Der Präfekt (73)

Lucius Malfoy neigte den Kopf gegen das altersschwarze Eichenholz der Tür und lauschte auf das gedämpfte „Herein!", das ihm Zutritt zum Zaubertränkeklassenraum gab.

Geistesabwesend strichen seine Finger über die mit einem verschnörkelten „P" verzierte Spange auf seinem Schulumhang. Er bedauerte er seine kürzliche Präfektenernennung. Ohne sie könnte er jetzt draußen mir der Mannschaft Angriffsstrategien für das erste Quidditchspiel des neuen Schuljahres üben, anstatt hier wie ein Hauself für den alten Dippet Botengänge zu laufen, und das alles nur wegen eines Briefes! Für so etwas gab es doch Dienstpersonal.

Seufzend trat er ins Klassenzimmer und zog die Tür hinter sich zu.


Erinnerung (95)

Natürlich würde er seine Berufung nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wieder sah er vor sich das glückliche Lächeln im Gesicht seiner Mutter, als er ihr des Pergament und die Silbernadel zeigte, die die Schuleule Ende August in Malfoy Manor abgeliefert hatte.

Seine Mutter lächelte nicht oft, sie hatte auch wenig Grund dazu. Jede Erinnerung an einen dieser strahlenden Momente bedeutete ihm deshalb so viel, daß er sie am liebsten in die Hand genommen hätte, um sie zu schützen.

Der blonde Junge rief sich zur Ordnung. Je schneller er Sluggy diesen vermaledeiten Brief aushändigte, desto eher konnte zu seiner Mannschaft zurück.


Der Hauslehrer (31)

Lucius Blick glitt zum anderen Ende des langen Raumes. Slughorn trug einen bequemen, grünsamtenen Hausmantel und flegelte sich in einem tiefen Ledersessel hinter dem Lehrerpult.

Eine schwammige Hand tauchte aus einer versilberten Bonbonniere auf und winkte den Schüler ungeduldig näher.

„Was gibt's?" nörgelte die Stimme des Tränkemeisters.

„Ein Brief des Direktors, Sir," sagte Lucius, bemüht, seine Verachtung nicht zu deutlich zu zeigen.

„Na, dann bring ihn schon her, oder kannst du nicht mehr laufen, Malfoy," rief Slughorn.

Ich kann schon, ich will aber nicht,' dachte der Angesprochene für einen rebellischen Moment, setzte sich dann aber doch in Bewegung.


Strafarbeit (78)

Auf dem Weg zum Pult sah er, daß er nicht der einzige war, der sich hier seinen wohlverdienten freien Samstagnachmittag um die Ohren schlug. An einem Seitentisch saßen zwei Mädchen in grünschwarzen Umhängen und nahmen seinen Eintritt als willkommene Unterbrechung ihrer Aufgabe, tote Skarabäen aus ihren Chitinpanzern zu pulen.

‚Zwei der drei Blackschwestern,' überlegt Lucius und wußte mit einem Blick, daß die beiden ebenfalls nicht hier sein wollten.

Das ältere der Mädchen starrte ihn böse an, als er am Tisch vorbeiging. Vor ein paar Tagen hatte sie sich auf die Position als Treiber im Slytherinteam beworben, war aber durchgefallen.


Für den Boten (97)

Lucius, der als Mannschaftskapitän entschieden hatte, fühlte sich nicht gerade eingeschüchtert und konzentrierte sich rasch wieder auf seinen Auftrag.

Slughorn nahm ihm den Pergamentumschlag ab und wedelte ihn mit einer schlaffen Handbewegung zu einem Stuhl, wo der Slytherin sich setzte und zusah, wie der Tränkemeister mit gelegentlichem Brummen zu lesen begann. Die Nachricht schien ihrem Empfänger nicht besonders zu behagen.

Schließlich wuchtete sich Slughorn mit einem häßlichen Kreischen des Sessels über den Boden hoch.

„Warte hier," schnaufte er. „Ich muß ein paar Zeilen schreiben."

Er überlegte kurz und schob dem Boten die Bonbonniere zu: „Nimm, das ist besser als Schokolade."


Nicht für jeden Geschmack (62)

Nachdem Slughorn ins Nebenzimmer gegangen war, warf Lucius einen Blick ins Gefäß – kandierte Ananasstücke. Er schüttelte sich. Seine 124 Jahre alte Tante aß soetwas...

„Hey, Quidditchgenius," schreckte ihn eine Stimme auf. „Kannst uns ruhig mal ein paar rüberwerfen!"

Andromeda war hinter ihrem Tisch aufgestanden und sah ihn herausfordernd an.

Kandierte Ananas... die konnte sie gerne versuchen.

Lucius fischte ein fettes Stück heraus und ließ es mit einem Schwipp seines Zauberstabes in hohem Bogen auf sie zufliegen. Im letzten Moment jedoch sah man einen Schwung blonder Haare und neben Andromeda stand ihre jüngere Schwester, die Süßigkeit in der triumphierend erhobenen Hand.


Konkurrenz (89)

Die beiden Schwestern sahen sich zornig an.

„Gib das her," zischte die Brünette.

„Pff," provozierte sie die Blonde lässig. „Warst halt nicht schnell genug, wie beim Quidditch. Du solltest beim Stricken bleiben. Das kannst du besser als ich."

Im nächsten Augenblick hatten beide die Zauberstäbe gezückt. Der der Blonden, an deren Namen Lucius sich im Moment nicht erinnern konnte, entließ ein paar fauchende blaue Funken.

Es gab dem Jungen eine komisch kribbelige Befriedigung, das jüngere Mädchen so wehrhaft und wütend zu sehen. Offenbar hatten die Schwestern einige Altlasten, aber als Einzelkind waren Lucius Geschwisterrivalitäten allgemein ein Buch mit sieben Siegeln.


8. Ein Angebot (75)

Zögernd ging er am Lehrerpult vorbei auf die Mädchen zu. Die magische Energie zwischen den beiden faszinierte ihn und es schien ihm, als laufe er direkt in einen Sturm hinein.

„Du solltest es bei uns als Sucher probieren," sagte er zu der Blonden, die jetzt erst ihre Hand öffnete und untersuchte, was sie da eigendlich gefangen hatte. Sie verzog leicht angeekelt die Lippen und blickte dann aus kühlen blauen Augen auf ihren Mitschüler.

Lucius fragte sich, warum sie ihm bisher nicht aufgefallen war. Er hatte sie einfach in die Schublade „Blackschwestern – Zicken, mit denen man sich besser nicht anlegt" gesteckt.


9. Verabredung (37)

Das war jedoch eine vorschnelle Reaktion von seiner Seite gewesen, und es wurde Zeit, sie zu revidieren.

„Also," forderte er sie heraus: „Kommst du zum Training?"

Andromeda lachte jetzt wenig forciert: „Cissa und Quidditch?! Du hast keine Ahnung, was du dir da einhandeltst, Flyboy! Wenn sich bei der nur eine Haarsträne falsch biegt, fängt sie an zu heulen!"

Das Risiko gehe ich ein," sagte Lucius wegwerfend. „Nun was ist, Cissa?"

Wenigstens wußte er jetzt ihren Namen. Die Angesprochene fauchte ihre Schwester an und musterte dann trotzig den Quidditchkapitän.

„Heute abend, auf dem Spielfeld, wenn ich mit dem Nachsitzen fertig bin."


10. Himmel und Hölle (19)

In dem Moment öffnete sich die Tür zu Slughorns Büroräumen und Lucius wandte sich mit einem letzten Blick von seiner neuen Bekanntschaft ab. Der Tränkemeister hielt ihm ein kompliziert verschnürtes und mit grünem Wachs versiegeltes Pergamentpäckechen hin.

„Hier, Malfoy, das geht zurück an Direktor Dippet. Du wirst es ihm persönlich abliefern!" Es schien, als sei seine Herumlauferei an diesem Tag immer noch nicht vorbei, und offenbar konnte der Präfekt seine Enttäuschung nur schlecht verbergen.

Der Weg in den Himmel ist steil und beschwerlich, doch in die Hölle fällt man von alleine," dozierte Slughorn, der voll von diesen albernen Sprichwörtern steckte.