Disclaimer: Personen und Orte in dieser Geschichte gehören Prof. Tolkien. Mir gehört nur meine Phantasie.
Das kalte Herz
Einleitung:
Aus Trotz und falschem Stolz will Éowyn Faramir nach dem Ringkrieg heiraten. Nach wie vor gehört Aragorn ihre Liebe. Sie ahnt nicht, dass ihr Gemahl sie längst durchschaut hat. Doch er verbirgt seinen Schmerz vor ihr. Als Éowyn endlich merkt, dass sie inzwischen Faramir liebt, ist es wohl zu spät.....
Kapitel 1: Éowyns Entschluß
„Liebt Ihr mich nicht, Éowyn?", fragte Faramir, als er zusammen mit ihr auf der Mauerbrüstung von Minas Tirith stand.
„Ich wünschte, von einem anderen geliebt zu werden", erwiderte Éowyn bedrückt und dachte an Aragorn, der jetzt mit dem Heer dort draußen vor dem Morannon kämpfte.
Ein Wind kam auf und die Düsternis im Osten verzog sich. Unwillkürlich tastete Éowyn nach Faramirs Hand. Es tut gut, jemanden bei sich zu spüren an diesem Tag, der das Ende von Mittelerde bedeuten konnte. Faramirs Hand war warm und weich. Es war nicht die raue, schwielige Hand eines Kriegers, sondern die eines Liebhabers der schönen Künste und der Musik.
Éowyn war irgendwie fasziniert von diesem Mann, auch wenn sie ihn nicht liebte. Sie ließ es zu, dass er sie in den Arm nahm und sich zog. Ehe sie sich versah, hatte er seine vollen Lippen auf die ihren gelegt und begann sie sanft zu küssen. Éowyn schloß die Augen und stellte sich vor, es wäre Aragorn, der sie küsste. Sie erwiderte den Kuß leidenschaftlich. Faramir war fast erstaunt, denn Éowyn hatte sich bisher sehr zurückhaltend benommen. Während sie ihn küsste, fasste sie einen Entschluß: sie wollte Aragorn zeigen, dass sie sich nicht von ihm demütigen ließ. Sie wusste, dass Faramir ihr einen Heiratsantrag machen würde.
„Ich will nun nicht länger Königin werden", sagte sie zu ihm und blickte ihn erwartungsvoll an.
Faramir wirkte sichtlich erleichtert.
„Das ist gut, denn ich werde niemals König sein", erwiderte er glücklich. „Ich liebe dich, Éowyn, und möchte dich zur Gemahlin nehmen."
Darauf hatte sie nur gewartet: mit einem wehmütigen Lächeln nahm sie Faramirs Heiratsantrag an.
„Du machst mich zum glücklichsten Menschen von ganz Gondor!", strahlte der junge Truchseß und küsste sie wieder.
Wenige Tage später kehrte Aragorn mit dem Heer vom Morannon zurück. Die Leute in Minas Tirith jubelten dem künftigen König zu. Nur Éowyn konnte sich nicht so recht freuen. Aragorns Anblick schmerzte sie mehr, als sie sich eingestehen wollte. Sie stand an Faramirs Seite und versuchte ein verzerrtes Lächeln.
„Heute abend werde ich deinen Bruder um die Erlaubnis bitten, dich ehelichen zu dürfen", raunte Faramir ihr zu.
Seine blauen Augen leuchteten vor Freude.
„Ich bin sicher, dass er mit unserer Heirat einverstanden ist", sagte Éowyn leise.
Aragorn stieg vom Pferd und gewahrte erstaunt, dass Éowyn und Faramir dicht beieinander standen. Er ließ sich aber seine Verwunderung nicht anmerken und nickte Éowyn freundlich zu. Dann wandte er sich an Faramir.
„Truchseß, der Krieg ist vorüber. Wir haben wichtiges zu besprechen. Ich erwarte Euch in der Zitadelle".
Faramir lächelte Éowyn zu und folgte dem künftigen König in die Zitadelle.
Éomer begrüßte freudig seine Schwester.
„Ich werde heiraten!", verkündete sie mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
„Aber ich dachte, Aragorn hat dich verschmäht", wunderte sich der junge Rohirrim.
„Ich werde Faramir ehelichen", erklärte Éowyn sachlich.
„Den Truchseß von Gondor?", staunte Éomer. „Das ist fürwahr eine gute Wahl. Euere Ehe könnte wichtige Bande zwischen Rohan und Gondor knüpfen. Selbst wenn Aragorn König wird, so ist doch Faramir auf jedem Fall der zweitmächtigste Mann in Gondor".
Plötzlich brach Éowyn in Tränen aus: vor ihrem Bruder fiel es ihr doppelt schwer, diese Maske aufrechtzuerhalten.
„Was ist denn los?", fragte der junge Mann bestürzt. „Irgendetwas ist mit dir nicht in Ordnung – das spüre ich".
„Ich kann nicht darüber sprechen", murmelte Éowyn mit zusammengepressten Lippen und lief weg.
Éomer sah seiner Schwester fassungslos hinterher. So aufgefühlt hatte er sie zum letzten Mal in der Nacht gesehen, als Aragorn zum Pfad der Toten ritt. Eigentlichs sollte sie als Braut des Truchseß von Gondor fröhlich und verliebt wirken. Er beschloß, mit Faramir zu reden. Der junge Rohirrim ging in die Zitadelle.
Das Gespräch zwischen Faramir und Aragorn war inzwischen beendet. Éomer traf seinen künftigen Schwager vor dem Thronsaal. Der junge Truchseß wirkte fröhlich und man sah ihm an, dass er bis über beide Ohren verliebt war.
„Ihr müsst Éomer von Rohan sein", sagte er freundlich und reichte dem Rohirrim die Hand.
Éomer empfand sofort Sympathie für den rothaarigen Mann.
„Ich wollte Euch um die Hand Euerer Schwester , der weißen Jungfrau von Rohan, bitten", fuhr Faramir aufgeregt fort.
Die beiden Männer begaben sich in Faramirs Privatgemächer, die in der Zitadelle lagen. Éomer unterhielt sich lange mit seinem künftigen Schwager und er merkte bald, dass es Faramir ehrlich mit Éowyn meinte. Er wusste, dass sie keinen besseren Ehemann bekommen konnte als ihn.
Aragorn war in Éomers Gunst ziemlich weit gefallen, als er die Liebe seiner Schwester in Dunharg verschmäht hatte. Éomer achtete ihn als Heerführer und künftigen König von Gondor, aber menschlich hatte Aragorn in seinen Augen versagt.
Éomer verabschiedete sich schließlich von Faramir und wünschte ihm eine gute Nacht. Auch der junge Truchseß war von seinem künftigen Schwager sehr angetan. In vieler Hinsicht erinnerte ihn der junge Krieger an Boromir.
Éowyn lag schon in ihrer Schlafkammer, als ihr Bruder ungestüm eintrat. Erschrocken fuhr sie in ihrem Bett hoch.
„Ich war gerade bei Faramir", erzählte er aufgeregt. „Kannst du mir bitte sagen, was mit dir los ist? Dieser Mann liebt dich aufrichtig und er ist ein mächtiger Mann in Gondor. Was willst du noch mehr?"
Aragorn, dachte Éowyn erschüttert.
Doch sie sprach den Gedanken nicht weiter aus.
„Du begehrst ihn immer noch, habe ich Recht?", fragte ihr Bruder, der ihre Gedanken zu erraten schien.
Éowyn senkte beschämt den Kopf. Éomer packte sie fest an den Schultern und schüttelte sie.
„Vergiß ihn endlich! Hörst du? Er hat dich nicht verdient. Faramir kann dir das geben, was er nicht geben kann".
„Diese Worte hörte ich schon einmal", murmelte sie kaum hörbar.
„Mach unserer Familie keine Schande", mahnte Éomer streng.
Éowyn wusste jetzt, dass es kein Zurück für sie gab. Sie hatte Faramirs Heiratsantrag angenommen, um Aragorn zu kränken. Doch dem ehemaligen Waldläufer schien es nichts auszumachen, dass sie nun den Truchseß ehelichen würde.
Sie stand in den Gärten der Häuser der Heilung und sah mit tränenverhangenen Augen Richtung Rohan. Ihre geliebte Heimat würde sie nun auch aufgeben müssen. Immerhin war sie hier in Gondor nahe bei Aragorn.
Seit Tagen ging sie Faramir schon aus dem Weg und dachte sich immer wieder neue Ausreden aus, um ihn nicht treffen zu müssen. Sie wusste nicht, wie lange sie ihn noch zum Narren halten konnte.
Wenn nur die Hochzeit schon vorbei wäre, dachte sie verzweifelt.
Vor diesem Tag graute ihr am meisten: die ganze Zeit lächeln und so tun müssen, als sie in Faramir verliebt bis über beide Ohren. Und dann erst die Hochzeitsnacht: sie würde zum ersten Mal ihre ehelichen Pflichten im gemeinsamen Bett erfüllen müssen.
„Da bist du ja, meine Liebste", sagte plötzlich Faramir hinter ihr.
Éowyn wischte sich schnell die Tränen weg und drehte sich mit einem aufgesetzten Lächeln zu ihm um. Faramir strich ihr sacht über das Gesicht.
„Du hast geweint. Was bedrückt dein Herz, Éowyn?"
„Ich musste nur an Rohan denken, und dass ich es nun für lange Zeit nicht mehr sehen werde", sagte Éowyn leise.
„Nach der Krönung von Elessar werden wir nach Rohan reisen, um an den Begräbnisfeierlichkeiten für deinen Onkel teilzunehmen", versprach Faramir ernst.
Der Gedanke, bald nach Rohan zu reiten, hellte Éowyns Gemüt tatsächlich auf. Freudig fiel sie ihrem Zukünftigen um den Hals.
„Ich liebe dich", betonte Faramir feierlich. „Und ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen".
Seine Worte erinnerten Éowyn wieder daran, dass es nicht Aragorn war, der sie glücklich machen wollte. Sie ertrug Faramirs Nähe nicht länger, sondern sah ihn nur traurig an und lief weg. Der junge Truchseß sah ihr überrascht nach.
„Éowyn!", rief er ihr hinterher.
Doch sie lief nur noch schneller und verschwand in ihren Gemächern. Dort warf sie sich auf ihr Bett und weinte hemmungslos.
