Kapitel 1 - Schulanfang und Zähne ausbeißen

„Wie kannst du nur an einem Samstagmorgen so früh wach sein?", fragte Azazel grummelnd.

Schlürfend kam er aus seinem Zimmer und gesellte sich zu seinen Brüdern Lucifer und Samael. Er sah so aus, als wäre er erst vor wenigen Stunden ins Bett gegangen. Beelzebub störte sich nicht an der schlechten Laune und sprang fröhlich weiter in das nächste Zimmer.

Die drei Brüder blieben mitten im Gang stehend zurück. Sie beobachteten, wie ihr kleinster Bruder ihre anderen Geschwister weckte.

„Ach lass ihn. Er wird schon früh genug die Freude verlieren", merkte Samael an, was ihm einen strengen Blick von Lucifer bescherte.

„Seid froh, dass er so fröhlich und optimistisch ist."

Sie hörten etwas krachen, dann kam Beel aus dem Zimmer gerannt und ein brennendes Kissen folgte ihm. Iblis fluchte dabei. Leise öffnete sich die Tür gegenüber und ein verschlafener Astaroth kam heraus.

„Was ist denn hier für ein Lärm?", fragte er und gähnte dabei.

„Beel hat Iblis geweckt", erklärte Azazel knapp.

Astaroth schaute auf das vor ihm liegende angekokelte Kissen, ehe er zur Tür blickte. Dort kam nun ein schlecht gelaunter Feuerdämon heraus, der sich den Hinterkopf noch immer fluchend rieb.

„Hat er dich aus dem Bett gehauen?", fragte Samael amüsiert. Er genoss das Spektakel. Iblis knurrte und schenkte dem Zeitdämon einen Blick des Todes, ehe er das Kissen aufhob und in sein Zimmer schleuderte.

„Er kam rein und ich habe mich so erschrocken, dass ich aus dem Bett geflogen bin."

Samael musste sich bei dieser Vorstellung ein Lachen verkneifen, während Astaroth laut loslachte. Iblis funkelte die Beiden böse an und gesellte sich dann mit Astaroth zu ihren drei Geschwistern.

„Wieso ist er überhaupt so fröhlich und aufgedreht?"

„Heute ist doch sein Schulanfang", bemerkte Lucifer an. Anscheinend war er der Einzige, der sich das gemerkt hatte.

In der Zwischenzeit war Beel in die nächsten beiden Zimmer gewandert. Egyn war bereits wach und freute sich zusammen mit seinen kleinen Bruder. Er kam gut gelaunt aus seinem Zimmer und wünschte jeden einen wundervollen guten Morgen. Die Begrüßung seiner Geschwister fiel jedoch nicht so euphorisch aus. Amaimon hingegen kam zwar wacher als so manch andere, aber trotzdem leicht verschlafen aus seinem Zimmer.

Beel sprang vor ihnen auf und nieder und lief fröhlich voraus, Richtung Esszimmer. Grummelnd folgten ihm seine Geschwister. Nur Egyn ließ sich von der guten Laune anstecken und lief neben Beel voraus.

Im Esszimmer angekommen staunten sie nicht schlecht. Ihr Vater hatte sämtliche Köche und Diener des Palastes für heute organisiert, die seit Frühs um vier sich abrackerten, um seinen jüngsten Sohn einen unvergesslichen Schulanfang zu bescheren.

Das ganze Zimmer war geschmückt. Überall hingen Girlanden und Luftballons in den Lieblingsfarben des Insektendämons - grün, braun, gelb und rot. In der Mitte stand die lange Tafel, an der sie immer aßen. Sie war nicht mehr wiederzuerkennen. Eine hellgrüne Tischdecke schmückte sie. An jeden Platz befanden sich ein Teller und eine Tasse mit einer Untertasse. Sie hatten alle zu ihren 1. Geburtstag diese Tassen von ihren Vater geschenkt bekommen. Darauf war ein Bild von ihnen zu sehen, als sie noch Babys waren. Dazu standen ihr Geburtsdatum, -zeit, -gewicht und -größe. Die Rückseite war noch frei und sie ahnten, dass ihr Vater schon eine Idee dafür hatte. Doch noch verriet er nichts. Wahrscheinlich würden die Tassen irgendwann mal verschwinden und zu gegebenen Anlass wieder auftauchen mit bestückter Rückseite.

Jede Tasse hatte außerdem einen anderen Farbton. Sie wussten nicht, wie ihr Vater damals erahnen konnte, welche Lieblingsfarbe sie haben werden, aber er hatte es geschafft. Zu besonderen Anlässen wurden sie herausgeholt, so wie heute.

Dazu stand allerlei leckeres Essen auf den Tisch und die Teller waren geschmückt mit Servietten, die zu kleinen Insektendämonen gefaltet waren.

„Hat Vater jemals für uns sich solche Mühe gegeben?", fragte Astaroth erstaunt.

Lucifer stieß ihn gegen die Rippen. „Natürlich. Weißt du noch, dass er bei dir einen ganzen Bhunde besorgt hatte und Amaimon hatte eine Piñata bekommen."

„Vergiss nicht Egyns Poolparty und meine Lavagrotte", ergänzte Iblis.

Sie hatten alle aufwändige Schulanfänge gefeiert. Bei solchen Anlässen ließ ihr Vater selbst Berge versetzen, um ihnen einen schönen Tag zu bescheren. Ob sie dadurch ein bisschen verzogen wurden? Vielleicht, aber immerhin waren sie Satans Söhne und die zukünftigen Dämonenkönige. Außerdem glich er es an anderen Stellen wieder aus.

Beelzebub bestaunte alles mit großen Augen. Er hatte die Einschulungen seiner Geschwister mitbekommen doch sich nie seine eigene vorstellen können.

Satan kam mit Fene herein und sie wurden prompt von Beelzebub begrüßt. Er rannte zu ihnen und umarmte beide.

„Danke, danke, danke, danke", wiederholte Beel freudig.

„Na komm, wir essen erst mal etwas", sagte Satan und drückte seinen Jüngsten noch einmal fest an sich.

Sie setzten sich alle an die reich gedeckte Tafel und begannen mit frühstücken. Iblis nahm sich ein Brötchen und reichte die Schale weiter. »Und bist du schon aufgeregt?«, fragte Satan seinen Sohn.

Beel nickte eifrig. „Ich bin schon gespannt, wie es sein wird und wie meine Lehrer so sind. Was wir für Unterricht haben werden..." Er hörte gar nicht mehr auf mit reden. Azazel unterbrach ihn: „Beel! Hol mal tief Luft und mach eine Pause." Beel nahm sich auch ein Brötchen und tatsächlich blieb er erst mal still. Sie aßen in Ruhe.

„Du wirst der Erste von uns sein, der keine Zahnlücke hat", merkte Astaroth an, was ihm einen Tritt von Egyn bescherte. Er murmelte etwas und rieb sich das Schienbein.

„Mach dir nichts draus. Du wirst auch noch deinen Zahn verlieren", lächelte Egyn ihn an.

„Spätestens bei der ersten Prügelei", murmelte Amaimon und bekam einen bösen Blick von Lucifer.

Beel zuckte nur mit den Schultern. All seine Brüder hatten auf ihren Schulanfangsbildern Zahnlücken gehabt und er wollte das auch gerne. Er versuchte die Enttäuschung sich nicht anmerken zu lassen. Eigentlich hätte schon längst ein Zahn rausfallen oder wenigstens wackeln müssen.

„Jetzt ärgert euren Bruder nicht so", hängte sich Fene mit rein. Ihre Stimme war sanft und liebevoll.

Beel nahm einen Bissen von seinen Brötchen. Ein kleines Knacken war zu hören und ein leichter Schmerz ging von seinem Mund aus, der jedoch genauso schnell verschwunden war. Beel schmeckte Blut. Er spuckte das Stückchen Brot aus und seine Familie betrachtete ihn verwundert.

Ein kollektives ›Ihhh‹ kam von Astaroth und Iblis. Azazel rümpfte die Nase und Amaimon ignorierte so gut es ging, was neben ihm geschah. Beel stocherte derweil in den aufgeweichten Brotbrei herum.

„Oh Beel bitte", beschwerte sich Samael.

„Ich glaube, ich habe einen Zahn verloren", erklärte dieser seine Handlung.

„Du kannst mir nicht erzählen, dass du dir einen Zahn an diesen weichen Brötchen ausgebissen hast", meinte Astaroth.

Zu seiner Überraschung hielt Beel etwas hoch, was verdächtig nach einem Schneidezahn aussah, dabei grinste er triumphierend und man sah deutlich die Lücke.

„Er hat tatsächlich sich nen Zahn ausgebissen", sagte Iblis ungläubig.