Test:
Der verbotene Wald roch nach Herbstlaub, und unter den Füßen des jungen Mannes knirschte ein dicker Teppich aus Moos und heruntergefallenen Blättern.
Der 17jährige wusste, dass er nicht hier sein dürfte, dass es, wie der Name schon sagte, verboten war den Wald zu betreten. Aber er kümmerte sich nicht darum. Niemand würde ihn sehen. Außer ihm war niemand hier. Deshalb war kaum ein Geräusch zu hören .Es war ruhig. Fast zu ruhig, wie ihm auffiel. Sollte nicht gelegentlich etwas Vogelgezwitscher zu hören sein?
Er fuhr herum, als er einen trockenen Ast brechen hörte. Aber es war schon zu spät.
Die in einen schwarzen Kapuzenumhang gehüllte Gestalt sagte nur ein Wort: „CRUCIO"
Die Schmerzen waren unerträglich. Er würde es nicht lange ertragen. Er würde sterben.
Ein Sirren in der Luft. Ein Pfeil flog durch die Luft. Die Schmerzen hörten auf. Der junge Mann fragte sich, ob er gestorben war.
Nein, er selbst war nicht gestorben. Gestorben war der Mann der ihn angegriffen hatte. Auf der schwarzen Kleidung breitete sich ein noch dunklerer Fleck aus. Blut.
Der Überlebende sah sich um. Wer hatte den Pfeil abgeschossen ? Er erkannte die davonrennende Person.
Er sah ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann ging er langsam zum Schloß zurück, immer darauf bedacht, nicht so auszusehen, als ob er Angst hätte.
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Holly Lestrange warf mißmutig einige Brennesselwurzeln in den Zaubertrank gegen Haarausfall und starrte düster in den Kessel. Eigentlich sollte der Trank braun sein. Momentan war er aber eher violett.
Hinter ihr sagte jemand herablassend: „Du hast die Birkenblätter vergessen."
Holly drehte sich zu dem Jungen der hinter ihr saß um. Fêrlas O´Gwen , der unsäglich arrogante Halbelb.Der hatte ihr gerade noch gefehlt.
„Halt die Klappe, Besserwisser!"
„Fünf Punkte Abzug von Ravenclaw, Lestrange" ertönte Snapes ölige Stimme. Er stand direkt vor ihr, aber sie hatte ihn nicht gesehen , weil sie sich umgedreht hatte.Holly kochte vor Wut. O`Gwen hatte angefangen, und sie konnte Snape nicht mal darauf hinweisen, weil er ihr dann noch mehr Punkte abziehen würde. Und selbst in dem äußerst unwahrscheinlichen Fall, dass Snape gerecht wäre, würde Ravenclaw noch mehr Punkte verlieren, weil dieser blöde Halbelb zufälligerweise im gleichen Haus wie Holly war.
Das schlimmste an der Sache war allerdings, dass sie tatsächlich die Birkenblätter vergessen hatte. Kaum hatte sie die drei Blätter in den Trank gegeben, als er auch schon eine schöne erdbraune Farbe annahm.
Als die Stunde zu Ende war, packte Holly ihre Sachen in aller Ruhe zusammen. Wozu sollte sie sich auch beeilen? Sie hatte keine Freundinnen, die auf sie warten würden.
Der Rest der Klasse hatte sich bereits durch die Tür gedrängt, als Holly sich von ihrem Platz erhob.
Sie kam gerade noch rechtzeitig um zu hören, wie O`Gwen sich über die Zaubertrankstunde beschwerte : "Völlig nutzlos. Ich werde garantiert nie Haarausfall bekommen."
Natürlich. Mit solch typisch menschlichen Dingen hatten Halbelben natürlich keine Probleme. Zu allem Überfluß war er auch noch unsterblich. Es sei denn, jemand würde ihn umbringen...
Nein! Darüber durfte sie nicht einmal nachdenken. Schließlich wollte sie nicht so werden wie ihre Eltern, die beide in Askaban waren, weil sie Todesser gewesen waren.
Regen prasselte auf das Gewächshaus. Hollys Umhang war völlig durchnässt. Zum Glück war es im Gewächshaus warm. Fast tropisch. Obwohl sich alle am Eingang zusammendrängten, um nicht in die Reichweite gefährlicher Pflanzen zu geraten, hatte Holly genug Platz. Niemand wollte neben einem Mädchen stehen, dessen Eltern unter Voldemort Hunderte von Menschen ermordet hatten.
Als Professor Sprout sagte, dass sie Löwenmäulchen durchnehmen würden, reagierten die meisten gelangweilt. Ein Slytherin namens Tom Tanders sagte: „Löwenmäulchen? Die sind doch völlig unmagisch!"
Statt einer Antwort hob Professor Sprout das Tuch, das einen Gegenstand auf dem Tisch bedeckt hatte.
Jetzt konnten alle sehen, dass es ein Käfig war. Und darin waren merkwürdige Pflanzen. Es waren tatsächlich Löwenmäulchen. Im wörtlichen Sinne. Mit richtigen kleinen Löwenköpfen.
„Sie sind noch ganz jung, aber ihr solltet trotzdem eure Handschuhe anziehen wenn ihr sie füttert."
Professor Sprout öffnete den Käfig und gab jeder Schülerin und jedem Schüler eine der Pflanzen.
Als Holly ihr „Löwenmäulchen" auf den erdverschmierten Holztisch stellte, stieß sie mit dem Kopf an eine große rosafarbene Schlingpflanzenblüte.
Ihr wurde schwindelig. Wie aus weiter Ferne hörte sie Professor Sprouts Stimme: „Vorsicht mit der......" den Rest hörte Holly nur ganz leise, wie durch Watte, und verstand erst wieder etwas, als die Lehrerin ihre Ermahnung beendete: „...hat merkwürdige Auswirkungen."
So schlimm war es wohl doch nicht. Wahrscheinlich war ihr nur wegen der Hitze und der schlechten Luft etwas schwummrig geworden Im Gewächshaus roch es wie in einem Raubtierkäfig.
Holly fühlte sich schon nach einigen Sekunden wieder besser, und begann ihr Löwenmäulchen zu füttern. Die kleinen Löwenköpfe leckten ihr den kleingeschnittenen Schinken mit winzigen rosa Zungen von der Hand. Doch die spitzen Zähnchen erinnerten Holly daran, dass es klug gewesen war, ihre Drachenhaut-Handschuhe anzuziehen.
Als sie fertig war, ließ Holly ihren Blick durch das Gewächshaus schweifen. Die anderen waren noch beschäftigt. Tom Tanders, der (in einiger Entfernung) neben Holly arbeitete hatte vergessen, seine Handschuhe anzuziehen. Holly war vorher nie aufgefallen, was für schöne Hände er hatte. Seine muskulösen Arme zeichneten sich deutlich unter dem engen Pullover ab. Und seine Frisur...Holly hatte blondgefärbte schwarze Haare immer hässlich gefunden, aber jetzt....
Und jetzt kam er auf sie zu. Er ergriff ihren Arm und sagte mit einer leisen, tiefen Stimme, die einen drohenden Unterton hatte: „Was starrst du mich so an, Lestrange?"
Doch zum Glück blieb es Holly erspart, darauf zu antworten, denn das Löwenmäulchen, das sie gefüttert hatte, war offensichtlich noch nicht ganz satt, und biss Tom in die ungeschützten Finger.
„Au. Verdammt!" schrie er auf. „Wir sprechen uns noch", zischte er Holly zu, und ging wieder an seinen Platz.
Abends,auf dem Weg zum Ravenclaw-Turm begegnete Holly einigen tuschelnden Hufflepuff- Erstklässlerinnen. Als sie Holly sahen, hörten sie sofort auf zu reden, und starrten sie angsterfüllt an. An so etwas war Holly gewöhnt, seit sie auf der Schule war.
„Verschwindet!" knurrte sie, und die Mädchen liefen davon, so schnell sie konnten.
Holly lachte bitter . Alle fürchteten, oder mieden sie zumindest, nur weil ihre Eltern Todesser waren. Wie konnte sie da jemals hoffen, dass ein Junge wie Tom Tanders.......nein, sie machte sich besser erst gar keine Hoffnungen. Sie würde doch nur enttäuscht werden. Und außerdem hatte er sie, genau wie alle anderen , verurteilt ohne sie überhaupt zu kennen.
Kurz danach erreichte Holly die Statue einer antiken Göttin, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum bewachte.
„Passwort?" Der Mund der Statue bewegte sich kein bisschen, während sie sprach.
„Schneemähne" antwortete Holly, und die Statue gab den Durchgang frei.
Im Gemeinschaftsraum saßen einige Drittklässler und redeten miteinander. Als Holly den Raum betrat, erstarb das Gespräch sofort. Als wäre ein Schwall kalter Luft hereingekommen, nahmen alle ihre Umhänge, und gingen in die Schlafsäle.
Einzig das Feuer im Kamin blieb unbeeindruckt von Hollys Anwesenheit und brannte knisternd und knackend weiter. Sie setzte sich direkt davor, nahm ein Buch aus ihrer Schultasche und blätterte darin herum. Sie würde warten, bis die anderen Mädchen in ihrem Schlafsaal eingeschlafen waren, und sich dann leise hineinschleichen.
Die Mädchen in ihrer Klasse verließen zwar nicht den Raum, wenn sie hereinkam, doch ihr Schweigen und ihre misstrauischen Blicke waren schlimm genug.
Am nächsten Morgen wachte Holly, wie immer, vor allen anderen auf. Sie ging barfuß über den kalten Steinboden zum Fenster und schaute hinaus. Es hatte geschneit, und die Ländereien und der verbotene Wald sahen aus, wie mit einem kalten, weißen Leichentuch bedeckt.
Die ersten zwei Schulstunden zogen sich zäh wie giftiger Sumpfschleim dahin. Die Luft in Professor Trelawneys Klassenzimmer war, wie erwartet, nicht besser geworden, und die Vorhersagen der Lehrerin waren immer noch völlig unrealistisch. Holly hörte gelangweilt zu, wie Professor Trelawney einem ängstlichen Mädchen namens Shirley Sondry einen baldigen Tod prophezeite. Da sie das bereits seit Schuljahresbeginn erzählte machte sich niemand außer Shirley selbst besonders große Sorgen.
Holly begann bereits zu hoffen, dass sie selbst in dieser Stunde Professor Trelawneys Aufmerksamkeit entgangen war, doch ihre Hoffnung wurde enttäuscht.
Professor Trelawney kam an ihrem Tisch vorbei, und starrte in Hollys Kristallkugel. „Dein Leben wird sich bald zum Besseren wenden" prophezeite sie „ ich sehe...."
Holly hörte schon gar nicht mehr zu. Als die Stunde zu Ende war, war sie die Erste, die das Zimmer verließ.
Während hinter ihr Shirley (die anscheinend keinen Gedanken mehr an ihren baldigen Tod verschwendete) mit einer Mitschülerin über den neuesten Ausbruch aus Askaban redete: „Sie haben immer noch keine Spur von ihm!", packte Holly ihren letzten Schokofrosch aus. In der Packung war eine Sammelkarte aus der Reihe „Helden, die im Kampf gegen Voldemort starben". Ein Bild von Sirius Black lächelte Holly an, als sie die Karte ausgepackt hatte. Nachdenklich starrte Holly auf die Sammelkarte. Wenn sie die Tochter von Sirius Black wäre, ginge es ihr sehr viel besser. Aber nein, sie musste von seiner Cousine Bellatrix abstammen.
Und da wagte es Professor Trelawney noch, ihr ein besseres Leben vorherzusagen. Ha! Die besten Tage hatte sie bisher in den Ferien gehabt, wenn alle anderen nach Hause gefahren waren. Die Sommerferien verbrachte Holly in einem Waisenhaus der Muggel, in dem die anderen Kinder zwar nichts von den Verbrechen ihrer Eltern wussten, sie aber schon deshalb hassten, weil sie anders war als die anderen.
