Widmung: Dieser kurze One-Shot ist für Korksie.
Sonstiges: Spontaner Erstling der geplanten 'Rosa Einhorn'-Reihe.
Disclaimer: Harry Potter und die Charaktere dieses Universums gehören nicht mir, sondern JKR, und sind nur entliehen. Ebenso gehört mir nicht die Idee des Rosa Einhorn, sondern TanteHildegard, die aber so freundlich war, den Club zur weiteren FF-Verwendung freizugeben.
Story:
Die Geister der Vergangenheit
Severus
Snape war außer sich vor Wut, als er das Büro des
Schulleiters verließ. Nicht nur, dass dieser ihm einmal mehr
den Posten des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste
vorenthalten hatte, nein, er hatte diesen Nichtskönner Lockhart
eingestellt. Ausgerechnet Gilderoy Lockhart!
Während
der Zaubertranklehrer mit wehendem Umhang in den Kerker rauschte,
konnte er nicht verhindern, dass aus seinen Gedanken wohl verdrängte
Erinnerungen an sein ersten Jahre nach Hogwarts emporstiegen...
Er
hatte erst vor wenigen Wochen das Dunkle Mal erhalten, doch Severus
wusste, dass, wenn er in den Reihen der Todesser aufsteigen wollte,
er mehr bieten musste als nur den bedingungslosen Einsatz bei den
Attacken. Etwas, das außer ihm kaum jemand vorzuweisen hatte,
das ihn aus der Masse der schwarzen Umhänge und weißen
Masken heraushob. Da er aber weder über politischen Einfluss wie
Lucius Malfoy, oder Reichtum wie Rodolphus Lestrange verfügte,
blieb ihm nur auf seine Intelligenz zurückzugreifen und daraus
das beste zu machen. Und da sein bestes Fach in der Schule neben VgdK
Zaubertränke gewesen war, bewarb er sich kurzerhand im St
Mungo's Hospital in der Forschungsabteilung.
Angesichts
der allgemeinen Lage, war in diesen Tagen so ziemlich jeder in dem
Krankenhaus willkommen, der einigermaßen Tränke brauen
konnte, und so trat Severus in die Dienste der Heilanstalt, wo er
sich schnell einen guten Ruf machte.
Doch
die Forschungs- und Ausbildungsgelder waren knapp bemessen, Wohnraum
in London teuer, und das Erbe seiner Eltern nicht unerschöpflich.
Das hatte Snape nach einem Jahr relativer Freiheit erkennen müssen,
und sich zähneknirschend nach einem Mitbewohner umgesehen. Doch
ein Bewerber nach dem anderen zog schneller wieder aus, als er
eingezogen war. Teilweise, weil sie absolut unordentlich gewesen
waren – etwas, das Severus auf den Tod nicht leiden konnte – oder
mit seiner Laune, die meist nicht wirklich vorhanden war, nicht
zurechtgekommen waren. Bis eines Tages ein junger, geschniegelter
Schönling vor seiner Tür gestanden hatte, an den Snape sich
vage aus der Schulzeit, zwei Klassen über ihm, erinnerte:
Gilderoy Lockhart. Allein schon bei dem Vornamen hätte Severus
am liebsten Reißaus genommen, doch er brauchte einen
Mitbewohner, und Lockhart eine Bleibe. Erstaunlicherweise schafften
sie es sogar recht gut miteinander auszukommen.
Severus
ignorierte Lockharts weibisches Getue und verkniff sich Kommentare
bezüglich seines Kleidungsstils, und Lockhart verzichtete im
Gegenzug darauf, Snape mehr als drei Mal am Tag davon überzeugen
zu wollen, dass Schwarz keine tragbare Farbe sei und er außerdem
ein wenig mehr Spaß im Leben bräuchte. Natürlich
wusste Gilderoy nicht, dass Severus ein Todesser war, und somit in
seinem Leben genug Aufregung, wenn auch vielleicht nicht gerade Spaß,
hatte.
Vermutlich hätte Gilderoy Lockhart, trotz seiner aufdringlichen Eigenheiten, keinen bleibenden Eindruck bei Snape hinterlassen. Schließlich konnte er sich heute auch kaum mehr an die anderen Mitbewohner erinnern, die vor und nach Lockhart die Wohnung mit ihm geteilt hatten. Wäre da nicht dieser eine Jahreswechsel gewesen...
Wie
üblich hatte Severus die Feiertage, wo im St Mungo's nur
eingeschränkter Dienst herrschte, alleine in seiner Wohnung
verbracht. Ohne überladenen Weihnachtsbaum und ohne
selbsttönende Weihnachtskugeln mit schrecklichen
Weihnachtsliedern. Gilderoy war, Merlin sei Dank, zu seiner
Verwandtschaft abgedüst – natürlich nicht, ohne vorher zu
versuchen, Snape dazu zu überreden doch mit ihm zu kommen, aber
allein die Vorstellung es mit einer ganzen Familie goldgelockter
Rauscheengel, die alle auf den Namen Lockhart hörten, aufnehmen
zu müssen, hatte ihn so blass werden lassen, dass Gilderoy ohne
weiteres Nachhaken seine Ausrede einer aufkeimenden Grippe akzeptiert
hatte. Dennoch hatte es sich sein Mitbewohner nicht nehmen lassen,
Severus ein Weihnachtsgeschenk zukommen zu lassen. Mit viel Liebe und
Sorgfalt ausgesucht und ähnlich dämlich, in Snapes Augen,
wie fast alles an seinem Mitbewohner. Wer sonst käme schon auf
die Idee, ihm ein Handpflegeset zu schenken, inklusive
Ringelblumensalbe und einem Sortiment Nagellack. (Immerhin war
Gilderoy so nett gewesen, neben dem obligatorischen Rot, Pink und den
Slytherinfarben auch Schwarz und Durchsichtig der Palette
hinzuzufügen.) Dazu einen Zettel, auf dem stand, dass für
ihn als Tränkebrauer seine Hände das wichtigste Werkzeug
sei und entsprechend gepflegt werden musste.
Zunächst
hatte Severus das Geschenk einfach kopfschüttelnd zur Seite
geräumt, doch nach dem dritten Tag ohne Dienst, ohne
Todesserattacke und ohne Gilderoy, der ihn mit seinem nervigen Getue
wenigstens abgelenkt hätte, besah er sich das Pflegeset doch
einmal genauer. Und betrachtete dann seine Hände. Vielleicht
hatte Lockhart doch Recht?
Leider
war es vor Weihnachten reichlich stressig gewesen und seine Haut
hatte nicht ganz so begeistert auf den ein oder anderen Spritzer
Zaubertrank reagiert, der ihm beim Abfüllen auf die Hand
gekleckert war. Insgesamt waren seine Hände ein wenig fleckig
und die Nägel rissig und spröde. Dann kam Severus ein
weiterer Gedanke. Was wenn sich ein winziger Teil seiner Nägel
von selbst ablöste und während des Brauvorgangs in den
Kessel fiel? Oder die Reste auf seiner Haut mit einem neuen Trank
ungeahnte Nebenwirkungen eingingen?
Ein
klein wenig schaudernd holte Snape eine Schüssel, füllte
sie mit lauwarmem Wasser und begann seine Hände darin
einzuweichen. Es dauerte zwar fast zwei Stunden, doch am Ende hatte
er alle Flecke entfernt und dank der Ringelblumensalbe sahen seine
Hände jetzt wieder schön und geschmeidig aus. Na ja,
fast... Denn da waren immer noch die kaputten Nägel.
Sollte
er wirklich? Nun ja, was konnte es schaden? Vor allem, da man den
durchsichtigen Lack ja eh nicht bemerkte? Er kam sich zwar reichlich
albern vor, wie er da auf seinem Sofa saß und sich die
Fingernägel lackierte, doch am Ende war er mit dem Effekt recht
zufrieden.
Womit
er nicht gerechnet hatte, war der listige Blick, mit dem Gilderoy bei
seiner Rückkehr am nächsten Tag, sofort sah, dass Severus
sein Geschenk mit allem, was dazu gehörte, ausprobiert hatte.
Und entsprechend hatte er sich den Kommentar: „Ich persönlich
hätte jetzt gedacht, dass du Schwarz mit silbernen Applikationen
vorziehst.", nicht verkneifen können.
Doch
Severus hatte nur leise vor sich hin geknurrt und seinen persönlichen
Rauschgoldengel-Mitbewohner ignoriert. Vielleicht hätte er
Gilderoy nicht so stark ausblenden sollen, dass er nicht mitgekriegt
hatte, wie dieser, einem Slytherin gleich, ihn zu überlisten
versuchte, und dummerweise auch noch Glück dabei hatte.
„Also
Sev (nur Gilderoy nannte Severus so) ich werde dir jetzt eine ganz
einfache Frage stellen, die du sogar mit deinem geliebten Knurren
beantworten kannst. Einmal Knurren für Ja, zweimal Knurren für
Nein", sagte Lockhart mit einem abwartenden Grinsen. Eigentlich war
allein schon die Vorgabe nicht fair gewesen, knurrte Snape doch fast
ununterbrochen und die eigentliche Knurranzahl lag somit im Auge des
Betrachters. „Kommst du mit mir zum Silvestermaskenball im ‚Rosa
Einhorn'?"
Wie
erwartet bekam er nur ein Knurren als Antwort.
Erst
als Gilderoy ernsthaft über die Frage, welche Kostümierung
für sie beide am besten käme, zu debattieren begann, wurde
Snape klar, worauf er sich da eingelassen hatte. Doch Severus kannte
Lockhart gut genug, um zu wissen, dass dieser ihn nun nicht mehr in
Ruhe lassen würde, außerdem stand Severus trotz allem zu
einem einmal gegebenen Wort. „Vergiss es! Ich werde weder als Faun
noch als Lichterfee oder Pfau auftreten. Über einen klassischen
Domino, sprich Mantel und Halbmaske, ließe sich vielleicht noch
reden, aber alles andere – Nein!", machte er seinen Standpunkt
klar.
Gilderoy
seufzte, doch dann nickte er. „Also der klassische Domino. Und
bevor du wie ein Todesser mit schwarzer Kutte angezogen in dem Club
aufkreuzen willst und damit alle anderen Partyteilnehmer vergraulst,
werde ich die Kostüme wohl besorgen", sagte er und grinste
leicht.
Severus
konnte sich gerade noch daran hindern, instinktiv an sein Handgelenk
zu fassen, eine Reflexreaktion, ausgelöst von der Frage, ob
Lockhart vielleicht wusste, dass er ein Todesser war. Doch dann sagte
er sich, dass er das Mal sicher unter einem Tarnzauber versteckt
hatte und Gilderoy unmöglich wissen konnte, auf welcher Seite er
in diesem Krieg stand. Und so nickte er nur in Bezug auf die
Organisation ihrer Kostümierung, froh, sich nicht auch noch
darum kümmern zu müssen. Hätte
er allerdings geahnt, was Gilderoy für Dominos anschleppen
würde, hätte er liebend gerne sich mit all den anderen
Silvester-Verrückten um ein passendes Kostüm bemüht.
Verdammt, noch nicht einmal eine Todesserkutte konnte so erschreckend
aussehen, wie das, was Lockhart ihm allen Ernstes anzudrehen
versuchte.
„Du
hast es versprochen, Severus, und damit Schluss! Entweder du ziehst
die Sachen freiwillig an, oder ich hexe sie dir an den Körper!"
Ergeben
nahm Severus die Kleidungsstücke entgegen, die Lockhart ihm
hinhielt und ging sich dann umziehen. Sauertöpfisch starrte er
seine Reflektion im Spiegel an. Er war sich nicht sicher, ob die
Farbe seines Umhangs und seiner Maske nun schon pink oder gerade noch
rosa war. Auf jeden Fall sah es scheußlich aus. Da hätte
er ja lieber noch freiwillig die Gryffindorfarben getragen!
„Perfekt!",
ließ sich da von der Tür ein strahlender Gilderoy Lockhart
vernehmen. „Genau, wie ich mir gedacht habe. Die Farbe kontrastiert
wirklich optimal mit deiner blassen Haut und deinem dunklen Haar!"
Dann betrat er Severus' Schlafzimmer und drehte sich präsentierend
einmal um die eigene Achse. Sollte er allerdings auf ein ähnliches
Kompliment von Snape gehofft haben, wurde er enttäuscht. Denn
dieser fand Lockharts Aufzug mindestens genauso scheußlich, wie
seinen eigenen. Wer kam auch schon auf die Idee Lavendel zu tragen?
Damit sah sein Mitbewohner aus, wie eine unglückliche Mischung
aus Oma-Tapete und Muggel-Bonbon.
„Können
wir gehen?", fragte er deswegen missmutig, frei nach der Logik: Je
schneller wir auf dieser Party in diesem doofen Club sind, desto
früher wird es auch Mitternacht und ich kann wieder gehen! Der
Club war brechend voll, und bald war Severus zu dem Schluss gekommen,
dass es ihn durchaus noch schlimmer mit dem Kostüm hätte
treffen können, denn ein paar Unglückliche trugen doch
allen Ernstes Domino-Umhänge in giftgrün-pinker
Streifenoptik. Überhaupt ließ sich der Abend längst
nicht so schlimm an, wie er zunächst befürchtet hatte.
Vielleicht lag es daran, dass er sich unter Gleichgesinnten bewegte,
handelte es sich doch beim ‚Rosa Einhorn' um einen Schwulenclub,
vielleicht aber auch daran, dass es mal etwas ganz anderes war, eine
Maske zum Vergnügen zu tragen, und nicht um sich und seine
dunklen Taten vor der Welt zu verbergen. Er ließ sich sogar von
Gilderoy dazu überreden, mit ihm zu tanzen, etwas, das er sonst
vehement ablehnte. Er hatte ja noch nicht einmal auf dem
Abschlussball in Hogwarts getanzt. Doch jetzt genoss er es, zu seiner
eigenen Überraschung, sich im Gleichklang mit seinem Mitbewohner
zur Musik zu bewegen.
Schneller
als er gedacht hatte, war es Mitternacht, und im allgemeinen Trubel
von frohen Neujahrswünschen und lachender Demaskierung
tolerierte er sogar, dass sein Mitbewohner ihn hezlich umarmte. Dann
drängte alles nach draußen auf die Dachterrasse, um sich
das farbenprächtige Feuerwerk anzusehen, das die Muggel an
Silvester immer abbrannten.
Heute
hätte Severus nicht mehr sagen können, wie es kam, dass er
sich plötzlich an die Wand des Treppenhauses gepinnt
wiedergefunden hatte, Gilderoy Lockhart leidenschaftlich küssend.
Vielleicht war es der Zauber von Silvester gewesen, vielleicht aber
auch aufgestaute sexuelle Frustration, oder vielleicht, weil er
insgeheim schon seit langem hatte wissen wollen, wie es war, jemanden
wie Gilderoy zu küssen. Vielleicht aber auch, weil er sich an
Gilderoys Gegenwart gewöhnt hatte, sich ein wenig sicher, ein
wenig geborgen fühlte, egal wie sehr sein Mitbewohner ihn
beizeiten nervte, so dass er sich erlaubte, seinen Gefühlen nach
Nähe und Zärtlichkeit nachzugeben.
Er
war sich nicht sicher, wie sich die Dinge zwischen ihnen entwickelt
hätten, wären die Umstände damals andere gewesen. Wenn
er nicht noch in der selben Nacht zu einer Todesserversammlung
befohlen worden wäre und Lockhart nicht eine Woche später
das Angebot bekommen hätte an irgendeiner obskuren Expedition in
Nepal teilzunehmen. Doch so hatten sich ihre Wege getrennt...
Als
Snape ein paar Monate später, vielleicht aus Nostalgie, noch
einmal ins ‚Rosa Einhorn' ging, begegnete er zufällig James
Potter. Er war überrascht, den ehemaligen Schulkameraden
ausgerechnet in diesem Club zu sehen, wusste er doch, dass dieser
Lily Evans geheiratet und sogar ein Kind mit ihr hatte, doch das
hinderte seinen Körper nicht daran, ihm in Erinnerung zu rufen,
dass James derjenige gewesen war, durch den ihm klar geworden war,
dass er schwul war. Den Schulrivalen, von dem er stets geglaubt
hatte, dass er unerreichbar, da hetero, sei, jetzt hier, in diesem
Club zu treffen, hatte der alten Flamme neue Nahrung gegeben und
Hoffnung war in ihm aufgekeimt. Doch Severus wusste, dass James sich
nie auf einen Todesser einlassen würde. Wenn er also wirklich
Chancen bei ihm haben wollte, musste Snape die Seiten wechseln.
Es
war schon grotesk, wenn man bedachte, dass die Hoffnungslosigkeit und
eine frustrierte Wut darüber, dass er James nie würde haben
können, ihn erst dazu gebracht hatte, sich dem Dunklen Lord und
seinen Todessern anzuschließen. Und jetzt war es abermals
James, der Severus dazu brachte Voldemort zu verraten. Doch so war es
geschehen.
Und
jetzt sollte neben Harry Potter, der seinem verstorbenen Vater so
ähnlich sah, und ihn stets an jene verlorene Hoffnung erinnerte,
ein weiterer Geist aus seiner Vergangenheit ihn hier in Hogwarts
heimsuchen. Doch das hatte Snape Professor Dumbledore ja schlecht
erklären können. Wie es wohl sein würde, Gilderoy
wiederzusehen? Ob da immer noch was zwischen ihnen war?
Snape
schüttelte vehement den Kopf. Nein, sicher nicht! Dafür war
einfach zu viel Zeit vergangen. Dafür hatten sie sich zu sehr
verändert. Dafür war Lockharts Lächeln im Laufe der
Jahre zu selbstgefällig und oberflächlich geworden. Und
doch würde es etwas geben, das ihn wohl immer an diese
Wohngemeinschaft erinnern würde... Gedankenverloren starrte er
auf seine Hände und auf die mit durchsichtigem Nagellack
überzogenen Fingernägel...
