Prolog:

Liebes Tagebuch

Heute war wieder so ein Tag... ein Tag wie jeder andere... ein Tag, der an meiner Seele frisst und nach dem ich mich frage, was ich eigentlich für eine Daseinsberechtigung habe. Vielleicht frage ich mich aber auch, wie er sein Dasein begründet. Er hat doch schon lange aufgehört zu leben.

Er sitzt in seinem Zimmer und blättert in alten Unterlagen. Steckbriefe von Todessern, Pläne von alten Missionen, Listen von Voldemorts Anschlägen, Artikel über das Ende des Ministeriums, über Dumbledores Tod und über die ganze dunkle Ära der Geschichte, die mit der Geburt Tom Riddles begann, über den Tod meiner Großeltern ging und die Zauberwelt, genauso wie die unwissende Muggelwelt, bis heute in Atem hält.

Er denkt nicht an die Zukunft, lebt nicht in der Gegenwart, sondern hält an der Vergangenheit fest. Und das auf eine solche Weise, dass nur die negativen Gefühle in ihm weiterleben. Die schönen Momente, die glücklichen, die Momente mit Mom, als wir alle noch zusammen waren, die sind für ihn verblasst.

Hass, Wut, Dunkelheit... nur diese Gefühle sind übrig geblieben.

Sie nagen an ihm, fressen ihn innerlich auf und mich mit ihm.

Es ist vielleicht verrückt, aber ich warte täglich darauf, dass er mich vergisst. Das ich in seinen Augen aufhöre zu existieren. Das er einfach nicht mehr weiß, wer ich bin. Vielleicht ist das ja schon geschehen und ich glaube genau das ist wohl auch meine größte Angst...

Wenn ich so darüber nachdenke, wäre es mir lieber von ihm gehasst zu werden. Ja, ich glaube Hass ist besser als Gleichgültigkeit. Wenn er mich hassen würde, würde er mir doch Gefühle entgegen bringen, nicht wahr? Dann würde er doch irgendetwas fühlen, wenn er mich sieht, wenn ich neben ihm stehe, wenn ich mit ihm spreche. Aber das ist nur Wunschdenken. Ein Traum, den ich Tag für Tag träume und der sich nie erfüllen wird.

Verrückt, was? Eine Tochter, die davon träumt von ihrem Vater gehasst zu werden. Sollte ich nicht davon träumen geliebt zu werden? Aber das wäre das eigentlich Verrückte. Vaterliebe... Nein, dazu ist er wirklich nicht mehr fähig. Er sieht mich nicht mehr als seine Tochter. Seine Tochter ist mit seiner Frau gestorben. Ich weiß, dass er Mom geliebt hat und auch mich hat er geliebt, aber jetzt bin ich nur noch Luft für ihn. Unsichtbar..., zwar vorhanden, aber nicht greifbar, nicht wichtig, gleichgültig, ein Staubkorn im Wind, das verweht wird und im gleichen Augenblick, in dem man es aus den Augen verliert, auch aus dem Sinn verschwindet.

Ich habe mir heute Mittag alte Fotos von uns angesehen. Petunia hat ein paar alte Alben gefunden und ich weiß auch nicht warum, aber ich musste sie mir ansehen. Auf diesen alten Fotos ist dieses Glitzern in seinen Augen noch zu sehen. Das Funkeln, als er Mom ansah oder der schelmische Blick, wenn er mit Ron um die Häuser zog. Heute ist alles Licht in seinen Augen schon längst erloschen.

Ich weiß nicht mehr, wann es verschwunden ist, ob es nach Moms Beerdigung war? Nach Hermines Verschwinden? Nachdem Remus angefangen hat zu trinken? Nach Ron? Hermine? Moody? Hagrid? Nein, ich erinnere mich wirklich nicht. Der Glanz seiner Augen ist weg und sie sind nur noch leer. Und das passt so gar nicht, denn er hat eigentlich leuchtend grüne Augen. Tiefgrün. Mom hat mich immer vollgeschnulzt, dass sie in seinen Augen versunken ist... das sie sich nur verliebt hat, weil sie in seinen Augen verloren gehen konnte. Jetzt kann man das wohl nicht mehr. Denn, wenn er jemanden ansieht, ist es so, als schaue er durch einen hindurch. Er durchschaut einen nicht. Nein, er sieht wirklich durch dich hindurch. Oder eben durch mich...

Mom hat mir mal erzählt, dass Dad diese Augen von seiner Mutter hatte, also meiner Großmutter, von der ich auch meinen Namen geerbt habe. Wenn ich ein Junge gewesen wäre, hätte ich wohl James Sirius geheißen.

Ich habe diese grünen Augen nicht, sondern blaue, aber dafür das Haar von Grandpa und von ihm. Pechschwarz. Nur das meines nicht so absteht wie seins.

Sefie macht darüber immer Witze. Er meint eigentlich müssten meine Haare in alle vier Himmelsrichtungen abstehen, sonst wäre ich keine echte Potter...typisch für ihn.

Er hat Dad früher an der Schule in Zaubertränke unterrichtet und die beiden haben sich anscheinend nur gestritten und sich gegenseitig das Leben zur Hölle gemacht.

Das kann ich mir gar nicht vorstellen.

Sie sind zwar heute auch noch kein Herz und eine Seele, aber sie arbeiten doch zusammen. Jedenfalls früher, als Dad sich noch aktiv um die Angelegenheiten des Ordens kümmerte. Sefie ist zwar dauernd hier, er gibt mir ja jetzt in den Ferien Privatunterricht in Angriffstechnicken, und es ist auch eine Kluft zwischen ihnen zu spüren, aber das ist nur die Mauer, die Dad jedem gegenüber aufgebaut hat. Es ist jedenfalls nicht so ein Hass, wie ihn die beiden anscheinend mal füreinander gehegt haben...

Heute hat mir Sefie übrigens mal keinen Fluch beigebracht, sondern einen Zauber. Er hat mir gezeigt, wie ich aus dem Nichts ein Einhorn herbeizaubere. Das ist natürlich im Kampf gegen Voldemort ziemlich unnütz, aber ich glaube er wollte mich etwas aufheitern. Das hat er dann auch geschafft, vor allem, als er gegangen ist, bevor er mir den Gegenzauber gezeigt hat und Petunie das Einhornfohlen einmal quer durch unser Haus jagen musste.

Zum Glück war es ein Junges und deshalb recht zahm...

Weißt du ich habe diesen Zauber gleich beim ersten Mal perfekt geschafft. Ich war ziemlich stolz und wollte ihn auch Dad vorführen. Aber dieser meinte nur, ohne mir ins Gesicht zu sehen, er habe keine Zeit. Na ja, im Nachhinein war das wohl ganz gut. Man stelle sich vor der Zauber wäre mir noch einmal gelungen und zwei magische Wesen wären durch die Wohnung galoppiert und hätten unsere Bücher angenagt. Petunia hätte auf der Stelle einen Herzschlag bekommen.

Trotzdem... der verrückte Gedanke, dass er vielleicht doch irgendwann mal auf mich stolz sein könnte, ist eben immer noch da. Aber man kann wohl auf niemanden stolz sein, an den man nicht mal einen Gutenachtgruß verschwenden will. Das war auch heute wieder so.

Ich war vorhin in seinem Zimmer, ich wollte ihm gute Nacht wünschen, aber als ich das tat hat er nicht mal aufgeschaut. Das tut er nie. Das wird auch morgen so sein und übermorgen. Ich kann es eben einfach nicht aufgeben. Mein Verstand weiß, dass ich genauso gut tot sein könnte, aber mein Herz schreit danach irgendein Gefühl in ihm wachzurufen. Es gibt unzählig viele Menschen, die das Träumen in dieser dunklen Zeit verlernt haben.

Remus hat neulich erst zu mir gesagt, dass nur Dummköpfe träumen oder hoffen. Er meinte in dieser Welt, sei das völlig sinnlos. Durch Träume kann man nichts auf der Welt ändern. Nur durch Taten. Aber, was soll ich denn tun? Mich wirklich umbringen, um zu schauen, ob das irgendein Gefühl in ihm wachruft? Das hat damals schon nicht funktioniert und wenn es jetzt funktionieren würde, hätte ich recht wenig davon. Taten.. Ein großes Wort in der heutigen Zeit und alle, die im Kampf gegen Voldemort große Taten vollbringen, wollen mit diesen Taten etwas erreichen. Und so gut wie alle scheitern. Genau das werde ich bei meinem Vater auch. Ich habe ja alles versucht, aber egal was ich tue er schiebt mich von sich... ich bin also wohl ein Dummkopf. Denn mir bleibt nur das Träumen und das Hoffen auf ein Wunder.

Lily