Jenseits von Berlin
1.
„Du bist eine unanständige Assistentin", raunte eine Stimme anzüglich neckend. Die schlanke Blondine fühlte sich angefeuert und ließ ihr Becken noch stärker kreisen. Sinnlich legte sie ihren Kopf in den Nacken und strich sich durch die Haare. „Lass mich hören, wie gut dir das gefällt", forderte sie den Mann unter sich auf, der sie auch sofort mit einem Stöhnen belohnte. „Oh David", hauchte sie. „Das ist so gut." Ihre Hände wanderten von ihrem eigenen Bauch über seinen bis hin zu seiner Brust, dort verstrickten sie sich mit Davids dichten Brusthaar. „Ich wünschte, meine Verlobte würde sich mir so hingeben", brummte David ohne nachzudenken. „Ich wünschte, es gäbe deine Verlobte gar nicht", seufzte seine Assistentin und glitt sichtlich befriedigt von ihm herunter.
Wie versteinert stand Lisa in der Tür zum Schlafbereich der noblen Suite. Hatte sie gerade das gesehen, was sie gesehen hatte? David hatte nicht wirklich mit seiner Assistentin geschlafen! Diese Frau genoss doch ihr Vertrauen und Davids wilde Zeiten waren doch vorbei! Wie hatte das passieren können? Ich wünschte, meine Verlobte würde sich mir so hingeben – es war also alles ihre Schuld… Wobei… hatte sie sich David nicht oft genug hingegeben? Und das obwohl sie so große Angst vorm ersten Mal gehabt hatte? Hatte sie Davids Geduld überstrapaziert? „Wann schießt du sie eigentlich in den Wind?", hörte sie Elviras Stimme fragen. „Gar nicht. Ich bin glücklich mit Lisa und…" – „Du verlogenes Schwein!", stürmte Lisa das Zimmer. „Du bist glücklich mit mir, aber bumst deine Assistentin?" – „Lisa!", rief David entsetzt und bedeckte sich mit einem Laken. Auch Elvira griff geistesgegenwärtig nach dem Stück Stoff und hielt es krampfhaft an ihren Körper gepresst. „Was ist denn das für eine Ausdrucksweise? Das sieht dir gar nicht ähnlich, Schatz." Wie eine Furie ging Lisa zum Schrank und holte ihre Kleidung hervor – schicke Kostüme, ein opulentes Abendkleid, feuerrote Reizwäsche, die David ihr zum Geburtstag geschenkt hatte... alles landete in ihrem Koffer. „Lisa, Schatz, was tust du da?", fragte David, während er sich aus dem Bett wälzte. „Wonach sieht es denn aus? Ich packe!", brüllte sie ihn an. Brüllen, schreien, kreischen – das war gut. Das hielt sie davon ab, zusammenzubrechen. Das war das Ende ihres Kleinmädchentraums von der großen Liebe, vom Traumprinzen auf einem weißen Pferd. Wie glücklich sie gewesen war, als David ihr erst seine Liebe gestanden und dann einen Heiratsantrag gemacht hatte. Wann war das doch gleich gewesen? Irgendwann nachdem Mariella sich in den Architekten verliebt hatte. Viele Nächte hatten David und Lisa damit verbracht, die Lücke, die Mariellas Abreise bei Kerima hinterlassen hatte, zu füllen. Irgendwo zwischen Location-Suche und Modelverträgen musste es passiert sein. Wie hatte sie immer zu Jürgen gesagt: Vielleicht… irgendwann… er wird erkennen, dass wir zusammengehören. Aber offensichtlich nicht auf der gleichen Ebene, dachte Lisa verbittert. „Lisa? Bitte, rede doch mit mir", forderte David seine Verlobte auf und für einen Moment sah es so aus, als würde er Angst empfinden – Angst, sie zu verlieren. „Ich verschwinde, okay? Hier." Patzig warf Lisa ihm ihren Verlobungsring vor die Füße. „Es ist aus. Du hast mich so oft gedemütigt, aber das! Das ist der Gipfel! Werde glücklich mit dieser Vorzimmer-Tussi." – „Wo willst du denn hin? Du kennst dich doch in London nicht aus und…" – „Ja, das Göberitzer Landei kennt sich in London nicht aus, aber dafür gibt es ja Stadtpläne." – „Und die Show heute Abend?", zählte David Kerimas wohl wichtigsten Termin der Fashion Week auf. „Ist mir scheißegal", zischte Lisa. „Hey, nimm doch die da mit, setze dein Business-Lächeln auf und niemand wird etwas merken." – „Ich verstehe nicht, warum du so ein Theater machst. Mariella hat auch nie…" David konnte seinen Satz nicht beenden, denn Lisa holte aus und gab ihm eine Ohrfeige. „Ich bin nicht Mariella. Du kannst das mit mir nicht machen. Ich lasse es nicht zu, dass du das mit mir machst." Trotzig drehte Lisa sich um und verließ fluchtartig die Suite.
„Frau Plenske, was kann ich für Sie tun?", fragte der freundliche Rezeptionist. „Ich brauche einen Mietwagen. Sofort", verkündete Lisa, sich nun doch ein paar Tränen aus dem Gesicht wischend. „Wollen Sie nicht lieber ein Taxi?", fragte der junge Mann sie mitfühlend. „Nein. Einen Mietwagen. Einen, den ich mindestens zwei, wenn nicht drei Tage behalten kann und auch in einer anderen Stadt abgeben kann." – „Kein Problem. Ich organisiere das für Sie. In zehn Minuten können Sie los."
