Meine erste ernsthafte Peace Maker FF. Warnung: Spoiler für Kurogane und die ganze Suzu-Handlung.
Ich wurde darauf hingewiesen, dass die Erklärungen bezüglich der Geisha-Tradition in dieser FF historisch nicht korrekt sind (danke an Hisietari von Mexx). Da ich es nicht mehr ändern kann, ohne dass die FF ihren Sinn verliert, werde ich sie so belassen, aber ich entschuldige mich hierfür bei allen Lesern.
Danna - jap. reicher Gönner einer Geisha
Danna - I
Die lackierte Oberfläche des Schädels fing das Licht der untergehenden Sonne ein. Die schwarzen Knochen schimmerten wie Öl.
„Menschen sind töricht." Lange Finger krochen über die glatte Wölbung der Stirn, schienen sie zu liebkosen. „Es ist gar nicht nötig sie zu töten. Einander fügen sie viel größeren Schaden zu, als ein Einzelner es je könnte."
Das Lächeln war ein Spiegelbild des Totengrinsens; vielleicht sogar noch leerer.
„Aber ich bin ihnen gern dabei behilflich."
Der Tote schwieg.
„Ich habe ein Geschenk für dich, Saya!"
Hana streckte dem Mädchen einen kleinen, in Seide eingewickelten Gegenstand entgegen und lächelte erwartungsvoll. „Jetzt nimm schon!"
Zögernd griff Saya danach und ertastete einen schlanken Leib. Noch bevor sie es ausgepackt hatte, wusste sie, worum es sich handelte. Sie tat so, als bewundere sie die fein gearbeitete Haarnadel, und drückte lächelnd Hanas Hand. Diese musterte prüfend ihr Gesicht und seufzte dann ungehalten.
„Ja, ich weiß, ein Geschenk von deiner Freundin ist natürlich nichts wert im Vergleich zu deinem größten Schatz!" Sie deutete auf die Nadel, die Saya immer im Haar trug, Tetsus Geschenk, das ihr mehr bedeutete als alles andere.
Saya schüttelte hastig den Kopf und presste Hanas Geschenk an ihre Brust, aber Hana war nicht wirklich verärgert. Als sie jetzt ihre Freundin ansah, war ihr hübsches Gesicht eher besorgt, ein ungewöhnlicher Ausdruck bei diesem lebhaften Mädchen. „Aber du willst heute doch wohl nicht sein Geschenk tragen, oder?", fragte sie vorsichtig.
Saya erstarrte, ihre Finger verkrampften sich kurz um Hanas Hand, aber dann kehrte auch schon das gewohnte Lächeln zurück, etwas trauriger als sonst, und sie schüttelte leicht den Kopf. Hana biss sich kurz auf die Unterlippe, als sie eine Spur von Verzweiflung in den dunklen Augen sah.
„Keine Sorge", meinte sie dann bemüht heiter. „Ich passe gut darauf auf und gebe sie dir nachher wieder. Und dann feiern wir alle zusammen, ja?"
Saya nickte, konnte aber nicht verhindern, dass Hana das sachte Zittern bemerkte, das durch ihren Körper lief. Impulsiv lehnte sich Hana vor und zog ihre Freundin an sich. Unter dem verhaltenen Zischen seidener Gewänder strich sie ihr behutsam über den schlanken Rücken. Es tat ihr weh, die Freundin so unglücklich zu sehen, aber sie hatte schon immer die Stärkere sein müssen.
„Es ist nicht so schlimm", flüsterte sie in Sayas Ohr. „Aber ich wünschte mir, du hättest keinen Liebsten. Es wäre einfacher so."
Saya gab einen kleinen wimmernden Laut von sich und verbarg ihr Gesicht in Hanas Haar. Es gab so vieles, das sie hätte sagen wollen. Aber vielleicht war es besser, dass sie es nicht konnte. So blieben auch ihre Tränen stumm.
„Ich hab dich lieb, Saya-chan", murmelte Hana und hielt sie mit einer Hand umfasst.
Mit der anderen zog sie die Haarnadel aus Sayas Haar.
Das Haus war groß und stattlich. Scheu spähte Saya hinter den bunten Vorhängen ihrer Sänfte hervor und bestaunte den reichlichen Schmuck an den Torpfosten und die verzierten Lampen. Auch die Kleidung der Diener, die sie über den Hof gehen sah, machte einen sauberen und gepflegten Eindruck. Dies schien tatsächlich das Anwesen eines wohlhabenden Mannes zu sein.
Saya lehnte sich schweren Herzens wieder zurück. Das Gespräch mit der Hausmutter stieg ein weiteres Mal in ihr auf, eine seltsam bittere Erinnerung.
„Du bist wahrlich unter einem glücklichen Stern geboren! So eine hohe Summe für dein Mizuage zu bezahlen… welch unglaublich großzügiger Herr!" Die Frau hatte glücklich gelächelt und Saya gratuliert. „Ich freue mich so sehr für dich, Kind!"
Ja, dachte Saya. Sie musste sich freuen. Bereits in so jungen Jahren einen reichen Gönner, einen Danna, zu finden, war ein unglaubliches Glück. Es würde ihr Leben um vieles einfacher machen. Hana hatte sie offen beneidet. Es war unhöflich und undankbar von ihr, nicht ebenso zu empfinden.
Aber Akesato-san hätte es verstanden.
„Wir sind da, Herrin."
Saya zuckte zusammen, als die Stimme so in ihre Gedanken drang, rief sich jedoch sogleich wieder zur Ordnung. Nun war es soweit. Jetzt musste sie sich als würdige Tochter ihres Hauses erweisen. Kein Gedanke an ihn…
Ruhig erhob sie sich, ordnete ihre Kleider und trat anmutig aus der Sänfte hinaus, während ein Diener die Vorhänge hoch hielt. Die angezündeten Lichter tauchten ihre Gestalt in ein schillerndes Farbenmeer, entfalteten ihre sanfte Schönheit wie die Flügel eines seltenen Schmetterlings.
„Willkommen." Ein Diener des Hauses verneigte sich vor ihr. „Der Herr wartet bereits auf Sie."
Sie erwiderte die Verbeugung und süß erklang das Klingeln der Glöckchen in ihrer kunstvollen Frisur – natürlich Hanas Werk, ebenso wie es ihre Haarnadel war, die Saya an diesem Abend angesteckt hatte, um die hohle Leere derer nicht zu fühlen, die sie nicht tragen durfte.
Noch einmal dachte sie an ihre Freundin, erinnerte sich voller Dankbarkeit an ihren festen Händedruck und an ihr Versprechen.
„Ich werde schon dafür sorgen", hatte diese gesagt, voller Ernst in ihrem kleinen Gesicht. „Tetsu wird nichts erfahren."
Mit festen Schritten folgte Saya dem Diener ins Innere des Hauses.
Tetsu hatte gute Laune.
Nicht nur war es ihm heute gelungen, Sanosuke im Kampf zu besiegen und dafür ein Lob von Hijikata-san zu ergattern – ein gemurmeltes, desinteressiertes Lob zwar, aber immerhin ein Lob, ein unerhörtes Ding an sich! -, er hatte außerdem für den Rest des Tages frei bekommen, da am Abend Beratungen angesetzt waren, zu denen er sowieso keinen Zutritt hatte. Shinpachi hatte ihn natürlich damit aufgezogen, dass er jetzt dem Shimabara wieder einen Besuch abstatten könne, aber Tetsu war inzwischen geübt darin, solche Bemerkungen zu ignorieren.
Denn natürlich hatte Shinpachi Recht – wo sollte Tetsu denn auch sonst seinen freien Abend verbringen?
Zufrieden vor sich hin summend, schlug er den gewohnten Weg zu Sayas Haus ein. Als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, hatte sie irgendwie bedrückt gewirkt, wollte aber nicht auf Tetsus Fragen antworten. Um sie etwas aufzumuntern, hatte Tetsu dieses Mal einen Umweg gemacht und süße Kuchen gekauft, von denen er wusste, dass Saya sie am liebsten aß. Er war sich sicher, dass das ihre Laune wieder heben würde. Und er würde dann vielleicht in den Genuss ihres Shamisen-Spiels kommen – was konnte sich ein Mann mehr wünschen?
In derart angenehme Gedanken versunken, bog Tetsu gewohnheitsmäßig vom gepflasterten Weg ab, der zum Haupteingang des Hauses führte, und kam schließlich bei einer kleinen Tür in einem Nebengebäude an. Er überprüfte noch mal, ob die Kuchen in gutem Zustand waren, spürte zufrieden ihre duftende Wärme, und klopfte dann an.
Es dauerte lange, bis ihm aufgemacht wurde, aber Tetsu wartete, für seine Verhältnisse ungewöhnlich geduldig. Als die Tür endlich beiseite geschoben wurde und Hanas sorgfältig geschminktes Gesicht hinausschaute, grinste er sie breit an.
„Guten Abend!", grüßte er fröhlich. „Ich hab mich heute noch mal davonstehlen können – kannst du Saya holen?"
Vielleicht kam es ihm bloß so vor, aber einen Moment lang schien ein Schatten über Hanas Gesicht zu huschen. Dann jedoch runzelte sie die Stirn und betrachtete ihn kritisch, und es schien doch nur Einbildung gewesen zu sein.
„Das hast du dir so gedacht!", verkündete Hana missbilligend. „Einfach ohne Vorwarnung hier aufzutauchen und nach Saya zu verlangen wie nach einer ordinären Dienstmagd! Ihr Männer seid wirklich unverbesserlich!"
Tetsu hatte zwar keine Ahnung, weshalb sie sich so aufregte, hatte aber schon vor einiger Zeit gelernt, dass es besser war, Frauen ihren Willen zu lassen. Er bemühte sich also um einen reumütigen Gesichtsausdruck, klappte die Hände zusammen und verbeugte sich. „Tut mir leid, Hana-chan, ich hab das nicht so gemeint, ehrlich!" Vorsichtig spähte er zu ihr auf. „Kann ich trotzdem zu Saya?"
Hana stemmte ihre Hände in die Hüften und bedachte ihn mit jenem unheilvollen Blick, der eine merkwürdige Ähnlichkeit mit dem von Hijikata-san zu haben schien – zumindest durchzuckte Tetsu bei beiden derselbe instinktive Reflex, so weit wegzurennen wie ihn seine Beine trugen.
„Es mag dir zwar noch nicht in deinen einfältigen Kopf gekommen sein", fing sie an, „aber Saya hat auch noch andere Pflichten und Aufgaben, als mit dir ihre Zeit zu vertrödeln! Und wenn du dich nicht einmal dazu herablässt dein Erscheinen anzukündigen, muss ich dir leider mitteilen, dass sie für den heutigen Abend bereits eine andere Beschäftigung gefunden hat!"
„Andere… Beschäftigung?" Verwirrt wie ein Kalb starrte Tetsu das Mädchen an. Diese verdrehte theatralisch die Augen.
„Ich weiß, es ist kaum zu glauben, wie kann sie nur!" Sie seufzte, aber aus irgendeinem Grund wurde Tetsu den Eindruck nicht los, dass ihr Benehmen aufgesetzt wirkte. Hartnäckig versuchte er es erneut.
„Aber… irgendwann ist sie doch fertig, oder?", fragte er mutig und zuckte unter einem erneuten empörten Blick zusammen.
„Willst du sie etwa mitten in der Nacht entführen? Schäm dich, Tetsunosuke! Kümmert dich Sayas Ruf denn überhaupt nicht?"
Tetsu überlegte kurz, welche Erwiderung ihn wohl am ehesten zu Saya bringen würde, und entschied schließlich, dass an Hana heute nicht vorbeizukommen war.
„Schon gut", meinte er niedergeschlagen. „Dann gehe ich eben wieder."
Abermals wirkte Hana nicht so zufrieden wie sie es hätte sein müssen; sie benahm sich wirklich seltsam, dachte Tetsu. Aber dann nickte sie bloß und er wusste nicht, wie er hätte fragen sollen. Also verabschiedeten sie sich knapp voneinander und sie zog die Tür hinter sich wieder zu, eine endgültige Absage direkt vor seiner Nase. Tetsu blieb davor stehen und kam sich selbst unglaublich bemitleidenswert vor.
Dann fielen ihm die Kuchen wieder ein. Er fluchte halblaut und wollte schon nochmals klopfen, um Hana zu bitten, das Gebäck an Saya weiterzureichen. Dann entschied er sich jedoch ebenso abrupt wieder dagegen.
Der Himmel war bereits dunkel, die ersten Sterne flackerten wie ein Widerschein der zahllosen Laternen Shimabaras über seinem Kopf. Tetsu rutschte an der Hauswand hinab und streckte die Beine von sich. Dann hatte Saya eben etwas anderes zu tun. Er konnte warten. Auch wenn sie dann nichts mehr zusammen unternehmen würden – zumindest die Kuchen wollte er ihr selbst geben. Und ihr glückliches Lächeln sehen.
Er gab einen Seufzer von sich, legte sich das noch warme Bündel auf den Schoß und schaute den Sternen zu.
„Der Herr wird gleich kommen."
Saya erwiderte die höfliche Verbeugung und blieb allein in dem Zimmer zurück. Um sich selbst abzulenken, betrachtete sie eingehend die kostbare Ausstattung. Auch dieser Raum war voller wertvoller Stoffe, dicker Teppiche, die Saya verstohlen befühlte, um die samtene Oberfläche zu genießen. Lampen brannten und ihr Licht tanzte auf Gold, von irgendwoher kam ein leichter sommerlicher Duft. Nichts in diesem Raum enttäuschte die Erwartungen, die man an das Haus stellen mochte. Aber Saya meinte dennoch, einen bitteren Nachgeschmack zu verspüren, wie einen öligen Belag, der sich in den Falten der golddurchwobenen Pracht eingenistet hatte. Dann sah sie noch einmal hin.
Schwarze Katzen.
Sie waren überall. Felle auf dem Boden, sorgfältig gearbeitete Figuren auf den Schränken, Gemälde an den Wänden. Wohin sie auch immer blickte, überall begegnete sie schrägen gelben Augen, die sie mit ihrem toten Blick durchbohrten. Im flackernden Feuerschein schien der ganze Raum voller schlanker lautloser Schatten zu sein, zuckende Finger, die sich nach ihr reckten. Stimmloses Flüstern…
Unwillkürlich trat Saya einen Schritt zurück und erstarrte sofort wieder. Hinter ihr erklang ein scharfes Zischen. Ihr Herz drohte einen Moment lang auszusetzen. Sie wirbelte herum und fand sich einem weiteren gelbäugigen Starren gegenüber – aber diese Augen schauten sie vorwurfsvoll an, das Licht spielte in den riesigen Pupillen, und ein durchdringendes Miauen bewies Saya, dass sie es hier mit einem echten Tier zu tun hatte und nicht mit einem leblosen Nachbild.
Aufatmend hockte sie sich hin und streckte vorsichtig eine Hand aus, stumm um Verzeihung bittend, dass sie der Katze fast auf ihren Schwanz getreten wäre. Diese betrachtete die angebotene Hand aufmerksam, schnupperte daran, so dass Saya die kitzelnde Berührung der feuchten Nasenspitze spürte, und schien die Entschuldigung anzunehmen. Auffordernd miaute sie erneut und presste ihren kleinen Kopf gegen Sayas Finger. Das Mädchen lachte auf und kraulte das Tier an den zierlichen Ohren.
Ein helles Klingeln erzitterte in der Luft. Saya dachte zuerst, sie hätte sich unvorsichtig bewegt und der Schmuck in ihren Haaren reagiere darauf, aber dann entdeckte sie das winzige Glöckchen am Hals ihrer neuen Freundin. Sie schmunzelte und berührte den Anhänger.
Dann wurde ihr klar, dass der zarte Laut von hinten gekommen war.
„Es freut mich, dass du dich so gut mit ihr verstehst."
Erschrocken und ganz und gar nicht elegant drehte sich Saya herum, stolperte beinahe über den Saum ihres Kimonos und starrte aus geweiteten Augen auf denjenigen, der das Zimmer so unbemerkt betreten hatte. Ihr Herz stotterte, als all die Angst, für einen allzu kurzen Moment vergessen, auf einen Schlag wiederkehrte.
Furchtsam glitt ihr Blick über ein schwarzes samtiges Gewand mit goldenen Ornamenten, eine seltsame Mischung aus westlichem und traditionellem Stil, blieb an dem unverzichtbaren schwarzen Fell hängen, das um entblößte schlanke Schultern geschlungen war, und traf schließlich auf absolut fremde Augen in einem schmerzlich vertrauten Gesicht.
„Es ist lange her." Suzu lächelte und es lief ihr eiskalt über den Rücken. „Wie geht es dir, Saya?"
Mizuage - Nacht der Entjungferung einer Maiko (einer Lerngeisha), die sie zu einer richtigen Geisha macht. Wird sozusagen "versteigert" und gefeiert.
