worte unterstrich sie mit einer Bewegung der Hand, als wolle sie eine lästige Fliege verscheuchen.
„Und wo wir schon mal beim Thema sind", fuhr sie energisch fort, „Jedem Mitglied wurde ein Zimmer zum Übernachten angeboten – außer Professor Snape. Deutlicher kann man nicht mehr demonstrieren, wie unerwünscht er in diesem Haus ist!" Mit einem abschließenden heftigen Kopfnicken, wie zur Bestätigung ihrer eigenen Worte, lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück, mit verschränkten Armen vor der Brust und einem resignierenden Pusten gegen eine vorwitzige Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war. Sie hatte sich während ihres Monologs heftig in Rage geredet, was die kleinen roten Flecke auf ihren Wangen verrieten. Nun versuchte sie angestrengt, ihr durchgegangenes Temperament wieder an die Zügel zu legen.
Verlegenes Schweigen senkte sich auf die Tischrunde. Aus den Augenwinkeln schauten die Kinder zu ihrer Lehrerin hinüber, die sie bisher immer nur als sehr ruhig und beherrscht erlebt hatten. Sie nun derart aufgebracht zu sehen und zu erleben, wie hochgradig leidenschaftlich, ja beinahe schon verzweifelt sie um Verständnis und Anerkennung für Professor Snape warb, machte ihnen allen mit einem Schlag klar, wie gern sie ihn haben musste.
So setzte man sich nur für einen besonders lieb gewonnenen Menschen ein, nicht einfach nur für einen Kollegen, zu dem eine oberflächliche Beziehung bestand. Und was sie brennend interessierte, war: Wie hatte es zu einer so tiefen Verbundenheit kommen können? Wie war es ihr bloß gelungen, das Vertrauen und die Freundschaft eines so komplizierten und verschlossenen Menschen wie Professor Snape zu erlangen?
Harry wurde mit einem Mal klar, wie wenig sie eigentlich über ihre neue Professorin und deren Beziehung zu Professor Snape wussten. Spätestens seit ihrer flammenden Rede für ihn war klar, dass sie absolut loyal hinter ihm stand und niemals etwas auf ihn kommen lassen würde. Aber woher diese Loyalität kam, was der Grund für sie war und wann sie ihren Anfang nahm… keinen Schimmer. Sie wussten nur, dass Professor Dumbledore sie am ersten Schultag während des Festmahls in der Großen Halle als eine ehemalige Schülerin bezeichnet hatte, die sich nun entschlossen habe, an ihre alte Schule zurück zu kehren und den Schülern etwas von dem zurück zu geben, was sie selbst hier erhalten hatte.
Eine ehemalige Schülerin… Etwa eine von Snapes Ehemaligen? Harry rechnete im Kopf schnell nach. Er wusste nicht, wie alt Evelyn war, aber offensichtlich doch zu jung, um gemeinsam mit Snape die Schule besucht zu haben. Wie lange nochmal hatte er der Umbridge gesagt, unterrichte er in Hogwarts? 14 Jahre? Hmmmm…. Älter als 30 war sie auf keinen Fall, also 30 weniger 14 ergab … 16. Demnach kam es hin, sie musste eine von Snapes ehemaligen Schülerinnen sein! Das ließ Harry die Stirn runzeln. Sie hatte die Zeit als Schülerin mit Snape überlebt und kam freiwillig hierher zurück, um seine Kollegin zu werden? Obwohl sie in Beauxbatons Lehrerin für VdK und Zaubertränke gewesen war? Dann musste sie ihn wirklich mächtig gern haben….
In diesem Moment tauchten vor ihnen allen Teetassen, Zuckerdose und Milchkännchen auf. Sie hatten gar nicht bemerkt, wie Mrs. Weasley in der Zwischenzeit heißes Wasser aufgesetzt hatte. Nun begann der Kessel lautstark zu pfeifen, und während Molly ihn mit einer Hand vom Herd nahm und mit einem Zauberstabschwung der anderen einen Gebäckteller zum Tisch schweben ließ, sah Evelyn etwas beschämt in die Gesichter ihrer Schüler. Sie kam sich reichlich dumm vor, hier so einen Gefühlsausbruch an den Tag zu legen. Es hatte sie nur so schrecklich frustriert, immer wieder mit ansehen zu müssen, wie Severus` Engagement für den Orden und die Opfer, die er dafür erbrachte, missverstanden und abgewertet wurden. Da hatte endlich mal ein wenig Aufklärung betrieben werden müssen!
Allerdings stellte sie mit einer gewissen Portion Genugtuung fest, dass ihr Einsatz scheinbar etwas bewirkt hatte. Wenn man sich die nachdenklichen Gesichter am Tisch betrachtete, schienen sie zumindest bereit zu sein, ihre vorgefassten Meinungen zu überdenken. ‚Für den Anfang gar nicht mal so schlecht, Callahan' dachte sie mit dem Anflug eines Grinsens, als ihr bewusst wurde, dass sich die Stimme in ihrem Kopf gerade verteufelt nach Severus angehört hatte…
„Tee, meine Liebe?", fragte Molly Weasley sie lächelnd und legte ihr aufmunternd eine Hand auf die Schulter. „Der beruhigt die Nerven."
„Nein, danke Molly, für mich nicht.", erwiderte Evy, ebenfalls lächelnd, und erhob sich. „Ich muss mir ein paar Minuten die Beine vertreten."
Mit diesen Worten verließ sie die Küche, lief gemessenen Schrittes durch die Eingangshalle und trat durch die Haustür ins Freie. Sie musste ihre Gedanken in Ruhe ordnen. Außerdem wollte sie den Schülern die Möglichkeit lassen, in ihrer Abwesenheit vielleicht über einige der Dinge miteinander zu sprechen, die sie eben in den Raum geworfen hatte.
Vor dem Haus wehte ihr ein starker Wind die sommerliche Schwüle der vergangenen zwei Tage ins Gesicht. Es war erst Nachmittag, aber die Sonne war vollkommen hinter dunkelgrauen Wolken verschwunden, die zum Horizont hin tiefschwarz wurden und das nahende Unwetter ankündigten.
Während sie die Haustür ins Schloss zog, tippte sie sich mit ihrem Zauberstab auf den Scheitel und sprach einen Desillusionierungszauber über sich aus. In der nächsten Sekunde war sie von der schmutziggrauen Hauswand nicht mehr zu unterscheiden. Jemand, der nicht wusste, dass sie da stand, hätte sie vollkommen übersehen. So vor neugierigen – und vor allem unbefugten – Augen verborgen, ließ sie ihren Blick über die Straße zum entfernten Horizont hin schweifen und lauschte mit einem Ohr auf die Geräusche der nahen Stadt.
Ein schwarz-weißer, ziemlich gerupft aussehender Kater kam plötzlich in ihr Blickfeld. Er war hinter einem Bretterstapel hervorgekommen und lief nun langsam, aber zielstrebig, auf den Grimmauldplatz Nr.12 zu.
In Evy begann sich alles anzuspannen und sie richtete ihre ganze Konzentration auf den Kater. Severus war ihr in Legilimentik zwar um Dimensionen überlegen, aber ihr Können reichte trotzdem aus um herauszufinden, ob jemand gute oder böse Absichten hegte. Aber ein kurzes Abtasten der Oberfläche genügte ihr vollkommen, um festzustellen, dass es sich hierbei wirklich nur um einen gewöhnlichen Kater handelte, und nicht um einen Animagus. Seine Gefühle offenbarten ihr, dass er scheinbar verdammt großen Hunger hatte. Ein böses Grinsen umspielte ihren Mund…
„Hier gibt's nichts zu fressen für dich, zieh Leine!" Ruckartig stoppte der Kater seinen Lauf, begab sich in eine kauernde Haltung und ließ den Kopf hektisch hin und her schnellen. Da er Evy nur hören, jedoch nicht sehen konnte, suchte sein Blick nun nervös die Gegend ab, aus der diese Stimme so unvermittelt gekommen war. Er spürte, in welcher Richtung sich der unsichtbare Feind befand, machte einen beeindruckenden Buckel, stellte das Fell auf, was ihn etwa um das doppelte seines Umfangs anwachsen ließ, und begann – wie er wohl hoffte – bösartig zu fauchen. Evy grinste belustigt und fauchte auf beeindruckende Weise zurück. Das gab dem armen Tier nun vollends den Rest. Wie von der Tarantel gestochen schoss es quer über die Straße und war mit drei mächtigen Sätzen zwischen zwei Häusern verschwunden.
Evy musste über ihre eigene Verschlagenheit grinsen. Böse kleine Evy! Für eine Gryffindor war das gerade sehr, sehr slytherin…
Plötzlich begann ganz in ihrer Nähe die Luft zu flimmern, und es knisterte elektrostatisch. Die durch das nahende Gewitter enorm elektrisch aufgeladene Luft kündigte nun etwas an, was normalerweise völlig unbemerkt vonstattengeht: die Ankunft eines apparierenden Magiers.
Ihr Herz begann vor Aufregung sofort drei Takte schneller zu schlagen. Severus! Endlich….
Obwohl sie es sich nicht eingestehen wollte, hatte sie sich inzwischen ernsthaft angefangen um ihn zu sorgen. Schließlich waren nun schon zwei Tage vergangen, seit der Dunkle Lord ihn das letzte Mal zu sich gerufen hatte…
Erwartungsvoll beobachtete sie, wie sich der Magier am Fuße der Treppe zu materialisieren begann… um kurz darauf enttäuscht und frustriert zu seufzen. Es war nicht Severus, der gerade apparierte, sondern Remus. Aber wie sah er nur aus? Er war klitschnass, von Kopf bis Fuß, und das Wasser rann an ihm herab, als sei er gerade aus einem See gezogen worden.
Sie wollte schon zu ihm laufen, als sie noch schnell daran dachte, die Desillusionierung aufzuheben. Schließlich wollte sie ihn durch ihr plötzliches Erscheinen nicht zu Tode erschrecken.
„Meine Güte, Remus, was ist denn mit dir passiert?", rief sie ihm entgegen und musste sich schwer auf die Lippe beißen, um bei seinem Anblick nicht in schallendes Gelächter auszubrechen.
Überrascht hob er den Kopf, grinste sie aber sofort freudig an. „Oh, hallo Evy! Ach das? Nichts weiter, ich hab mich bloß beim Apparieren … nun ja … etwas verschätzt!" „Wie das?", fragte sie glucksend, während sie zu ihm trat. „Nun ja", entgegnete er und versuchte so gut wie möglich seine Haare und Kleidung auszuwringen, „ich sollte doch für Dumbledore einen alten Freund in Dublin besuchen. Bevor ich ging drängte er mir noch einen Irish Coffee auf… was im Nachhinein betrachtet, ein schwerer Fehler war." „Wieso?", fragte sie scheinheilig und grinste von einem Ohr zum Anderen.
„Naja, weil ich durch den Alkohol … sagen wir mal … nicht hundertprozentig konzentriert war, als ich apparierte. Ich landete zwar in London, allerdings ein gutes Stück von meinem Zielort entfernt…" Evy riss ungläubig die Augen auf. „Du willst mir nicht erzählen, dass du…." „Doch, genau das!", antwortete er und grinste schief. „Ich hab die Themse aus einem mir völlig neuen Blickwinkel kennengelernt. Keine schöne Erfahrung, nebenbei bemerkt."
Nun war es um Evys Selbstbeherrschung geschehen. Der mühsam zurückgehaltene Lachkrampf brach nun in Form eines schallenden Gelächters aus ihr heraus! Remus schwieg und betrachtete sie nur gutmütig, worauf Evy sofort versuchte, sich zu beherrschen. „Oh entschuldige bitte, Remus, ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Es ist nur so ein lustiges Bild…!" Er grinste schelmisch. „Keine Sorge, ich weiß ja, wer den Schaden hat, spottet jeder Beschreibung! Das wird mir auch für alle Zeiten eine Lehre sein."
Lachend sah er an sich hinab. „Jetzt geh ich mir aber mal was Trockenes anziehen, und dann erzählst du mir bitte, was es Neues gibt, ja?" Verwirrt sah ihm Evy in die Augen. „Wie, was es Neues gibt?" „Na, was Severus für uns herausgefunden hat! Oder hat sich diesmal nichts Brauchbares ergeben?" Evys Blick wurde ernst, plötzlich kam die nur unzureichend unterdrückte Sorge wieder hoch. „Remus, er ist noch gar nicht zurück!" Überraschung überzog Remus` Gesicht, gefolgt von einer tiefen Sorgenfalte. „Noch nicht zurück? Dann hat seit zwei Tagen keiner mehr was von ihm gehört?"
Evy nickte stumm und sah wieder hinüber zum Horizont, der, so weit das Auge reichte, von schwarzen Sturmwolken bedeckt war, die zielstrebig auf sie zukamen. In der Ferne war bereits das erste Donnergrollen zu hören. Remus folgte Evys Blick zu dem Unheil verkündenden, pechschwarzen Himmel.
Langsam trat er hinter sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. „Du machst dir Sorgen um ihn, stimmt's?" Ihr Blick blieb weiterhin gen Himmel gerichtet, und ihre Stimme schien von weit her zu kommen, als sie ihm mit einem tiefen Seufzen antwortete. „Ja, Remus… Ja, das tue ich…"
Er hatte keine Ahnung, was es genau war, das zwischen den beiden vor sich ging, er spürte nur tiefe Zuneigung und blindes Vertrauen auf beiden Seiten, und das war alles, was er wissen musste. Ihm war gleich, was Severus früher einmal getan, welche Fehler er begangen hatte. Für ihn zählte nur die Gegenwart, und in dieser tat Severus alles Menschenmögliche für den Orden, immer in dem Bewusstsein, dass es seinen sicheren Tod bedeuten würde, sollte Voldemort je herausfinden, wem er tatsächlich treu ergeben war. Und es freute Remus außerordentlich für diesen Mann, den er seit seiner Schulzeit kannte, dass diese junge Frau felsenfest zu ihm stand und ihm Halt gab, wann auch immer er diesen brauchte. Ob es nun bloß Freundschaft war oder vielleicht sogar um einiges tiefer ging, wagte Remus nicht zu beurteilen. Im Moment sah er nur eine junge Frau, die angestrengt versuchte, ihre offensichtliche Besorgnis zu verbergen, und da war es völlig unerheblich, woher diese rührte.
Er legte ihr, wie er hoffte, tröstend einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich. „Er schafft das, Evy, ganz sicher. Er weiß wie kein Zweiter, wie man sich dem Dunklen Lord gegenüber verhalten muss, wenn man überleben will. Und er wird auch nichts unnötig riskieren, dafür geht es bei der Sache um zu viel. Er weiß genau, dass alle Unternehmungen des Ordens mit seinem Verhalten stehen und fallen, und wir dann wohl keine Chance mehr haben, Voldemort aufzuhalten. Das wird er doch nicht riskieren!" Evy sah Remus kurz an und nickte dann traurig. „Genau das ist das Problem." „Was meinst du damit?"
Gedankenverloren spielte sie mit einer Locke, während sie weiterhin zum Horizont sah. „Alle interessiert nur, was für den Orden auf dem Spiel steht, sollte Severus versagen. Was für ihn auf dem Spiel steht, kümmert doch niemanden. Er darf die Drecksarbeit für alle machen, und wenn ihm dabei was passieren sollte – ja, dann sind alle entsetzt und bestürzt, aber doch nicht wegen ihm, seiner Person! Sondern weil mit seinem Tod die einzige direkte Verbindung zum Dunklen Lord gekappt wäre! Um den Verlust des wertvollen Spions würde man trauern, nicht um den Menschen, der dabei sein Leben verloren hat! Und warum sollte man auch? Er war ja bloß ein Todesser. Einer weniger, den man nach dem Krieg in Askaban durchfüttern muss!" Trauer und Verbitterung ließen ihre Stimme kippen, und sie musste sich wegdrehen, um nicht vollends die Beherrschung zu verlieren.
Remus sah bestürzt auf ihre langen schwarzen Locken, die vom Wind wild zerzaust wurden. Nicht der Vorwurf selbst war es, der ihn erschütterte. Er wusste, dass sie damit nicht ihn persönlich gemeint hatte, schließlich kannte sie seine Einstellung zu Severus. Nein, was ihn wirklich hart traf war die Erkenntnis, dass sie mit ihrer Einschätzung absolut recht hatte…
Auch wenn er nicht so dachte, wusste er doch, wieviele im Orden genau diese Haltung vertraten, die Einen unverhohlener als die Anderen. Praktisch keiner traute Severus über den Weg, viele zweifelten nach wie vor seine Loyalität dem Orden und Dumbledore gegenüber an, waren der festen Überzeugung, er spioniere in Wahrheit für Voldemort und warte nur auf einen günstigen Moment, um sie alle an diesen zu verraten. Daran konnten auch die vielen Treuebeweise, die er bereits erbracht hatte, nichts ändern. Und Remus bezweifelte auch, dass sich daran in naher Zukunft etwas ändern würde.
Die Menschen dachten nun mal gerne in Schubladen, ergingen sich mit Vorliebe in Vorurteilen und Vorverurteilungen. Einmal ein Todesser – immer ein Todesser. Wer machte sich schon gerne die Mühe, die Hintergründe eines Schicksals zu durchleuchten, nach dem Wie? und Warum? zu fragen? Nein, da war die gängige Schwarz-Weiß-Kategorisierung doch um einiges einfacher. Und solange sich daran nicht grundlegend etwas tat, würde sich absolut nichts verändern. Würde sich für Severus nichts verändern, weder jetzt noch nach dem Krieg. Seine Vergangenheit, und mag sie noch so lange zurückliegen, würde ihn immer wieder einholen…
Mit einem Mal tat ihm Severus unsagbar leid. Andere begangen schwere Fehler und Verbrechen am laufenden Band, ohne jemals wirklich dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden. Und er traf als junger Mann eine einzige falsche Entscheidung, und die verfolgte ihn bis zum heutigen Tag, bestimmte sein Leben und ließ ihn nicht mal für einen Moment zur Ruhe kommen. Er bezahlte für diesen Fehler, Tag für Tag und Jahr für Jahr, bis… wann? Bis ans Ende seines Lebens? Hatte er seine Schuld nicht inzwischen schon mehrfach zurückgezahlt? War es nicht irgendwann mal genug? Hatte er denn nicht bereits genug gelitten? Und gelitten hatte er… oh ja, wie er gelitten hatte…
Zutiefst beschämt tauchten vor Remus` geistigem Auge Bilder der unzähligen Gelegenheiten auf, in denen sie drei – James, Sirius und er – Severus während der gemeinsamen Schulzeit gehänselt, schikaniert, gequält und gedemütigt hatten. Warum eigentlich? Hatte es dafür irgendwann mal einen Grund gegeben? Gab es für ein solches Verhalten überhaupt jemals einen Grund? Eigentlich spielt das aber auch keine Rolle, denn das Endergebnis bleibt stets das Gleiche. Daran änderte auch die Tatsache, dass Remus sich niemals aktiv an den Demütigungen beteiligt hatte, nichts. Denn: Er hatte zwar nicht mitgemacht, hatte aber auch nicht versucht, seine Freunde aufzuhalten, aus Angst sie zu verlieren und wieder ein Außenseiter zu sein… wie Severus.
Er war kein Deut besser als James und Sirius, im Gegenteil. Ist nicht derjenige, der helfen könnte, aber tatenlos zusieht und somit das Geschehen billigt, mindestens genauso schlimm wie diejenigen, die die Tat ausführen? Wenn nicht sogar schlimmer als die Täter selbst?
Wäre er nur ein einziges Mal eingeschritten und hätte Severus geholfen, wäre dessen Leben dann vielleicht ganz anders verlaufen? Hatten sie drei nicht großen Anteil an dem, was aus Severus geworden war und das ihn seit damals langsam auffraß, Stück für Stück?
Bei dem Gedanken an all das empfand Remus eine abgrundtiefe Verachtung für sich selbst und seine beiden Freunde. Wie groß musste Severus` Hass auf die beiden verbliebenen Rumtreiber sein, wenn schon sein Hass auf den toten James nach wie vor so groß war, dass er Harry nicht ansehen konnte, ohne sofort dessen Vater in ihm zu erkennen? Wie demütigend musste es für ihn sein, zweien seiner alten Feinde regelmäßig begegnen zu müssen?
Und trotzdem ertrug er es, pflichtbewusst und stolz wie er war. Jeden Monat brachte er Remus auf die Minute genau seinen Werwolfbanntrank, obwohl er ihm wahrscheinlich lieber einen Becher mit Gift verabreicht hätte. Hatte er Severus eigentlich jemals wirklich dafür gedankt?
Und dann Sirius… Dieser ließ Severus nach wie vor überdeutlich spüren, dass er in seinen Augen noch immer ein Nichts war, bedachte ihn sogar heute noch mit diesem grauenvollen Schmähnamen, den sie sich in der Schule für ihn ausgedacht und der dann so schrecklich schnell die Runde gemacht hatte und in aller Munde war. Schniefelus… Selbst Schüler aus anderen Häusern, die ihn gar nicht näher kannten, riefen ihn bei diesem Namen. Und nun musste er regelmäßig im Haus des Mannes ein und aus gehen, der diesen Namen für ihn entworfen hatte und der ihn heute noch bei jeder Gelegenheit so nannte, selbst vor seinen Schülern! Letztlich musste sich Severus noch selbst erniedrigen, indem er Sirius gegenüber wenigstens ein gewisses Maß an Höflichkeit wahrte, da dieser der Hausherr und sein Gastgeber war!
Nein, Severus` Vergehen mögen zwar schwer gewesen sein, aber bei weitem nicht schwer genug, um ein solches Leben zu rechtfertigen…
Remus empfand plötzlich tiefste Bewunderung für diesen Mann, der sein hartes Schicksal so tapfer, ja beinahe schon stoischertrug, ohne auch nur ein einziges Mal zu klagen. Andere wären vor Selbstmitleid zerflossen, hätten sich vor der Welt verkrochen oder sich sogar komplett aus der Verantwortung gestohlen, indem sie ihrem Leben ein Ende setzten. Er nicht. Er verleugnete seine Schuld nicht, stand für sie gerade und erduldete alles, was ihm das Schicksal als Buße auferlegte. Und war dabei auch noch allein… Nein, halt! Nicht ganz alleine…
Voller Zuneigung betrachtete er Evelyn, wie sie da stand, vor dem pechschwarzen Himmel, ihre Locken wurden vom Wind in alle Richtungen gewirbelt. Aber sie stand da wie ein Fels in der Brandung, jederzeit bereit sich auf Severus` Feinde zu stürzen. Wehe dem, der ihr in die Quere kam!
Lächelnd trat er neben sie. „Er passt schon auf sich auf, ganz sicher. Du kennst doch Severus!" Wieder gefasster, lächelte sie ihn an. „Ja, du hast sicher recht." „Klar hab ich recht!" Und mit einem spitzbübischen Augenzwinkern setzte er hinzu: „Unkraut vergeht schließlich nicht! Komm, lass uns reingehen, bevor ich mir trotz der Hitze noch den Tod hole in diesen nassen Klamotten!" „Einverstanden, gehen wir." Gemeinsam machten sie sich auf den Weg ins Haus.
An der Tür angelangt, drehte sich Evy noch ein letztes Mal zu der Gewitterfront um. Über Londons Umland konnte man schon die ersten Blitze erkennen, auf die der Donner ziemlich schnell folgte. Nicht mehr lange, und das Unwetter würde den Grimmauldplatz Nr.12 erreichen.
Severus… wo auch immer du jetzt sein magst, komm gesund zurück! Hier sind Menschen, die auf dich warten. Menschen, die dich brauchen. Nicht deine Fähigkeiten, nicht deine beschafften Informationen. Dich. Severus… komm zurück zu mir. Ich brauche dich. Ohne dich bin ich nichts. Ohne dich wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin, und ohne dich könnte ich nicht mehr der Mensch sein, der ich Dank dir geworden bin!
Du hast mich aufgefangen. Damals… vor vierzehn Jahren. Nach dem Krieg… Ich war wie ein kleines, welkes Blatt, das der Sturm erbarmungslos vom Ast des Baumes gerissen hat, der sein Zuhause gewesen war. Ein kleines, welkes Blatt, das schutzlos, heimatlos, ziellos auf die Widrigkeiten des Schicksals zugetrieben wurde, in eine ungewisse Zukunft.
Dann kamst du nach Hogwarts… kamst zurück an deine alte Schule… und der Sturm war vorüber…. Du hast dich meiner angenommen, gabst mir Halt… ohne es zu merken ….
Du dachtest, du tust nur deinen Job… doch du hast so viel mehr getan … ganz ohne es zu merken…gabst meinem Leben eine Richtung, einen Weg, ein Ziel ….
Dabei hättest du selbst so dringend jemanden gebraucht, der dir Halt und Schutz gibt… der dir hilft, deinen Selbsthass zu überwinden … der dir zeigt, dass auch du es wert bist, geliebt zu werden… der dir hilft, dich selbst zu lieben…
Du warst immer für mich da, ob du es gemerkt hast oder nicht, damals wie heute… Ich verdanke dir so viel, dass ein Leben gar nicht ausreicht, um es dir zu vergelten! Severus… komm zurück! … Ich brauche dich… Ich…
Ein Blitz schlug irgendwo ein, und das gewaltige Donnern ließ Evy fürchterlich zusammenzucken. Im selben Moment setzte der Regen ein. Ein wahrer Wolkenbruch ergoss sich direkt über ihnen, der Evy zwang, schnellstens ins Haus zu flüchten, und der dafür sorgte, dass dieser eine letzte Gedanke in ihrem Kopf unausgesprochen blieb…
Und nun: Bitte ganz fleißig den Review-Button betätigen oder mir eine kleine PM schicken. :) Ich freue mich auf jedes Lebenszeichen von euch!
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