Diese Geschichte beginnt genau da, wo sie für Draco Malfoy in Band 6 endet.
Was passiert mit ihm nach Dumbledores Tod?


Lauf, Draco!", schrie Snape.

Draco Malfoy ließ sich das nicht zweimal sagen. Wer auch immer sie verfolgte, holte mehr und mehr auf. So schnell es seine Beine zuliessen, spurtete er über die Wiese. Als er merkte, dass Snape stehen blieb, stutzte Draco einen kurzen Moment, doch dann rannte er alleine weiter.

Der hat sie doch nicht mehr alle, dachte Draco, Selber Schuld wenn er dabei umkommt.

Dracos Blick war fest auf das Tor in der Grenzmauer gerichtet, auf welches er zusteuerte. Sobald er auf der andern Seite war, konnte er apparieren. Für ihn zählte nur ein Gedanke: Lebend von hier wegzukommen!

Draco hörte raschelnde Schritte hinter sich näher kommen. Egal wie schnell er auch rannte, sie wurden immer lauter. Er wusste, dass er es nicht mehr schaffen würde. Kurz bevor er das rettende Tor erreicht hatte, fasste er einen Entschluss. Er wirbelte mit erhobenem Zauberstab herum, bereit seinen Verfolger zu erledigen. Er hatte aber nicht damit gerechnet, dass er bereits so dicht hinter ihm war und der Verfolger seinerseits hatte nicht erwartet, dass Draco stoppen würde. Sie stiessen zusammen und fielen ins Gras.

„Verdammt, Junge, kannst du nicht besser aufpassen!", brüllte eine männliche Stimme wütend. Es war der große blonde Todesser.

Dracos Erleichterung hielt sich in Grenzen. Er wurde von dem Riesen, der auf ihm lag, beinahe zerquetscht.

Der Todesser rappelte sich wieder auf und setzte seine Flucht fort. Draco tat es ihm gleich. Als er das Tor erreichte, hatte es der Todesser es schon geöffnet und war dahinter verschwunden.

„Hey!", rief Draco und er kam sich äusserst dumm vor als er fragte: „Wohin müssen wir apparieren?"

„Zum Versteck!", antwortete der Blonde nur und schon war er mit einem Plopp verschwunden.

„Welches Versteck!", schrie Draco sauer zu der Stelle, wo der Todesser eben noch gestanden hatte. Er hatte keine Ahnung, wohin er musste. Das hatte er mit den Todessern, die er in Hogwarts reingelassen hatte, gar nicht abgesprochen.

Wenige Sekunden später stürmten die beiden untersetzten Geschwister durch das Tor, doch bevor Draco „WARTET!", rufen konnte, waren auch sie schon appariert.

Draco stand unentschlossen da und überlegte. Wo blieb Snape? Er hatte seiner Mutter geschworen, ihn zu beschützen, also würde er ihm schon irgendwie helfen, von hier fortzukommen. Draco warf einen Blick zurück auf Hogwarts' Ländereien und sah Hagrids brennende Hütte. Davor standen Snape und… Potter! War ja klar, dass der auch noch irgendwo auftauchen musste, um den Helden zu spielen.

Draco wandte sich um und dachte fieberhaft darüber nach, was er als nächstes tun sollte. Sollte er nach Hause apparieren? Nein, er musste vorher zu Voldemort. Es war ihm so befohlen worden. Draco wollte den dunklen Lord nicht noch mehr verärgern, nachdem er seine Mission ja nicht ganz erfüllt hatte. Aber woher sollte er wissen, wo Voldemort steckte?

Zum Versteck!", äffte er den blonden Todesser nach. „Na toll!" Fluchend lief er auf und ab.

Da endlich kam Snape durch das Tor geeilt. Sein Gesicht war von Irgendetwas übel zerkratz worden und sein Umhang hatte sicherlich schon bessere Zeiten erlebt. Snape schlug den schweren Torflügel hinter sich zu und es rumste dumpf. Etwas war auf der andern Seite dagegen geknallt.

„WAS TUST DU DENN NOCH HIER?", brüllte Snape, als er Draco neben sich stehen sah.

„Ich –", begann Draco, doch bevor er weitersprechen konnte, hatte ihn Snape schon grob am Arm gepackt.

Über ihnen tauchte der riesige Hippogreif Seidenschnabel auf und stürzte sich kreischend zu ihnen hinunter. Draco sah ihm entgegen und wusste, dass es vorbei war.

Dann spürte er ein sehr unangenehmes Gefühl, als ob er durch einen engen Schlauch gezogen würde. Als es aufhörte, rang er keuchend nach Luft. Er fand sich in einem miefenden, dunklen Korridor wieder, der, wie er vermutete, zu einem Keller gehörte. Der große Blonde und die Geschwister waren schon da.

Snape stieß Draco unsanft von sich und musste selbst erst einmal tief durchatmen. Dann heilte er mit einem stummen Zauber seine Kratzer im Gesicht und brachte seine Kleidung wieder in Ordnung.

„Wir hätten Potter gehabt.", brummte der blonde Todesser reuevoll.

„Das spielt jetzt keine Rolle.", erwiderte Snape schroff und wandte sich an Draco. „Der dunkle Lord wartet auf dich. Mal sehen ob er mit dir zufrieden ist."

Draco warf Snape einen finsteren Blick zu. Es passte ihm nicht, wie er mit ihm sprach. Draco stampfte an ihm vorbei und ging durch die Tür, auf die Snape mit einem Kopfnicken deutete.

Es bildete sich ein dicker Kloss in Dracos Hals, als er sich umsah. Er konnte zwar nicht viel erkennen, denn es war in diesem Raum genauso düster wie im Gang draußen. Das einzige Licht spendeten ein paar sonderbare, schwebende Flammen, die die Umgebung in bedrohliches Grün tauchten. Das schwache Licht umschloss eine große, hagere Gestalt in schwarzem Umhang, dessen Anblick Dracos Herzschlag arg beschleunigte.

Voldemort stand mit dem Rücken zu ihm auf der anderen Seite des Raumes und schien die kleinen Flammen zu hypnotisieren. Sie bewegten sich hin und her, ganz nach Voldemorts Willen. Dieser selbst rührte sich nicht, nur die Schlange, die sich zu seinen Füssen eingeringelt hatte, zischte bedrohlich.

Draco, der vom Rennen durch Hogwarts immer noch Seitenstecher hatte, hielt trotzdem dem Atem an. Er versuchte seine Gedanken möglichst unter Kontrolle zu halten, denn er war sich ziemlich sicher, dass Voldemort sie lesen konnte.

Er wagte nicht, etwas zu sagen oder sich auch nur zu bewegen. Er hatte versagt, er hatte Dumbledore nicht töten können. Snape würde den ganzen Ruhm ernten. Dracos Angst, die ihn schon das ganze Schuljahr über verfolgt hatte, kam auf einmal mit doppelter Wucht in ihm hoch. Ihm wurde übel beim Gedanken, wie Voldemort auf seine Nachricht reagieren würde.

Dann, nach einer Minute, rührte sich Voldemort endlich. „Es ist getan…", flüsterte er. Seine Stimme glich dem Zischen seiner Schlange. „Ich fühle, dass Dumbledore nicht mehr lebt."

Ganz langsam drehte er sich um und fixierte den Jungen mit seinen glühend roten Schlitzaugen. Den Rest seines Gesichts war in der Dunkelheit nicht zu erkennen.

In Dracos Gesicht rührte sich kein Muskel, aber sein Herz hatte zwei Schläge lang ausgesetzt.

Voldemort machte einen Schritt auf Draco zu, was dessen Herz nun dazu veranlasse, dreimal so schnell zu pumpen wie üblicherweise. Trotzdem blieb er äusserlich ruhig und wich keinen Zentimeter zurück.

Voldemort blieb zwei Meter von ihm entfernt stehen. „Wie ist er gestorben?"

Draco fand seine Stimme noch rechtzeitig wieder. Er strengte sich an, sie möglichst fest und sicher klingen zu lassen. „Durch… durch den Avada Kedavra-Fluch – Herr."

Voldemort saugte die Information förmlich in sich auf und schwieg eine Weile. Dann fragte er mit einer Mischung aus Neugier und Zweifel: „Du, junger Malfoy, besitzt die Macht und den Willen, den Todesfluch auszuführen?"

Wie gebannt starrte Draco die beiden roten Schlitze an. „Ich war es nicht." Jetzt zitterte seine Stimme unverkennbar. „S-Snape hat es getan."

Draco hatte sich auf alles Mögliche gefasst gemacht, aber nicht auf das, was Voldemort jetzt tat. Er lachte. Es war ein leises, keuchendes Lachen.

Aber es endete so abrupt, wie es begonnen hatte.

Stille.

„Schick ihn herein! Und du! So unzuverlässig wie der Vater! Komm mir nicht wieder ungerufen unter die Augen!"

Beinahe fluchtartig verließ Draco den Raum. Seine Angst machte ihn fast wahnsinnig. Mit geweiteten Augen starrte er Snape an, der ruhig wie ein Fels in der Ecke stand. „Er will, dass du zu ihm gehst."

Ohne ein Wort zu sagen oder seine steinerne Miene zu verändern, ging er mit großen, festen Schritten an Draco vorbei durch die Tür.

Der große, blonde Todesser lachte spöttisch, als er Dracos furchtsames Gesicht sah.

Draco wollte nur noch eins; nach Hause und alles, was im letzten Jahr geschehen war, vergessen! Er rannte eine Treppe hinauf, bis er sich unter einem klaren Sternenhimmel wieder fand. Es war ihm gleich, wo er war. Er schloss nur seine Augen und dachte fest an den Ort, wohin er wollte und apparierte kurz darauf.