Diese Geschichte ist ein Prequel zum Darth-Plagueis-Roman von James Luceno sowie zum Roman „Planet der Verräter" von Greg Bear. Sie bezieht sich außerdem auf Plagueis' Erzählung in Kapitel 46 meiner Geschichte „Darth Plagueis und die Passion der Shaak Ti". Deren Kapitel 56 und 61 sind als Abschluss meines Zonama Sekot-Arcs gedacht.

Man muss keinen der drei Romane gelesen haben, um diese Geschichte zu verstehen. Wer sie jedoch kennt, wird viel Bekanntes in abgewandelter Form entdecken.

Prolog

Wir schreiben das Jahr 30 vor der Schlacht von Yavin. Palpatine ist bereits seit zwei Jahren Oberster Kanzler und fährt fort, sein bestehendes Netz an Kontakten weiter auszubauen, Gefälligkeiten einzufordern, um seine Macht weiter zu festigen und damit die Vorarbeit dafür zu leisten, um sich die Galaxis später völlig untertan zu machen. Zwei seiner Günstlinge sind der einer bedeutenden Familie auf Eriadu entstammende Wilhuff Tarkin und der Raumschiffingenieur Raith Sienar, welcher erkennen muss, dass dieselben Verbündeten zu haben noch lange kein Grund zur Sorglosigkeit und zum behäbigen Zurücklehnen ist.

Das weitläufige Anwesen des Raumschiffkonstrukteurs und Eigners von Sienar Systems strahlte Reichtum und Ruhe aus. Raith Sienar ritt wie so oft auf seinem Lieblings-Trith-Läufer seine Runden in seiner Privatarena ab, zu welcher er nur ausgewählten Gästen Zutritt gestattete. Normalerweise kamen ihm jetzt spontane Ideen für neue Raumschifftypen, für die Verbesserung bereits bestehender Fluggefährte. Aber am heutigen Tag konnte Raith keinen klaren Gedanken fassen – an Ruhe war ohnehin nicht zu denken. Nicht, seit vor einer Woche Wilhuff Tarkin bei ihm aufgetaucht war und ihn in Dinge verwickelt hatte, die ihm nicht nur undurchsichtig, sondern gar gefährlich und zudem höchst unberechenbar erschienen.

Tarkin hatte ihm doch tatsächlich von einer Mission der Jedi erzählt, die auf einen Planeten führen sollte, von dem Raith bislang angenommen hatte, dass er Tarkin gänzlich unbekannt war. Mehr noch – sein Freund hatte ihm geradeheraus erklärt, dass Freundschaft überbewertet würde und an ihrer statt in Zukunft Loyalität und Gehorsam zu treten habe - Eine Ohrfeige für den auf Unabhängigkeit bedachten, den Intellekt feiernden Raith Sienar! Zu guter Letzt hatte Tarkin ihm verkündet, nicht nur bestimmte Personen im Jedi-Tempel ausspioniert zu haben, sondern auch im Bilde darüber zu sein, dass er, Raith Sienar, ein Exemplar jener sagenumwobenen sekotanischen Raumschiffe besitzen würde, nach denen es den Orden der Jedi neuerdings gelüstete. Selbst wenn er diesen Vertrauensbruch zunächst beiseiteschob - Tarkin machte sich damit auf seinem ureigenen Territorium breit!

Er überlegte, wann die Veränderung seines langjährigen Freundes begonnen hatte. War sich Tarkin seiner Sache allzu sicher geworden, seitdem sein Verbündeter Palpatine Oberster Kanzler geworden und Tarkin mit tatkräftiger Unterstützung zum lukrativen Posten des Gouverneurs des Seswenna-Sektors verholfen hatte, zu welchem Tarkins Heimatplanet Eriadu gehörte? Oder war der Aufsteiger von Eriadu gar schon immer so abgebrüht und rücksichtslos gewesen und hatte seine wahre Natur bislang nur gut verborgen, bis …?

Raith Sienar wendete sein auserlesenes Reittier spontan, als er aus den Augenwinkeln heraus Bewegung registrierte. Die Sicherheitsdroiden vor dem breiten Doppeltor zur Arena gestikulierten wild mit den mechanischen Armen und wichen von ihrem Posten zurück. Nur einen Augenblick später öffnete sich das eindrucksvolle Tor. Instinktiv glitt der Chefingenieur von dem Trith und ging hinter dessen mannshohem Körper in Deckung, skeptisch bis ängstlich über die glatte braune Kruppe des Tieres in Richtung Tor spähend.

„Guten Morgen, Raith", rief Tarkin demonstrativ gut gelaunt. „Ich muss mir Ihr sekotanisches Schiff ansehen. Sofort!"

„Unbedingt", erwiderte Sienar betont liebenswürdig, dabei mit finsterer Miene den Ionendisruptor fixierend, den der ungebetene Gast aus dem Senat entwendet haben musste, um jetzt die Sicherheitsdroiden außer Dienst zu setzen. „Aber das nächste Mal sollten Sie sich vorher anmelden. Nicht alle meine Sicherheitsdroiden sind anfällig für Disruptoren, wissen Sie? Gut, dass ich Ihre Unhöflichkeit vorausgesehen … und die Droiden darauf programmiert habe, Sie zu erkennen. Sonst hätten sie Sie nämlich in dem Moment, als Sie durch dieses Tor traten, erschossen."

Tarkin wandte seinen braunhaarigen Kopf, auf welchem sich erste graue Strähnen zeigten, und riskierte einen Blick über seine Schulter. Mit Genugtuung registrierte Sienar, wie sein Gast für einige Sekunden erbleichte, bevor er seine Mimik unter Kontrolle bekam.

„Ich verstehe", sagte Tarkin, deaktivierte den Disruptor und steckte ihn eine Spur zu lässig in eine seiner Hosentaschen. „Es ist ja nichts passiert."

„Nein … diesmal nicht", murmelte Sienar.

Dann führte er den Trith zu einer Stallbox und machte sich auf in den Werkbereich seines Anwesens. Seine Nervosität wuchs, je näher er dem neuesten Objekt von Tarkins Begierde kam. Hinter sich hörte er Gouverneur Tarkins federnde Schritte. Sie kamen in die Halle, in welcher ein braunes verschrumpeltes Etwas, bewacht von vier großen silbernen rotäugigen Bewachungsdroiden, seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.

„Und Sie meinen wirklich, dass Sie nach all diesen Jahren aus diesem Haufen Müll noch etwas brauchbares extrahieren können?", fragte Tarkin skeptisch.

„Dieses Wrack ist noch ein Erbe aus der Zeit meines Vaters Narro Sienar, der es vom damaligen Chefingenieur von Sienar Systems, Dr. Rugess Nome, persönlich erhalten hatte", erwiderte Sienar leicht beleidigt, während er die Punktstrahler rund um den widerhallenden Hangar einschaltete.

„War Dr. Nome der Eigner des Schiffes?", wollte Tarkin wissen.

„Über den Eigner hat Dr. Nome meinem Vater nur soviel erzählt, dass der Mann unter unglücklichen Umständen ums Leben kam und das Schiff mit ihm starb. Soweit ich weiß, war Dr. Nome kein sonderlich gesprächiger Bith."

„Dr. Rugess Nome mag ein brillanter Ingenieur gewesen sein, aber wie Sie schon sagten: er war ein Bith und ist seit langem tot. Aber wir Menschen werden es dieses Mal geschickter anstellen, um ein funktionierendes Raumschiff zu erhalten."

„Wenn dieser Traum nur wahr werden würde, Tarkin", erwiderte Raith mit einem Seufzer. „Wie Sie sehen, ist das Schiff in keiner sehr guten Verfassung."

„Genauso wenig wie unsere geliebte Republik", meinte Tarkin bissig. „Aber wenn die Saat der Pläne meiner neuesten Verbündeten aufgeht, dann werden wir nicht nur schon bald bessere Schiffe haben, die 0.4 an Geschwindigkeit schaffen, sondern auch die Republik von Grund auf umgestalten!"

„Das sind große Worte", gab Sienar zweifelnd zurück.

Tarkin warf seinem Gastgeber einen säuerlichen Blick zu. Dann ging er um den narbigen Rumpf in dem schillernden Kältefeld herum. Die früher gewiss anmutig geschwungenen Linien des einst stolzen Schiffes waren ungeachtet des Einfrierens und anderer, weniger offensichtlicher Konservierungsmethoden zu einem runzligen, verschrumpelten Gebilde zusammengesunken. Tarkin ließ seine Hand über die ramponierte Oberfläche eines Seitenflügels gleiten. Sienars bösen Blick bei dieser Berührung quittierte er mit einem kalten Glitzern in den wässrig-blauen Augen.

„Es ist biologisch", bemerkte Tarkin und rümpfte die Nase, nachdem er etwa die Hälfte des Raumschiffes umrundet hatte.

„Ich dachte, das wüssten Sie bereits", erwiderte Sienar mit einem mokanten Lächeln.

„Ich hatte nicht angenommen, dass es so … organisch sein würde", rechtfertigte Tarkin sein Unwissen. „Man hatte mir gesagt, diese Schiffe wären irgendwie lebendig, aber … Wenn sie tot sind, sind sie nicht mehr zu viel nütze, wie?"

„Sie sind eine Kuriosität, die man so wie manche Tiefseeungeheuer nur selten zu Gesicht bekommt", erwiderte Raith unerschütterlich. „Aber was seine Vorzüge angeht, nun … es ist nicht mehr viel übrig, das man analysieren könnte."

„Ich besitze ein paar Bilder", sagte Tarkin. „Von Schiffen in entlegenen Häfen, die Treibstoff an Bord nehmen."

„Und bestimmt auch Nährstoffe", ergänzte Sienar.

„Ist es pflanzlich oder tierisch?", fragte Tarkin.

„Weder noch. Es kann sich nicht selbst reproduzieren. Es besitzt keine Zellstruktur, sondern besteht aus verschiedenen dichten Gewebesorten, die sowohl Metalle aus auch eine Vielzahl äußerst starker, Hitze abweisender Polymere aufnehmen können. Ein Wunder. Doch ohne seinen Besitzer stirbt und verfällt es innerhalb kürzester Zeit."

„Vielleicht ähnelte es der Technologie der Gungans auf Naboo", schlug Tarkin vor.

„Vielleicht", entgegnete Sienar. „Vielleicht aber auch nicht. Die Gungans bauen ihre Schiffe zwar aus organischem Material, die Schiffe selbst sind jedoch nicht lebendig. Das hier", der Ingenieur machte eine weit ausholende Geste mit seiner rechten Hand, „… scheint etwas ganz anderes zu sein."

„Etwas ganz anderes", echote Tarkin, während er die zweite Hälfte seines Rundganges um das Schiff zurücklegte.

Abrupt blieb der Gouverneur stehen. Vor ihm klaffte eine Lücke in der verschrumpelten Oberfläche des Schiffes. Genauer gesagt handelte es sich um ein fehlendes Teil von etwa einem Quadratmeter, welches vor langer Zeit aus dem Schiff herausgeschnitten worden sein musste.

„Was ist das?", fragte Tarkin und wies auf den offensichtlichen Makel des Fehlens in dem ohnehin arg ramponierten Schiffsleib.

„Wir nehmen an, dass es sich bei dem fehlenden Segment um eine entnommene Gewebeprobe handelt, um mehr über die Beschaffenheit des Schiffes herauszufinden - es womöglich zu replizieren."

„Wir nehmen an?", fragte Tarkin spitz.

Sienar zuckte ratlos mit den Schultern. „Mehr als diese Vermutung haben wir nicht. Vor Ihrem großzügigen Angebot war ich bereits auf der Suche nach einem Eigner, der mir den Zugang zu seinem voll funktionsfähigen sekotanischen Schiff gewähren würde. Bisher gibt es allerdings noch niemanden, der geneigt gewesen wäre. Wie es scheint, ist Geheimhaltung ein Bestandteil des Kaufvertrages. Und ein Verrat könnte die Beziehung des Eigners zu seinem Raumschiff beenden."

„Ich verstehe", sagte Tarkin erneut. „Ich habe mir den richtigen Mann für diese Mission ausgesucht, Raith. Ich hatte so ein Gefühl, dass Sie sich mit all dem auskennen würden. Und genau deshalb werden Sie mir helfen, sich den Jedi auf deren Mission an die Fersen zu heften. Auf dass wir es sein mögen, die zuerst ein lebendiges sekotanisches Raumschiff in die Finger bekommen. Und wenn ich Finger sage, dann meine ich auch Finger und keine Klauen, Tentakel oder sonstiges!"

Raith atmete einmal scharf aus. Er kannte diese mehr oder weniger unverhüllten Tiraden seines früheren Freundes gegenüber Nicht-Menschen bereits. Aber am heutigen Tag nervten sie ihn gewaltig.

„Kann ich Ihnen nun, nachdem Sie meine enttäuschende Ausbeute gesehen haben, ein Frühstück anbieten?", fragte Raith. „Es ist schon spät und ich hatte noch keine Zeit, etwas zu mir zu nehmen."

„Nein, vielen Dank", antwortete Tarkin kühl. „Ich muss heute noch viele weitere Besuche absolvieren. Halten Sie sich allzeit bereit, mein Freund. Es könnte jede Minute etwas passieren."

„Natürlich", erwiderte Raith nickend.

Meine Zeit gehört Ihnen, Tarkin. Ich übe mich in Geduld, dachte er wehmütig, nachdem Tarkin sein Anwesen wieder verlassen hatte. Die Ruhe kehrte in die Gemäuer und die dazugehörigen Plätze seiner Residenz zurück, aber Raith Sienars Gelassenheit war unwiederbringlich dahin. Er und Tarkin teilten die Meinung, dass auf einen schwachen Staat irgendwann und unabdingbar eine starke Gewaltherrschaft folgte. Karrieren würden nach Errichtung einer derart autoritären Regierung rasant beschleunigt und könnten ebenso jäh enden. Raith fragte sich, ob sich Wilhuff nicht überschätzte, wenn er es schon fertigbrachte, in seinem, Raiths, Gefilde des Raumschiffbaus zu wildern. Sorgte er sich gar um seinen Freund, der Tarkin nicht mehr sein wollte? Nach einigem Überlegen musste sich Raith Sienar eingestehen, dass sich Wilhuff Tarkin nicht die Bohne um sein, Raiths Wohlergehen sorgte.

In gedrückter Stimmung trottete Raith Sienar zurück in seine Wohngemächer. Sein Magen knurrte leise. Höchste Zeit für das lange überfällige Frühstück! Er lief den Flur des Hauptgebäudes entlang, stieg Treppen nach oben bis in die zweite Etage. Ein weiterer Flur öffnete sich vor ihm. Als er diesen durchschritt, schaute ihn von der rechten Wand ein Bild des gelben Bith namens Dr. Rugess Nome an, über welchen er kurz zuvor mit Tarkin gesprochen hatte. Raith Sienar hielt kurz inne und starrte gedankenverloren auf das beinahe lebensgroße Porträt des früheren Chef-Ingenieurs von Sienar Systems. Die großen runden schwarzen Augen des Bith schienen ihn geradezu zu durchbohren. Es waren kalte harte Augen. Kälter und härter als die von Wilhuff Tarkin? Kein Zweifel, dieser Mann hatte sich zu Lebzeiten keine Informationen entlocken lassen, die er nicht preisgeben wollte.

Was wussten Sie über das Schiff, was Sie meinem Vater nicht erzählt haben?, hallte die große unbeantwortete Frage durch Sienars Hirn.

Er gab sich einen Ruck und wandte sich von dem Bild des Bith ab, um den Flur bis zum Ende zu durchqueren. In der Küche angekommen, ließ er sich auf einem Stuhl nieder, um auf das Frühstück zu warten, welches ihm ein Butlerdroide in Kürze zubereiten und servieren würde. Das Warten war unerträglich. Aus den Tiefen seines nun vernehmlich knurrenden Magens stieg die Erkenntnis nach oben, dass er, Raith Sienar, Chef-Ingenieur und Eigner von Sienar Systems, in Zukunft nicht mehr untätig herumsitzen durfte, um darauf zu warten, was Tarkin oder wer auch immer ihm an vermeintlich zukunftsträchtigen Missionen vorsetzen würde.


Note der Autorin: Ich habe in diesem Prolog einige Passagen und Zitate aus Greg Bears Roman „Planet der Verräter" eingebaut und umgearbeitet. Die Handlung in diesem Prolog ist eine Szene jenes Romanes. Das verweste sekotanische Raumschiff wurde im Roman von Greg Bear allerdings nicht von Dr. Rugess Nome über Narro Sienar an dessen Sohn weitervererbt, sondern Raith Sienar hat das Schiff über seine Agenten von Räubern gekauft, welche es dem eigentlichen Besitzer abgenommen hatten.