Ihr Kopf pochte.
Das war nicht der einzige Körperteil, der schmerzte, aber das war das Erste, was sie bemerkte.
Sie versuchte, ihre Augen zu öffnen. Die Lider waren ganz verklebt. Auch ihre anderen Körperteile meldeten sich allmählich zurück. Es gab quasi keine Stelle, die nicht wehtat. Sie konnte nur Einstufungen feststellen zwischen "aushaltbar" und "eventuell irreparabel geschädigt".
Es kostete sie alle Kraft, nicht in Panik zu geraten.
Stattdessen schaltete sich ein angelernter Automatismus ein. Die erste Lektion aus ihrer Gardelaufbahn: Konzentration auf das, was geschehen ist. Sie sammelte die Erinnerungsbruchstücke zusammen.
Der Tag hatte relativ ruhig angefangen...

Sie hatte das Frühstück ausnahmsweise mit ihren Soldaten eingenommen.
Manchmal tat es ihr ganz gut, mit ihresgleichen zusammen zu sein. Auch wenn das Frühstück für die Soldaten recht kurz getaktet war und es mehr ein hektisches Hineinschaufeln von Nahrungseinheiten war, bei denen Geschmack und Konsistenz zweitrangig waren.
Solche Tage hielten sie auf dem Boden.
So sehr sie auch die Mahlzeiten mit dem königlichen Paar genoss und die feinen Speisen liebte, die selbst schon zum Frühstück gereicht wurden, es lenkte sie doch oft nur ab, sowohl von ihren Aufgaben, als auch von ihrem sozialen Stand. Sie war eine Soldatin durch und durch, und oft fühlte sie sich eher ausgehalten als akzeptiert.
Bei den Soldaten ging es oft grob zu, auch wenn sie sich in ihrer Anwesenheit zu benehmen versuchten, schließlich war sie ihr Hauptmann. Ausgelassen schäkern... Nicht auf die Etikette achten... Das war manchmal ganz erfrischend, auch wenn sie sich anschließend vor dem König erklären musste, warum sie denn beim Essen gefehlt hatte. Auch von ihrem Vater setzte es den einen oder anderen Kommentar. Er verstand ihr Verhalten, aber er billigte es nicht.
Sie nahm es hin.
Manchmal brauchte sie eine Pause von den hochnäsigen Adligen, die manches Mal zu Gast waren, und sie von oben bis unten beurteilten, ihr Benehmen und jedes ihrer Worte auf die Waage legten. Sie redete oft wie ihr der Mund gewachsen war. Das gefiel den Adeligen meist überhaupt nicht.
Wenn sie ihre Meinung äußerte, wurde sie von den Gästen selten ernst genommen und mit einem Kommentar abgespeist, der immer auf ihren sozialen Stand deutete.
Davon konnte sie nur ein gewisses Maß ertragen bis ihr der Kragen platzte, und sie schließlich die nächsten Tage fern blieb von jeglichen Zusammenkünften im königlichen Speisesaal.

Dies war einer dieser Tage.
Und er war wie immer eng verplant. Es sollte ein guter Tag werden.
Sie wollte die neuen Anwärter begutachten. Der neue Jahrgang fing dieses Jahr schon mit den Fünfzehnjährigen an, was sie sehr befürwortete.
In dem Alter würden sie schneller lernen können. Sie selbst war 14 Jahre alt gewesen, als sie schon ihre erste eigene Einheit befahl. Es waren zwar nur ihre eigenen Altersgenossen, aber sie war so stolz auf sich gewesen, als sie den Rang erhalten hatte.
Die erste Trainingseinheit war bis zum zehnten Glockenschlag geplant. Bis dahin würde sich die Anzahl der Anwärter erfahrungsgemäß auf die Hälfte reduzieren. Sie würde die Neuen erbarmungslos schinden und freute sich jetzt schon darauf.
Danach war ihre tägliche Übung mit dem Prinzen angesetzt.
Sie fragte sich schon zum Frühstück, ob er dieses Mal pünktlich sein oder ob er die Stunde wieder ausfallen lassen würde, wieder mit einer schamlosen Ausrede auf den Lippen, nur um den Tag faulenzend am See zu verbringen.
Sein immenses Desinteresse an seinen zukünftigen Aufgaben und seine Fahrlässigkeit bezüglich seiner Fitness brachten sie nicht das erste Mal zur Weißglut. Seit wann hatte er seine Aufgaben und sein Bemühen um Ansehen unter seinen Leuten so schleifen lassen?
Es war nur eine Frage der Zeit, bis selbst der König mit seiner Geduld am Ende sein würde.
Sie warnte Adam fast täglich davor, und mittlerweile landete auch jede verpasste Einheit, jedes Fehlverhalten in ihrem Bericht, der auf direktem Wege auf dem Schreibtisch des Königs landete.
Bisher hatte er dies immer mit einem Lächeln abgetan.

Sie seufzte.
Adam hatte ein solches Glück in seinem Leben. Er musste sich keine Gedanken um seine nächsten Mahlzeiten machen, oder wo er die Nacht verbringen würde. Er sollte froh sein und sein Glück zu schätzen wissen. Stattdessen versäumte er den Unterricht, gerade so wie es ihm passte, um seine Zeit dann mit Faulenzen zu verschleudern.
Auch an diesem Tag wollte er sich vor ihr drücken. Sie war ohnehin schon geladen nach der Einheit mit den Anwärtern. Wenn er geglaubt hatte, die erste Einheit würde sie erschöpfen, hatte er falsch gedacht. Das hatte sie nur warm gemacht.
Er war ausnahmsweise pünktlich gewesen, was sie anfangs schon misstrauisch stimmte.
Dann kam seine Ausrede. Er wollte sie unbedingt zu einer Trainingseinheit außerhalb der Palastmauern überreden. Rein zufällig nahe des Sees, an dem Cringer und er immer fischten und faul in der Sonne dösten bis zur nächsten Mahlzeit.
So leicht sollte er ihr diesmal nicht entwischen können! Also willigte sie ein.
Dass er ein Bein leicht steif nachzog, schien sie sich nur einzubilden. Er hatte bestimmt nur zu lange irgendwo auf seinem faulen Hintern gesessen und das Bein war ihm dabei eingeschlafen.

Der Tag war nicht viel anders als sonst verlaufen, also wie konnte er so katastrophal enden?
"Denk nach, Teela!" schalt sie sich.
Sie war ihm in den Wald gefolgt, fest der Überzeugung, dass er sie doch noch irgendwie austricksen wollte.
Dann verlief alles ganz schnell.
Adam täuschte irgendwelche Schmerzen vor. Zumindest hielt er sich krampfhaft den Kopf und war ganz plötzlich der Meinung, dass Castle Greyskull angegriffen würde. Sie glaubte ihm natürlich kein Wort, benachrichtigte dann aber doch ihren Vater, der keineswegs überrascht wirkte und die Vorbereitungen in vollem Gang zu laufen schienen.
Sie fragte ihren Vater nicht nach dem warum.
Man-at-Arms war nicht derjenige, den sie in Frage stellte.
Über Funk vereinbarten sie einen Treffpunkt. Als sie sich zu Adam umdrehte, konnte sie eben noch seine rote Jacke hinter dem grünen Dickicht verschwinden sehen.
'Oh, nein! So nicht! Nicht noch einmal!' Wenn sie am Anfang ihrer Übungseinheit sauer war, so war sie nun zornig genug, dass sie ihm den Kopf abbeißen wollte.
Sie rannte ihm hinterher. Er war erstaunlich schnell. Woher nahm er auf einmal nur diese Kraft her? Bei Wettrennen war er immer der Letzte, der ins Ziel einlief. Sie hatte ganz schöne Mühe, ihn nicht völlig aus den Augen zu verlieren.
"Adam!" rief sie ihm hinterher. "Wo willst du hin? Der Treffpunkt ist auf der anderen Seite!"
Doch er drehte sich nicht um. Er rannte einfach weiter.
'So ein Feigling!' schoss es ihr durch den Kopf. 'Und so was will unser zukünftiger König werden!'
Beinahe hatte sie ihn am Ärmel. Aber er überraschte sie erneut und wich ihr gekonnt aus wie eine geschmeidige Katze.
Zweige und Blätter peitschten ihr ins Gesicht. Sie ignorierte die vielen Kratzer, damit sie den Prinzen nicht aus den Augen verlor. Sie war sein Leibwächter. Was bildete er sich bloß darauf ein, dass er sie abhängen wollte.
Selbst ein Feigling benahm sich nicht so kindisch wie Prinz Adam. Die Angst würde einen nur in die nächste schützende Ecke jagen, in der man sich dann zusammenkauerte. Aber man würde nicht bis ins unendliche fortlaufen.
"Bleib stehen!" blaffte sie laut.
Der Weg hatte sie auf eine Lichtung geführt und sie wäre beinahe mit Prinz Adam zusammengestoßen.
Außer Atem blieb sie stehen, die Hände auf ihre Knie gestützt.
"Wo hast du das Schwert auf einmal her?" fragte sie und fand, dass die Frage sehr berechtigt gewesen war. Schließlich waren sie ohne Übungswaffen losgegangen und Adam hatte auch vorher kein Schwert umgegurtet.
Sie verwarf die Frage gleich wieder und packte ihn am Arm. "Wir müssen uns beeilen!" hatte sie ihm zugerufen und jeden weiteren Fluchtversuch seitens des Prinzen unterbunden.
Dieses Mal würde er mit ihnen kämpfen! Dann würde er vielleicht ihre Beharrlichkeit verstehen, warum er unbedingt fit sein musste, und wenn es auch nur zu so viel reichen würde, dass er Truppen befehligen konnte.
Diesen Kampf würde er nicht umgehen!

Ihr Vater hatte sie leicht entgeistert angestarrt als sie mit dem Prinzen im Schlepptau am Rendezvouspunkt eingetroffen war.
"Wo ist He-Man?" hatte sie noch gefragt, aber keine Antwort erhalten. Der Champion von Castle Greyskull war doch sonst immer zur Stelle, wenn es Ärger gab.
Sie war zu beschäftigt, um etwaige Entschuldigungen aufzunehmen. Dann mussten sie dieses Mal eben ohne He-Man auskommen.
Das hatten sie schließlich auch schon etliche Male getan, bevor der muskelbepackte Held aus dem Nichts aufgetaucht war.
Man-at-Arms übernahm somit die Rolle des Kommandanten.
"Ram-Man, Stratos, Mekanek, ihr nehmt euch jeweils einen Attackgleiter und eine Einheit mit zehn Soldaten. Teela, du nimmst den Attacktrack und die Scharfschützen. Adam, du kommst mit mir..."
Das hatte Teela überhaupt nicht gefallen. "Adam kommt mit mir, Vater! Ich bin sein Leibwächter und somit bin ich für ihn verantwortlich."
Man-at-Arms bedachte seine Tochter mit einem scharfen Blick. "Wir haben jetzt keine Zeit für Diskussionen. Du wirst dich mir nicht widersetzen!"
Angespannt beobachteten die Master die Unstimmigkeiten zwischen Vater und Tochter. Keiner wagte es dazwischen zu gehen.
"Dürfte ich vielleicht auch etwas dazu sagen?" fragte Adam schließlich und grinste verlegen. Das war der Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte.
"Nein!" fauchte Teela. "Wir bleiben schön zusammen, sonst läufst du am Ende nur wieder weg, und bei deinem Geschick, rennst du in die falsche Richtung und Skeletor direkt in die Arme!"
Warum ihr Vater den Prinzen mit einem beinahe leidvollen Blick ansah, konnte sie sich nicht erklären.
Kurzerhand verfrachtete sie Adam auf den Beifahrersitz des Attacktracks.
Die Scharfschützen hatte sie wortlos ihrem Vater überlassen.
Und Man-at-Arms hatte sie schließlich damit durchkommen lassen.
Sie wusste, dass es am Abend eine lautstarke Diskussion deswegen geben würde, aber das war ihr in genau diesem Moment egal gewesen.

Skeletor hatte sich mit einer Armee von Beastmans Ungeheuern vor der Zugbrücke Castle Greyskulls versammelt. Irgend etwas schien anders als sonst. Als sie endlich mit ihren Einheiten angekommen waren, schien Skeletor auf sie gewartet zu haben, anstatt die Gunst der Stunde zu nutzen und den Schutzschild der Zauberin zu schwächen.
Danach verschwammen ihre Erinnerungen zu einem nebelhaften Klumpen ohne Zeitgefühl.
Es war ein Hinterhalt. Das hatten sie zu spät bemerkt.
Skeletors Schergen hielten sich ungewohnterweise sehr zurück und ließen sich schnell zurückfallen. Die eigentliche Angriffswelle kam von hinten auf sie zu bis sie schließlich eingekesselt waren.
Die Lage drohte ganz schnell in die falsche Richtung zu kippen.
Sie kämpfte mit Adam Seite an Seite. Der Prinz überraschte sie mit ungewöhnlichen Paraden und Attacken. Hatte der Junge doch etwas aus ihren Trainingseinheiten mitgenommen. Sie notierte sich das für später, falls es ein später überhaupt geben würde.
Dann war ein Glitzern unter ihren Füßen erschienen, und Adam und sie fielen hindurch.
Reflexartig griff sie nach Adams... Kragen? - es war jedenfalls irgendein Stück Stoff gewesen. Sie wollte ihn nicht durch das magische Tor verlieren. Ihr Fall wurde schließlich jäh gestoppt und bevor sie die Bewusstlosigkeit einholen konnte, fühlte sie noch wie kalt es auf einmal war.