Hallo an alle,
diese FF ist bis Kapitel 6 schon auf einer anderen FF-Seite online. Deshalb werde ich die ersten 6 Kapitel auf einmal posten. Danach gibt es jede Woche (meist am Samstagabend) ein Update. Drücken wir mal die Daumen, dass ich diese wagemutige Behauptung auch bewahrheiten kann. *schwitz*
Und nun wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
Liebe Grüße
Reyneke

~xXx~

„Ich darf keine Lügen erzählen." Das waren die Worte die nun wieder überaus deutlich und blutig auf Harrys rechtem Handrücken zu lesen waren. Wieder hatte er sich eine Woche Strafarbeiten bei Professor Umbridge eingehandelt und das alles nur weil er seine Emotionen einfach nicht im Zaum halten konnte. Versunken in bitteren Gedanken, stand der junge Gryffindor mit Ron und Hermine vor der Tür zu Snapes Kerker. Mit leichtem Druck fuhr er mit den Fingernägeln über die inzwischen brennende, juckende Wunde, die begonnen hatte anzuschwellen. Doch als er den kurzen Seitenblick von Ron bemerkte, zog er die rechte Hand schnell wieder unter seinen Umhang, wo sie keiner sehen konnte. Bis jetzt war es ein furchtbares Schuljahr gewesen. Angelina war nach wie vor stinksauer auf ihn, Umbridge machte ihm das Leben schwer, die ZAG Prüfungen standen Ende des Jahres an und seit Wochen fiel ein kalter, erbarmungsloser Regen, der jeden neuen Tag genauso grau färbte, wie den Tag davor. Der Korridor vor dem Kerker und Snapes Klassenzimmer selbst waren ihm immer so ungemütlich und kühl vorgekommen, aber inzwischen war das ganze Schloss von einer kalten Feuchtigkeit durchdrungen, die fast jeden Raum unbequem machte.
„Ich hoffe, die nächste Benotung der Hausaufgaben läuft für euch besser.", warf Hermine mit aufmunterndem Ton ein. Trotz der offensichtlich unangenehmen Situation für sie, schien sie den beiden Mut machen zu wollen. Leider wusste Harry das kaum zu schätzen. Die letzten Zaubertrankstunden waren ausnahmslos grauenvolle Stunden gewesen. Nicht dass Harry bis jetzt jemals eine Stunde mit Snape als angenehm bezeichnet hätte, doch es schien immer schlimmer zu werden. Wohlbekannte Schritte waren auf der Treppe nach oben zu vernehmen und in dem Moment als Snape die Stufen zügig hinunterstieg und auf die Klasse zugelaufen kam, verstummten jeglich Gespräche.
„Auch bei diesem Trank heute erwarte ich wieder ausnahmslos gute Leistungen.", zischte Snape, während die Klasse sich eiligst auf ihre Plätze begab.
„Es ist nicht annehmbar, wie lernresistent so manche Schüler in diesem Jahrgang sind.", gab er in einer flüsternden Stimme von sich, die trotzdem jeder im Raum hören konnte. Bei dem Wort „lernresistent" hatte er erst Neville und dann Harry einen abschätzigen Blick zugeworfen. Wieder fühlte Harry Wut in sich hochkochen. Ungerechtigkeit – das war es, was er empfand und was ihn so wütend machte. Er hatte weder bei Umbridge noch bei Snape auch nur die kleinste Chance, etwas richtig zu machen. Selbst wenn er der absolute Musterschüler im Tränke herstellen gewesen wäre, wäre Snape sicher noch etwas eingefallen, um auf ihm rumhacken zu können. Mit einem leisen Tippen seines Zauberstabs gegen die Tafel erschien die Rezeptur für den heutigen Trank neben Snape.
„Dieses Mal sind das korrekte Zählen der Rührbewegungen und die genaue Abfolge von Hitze und Kälte entscheidend für das Gelingen dieses Heiltrankes." Einen Moment unterbrach Snape seine strenge Ansage und grinste böse. „Sie können doch zählen, oder, Mr Potter?" Aus einer Ecke des Klassenraumes konnte man Draco und sein Gefolge unterdrückt prusten hören. Sehr witzig., dachte Harry bitter und starrte verbissen auf seine Hand, die unter dem Tisch auf seinem Schoß lag. Snape ließ ihn kurz in der Stille zappeln und es dauerte einige Sekunden bis er seine Worte wieder aufnahm.
„Mr Potter? Ich habe Ihnen eine Frage gestellt!"
„Ja, Sir, ich kann zählen.", murmelte Harry mit Widerwillen, worauf Snape milde lächelnd nickte.
„Sehr gut, dann fangen Sie bitte alle an. Sie haben eine halbe Stunde Zeit." Ein Raunen ging durch die Klasse angesichts der kurzen Zeitvorgabe und Snape, der sich eigentlich schon seinem Pult zugewandt hatte, drehte sich mit gespielter Überraschung um.
„Was haben Sie denn? Korrekt zubereitet sind für diesen Trank nur etwa 20 Minuten nötig. Weil ich um das schlechte Niveau dieser Klasse weiß, habe ich Ihnen schon zehn Minuten mehr anberaumt. Also fangen Sie an!", schallte es durch den Kerker und die Schüler setzten sich unsicher in Bewegung. Selbst Hermine schien der Zeitdruck etwas zuzusetzen, denn nach den ersten zehn Minuten, in denen alle damit beschäftigt waren die einzelnen Zutaten vorzubereiten, ging das komplizierte Zusammenmischen los. Im Raum war ein geschäftiges Murmeln aus Dutzenden Mündern zu hören, die alle konzentriert dabei waren, ihre Bewegungen abzuzählen oder die Sekunden zwischen dem abwechselnden Entfachen und Löschen des Feuers unter dem Kessel zu messen. Harry hatte gerade dreimal mit dem Uhrzeigersinn und zehnmal gegen den Uhrzeigersinn gerührt, nun war es an der Zeit das Feuer zu löschen und die Mixtur dann mit einer Art Schneebesen aufzuschlagen. Doch Harrys Trank wurde bei dieser Prozedur immer zäher und es fiel ihm sichtlich schwer, den Schneebesen in seinem Trank noch bewegen zu können. Bis jetzt hatte er für das Umrühren seine linke Hand benutzt, doch die wurde inzwischen immer müder und sein Handgelenk begann zu schmerzen. Er gönnte seiner linken eine Pause und nahm das Rührgerät in die rechte Hand, gerade als Snape geräuschlos an seinem Kessel vorbei schlich. Ein abschätziger, kurzer Blick in seinen Kessel und einen längeren musternden Blick auf seine Hand, das war alles, was Harry aus dem Augenwinkel heraus von Snape sehen konnte, dann war der Professor auch schon wieder in eine der vorderen Reihen entschwunden und Harrys Aufmerksamkeit gefangen von seinem deutlich misslungenen Trank. Eine weitere miese Unterrichtsstunde hatte sich in Harrys Gedanken an die Stunden zuvor angereiht, als er seinen breiigen Abklatsch einer Trankprobe in das Holzgestell auf Snapes Pult stellte.
„Wieder ein auf den ersten Blick unterdurchschnittlichen Ergebnis.", höhnte Snape.
„Sie bleiben bitte aufgrund ihres schlechten Ergebnisse in den letzten Stunden nach dem Unterricht hier, Mr Potter." Harry hätte kaum glauben können, dass diese Doppelstunden noch schlimmer kommen konnte, doch so war es. Nachdem alle ihre Proben abgegeben hatten (Neville war nicht einmal fertig geworden und hatte den Tränen nahe dabei zuschauen müssen, wie Snape seinen halbfertigen Trank verschwinden ließ.), wurde der Unterricht mit weiteren Belehrungen über die anstehenden ZAG Prüfungen fortgeführt, sodass ein erleichtertes Stöhnen zu hören war, als Snape die Stunde für beendet erklärte. Harry wurde schlecht, wenn er nur an das Einzelgespräch mit dem Tränkemeister dachte und über die Stunde hinweg hatte sich ein unangenehm schwerer Kloß in seinem Magen gebildet. Als Ron und Hermine das Zimmer verließen und ihm einen mitfühlenden Blick zuwarfen, war ihm einfach nur noch elend. Snape umrundete in dem Moment, in dem die Kerkertür sich geschlossen hatte, energischen Schrittes sein Pult und kam auf Harry zu.
„Sagen Sie, Potter, woher haben Sie diese Verletzung auf Ihrer rechten Hand?" Eine eiskalte Distanziertheit war in Snapes Stimme zu hören, anders als sonst. Es klang, als wolle er für einen Moment vergessen, wem er diese Frage stellte, sondern sich einfach bei einem wildfremden über dessen Gesundheit erkundigen.
„Das ist nur beim Train…"
„Mich interessieren Ihre schlecht erdachten Lügen nicht! Antworten Sie wahrheitsgemäß!", fuhr Snape ihm so barsch über den Mund, dass er für einen Augenblick vollkommen sprachlos war und dann einfach die Wahrheit erzählte.
„Das ist eine Strafe von Professor Umbridge, dafür dass ich in ihrem Unterricht nicht so mitspiele, wie sie es gern hätte.", erklärte er, wobei er ein wenig Trotz in seiner Stimme nicht verbergen konnte. Seiner Meinung nach tat er das Richtige. Sein Professor jedoch sog zischend die Luft ein und schaute leicht angewidert, als er Umbridges Namen hörte. Dann dachte er kurz nach und streckte mit forderndem Blick seine Hand aus, sodass er sie mit der Handfläche nach oben zwischen sich und Harry hielt. Harry gab einen verwirrten Laut von sich und Snape antwortete mit einem genervten Stöhnen.
„Ihre Hand, Potter! Geben Sie mir ihre Hand!", knurrte er ungeduldig. Zögerlich langsam legte Harry seine Hand in die des Lehrers, als wolle Snape ihn auf einem Ball zum Tanz auffordern. Augenblicklich packte Snape die Hand seines Schülers mit festem Griff und zog sie zu sich heran.
„Ich darf … keine … Lügen erzählen.", murmelte Snape, während er die Worte entzifferte, die dort blutig und entzündet auf dem Handrücken seines Schülers prangten. Ein kurzes, abgehacktes Auflachen.
„Ein bisschen infantil, die gute Umbridge, finden Sie nicht?", fragte er mit schiefem Grinsen an Harry gerichtet, während er seine Hand immer noch unsanft fest umklammert hielt. Doch der Junge entgegnete nichts, sondern warf nur einen perplexen Blick zurück. Wieder nickte Snape knapp, gab die verletzte Hand frei und wandte sich ab.
„Auch wenn ich persönlich nichts gegen harte Strafen habe, ist die Anwendung von Blutfedern an dieser Schule strikt verboten und körperliche Folter auch ein wenig vorsintflutlich, meiner Ansicht nach.", erklärte er nüchtern und verließ den Raum durch die Tür hinter seinem Pult. Harry konnte hören, wie Snape nach irgendetwas suchte und dann wieder zurückkam. Immer noch konnte er nicht so recht erfassen, was hier gerade eben geschah und warum er ausgerechnet Snape sein Geheimnis verraten hatte, nachdem er sich geweigert hatte es Dumbledore zu berichten. Er wurde von einen kalten Prickeln auf seinem rechten Handrücken aus seinen Gedanken gerissen. Snape stand vor ihm, näher als je zuvor, hatte seine Hand wieder in seine genommen und rieb eine weißlich, transparente Paste auf den schmerzhaft pochenden Schriftzug. Harry erschrak und zog den Arm kurz zurück, doch konnte ihn nicht befreien.
„Sie werden weiterhin ihren Kopf unten halten, Potter. Haben Sie mich verstanden? Zügeln Sie ihr Temperament und hören Sie auf sich wie ein geisteskranker Troll aufzuführen! Ich weiß sehr wohl, dass von Ihnen nicht viel Selbstbeherrschung zu erwarten ist, aber geben Sie sich doch zumindest ein kleines bisschen Mühe." Die letzten Worte hatten Snapes Mund in einem säuselnd, sarkastischen Tonfall verlassen, als würde er mit einem Dreijährigen sprechen. Nun entzog Harry ihm seine Hand und stellte mit Erstaunen fest, dass sowohl das Jucken als auch das Brennen auf ein erträgliches Maß gesunken waren und die Schwellung zurückging. Er musterte kurz seine Hand, dann schaute er auf und wollte zu einem verblüfften „Danke" ansetzen, doch es blieb ihm im Halse stecken, als er mit beträchtlicher Zeitverzögerung begriff, was Snape gerade gesagt hatte.
„Ich bin kein geisteskranker …", presste er wütend aus seinen Lippen hervor und wurde jäh unterbrochen.
„Dann beweisen Sie etwas mehr Intelligenz und Taktgefühl.", dozierte Snape, während er die hintere Tür zum Kerker schon fast erreicht hatte. Er öffnete sie und verschwand mit den Worten:
„Sie können gehen!", ohne eine Reaktion von Harry abzuwarten oder eine Erklärung zu all dem, was hier geschehen war abzugeben.