Disclaimer:

Tja, wie soll ich sagen, es gehört nicht mir (und ist in anderen Händen als meinen wohl auch besser aufgehoben), aber das hält mich ja nicht zwangsläufig davon ab mit dem HP Universum zu spielen.

Kommentar:

Wundert euch nicht, ich habe die ff nicht verändert, sondern ihn nur in Kapitel unterteilt.

Warnungen:

Vielleicht sollte ich vor der Erwähnung von Kindesvernachlässigung warnen.

Also, on with the show oder anders gesagt:

One Night

Quietschende Reifen, die Tür aufgerissen, ein einziger kraftvoller Stoß und Harry flog bäuchlings auf die schlammige Erde. Er wollte sich aufrappeln, doch der Schreck darüber, dass er mit irgendetwas abgeworfen wurde, ließ ihn in der Bewegung erstarren. Bis er bemerkte, dass es eine alte schäbige Decke war und der 11-jährigen Gryffindor wieder auf den Füßen stand, war Onkel Vernons Wagen schon um die Ecke der engen Gasse gebogen und auf nimmer wieder sehen verschwunden.

„Onkel Vernon, wohin willst du…?" Natürlich hörte er ihn nicht.

Eine ganze Weile stand Harry einfach perplex im Regen, einen Zipfel der Decke unbewusst umklammert und blickte zum Ausgang der Gasse, dann endlich löste er sich aus seiner Erstarrung, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen, um die verräterischen Tränen verschwinden zu lassen und stapfte immer noch wie betäubt zur linken Wand.

Sie war ebenso dreckig und nass wie der Boden und Harry selbst, doch es war ihm vollkommen egal, als er sich daran herunter sinken ließ.

Er konnte es nicht verstehen! Als er aus Hogwarts wiedergekommen war, hatten die Dursleys ihn weitestgehend ignoriert, was für ihre Verhältnisse schon an Freundlichkeit grenzte, und nun das hier!

Sein Onkel hatte ihn mürrisch ins Auto geladen mit der Begründung, er müsse ihm beim Einkaufen helfen. Allein das hätte ihn skeptisch werden lassen müssen! Sein Onkel nahm ihn nie irgendwohin mit. Noch nicht einmal die Decke im Fußraum vor dem Beifahrersitz hatte er zu dieser Zeit bemerkt.

Nur das ungute Gefühl, das ihm flau im Magen werden ließ, war da gewesen.

Jetzt war nichts mehr da. Keine Dursleys, keine Ahnung, was er nun tun sollte und niemand, der ihm helfen konnte.

Harry spürte wie die Angst ihm die Kehle zuschnürte, wie sie seinen Körper zittern und seine Beine weich werden ließ.

Was sollte er jetzt tun? Wie konnte er mit den anderen in Kontakt treten? Wo war er überhaupt?

Nur auf eine Frage kannte er die Antwort: Er würde niemandem schreiben können. Nicht Ron oder Hermine und ebenso wenig irgendwem in Hogwarts. Wie sollte er auch, wenn er noch nicht mal wusste, wo die Winkelgasse war oder was sie vielleicht mit Hedwig machten, jetzt wo er nicht da war. Hedwig! Hoffentlich ging es ihr gut.

„Warum muss das…?"

Eine Stimme von der Seite unterbrach ihn:

„Na, was haben wir denn da? Einen kleinen Bengel ganz allein auf der Straße, na so was?"

Harry fuhr erschrocken auf, wirbelte herum und fand sich Auge in Auge mit einem ungefähr 16-Jährigen in schäbiger Kleidung. Die schnarrende, kratzige Stimme jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Sein Herz hämmerte wild in der Brust, während er stolpernd an der Wand entlang zurückwich.

„Was denn, was denn? Sag mir erst mal, was du in unserem Revier willst, bevor du abhaust!"

In unserem? Gab es mehrere als nur den einen Kerl?

Der hagere, aber muskulöse Junge ging weiter auf ihn zu, ein dreckiges Grinsen auf dem Gesicht, immer schneller bis Harry in seiner Flucht schmerzhalt mit dem Rücken gegen eine Wand prallte. Bevor er etwas tun konnte, hatte der Bengel ihn am Kragen seines übergroßen T-Shirts gepackt und hochgezerrt, sodass nur noch seine Zehenspitzen den Boden berührten.

„Ich will etwas von dir haben, wenn du hier länger bleiben willst!"

„A…aber ich will doch gar nicht!", die gestotterte Rechtfertigung brachte dem armen Gryffindor eine schallernde Ohrfeige ein.

„Werd nicht frech! Mir ist egal, ob du zufällig hier bist, will ich Entschädigung."

„Ich hab doch nichts!"

Harry war wieder den Tränen nahe.

„So? Und was ist das hier?" Damit riss er ihm die Decke aus der Hand und warf sie in eine der großen Pfützen.

„Nicht dass ich das Ding wollte, aber was soll's. Dann werde ich dir eben eine Abreibung erteilen, bevor du dich von hier fortmachst so schnell du noch kannst!"

Harry strampelte und trat, doch ein einziger gezielter Schlag in den Magen machte seiner Gegenwehr ein Ende, ließ ihn zu einem hilflosen Opfer werden, während ein Schlag ins Gesicht ihn vor Schmerz aufschreien ließ.

onononononon

„Was heißt das, der Bengel ist seit drei Tagen verschwunden?!", donnerte Severus Snape, nachdem Dumbledore ihm den Grund erklärt hatte, warum er Harry Potter suchte musste.

Dieses unsäglich dumme, arrogante Balg war wahrscheinlich von zuhause abgehauen und jetzt sollte es an ihm sein, auszubaden, was Potter getan hatte? Nein, nicht solange er etwas dazu zu sagen hatte!

„Severus, ich weiß deine Sorge zu schätzen, aber wir müssen jetzt Ruhe bewahren."

Wenn das möglich war, verengten sich die Augen des Slytherin noch mehr, als er jetzt einen Schritt zurücktrat, die Arme vor der Brust verschränkend.

„Das ist keine Sorge, Albus. Ich frage mich nur, was dein Goldjunge jetzt wieder ausgeheckt hat. Ich werde mich nicht nach Surrey begeben, nur weil Potter meint, es sei unter seiner Würde in den Ferien bei seinen Verwandten zu bleiben." Seine Stimme war nicht mehr als ein zischendes Flüstern, Bedrohlichkeit, troff aus jedem Wort.

Albus ließ sich davon nicht beirren. Er hatte trotz allem den ehrlichen Schock gesehen, der über die hageren Züge gehuscht war, als er ihm vom Verschwinden des Jungen berichtet hatte.

Natürlich fragte Severus sich, was Harry dieses Mal getan hatte. Ihm war wohl bekannt, dass er die vermeintliche Angewohnheit des Gryffindors, sich über Regeln hinwegzusetzen verabscheute. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass ihm das Wohlergehen jedes einzelnen Schülers wichtig war.

Er hatte gewusst, dass Severus wettern würde, aber er wusste ebenso ohne jeden Zweifel, dass der Slytherin am Ende nach Harry suchen würde und ihn, wenn es in seiner Macht stand, wohlbehalten wieder zurückbringen würde.

„Severus, wie ich dir eben bereits erklärt habe, hat Arabella Harry vor drei Tagen zum letzten Mal gesehen. Mehr wissen wir nicht. Vielleicht könntest du bei der Gelegenheit ja gleich herausfinden, was der Grund für Harrys Verschwinden ist."

Snape wollte protestieren, doch Dumbledore hob die Hand und gebot ihm Schweigen.

„Da du der festen Überzeugung zu sein scheinst, dass Harry der Schuldige in dieser Situation ist, wäre es nur fair, wenn du derjenige bist, der es herausfindet."

Zu gern hätte Severus den Blick abgewandt, als Albus ihn jetzt intensiv über seine Brillengläser hinweg ansah, doch das hätte sein Stolz niemals zugelassen. Der Schulleiter wusste das und nutzte es aus wie ein wahrer Slytherin. Natürlich würde er es tun…. Er hatte diesem Blick, diesem Mann, gleichfalls Mentor und Freund, noch nie etwas verweigern können.

Am Ende würde er es immer tun.

Onononononon

Harry rollte sich vollkommen erschöpft und leicht zitternd in die nasse Decke ein. Der Kerl von der Straße hatte ihm tatsächlich eine Lektion erteilt, bevor es Harry endlich gelungen war sich zu befreien. Ein zugeschwollenes Auge hatte er jetzt, sein ganzer Körper tat weh, von den zahlreichen blauen Flecken, die er sich bei seiner verzweifelten Strampelei und der darauf folgenden Flucht zugezogen hatte.

Er sah es immer noch vor sich: Das von Schmerz verzerrte Gesicht des anderen, als er es in vollkommener Panik schließlich doch fertig gebracht hatte ihn zwischen die Beine zu treten. Es war Zufall gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Der Schläger hatte ihn fallen gelassen und Harry war so schnell er konnte davon gestolpert.

Weit war er gerannt - die Decke aus unerfindlichen Gründen fest mit der Faust umschlossen – bis er sich müde irgendwo in eine halbwegs regengeschützte Ecke hatte drücken können. Er musste irgendwann genau auf die alte löchrige Wolldecke raufgefallen sein und sie dann mit genommen haben. Genau konnte er das nicht mehr sagen.

Mehr als ein Tag war seither vergangen, er hatte versucht etwas zu essen zu finden und war gescheitert. Der Dreck und Schlamm in seinen Haaren, seiner Kleidung und auf seiner Haut wäre nicht so schlimm gewesen, wenn die Feuchtigkeit nicht so erbärmlich hätte frieren lassen.

Er ließ den Tränen und Schluchzern endlich freien Lauf, nicht wissend, dass Hilfe bald allarmiert werden würde.

Onononononon

Severus konzentrierte sich auf das Richtungsgefühl, welches der Zauberstab ihm gab. Er hatte mit der alten Mrs. Figg gesprochen und erst nach viel zu langer Zeit aus ihrem Geschwafel einige nützliche Informationen herausfiltern können.

„Der arme Junge ist mit Dursley ins Auto gestiegen, das ist jetzt knapp drei Tage her… ja, drei Tage. Der arme Junge… ich hab's ja immer gesagt… ja immer gesagt!", hatte sie gemurmelt, während Severus die Ineffizienz ihres Berichtes verflucht hatte.

„Sie fangen an sich zu wiederholen, wissen Sie noch etwas, oder kann ich gehen, um den Tag vielleicht als nicht ganz verschwendet ansehen und noch andere Dinge zu tun, als Ihnen zuzuhören?", war seine barsche Antwort gewesen. Entweder sie hatte ihn ärgern wollen oder sie hatte seinen Sarkasmus wirklich nicht bemerkt, denn als die Alte jetzt überlegte, tat sie es mit grausamer Langsamkeit.

„Hmm, ja… mal sehen… Dursley ist allein wiedergekommen."

Das waren alle Informationen, die er vorerst benötigte. Bevor sie weiter vor sich hin lamentieren konnte, hatte er auf dem Absatz kehrt gemacht und war appariert.

Jetzt folgte er nur noch dem Hominem revelio Zauber – seit Stunden wie er frustriert feststellte – und hoffte darauf Potter noch vor Morgen zu finden.

Warum musste der Gryffindor ihm eigentlich immer nur Schwierigkeiten machen?

Die Umgebung wurde zusehends heruntergekommener, so schlimm jetzt, dass er sich ernsthaft fragte, was Potter in so einer Gegend suchte.

Nur Ärger wahrscheinlich! Dachte er, als raue Stimmen von mehreren Jugendlichen seine Überlegungen unterbrachen.

„Was ist das denn für ein Vogel?"

„Wie ist der Alte denn angezogen? Hat er vergessen, dass Halloween erst in ein paar Monaten ist?", riefen sie so laut, dass er es deutlich verstand, obwohl das Gespräch angeblich nur unter ihnen stattfand. Snape wusste, wen er vor sich hatte:

Halbwüchsige Straßenschläger, die hatten ihm heute noch gefehlt.

Warum nur war da dieses ungute Gefühl, das nichts mit seiner eigenen Sicherheit zu tun hatte?

Als sie begannen ihn einzukreisen, zögerte er nicht lange. Ihre Absicht war so deutlich erkennbar, dass er das nicht musste.

Mit einer flüssigen Bewegung stand er vor dem ersten, rammte ihm den Handballen unter den Kiefer, bevor er sich darüber wundern konnte, wie schnell der Fremde sich bewegt hatte und stieß gleich darauf seinen Ellenbogen hart in den Magen desjenigen, der ihn von hinten hatte angreifen wollen.

Die beiden verbliebenen gingen jetzt da ihre Kameraden sich vor Schmerzen krümmend am Boden lagen schleunigst auf Abstand.

„Hey Melvin, lass uns lieber unsere Messer rausholen, vielleicht is'es einer, der die kleine Made sucht, der du eine verpasst hast! Mit dem sollten wir jetzt gleich aufräumen!"

Weiter kam er nicht, denn Severus war schneller als jemand hätte ahnen können hinter ihn getreten und stieß ihm jetzt mit voller Wucht die Faust zwischen Wirbelsäule und Schulterblatt. Einen Moment lang verdrehte er nur die Augen, dann sackte er zu Boden.

Wie überheblich und dumm sie doch waren. Hatten sie denn nie gelernt, wie töricht es war, seinem Feind zu verraten, was man vorhatte?

Der letzte verbliebene wich hastig zurück, als der furchteinflößende Schwarzhaarige auf ihn zu rauschte.

„Du wirst mir erzählen, was dein zart besaiteter Freund mit der kleinen Made gemeint hat, oder du wirst dich auf der Stelle zu ihm gesellen." Es war gar nicht nötig, dass der Tränkemeister die Stimme hob.

„Bist du verrückt, Alter? Ich werd gar nichts tun! Du…" Snape hatte ihn an der Kehle gepackt, bevor der Halbstarke seine Beleidigung zu Ende bringen konnte.

„Jetzt!"

Onononononon

Einige Minuten später eilte Severus weiter dem Gefühl nach, das der Zauber ihm vermittelte, wobei sich – vollkommen unerwünscht – ganz andere Gefühle dazugesellten.

Wer wusste schon wie hart der Kerl zugeschlagen hatte? ‚Einem einen Schlag ins Gesicht verpassen' war ein weiter Begriff.

Ein leises Grollen tief in seiner Kehle verlieh seiner Laune Ausdruck, während seine Schritte sich vollkommen unbewusst beschleunigten und er in Grübeleien versunken weiter suchte.

Er hätte sich die Zeit nehmen sollen, diesem verdammten Bandenführer ganz genau zu zeigen wie wenig er davon hielt, wenn jemand Kinder schlug! Aber nein, dazu hatte er keine Zeit.

Onononononon

Harry hatte Hunger und Durst! Ihm war eiskalt und sein einziger Gedanke, während er sich am dritten Abend zu Boden sinken ließ, war: Hilf mir doch jemand… irgendjemand!

Am zweiten Tag hatte er noch versucht die Winkelgasse zu finden, ja irgendwen zu finden, der ihm sagen konnte, wo er sich überhaupt befand, doch alle Häuser schienen seit Jahren verlassen. Dort, wo er Menschen hätte finden können, trieb sich die Bande von Jugendlichen herum, die ihm einen Teil seiner Misere eingebrockt hatte und es erfüllte ihn jedesmal mit Angst, wenn er daran dachte wieder zurück zu gehen.

Also hatte er hier versucht Nahrung oder Hilfe zu finden…

Vergeblich.

Ebenso vergeblich schien das Unterfange zu sein, seine mittlerweile wieder trockenen Haare vom Schlamm zu befreien, der sich darin verfangen hatte. Selbst der Regen, der in den letzten zwei Tagen unablässig gefallen war, hatte dies nicht vermocht. Totunglücklich und verzweifelt sank Harry unter der fadenscheinigen Decke bald in einen unruhigen Schlaf. Wenn die Frustration ihn für heute nicht zum Aufgeben gezwungen hätte, wäre es wohl die Erschöpfung gewesen.

Onononononon

Leise Geräusche ließen Harry aus dem Schlaf hochfahren. Er wollte sich aufrappeln, doch von der komischen Liegeposition steife Glieder und die Verletzungen der vergangenen Tage ließen ihn kaum hörbar stöhnend für den Moment wieder zurücksinken. Atemlos horchte er in die fast vollkommene Stille hinein. Die Schritte näherten sich, entschlossen und zielgerichtet.

Was, wenn es die Bande von vor zwei Tagen war? Was, wenn sie jetzt alle gekommen waren?!

Noch einmal versuchte er sich zu erheben, vorsichtig und so leise wie möglich, und diesmal funktionierte es. Halb hinter der verbeulten Mülltonne kauernd, lugte er daran vorbei. Er sah nur eine dunkle Silhouette an der Wand.

Wer war das?

Die Stimme, die er im nächsten Moment leise schimpfen hörte, ließ sein Herz fast einen Aussetzer machen:

„Wo kann dieser Bengel hin verschwunden sein? Hat er sich etwa vom Erdboden verschlucken lassen, nur um mich zu ärgern?" Das Schnarren war unverkennbar, die Gereiztheit, die Stimme, welche auch flüsternd jeden Schüler zum heulen bringen konnte:

Snape.

Die Erkenntnis traf Harry wie einen Schlag. Im einen Moment kauerte er angsterfüllt hinter der Tonne und im nächsten erkannte er, dass von allen Menschen, die ihn hätten finden können, Snape es geschafft hatte. Er war sich bewusst, den Blechrand der Mülltonne zu umklammern, dann spürte er in Zeitlupe wie er seine Balance verlor und mitsamt dem Ding nach vorne fiel. Ein merkwürdiger, erschrockener Laut entwich ihm, dann schlug er der Länge nach hin, begleitet von lautem Poltern.

Severus wirbelte gerade rechtzeitig herum, um nach dem komischen, definitiv menschlichen Ausruf eine alte Mülltonne umfallen zu sehen. Unverkennbar dahinter entdeckte er einen schmächtigen Jungen.

Gerade hatte Harry sich auf die Seite gerollt und wollte ausstehen, als die Tonne von ihm weggerissen wurde.

„Waah!!" Der Gryffindor dachte er würde vor Schreck sterben! Er hatte nicht damit gerechnet, dass jemand das Ding mit solcher Wucht aus dem Weg räumen würde und in seiner Panik vergaß er für den Moment völlig, dass es nicht die Bande gewesen war, sondern Snape. Er hielt sich die Arme vors Gesicht, nicht fähig einen verzweifelten Schluchzer zu unterdrücken.

„Potter." Der Tonfall ließ Harrys Kopf hochrucken, um den Professor ansehen. Zum ersten Mal seit er den Slytherin kannte, hatte er erstaunt geklungen. Ein Blick in die schwarzen Augen sagte ihm, warum.

Er musste schrecklich aussehen… nicht im mindesten so wie der Professor sich den ach so arroganten Gryffindor vorgestellt hatte. Harry wusste nicht, woher plötzlich diese Erkenntnis kam, aber er war sich hundert prozentig sicher, dass Snape einen ungezogenen Jungen erwartet hatte, schmollend, weil man ihn gefunden hatte.

Nun, er war weit gefehlt. Um genau zu sein, war es das Gegenteil.

Harry brachte es nicht fertig mit fester Stimme zu sprechen, als Snape jetzt langsam seine Fassung wiederfand.

„Pro…fessor, Sie habe..en mich gefunden", sprudelten die Worte hastig und erleichtert aus ihm heraus, während er sich schwankend erhob.

Jetzt hatte der Slytherin auch seine Stimme wiedergefunden:

„Merlin Potter, was hast du in den letzten Tagen getrieben? So kann doch keiner in 72 Stunden zugerichtet werden! Was hast du dir dabei gedacht abzuhauen, und auch noch in diese Gegend?" Neben eisiger Schärfe bestimmte immer noch Unglaube Snapes Tonfall, während er sich mit verschränkten Armen vor seinem Schüler aufbaute.

Harry war es zu viel, die Tränen, die seine Wangen hinunter strömten, vermochte er nicht aufzuhalten, als er jetzt sprach:

„Ich bin nicht weggelaufen!! Mein On… kel hat mich… hier ausgesetzt und dann wollte ich zurück, aber da war die… ser Kerl. Und der hat…!", weiter kam er nicht. Er konnte nur hilflos nach Luft schnappen. Heute war wirklich nicht sein Tag: Alles tat ihm weh, sogar sein Bauch vor Hunger und Durst, er war dreckig und ihm war eiskalt!

Dies alles sah auch Snape, als der den schmächtigen Jungen jetzt eindringlich musterte. Es rührte etwas in ihm, trotz seiner Entschlossenheit den 11-Jährigen für eine exakte Kopie seines Vaters zu halten. Er schritt auf Potter zu, um sich die offensichtlichen Verletzungen näher anzusehen, doch der unsägliche Bengel wich verschreckt zurück.

„Potter!", grollte er, nicht einsehend, was es für einen Grund für dieses Verhalten geben sollte. Als der Junge einen fast quiekenden, verängstigten Laut von sich gab, sobald er seinen Arm ergriff und ihn mit Leichtigkeit wieder zu sich zog, sandte er ihm einen wahrhaft furchteinflößenden Blick.

„Reiß dich zusammen, Potter, du hast nicht den geringsten Grund vor mir zurückzuweichen!"

Einen Moment lang wollte Harry protestieren, obwohl sein Verstand ihm sagte, dass dies der Wahrheit entsprach, dann sprach Snape weiter und beruhigte ihn ein wenig, ohne es zu wissen.

„Dumbledore hat mich geschickt, um dich zu suchen und das tue ich nun seit Stunden, also denk nicht mal daran jetzt ein Theater zu veranstalten. Hast du mich verstanden?"

Die Worte brachten den verängstigten Gryffindor wieder in die Realität zurück.

„Ja, Sir", brachte Harry immer noch atemlos hervor. „Gut", brummte der tiefe Bariton.

Der Gryffindor versuchte ruhig zu bleiben, als Snape jetzt sein Kinn in die Hand nahm und seinen Kopf so neigte, dass mehr Licht auf das linke, zugeschwollene Auge fiel. Kurzzeitig wunderte Harry sich, ob er ihn schlagen würde, jetzt da er die andere Hand erhob, doch überrascht stellte er nun fest, dass der Professor lediglich etwas Dreck von seinem Gesicht wischte, um den Bluterguss besser begutachten zu können.

„Als erstes wirst du ein Bad nehmen, wenn wir da sind!", murmelte Snape leise, wobei Harry fast sicher war, dass er nicht mit ihm sprach, sondern mit sich selbst sprach. Abrupt ließ der Professor jetzt den Gryffindor los und erhob sich, Harry einen Moment lang musternd, bevor er erneut sprach:

„Komm, Potter, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit und ich möchte noch vor Morgen früh Zuhause ankommen."

„Zuhause? Was meinen Sie damit?", fragte Harry leise und verwirrt, während sie sich in Bewegung setzten. Einen Augenblick lang sah es so aus, als würde der Slytherin nicht antworten, dann schnarrte er:

„Was glaubst du denn? Dass ich mit dir heute Abend noch von England nach Schottland appariere? Und das auch noch, so dreckig wie du im Moment bist? Nein, Danke. Wir werden heute Nacht bei mir Zuhause Halt machen."

Harry starrte ihn an, auch wenn er den Teil mit dem Apparieren nicht ganz verstand.

Der Professor nahm ihn mit zu sich nach Hause? Und hatte er nicht etwas von Bad gesagt? Hoffentlich kein kaltes….

Energisch schritt Severus mit Harry im Schlepptau zum Ende der Gasse, dann drehte er sich um.

Er hätte Potter zwar lieber beim Schulleiter oder bei Poppy abgeliefert, aber er würde einen Teufel tun und quer durch Großbritannien mit dem Jungen reisen. Vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass er ihn für das Apparieren über so eine große Distanz auf den Arm nehmen müsste.

„Potter, beeil dich und dann nimm meine Hand und lass sie nicht los bis ich es dir sage", forderte der Professor barsch und ließ in Harry die Frage aufkommen, was der Grund für diesen Befehl war.

„Na wird's bald!" Harry griff zögernd zu und schon im nächsten Moment spürte er eine Empfindung, die niemals wieder erfahren wollte. Besonders dann nicht, wenn er drei Tage lang nichts gegessen hatte. Es fühlte sich an als würde er durch eine Mangel gedreht, während um ihn herum völlige Schwärze herrschte!

Es verging nach einigen zähen Momenten, woraufhin Snapes schnarrende Stimme erneut an sein Ohr drang.

„Hättest du die Freundlichkeit jetzt wieder loszulassen?"

Doch Harry konnte nicht. Er wusste, wenn er das tat, dann würde er einfach umfallen. So schüttelte er nur kläglich den Kopf und wartete darauf, dass die Welt aufhörte sich zu drehen.

Er hörte noch, dass Snape irgendetwas wenig Freundliches murmelte, dann wurde er hinter dem Professor hergezogen, anscheinend zum Haus. Wie ferngesteuert stolperte er neben dem Slytherin her, unterbewusst wahrnehmend, dass Snape immer noch seine Hand hielt, obwohl es sicherlich ein Leichtes für ihn gewesen wäre, sie Harrys schwachem Griff zu entreißen.

In der Küche angekommen, ließ er Potter los, fasste ihn mit beiden Händen unter den Achseln, bevor er umfallen konnte und hob das schmächtige, leichenblasse Kind auf einen Stuhl.

Er hätte wissen sollen, dass Apparieren Potter gerade jetzt nicht gut bekam, doch wie immer hatte er in seinem Fall genau zur falschen Zeit nicht nachgedacht. Jetzt rauschte Severus zur Spüle, nahm ein Glas, füllte es mit Leitungswasser und begab sich dann schleunigst wieder zu seinem Schüler.

Harry öffnete die zusammengekniffenen Augen abrupt, als ein Glas gegen seine Lippen gehalten wurde.

„Trink, Potter", sagte Snape und zum ersten Mal klang seine Stimme annähernd neutral. Harry tat wie geheißen, begierig nach drei Tagen endlich wieder etwas zu trinken.

„Nicht so schnell, Junge, sonst behältst du es nicht lange bei dir."

Der durstige Gryffindor nahm die Ermahnung nur unterschwellig wahr, verlangsamte jedoch sein Tempo. Es dauerte danach einige Minuten, doch schließlich konnte Harry wieder klarer sehen und das Schwindelgefühl war weitestgehend verschwunden.

„Danke, Sir." Zu seiner Beschämung klang seine Stimme genauso zittrig wie er sich fühlte.

Snape gab nur einen brummenden Laut von sich, was wohl Zustimmung ausdrücken sollte.

„Wie lange hast du nichts gegessen oder getrunken?", fragte er einen Moment später völlig unvermittelt. Der 11-Jährige senkte den Blick und sprach leise. Es war ihm unendlich peinlich.

„Seit drei Tagen." Ein Seufzen vom Älteren, dass er nur hörte und nicht sah, dann:

„Sieh mich an, wenn du mit mir sprichst und sprich lauter, wenn es innerhalb deiner Möglichkeiten liegt."

Kam es Harry nur so vor oder hatte im letzten Teil des Satzes mehr Ernst als Sarkasmus mitgeschwungen? Er sah schließlich hinauf zu den pechschwarzen Augen und wiederholte den Satz etwas lauter. Snape nickte jetzt.

„Nun gut, erst ein Bad, dann essen und dann zu deinen Verletzungen", stellte er knapp fest und bedeutete Harry dann mit einer ungeduldigen Geste ihm zu folgen.