Kapitel

And in the same small town there is a girl
She's a good looker but she's mad at the world
And she's wondering about tomorrow and why she's here
She's sick and tired of using her sleeves to wipe her tears

(Thousand Foot Krutch – Small Town)

Mit einem Keuchen schreckte Hermine hoch. Erst nachdem sie ihre Blicke argwöhnisch hatte durchs Zimmer streifen lassen, rieb sie sich die brennenden Augen und schälte sich mühselig aus ihrem Bett. ,,Es war alles nur ein Traum" , versuchte sie sich zu beruhigen. Sie schlüpfte in ihren Morgenmantel und tapste – noch immer verschlafen – in die Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen. Angestrengt mied sie es, über ihren Traum nachzudenken. Sie wusste ohnehin, wovon er gehandelt hatte. Seit dem Kampf im Ministerium vor ein paar Wochen, träumte sie jede Nacht dasselbe. Sie ließ etwas Wasser in ein Glas laufen und trank gierig. Das Wasser tat gut und so spritzte sie sich auch etwas davon ins Gesicht. Gedankenverloren starrte sie aus dem Fenster und wickelte eine ihrer Haarsträhnen um ihren Finger. Plötzlich zuckte sie zusammen – auf der anderen Straßenseite, unter der Laterne stand eine nur vage zu erkennende Gestalt. Sie schien dem Haus zugewandt irgendetwas zu beobachten... ihr Herz klopfte in unregelmäßigen Abständen, während sie angestrengt versuchte, näheres zu erkennen. ,,Wer kann das sein?", fragte sie sich, ,,Ein Ordensmitglied hätte sich mir doch zu erkennen gegeben – oder? Andererseits... ein Todesser hätte mich sofort erledigt, vor allem nachdem... - Hermine!", schalt sie sich, ,, Denk nicht daran!" Doch zu spät. Lichtblitze zuckten durch ihren Kopf und die Bilder ihrer Freunde in den Händen der Todesser schossen ihr durch den Kopf. Sie versuchte die Bilder zu verbannen. Nach einer Weile fühlte sie sich wieder im Stande, die Augen zu öffnen. Erneut warf sie einen Blick aus dem Fenster. Unter der Straßenlaterne stand niemand mehr. Zu ihrer eigenen Überraschung beruhigte sie das nicht im Mindesten. ,,Ich muss wissen, wer das war", murmelte sie, ,,Gleich morgen früh werde ich Professor Dumbledore eine Eule schicken. Aber jetzt muss ich erst mal wieder ins Bett." Sie gähnte herzhaft und fuhr sich mit der Hand durchs krause Haar. Sie schlich sich zurück in ihr Zimmer. Ihr Bett war noch ein bisschen warm. Sie rollte sich unter ihrer Decke zusammen und fiel nach wenigen Minuten in einen traumlosen Schlaf.

Doch nicht nur Hermine schlief in dieser Nacht schlecht. Auch Severus Snape wälzte sich unruhig hin und her, sodass seine Bettdecke zu Boden glitt. Als er so der kalten Nachtluft ausgesetzt war, erwachte er. Fröstelnd rieb er sich die Arme und erhob sich von seiner Schlafstätte. Mit zügigen Schritten durchquerte er das Zimmer und entfachte mit einem Schwung seines Zauberstabs ein Feuer im Kamin. Er setzte Teewasser auf und holte sich aus seinem Arbeitszimmer ein Buch. Sobald der Tee fertig war, vertiefte er sich im Sessel vor dem Kamin in seine Lektüre. Lesen war immer noch das beste Mittel um unangenehmen Gedanken zu entfliehen. Erst als das Feuer längst herunter gebrannt war, erhob er sich und legte sich zurück ins Bett. Gegen seine Gewohnheit kramte er ein leichtes Schlafmittel aus seiner Nachttischschublade. In wenigen Stunden musste er zu einer Sitzung und da wäre es ungünstig völlig übermüdet zu erscheinen.

Sonnenstrahlen kitzelten sie im Gesicht. Hermine blinzelte. Verträumt beobachtete sie den Tanz des Staubs im Licht. Mit einem flüchtigen Blick auf den Wecker stellte sie fest, dass es längst Zeit zum Aufstehen war. Gähnend räkelte sie sich und stand auf. Während sie in ihre Kleider schlüpfte, zog ein herrlicher Duft von frischen Brötchen durchs Zimmer und ließ ihren Magen knurren. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wagte einen Blick in den Spiegel. Die vielen schlaflosen Nächte bekamen ihrem Aussehen nicht gut und so belegte sie sich mit einem Frische - Zauber, der die Spuren der Nacht gekonnt verwischte. Ihre buschigen Haare zwängte sie mit einem Haargummi zusammen, dann machte sie sich auf den Weg in die Küche. Betont fröhlich summte sie eine einfache Melodie und begrüßte ihre Eltern mit einem strahlenden Lächeln. ,,Guten Morgen", flötete sie. Wie falsch das klang. Doch ihre Eltern schienen nichts zu bemerken. ,,Morgen, Mine", ihre Mutter drückte sie etwas unbeholfen an sich. Hermine unterdrückte ein Seufzen. Eine Schattenseite hatte ihre Aufnahme an der Hogwarts Schule für Hexerei und Zauberei mit sich gebracht – nach und nach entfernte sich Hermine von ihren Eltern. Die wussten (zum Glück) nichts von dem, was in ihrer Welt vor sich ging. Andererseits kam es Hermine einfach zu banal vor, sich über ,,Muggeldinge" zu unterhalten, während um sie herum ein Zaubererkrieg ausbrach. Und so waren die Gespräche mit ihren Eltern ein einziges Theaterstück mit verkrampften Schauspielern. Nie konnte Hermine ihnen von ihren Problemen erzählen – sie würden es einfach nicht verstehen.

Nach dem Frühstück, dass wie immer von unangenehmen Schweigen und dem Rascheln der Zeitung erfüllt gewesen, hinter der Hermine's Vater sich immer versteckte um einer Konversation zu entkommen, zog sie sich in ihr Zimmer zurück. Sehnlichst wünschte sie sich, in der Großen Halle mit Harry und Ron zu Frühstücken, über ihre Witze zu lachen und die Stunden zu quatschen. Sie vermisste den gemütlichen Gemeinschaftsraum mit dem knisternden Kamin und ihr Himmelbett im Mädchenschlafsaal. Seit Wochen saß sie hier, lebendig begraben und mit ihrem Schmerz allein gelassen. Sie wartete vergeblich auf Nachrichten aus der Zauberer Welt. Sie war so verzweifelt, dass sie sich sogar darüber freuen würde die Slytherins zu sehen. Solange es nur jemand aus IHRER Welt war, wäre sie mit allem einverstanden. Der einzige Trost, den sie hatte, war Mr. Goon, der Besitzer eines Antiquitätengeschäfts im Dorf. Fast täglich ging sie ihn besuchen und versuchte Neuigkeiten aus ihm herauszukitzeln. Leider war er etwas... launisch und schon oft war sie betrübt nach Hause zurückgefahren, weil sie mit ihm nicht weiter gekommen war. Doch heute musste sie zu ihm, denn er besaß, im Gegensatz zu ihr, eine Eule, die sie sich hin und wieder ausleihen durfte. Wenn sie ihm nur klarmachen konnte, wie dringend dieser Brief an Dumbledore war, würde sie sie bestimmt bekommen. Also machte sie sich daran, zu schreiben.

Snape versiegelte die Haustür mit mehreren Bannen. Er brauchte keine unangekündigten Besucher, die ihm zusätzlich das Leben schwer machten. Er vergewisserte sich, dass kein Muggel in der Nähe war, dann disapparierte er.

Hermine lächelte – fertig. Zufrieden schob sie den Brief in einen Umschlag, adressierte ihn und verabschiedete sich flüchtig von ihren Eltern, die noch immer in der Küche saßen und sich unterhielten. Sie schlüpfte in ihren Mantel und machte sich auf den Weg zu Laden. Glücklicherweise schien dieser äußerst gut gelaunt und so konnte sie den Brief ohne weitere Schwierigkeiten abschicken. Auf dem Heimweg fühlte sie sich beinahe beflügelt – auf diesen Brief musste der Orden antworten, es war wichtig.