Der Mc Donald's Mann
1. Kapitel
Kichernd hakte sich Ginny bei Colin unter. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und schnupperte kurz an seinem Haar.
„Stinke ich?", fragte Colin mit hochgezogener Braue und blickte auf die Weasley rechts neben ihm.
Ginny grinste ihn an. „Keineswegs!", versicherte sie ihm. „Du riechst gut! Nach Butterbier, Hot Dogs und Kesselkuchen!", fügte sie hinzu.
Colin seufzte zufrieden. „Jaah … genauso muss man nach einem aufregenden Quidditchspiel riechen!"
„Wenn man sich eines angeschaut hat", korrigierte Ginny ihn, „Wenn du gespielt hast riechst du wohl eher nach Leder und Schweiß."
Colin blickte Ginny schmunzelnd an. „Nun, welcher Geruch ist dir lieber?"
„Deiner natürlich!", versicherte Ginny ihm, hob ihren Kopf und küsste ihn.
Sie kamen an sein Auto. Obwohl Colin in der Zaubererwelt arbeitete und mit einer Hexe zusammen war, hing er noch immer sehr an der Muggelwelt. Deswegen lebte er wie einer: in einer kleinen Londoner Altbauwohnung, mit „Fele-Ton" und „Weitseher" und einem Auto.
Gentlemanlike hielt Colin Ginny die Tür auf.
„Danke", kicherte Ginny und ließ sich auf dem Beifahrersitz nieder.
Colin stieg ein und ließ das Auto durch einen Stupser seines Zauberstabes an. Mit seinem Job als freier Fotograf für den Tagespropheten verdiente er zwar genug, aber nicht so viel, dass er sich alle zwei Tage eine Tankfüllung leisten konnte (und das war bei Ginnys Unternehmungslust echt nötig), deswegen betrieb er sein Automobil mit Zauberkraft.
Colin lenkte den Wagen auf den Waldweg, der sie hinaus aus dem Wald führte, in dem sich das Quidditchstadion – gut verborgen vor Muggel – befand.
Ginny kurbelte das Fenster hinunter, streckte ihren Kopf hinaus und lies sich die frische, sommerliche Waldluft um die Nase wehen.
Nachdem sie sich erfrischt hatte, beugte sie sich zu ihrem Freund hinüber und küsste ihn auf die Wange.
„Ginny", rief dieser gespielt empört, „Ich versuche mich aufs Fahren zu konzentrieren."
Ginny küsste ihn erneut und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel und begann, ihn dort zu streicheln.
„Was gefällt dir besser?", fragte sie ihn, so wie er sie zuvor, „Autofahren oder von mir abgelenkt werden?"
Colin hielt mitten auf dem Waldweg an und drehte sich zu ihr um. „Von dir abgelenkt werden – natürlich!", murmelte er, bevor Ginnys Kuss seine Worte verschluckte.
Er zog sie näher zu sich heran und ihr Kuss wurde leidenschaftlicher, als plötzlich – TUT!
Die Scheinwerfer eines zweiten Autos erhellten Colins Wagen und Ginny und Colin trennten sich überrascht voneinander.
Verlegen wandte sich Colin nach vorne um Weiterzufahren, damit der Drängler hinter ihnen nicht noch mehr Aufstand machte.
Ginny klappte kichernd den Spiegel vor sich runter und richtete ihr Haar.
„Du siehst genauso aus wie in unserem Siebten Jahr als Flitwick uns im Zauberkunstzimmer erwischt hat", bemerkte sie grinsend mit einem Seitenblick auf Colin.
Colin grummelte etwas Unverständliches und bog nach rechts, auf die asphaltierte Straße ab, während der Wagen hinter ihnen nach links abbog.
„Du hast total putzig ausgesehen!", versicherte Ginny ihm und küsste ihn erneut auf die Wange.
„Ginny!", protestierte Colin, „Können wir damit nicht warten, bis wir bei mir sind?"
Sein Protest hörte sich nicht sehr überzeugend an.
„Nein", hauchte Ginny in sein Ohr und knabberte an seinem Ohrläppchen.
Lachend versuchte Colin, sich auf die Fahrbahn zu konzentrieren und gleichzeitig seine Freundin davon abzuhalten, über ihn herzufallen.
Ginny ließ sich in ihren Sitz plumpsen und verschränkte die Arme.
„Magst du mich denn nicht mehr?", fragte sie gespielt beleidigt.
„Nein, ich hasse dich", sagte Colin ernst. Sie fuhren mittlerweile durch die Vororte Londons.
„Ich wusste es, du gemeine Schlange", zeterte Ginny und piekste ihn mit ihren Fingern in die Seite.
„Hey, ich verbitte mir es mit einem Slytherin gleichgesetzt zu werden", beschwerte sich Colin.
„Pff", machte Ginny und schaute aus dem Fenster. Dann schlich sich ein Grinsen auf ihr Gesicht. Sie wusste, dass diese Zankereien zwischen ihr und Colin überhaupt keine Bedeutung hatten. Die zwei ehemaligen Gryffindors mussten halt irgendwie ihr Temperament ablassen.
Außerdem gefiel Ginny Colins Unbeschwertheit und sein Humor. Vor allem nach allem … vor allem nach allem, was eben passiert war. In diesen letzten zwei Jahren nach ihrem Schulabschluss.
Ihr fiel eine Leuchtreklame ins Auge.
„Wonneklöschen?", fragte sie vorsichtig, „Gehen wir uns noch was zu essen holen? Bitteeee!"
Colin seufzte. „Es ist ja nicht so, dass du während dem Spiel die Gelegenheit dazu hattest, irgendwas zu essen."
Ginny schaute ihn mit ihrem Hundeblick an. „Kannst du mir etwas abschlagen?"
Als sie vor einer roten Ampel hielten, drehte sich Colin zur Seite und küsste Ginny auf die Nasenspitze. „Natürlich kann ich das nicht, Bratkartoffelchen." Die Ampel sprang auf Grün um und Colin lenkte den Wagen, wie Ginny gewünscht hatte, in die Einfahrt des Restaurants „Zum Goldenen M" ein.
Sie hielten einige Meter vor der Sprechanlage an, um das Angebot zu studieren. Ginnys Augen leuchteten förmlich und Colin musste über die Vorliebe für Muggel-Fast Food seiner Freundin grinsen.
„Bitte keine solche Fressorgie wie letztes Mal", sagte er grinsend.
Ginny streckte ihm die Zunge raus. „Hältst du einen Big Mäc, drei Cheeseburger, zwei große Portionen Pommes und eine große Coke für zu viel?", wollte Ginny unschuldig wissen.
„Ja!", sagte Colin entschieden, der die Essgewohnheiten seiner Freundin kannte und sich noch gut an die vier angeknabberten, übrig gelassenen Burger vom letzten Mal erinnern konnte.
Er fuhr vor zur Sprechanlage, durch die nach einem Knacken eine Stimme ertönte. „Herzlich Willkommen bei Mc Donald's", sagte ein Mann schleppend, „Ihre Bestellung bitte?"
Colin gab Ginnys Wünsche großzügig gekürzt an. Ginny fragte sich, warum die Muggel nicht einfach einen Zauber benutzten, wie es beispielsweise in der Fele-Ton-Zelle des Zaubereiministeriums getan wurde. Dann müsste auch niemand mitten in der Nacht – es war immerhin schon halb zwei – Kundschaft bedienen. Als Ginny einfiel, dass Muggel überhaupt keine Magie kannten, hatte Colin ihre Bestellung schon längst aufgegeben und Ginny war zu spät, um sich zu beschweren.
„Vielen Dank. Fahren sie bitte vor zum Schalter", sagte die schleppende Stimme.
Colin tat wie ihm geheißen. Als sie vor dem Fenster hielten, kramte Colin nach seinem Geld, da Ginny natürlich kein Muggelgeld besaß und sich deswegen von Colin in der Muggelwelt einladen ließ, in der Zaubererwelt lud Ginny ihn dann ein – zum Ausgleich.
Ginny schaute sehnsüchtig auf die Tüte, die der Mann hinter dem Fenster in den Händen hielt. Erst als der Angestellte die Hand ausstreckte, um Colins Geld entgegenzunehmen, zog er Ginnys Aufmerksamkeit auf sich.
Sein Arm war von vielen hässlichen Narben überzogen. Ginny blickte ihm kurz in sein Gesicht. Er hatte dunkle Augenringe und wirkte auch sonst sehr müde. Ginny schätzte ihn auf Ende zwanzig, Anfang dreißig. Das rot weiß gestreifte Hütchen, das er auf dem Kopf trug, wirkte lächerlich.
Ginny schien es, als ob der Mc Donald's Mann sie mit einem bösen Blick bedachte, als er Colin die Tüte reichte und mit lahmer Stimme sagte: „Guten Appetit und auf Wiedersehen."
Ginny schüttelte sich und als Colin den Drive Through entlang fuhr, damit sie wieder auf die Straße gelangen, warf Ginny einen flüchtigen Blick über ihre Schulter, konnte jedoch nichts mehr von dem Mann sehen.
„Was ist los?", fragte Colin, als sie wieder auf der Straße waren.
Ginny schaute ihn fragend an.
Colin deutete auf die Tüte auf ihrem Schoß.
„Du hast schon seit dreißig Sekunden eine Menge Fastfood in deinem Besitz und hast dich noch nicht darüber hergemacht?", fragte er zweifelnd.
Ginny zuckte die Schultern. „Der Typ war irgendwie seltsam … ich glaube er mochte mich nicht", erklärte sie.
Colin lachte. „Wegen Leuten wie dir muss der nachts arbeiten."
„Hmm", machte Ginny, die das nicht so recht glauben konnte.
Colin parkte vor einem hohen Altbau. „Los!", animierte er Ginny, „Hör auf zu grübeln und folge mir unauffällig!"
Ginny konnte nicht anders als zu lächeln. Sie stieg aus und folgte Colin in das Haus. Dort mussten sie noch die Treppen in den dritten Stock erklimmen, und dann – endlich – schloss Colin die Tür zu seiner Wohnung auf und Ginny drängte sich hinein.
„Bin ich fertig!", seufzte sie und ließ sich auf sein Bett fallen, welches den Mittelpunkt der Ein-Zimmer-Wohnung bildete.
„Zu fertig für Fastfood?", fragte Colin grinsend.
„Nie!", beteuerte Ginny sofort und nahm sich einen Burger aus der Tüte.
