Der Regen fühlte sich kalt auf James' Haut an, als würden kleine Messerspitzen sich ihren Weg durch die einzelnen Nervenschichten bahnen, um ihm noch einmal extra wehzutun. Dicke Fäden des Eiswassers prasselten auf den rabenschwarzen Haarschopf, der auch durch das Gewicht des Regens nicht plattgedrückt wurde und völlig unpassend zur Situation blieben seine Haare wirr. Der dunkle Himmel wurde von einem gleißenden Blitz erleuchtet, gerade dann, als jemand James einen Schirm über den Kopf hielt und so nur noch die salzigen Tränen ohne Unterlass über seine Wangen liefen. James war froh, dass Lily so gefasst bleiben konnte, während Sirius den Vergleich zu einem heulenden Schlosshund nicht scheuen brauchte, und fasste ein bisschen mechanisch nach der Hand seiner Freundin.

Lily drückte sanft seine Hand und lächelte ihn traurig an. Alles, was sie ihm jetzt hätte sagen können, klang so banal. Was sagte man zu jemandem, der gerade den Vater und somit das letzte Elternteil verloren hatte? Sie wusste es nicht. Ihr fiel nichts Intelligentes ein. Ausgerechnet sie, die in der Schule immer nur Bestleistung brachte, war nun sprachlos. Sie wollte für ihn da sein. Ihm in dieser harten Zeit zur Seite stehen, doch alles, was sie jetzt tun konnte, war seine Hand zu halten, ihm zu zeigen, er war nicht allein. „James, ich...", doch weiter kam sie nicht. Der helle Blitz und der darauf folgende laute Donner, der kein Ende finden wollte, ließen sie kurz zusammen zucken. Sie sah ihn an, wie er da stand und ihm die Tränen über die Wangen liefen. Es brach ihr das Herz. Doch sie musste stark sein. Stark für ihn.

Mit einem lauten Seufzer nahm James Lily den Regenschirm ab. Immerhin war er hier immer noch der Mann. Er schaute kurz über die Schulter und nickte Sirius kurz zu, der verstehend zwinkerte, bevor er die restliche Trauergemeinde davon abhielt, noch mehr Salz in James' Wunde zu streuen.

„Gehen wir ein Stück.", krächzte James Lily zu und legte ihr einen Arm um die Schulter, um sie näher an sich und unter den Schirm zu ziehen.

Am liebsten wäre er heute gar nicht gekommen. Im Moment fühlte es sich noch nicht so schlimm an, wie bei seiner Mutter vor einem guten Jahr. Warum wusste er nicht. Vielleicht kam es ihm auch einfach so vor, aber letztendlich wusste er wenigstens, dass es auch wieder besser werden würde. Und er war ja nicht allein.

„Sirius kümmert sich schon um die.", raunte James, als er Lilys vor Mitleid zerfressenen Gesichtsausdruck sah. „So ein Leichenschmaus ist ziemlich öde und deprimierend."

Lily legte ihm einen Arm um die Taille und kuschelte sich näher an ihn. „Ich bin für dich da James. Immer. Ich hoffe das weißt du."

Als Antwort bekam sie nur ein Nicken von ihrem Freund. Er war nicht wirklich in der Stimmung, sich schon wieder anhören zu müssen, wie Leid es irgendwem tat. Natürlich meinte Lily es nur gut, aber am liebsten würde er eine Weile nicht einmal an seinen Verlust denken müssen…

Sie gingen los. Vorbei an alt aussehenden Grabsteinen, auf den Weg achteten sie dabei kaum. Hier und da mussten sie einigen großen Pfützen ausweichen. „Ich weiß nicht, wie es ist, wenn man einen geliebten Menschen verliert. Ich stelle es mir schrecklich vor.", brach Lily das wieder einkehrende Schweigen. „Es tut mir so leid. Ich weiß einfach nicht, was ich dir sagen kann, um dir ein bisschen von dem Schmerz zu nehmen." Sie hielt kurz an, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken. „Was wirst du jetzt tun?"

James zuckte mit den Schultern und grinste noch ein bisschen verkrampft. „Ist ja nicht so, als würde sich irgendwas großartig ändern.", sagte er betont lässig, vielleicht ein bisschen zu sehr, denn Lily zog die Augenbrauen so fest zusammen, dass man hätte meinen können, sie habe nur eine. „Das Haus wird ein bisschen leerer." Er warf Lily einen Blick aus den Augenwinkeln zu und hoffte auf ein verstehendes Funkeln in den grasgrünen Augen. „Denk mal, Sirius wird sich gern ein Zimmer mit mir teilen.", fügte er heiser hinzu.

Man konnte fast hören, wie es in Lilys Kopf arbeitete, doch das erwartete Funkeln blieb aus. „Wieso sollte sich Sirius ein Zimmer mit dir teilen, wo euch jetzt ein ganzes Haus zur Verfügung steht?"

Rote Flecken bildeten sich auf James' leicht eingefallenen Wangen, als Lily wohl nicht verstehen wollte. Er hatte nicht viel gegessen in den letzten Wochen, der Krieg, sein Vater… Das sah man ihm wahrscheinlich an. Vielleicht konnte Remus ihm etwas gegen die Augenringe empfehlen.

„Na ja… Eigentlich ist es offensichtlich.", seufzte er und lächelte Lily steif an.

Sie hielt abrupt an, lies ihn los und rückte ein Stück von ihm weg. Geschockt riss sie die Augen auf. Sie merkte gar nicht, dass sie eigentlich nicht mehr unter dem Schirm stand und der Regen sie durchnässte. „Du willst mir doch jetzt nicht sagen, dass…" Sie schüttelte den Kopf. „Machst du gerade Schluss mit mir? James warum…? Ich mein, was hab ich getan? War ich vielleicht nur ein Versuchskaninchen? Wolltest du an mir testen, ob du schwul bist, oder nicht?" Tränen traten ihr in die grünen Augen, die jetzt noch heller zu leuchten schienen. Nach all den Jahren, die er hinter ihr her war. Sie genervt hatte. Und jetzt so etwas. Wie konnte sie nur so doof sein. Die Zeichen waren doch eindeutig gewesen. Sie wollte sich abwenden. Einfach nur weg von diesem Ort, diesem Mann, den sie liebte und der ihr gerade das Herz brach. Doch James hielt sie am Handgelenk fest.

„Schwul?", quietschte James und fühlte sich schon an seinen Stimmbruch erinnert. Sich räuspernd, zog er Lily wieder unter den Schirm, was nicht leicht war, so wie sie sich sträubte. „Wie bei Merlins Montagsunterhose kommst du darauf, ich sei schwul oder wolle mit dir Schluss machen?" Herrje, ein mädchenhaftes Beziehungsdrama hatte er heute eigentlich vermeiden wollen, obwohl er wusste, dass Lily gerne mal dazu neigte.

Fragend legte er den Kopf schief und strich Lily eine nasse, dunkelrote Haarsträhne aus dem Gesicht, wobei er versuchte den Blick der grünen Mandelaugen einzufangen, die aber stur über seine Schulter schauten, um sicher irgendeinen unsichtbaren Punkt zu fixieren. James würde nicht nachschauen.

Es war kein unsichtbarer Punkt, den Lily fixierte. Dort lief er, der Grund, warum James gerade mit ihr Schluss machen wollte. Nur langsam drangen seine Worte in ihr Ohr und noch langsamer bildeten sie einen Sinn. Sie drehte leicht den Kopf und sah ihm in die Augen. „Du bist nicht schwul?" Unglaube lag in ihrer Stimme. „Aber du hast doch gesagt, dass Sirius sich ein Zimmer mit dir teilt und der Grund dafür sei offensichtlich." Sie hob fragend eine Augenbraue. Eine Geste, die James so gar nicht an ihr leiden konnte, da sie sich die offensichtlich unbewusst von Schniefelus abgeschaut hatte.

James schüttelte sich, schaute über die Schulter und starrte Sirius wohl einen Moment zu lange an, denn Lily stupste ihn barsch an. „Oi…" Er zuckte mit den Schultern. „Na, wenn du unbedingt willst…", sagte er und grinste bei Lilys entsetztem Blick. „Ich wollte dich eigentlich nur auf die Tatsache aufmerksam machen, dass ich ziemlich viel Platz habe und… Na ja…" Er fuhr sich durch die feuchten Haare. „Du weißt schon…" Im Hinterkopf machte er sich eine Notiz, Lily lieber nie davon zu erzählen, dass Sirius und er sich auch schon ein Zimmer geteilt hatten. Obwohl sie das natürlich wusste… Schlafsaal zählte sicher.

Lily schien immer noch nicht verstanden zu haben oder es lag an James' Stimme. Auch wenn er es versuchte, ganz so fröhlich wie sonst klang er einfach nicht und irgendwie bezweifelte, dass er demnächst wieder so unbeschwert wie früher sein würde. Es wäre schön, nicht alleine in dem großen Haus zu sein, das ihn ständig an seine Eltern erinnern würde. Wenn Lily nicht wollte, könnte er immer noch Sirius fragen. Vielleicht auch Remus. Peter würde sicher nicht wollen. Immerhin hatte er gerade eine Freundin, die ihn sehr beanspruchte.

Auch Lily merkte, dass seine Fröhlichkeit nur aufgesetzt war. Es tat ihr weh ihn so zu sehen. Völlig übermüdet und dünn war er geworden in letzter Zeit. Sie legte ihm zärtlich eine Hand auf die Wange und strich mit dem Daumen leicht über die Haut dicht unter dem Auge. James schmiegte sein Gesicht in die Hand und schloss kurz die Augen. „Worauf willst du hinaus, James?" Ihre Stimme war leise, fast nur ein flüstern.

James atmete tief durch, griff Lilys Hand und knetete sie wohl ein bisschen zu fest in seiner. Merlin, jetzt musste er das auch noch so offen aussprechen?

„Dachte, du hättest vielleicht Interesse dir ein Zimmer mit mir zu teilen.", sagte er mit einem zweideutigen Augenbrauen wackeln und schon wieder schoss Lilys Augenbraue in die Höhe. Scheiße, jetzt benahm er sich hier, wie damals in der Schule, wo er ihr hinterher gepfiffen hatte. „Äh… Ein anderes ist sicher auch frei.", fügte er hinzu.

Sie befreite ihre Hand aus James Griff und schüttelte sie kurz. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. „Du willst, dass ich bei dir einziehe?" Sie wartete nicht einmal auf eine Antwort und fiel ihm gleich um den Hals. Beide hätten fast das Gleichgewicht verloren, doch James schaffte es gerade noch, sie festzuhalten und beide in einen sicheren Stand zu bringen. „Oh James.", quiekte sie etwas zu laut an seinem Ohr, so dass er dachte, er wäre für immer auf dieser Seite taub.

Grinsend klopfte er seiner Freundin auf die Schulter. „Denk mal, das heißt ja.", sagte er und Lily nickte stürmisch. Na, dann wenigstens etwas Gutes an diesem schrecklichen Tag. Nicht nur vom Wetter, das er gerade deutlich spüren konnte, da der Schirm sich einfach verabschiedet hatte.

Nur ein paar Tage später war James vollauf damit beschäftigt Alles, das noch irgendwie kindisch war, aus seinem Zimmer zu entfernen. Keine Ahnung, ob Lily sich ein Zimmer mit ihm teilen wollte, aber reingehen würde sie sicher, sobald sie nach Godric's Hollow gezogen war und dann wollte er seine Comics lieber aus dem Weg geräumt haben.

Sirius half ihm freundlicherweise dabei, während Remus sich unten in der Küche um einen kleinen Imbiss kümmerte. Obwohl… helfen? Sirius musste bei jedem kleinen Ding, das er in die Finger kriegte, dessen gesamte Lebens- oder Entstehungsgeschichte wiederholen. So würden sie nie fertig werden, bevor Lily ihre Sachen anschleppte und Frauen hatten bekanntlich immer viele Sachen. Vielleicht sollte er noch mehr ausmisten…

„Ähm…", meldete Sirius sich zu Wort.

„Auf den Dachboden.", wiederholte James, verdrehte die Augen, als Sirius so tat, als hätte er das noch gewusst und besserwisserisch nickte.

„Ja, aber…" Sirius zückte seinen Zauberstab und richtete ihn auf James, der abwehrend die Hände hob. „Oh, sorry…" Mit einem Schlenker ließ er die Kisten aus dem Zimmer fliegen, achtete dabei natürlich nicht auf das, was draußen sein könnte und zuckte zusammen, als es laut schepperte.

„Haste Moony erwischt, Tatze.", seufzte James, streckte den Kopf aus dem Zimmer und riss die Augen weit auf, als natürlich nicht Remus in dem Kistenwirrwarr auszufinden war, sondern seine geliebte Lily! Dafür würde er Sirius aber gleich… Nein, Lily würde Tatze schon selbst zusammenkeifen können…

„Lily!", quietschte James und trat ein paar Kisten aus dem Weg. „Bist du okay, Schatz?"

Noch bevor Schatz antworten konnte, stürmte Remus die Treppe hoch. „Was ist denn hier los? Lily? Wann bist du denn angekommen?" Er hielt ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Seine Freunde schienen das nicht für nötig zu halten. James starrte immer noch ganz verdattert in den Flur und Sirius konnte sich wohl nicht entscheiden, ob er lieber in Deckung gehen, oder den Stier bei den Hörnern packen sollte. So stand er hinter James, das Kinn auf dessen Schulter gelegt und grinste Lily dümmlich an.

Lily, hochrot im Gesicht, nahm die ihr entgegen gestreckt Hand und lies sich hochziehen. Dabei rutsche Remus auf einem Comic, die in Massen auf dem Boden herum lagen, aus. Beide verloren das Gleichgewicht und fielen hin. Remus Nase vergrub sich zwischen Lilys Brüsten. „Aaaaaaah! GEH RUNTER VON MIR!", kreischte sie jetzt. Remus Kopf machte Lilys dunkelroten Haaren ziemlich Konkurrenz, als er das Gesicht hob und so etwas, wie eine Entschuldigung murmelte. Äußerst bedacht, jetzt bloß keine falsche Bewegung zu machen, erhob sie sich und baute sich vor den beiden Anderen auf. James hatte sichtlich Mühe, sich das Lachen zu verkneifen, doch Sirius versuchte es erst gar nicht. Vorne über gebeugt, hielt er sich den Bauch vor Lachen.

„Ich weiß wirklich nicht, was da so lustig ist, Black.", keifte sie. „Was treibt ihr eigentlich und wie sieht es hier aus? Was aber wohl die wichtigste Frage ist: WIESO erschlagt ihr mich mit einer Kiste voller...", sie hob mit spitzen Fingern eines der Hefte, die schon ziemlich mitgenommen aussahen, auf. „...Comics?" Das letzte Wort klang doch ziemlich überrascht. Sie besah sich das Heft genauer. „Ist das die Erstausgabe von Captain Marvel?"

„Weißt du, Missy…", mischte Sirius sich keuchend ein. „Eigentlich ist die erste Story um Captain Marvel im Whiz Comics #2 zu finden, welches wiederum von James im Keller…" Um den Black'schen Redeschwall zu stoppen schlug James seinem besten Freund die Hand auf den Mund. Er grinste Lily entschuldigend an, als Sirius einfach weiter in seine Hand brabbelte und Remus immer noch hochrot das Chaos beseitigte.

„Hätte auch schlimmer sein können.", murmelte James und deutete auf die Comics, die Lily missbilligend anschaute.

Sirius nutzte seinen wieder freien Mund sofort. „Die Pornos haben…"

„Tatze!" James presste seine Hand so fest auf Sirius' Mund, dass er schon einen Eckzahn in die Hand gerammt bekam. Lily hob skeptisch eine Augenbraue und machte den Mund bereits wieder auf, aber James redete dazwischen. „So… Schönes Wetter heute, was? Was machst du nochmal hier, Lily?"

„Eigentlich wollte ich mal nachsehen, was mein Freund, einen Tag vor meinem Einzug in seinem Haus so treibt." „Und vor allem, mit wem er es treibt! Nicht wahr, Lily-Maus?", warf Sirius ein, wackelte lasziv grinsend mit den Augenbrauen und drückte James einen Kuss auf die Wange.

Seinem Freund mit dem Ellenbogen zwischen die Rippen boxend, rollte James mit den haselnussbraunen Augen und schüttelte resignierend den Kopf. Sirius zuckte kaum merklich mit den Schultern, in dieser „Was denn?"-Manier, Sirius' vorhersehbare Reaktion auf James' stilles „Der war schlecht…". War er aber auch… Tatze wollte Lily nur ein bisschen provozieren, aus was für Gründen auch immer. Immerhin mochte sie Sirius doch, oder? Wenn man James Potter mochte, dann mochte man Sirius Black auch und umgekehrt. Im Grunde waren sie immer noch an der Hüfte zusammen gewachsen und das zum Glück inoperabel.

Lily ignorierte Sirius einfach mal und starrte weiterhin James an. „Bei der Gelegenheit hab ich auch schon mal die ersten Kisten und Koffer mitgebracht." Sie klang pikiert, was ihr auch selbst auffiel und sie hasste sich dafür. Verdammt! Sollte das jetzt immer so sein? Sie liebte James, aber wenn Sirius hier ständig rumhängen würde, wovon sie leider ausgehen musste, dann würde das früher oder später richtig Ärger geben. Der Junge, sie konnte ihn beim besten Willen noch nicht als Mann bezeichnen, brachte sie immer und immer wieder zur Weißglut. So konnte das doch nicht weiter gehen. Irgendwie mussten sie sich doch zusammenraufen können. Für James würden sie das doch hinbekommen.

„Das ist doch toll!", sagte James, wischte Sirius' Arm von seiner Schulter, lehnte sich vor und hauchte Lily einen Kuss auf die Wange. „Hallo, schön, dass du da bist." Lily lächelte ein bisschen verlegen, worauf Sirius schmachtend die Hände faltete.

„You know I love you, I always will!"

„Uh, hör auf zu singen, Tatze." James verzog die Mundwinkel und hielt sich die Ohren zu.

„My mind's made up by the way that I feel…", hörte Sirius natürlich nicht auf ihn, warf Remus einen Arm um die Schulter und zog ihn auf die Treppe zu. „There's no beginning, there'll be no end!"

„Wir gehen kurz Lilys Sachen hochbringen…", krächzte Remus, tätschelte Sirius die Schulter, was der als Anlass nahm, die halbe Nachbarschaft von seinen Sangeskünsten Kenntnis nehmen zu lassen.

„Coz on my love you can depend!"

James zuckte zusammen und schüttelte sich. „Sorry, aber er hat beim Aufräumen ‚The Troggs' gefunden.", raunte er Lily zu, während man Sirius immer wieder „come on and let it show…" singen hören konnte, wieder und wieder. „Er hat den ganzen Morgen ‚Love is all around you' gehört, bis Remus aus Versehen…" James zwinkerte. „…gegen den Plattenspieler gestoßen ist. Ist klar, dass er den Ohrwurm nicht mehr loswird…", seufzte er resignierend.

Lily grinste James an. „Ganz aus Versehen, he?" Sie schob sich an ihm vorbei in sein Zimmer, bahnte sich einen Weg durch das Chaos, welches noch immer im Zimmer herrschte und setzte sich auf das kleine Stück freien Platz auf seinem Bett. „Glaubst du, Sirius wird irgendwann mal noch erwachsen? Und was treibt ihr hier eigentlich?"

James hob eine Augenbraue, schob sich die Brille hoch und lehnte sich an den Türrahmen. „Erwachsen? Er ist doch schon volljährig…", verstand er nicht wirklich, was Lily von ihm wollte und lenkte seiner Meinung nach auch wunderbar davon ab, dass er das Chaos in seinem Zimmer gar nicht mal verschlimmert hatte…

„Komm schon, du weißt genau, dass ich nicht auf das Alter anspiele, James. Sirius ist ein Hitzkopf. Keine Frage, er hat seine witzigen Momente, aber manchmal schießt er einfach über das Ziel hinaus. Er denkt einfach nicht nach. Ganz im Gegensatz zu dir." Sie grinste ihn jetzt frech an. Ihre grünen Augen blitzten schelmisch auf. „Du versucht schon die ganze Zeit, dich um eine Antwort zu drücken. Was treibt ihr hier?" Sie stand auf, ging auf ihn zu und stellte sich dicht vor ihn. Ihre Augen bohrten sich förmlich in seine. Mit der rechten Hand streichelte sie über seinen Oberkörper, bis hinunter zu seinem Bauch und lies sie dann auf der Hüfte liegen. Sie beugte sich noch ein Stück nach vorne. „Willst du es mir nicht endlich verraten, Schatz?", flüsterte sie an seinem Ohr.

James wischte sich über die von Lilys Atem beschlagene Brille und öffnete gerade den Mund, als er von hinten geschupst wurde. Er stolperte nach vorne und konnte geradeso eben von Sirius gehalten werden, während Lily mit weit aufgerissenen Augen auf dem Boden in einem Stapel alter Tagespropheten landete. Die Beine angezogen und sich auf den Hände abstützend blinzelte sie perplex, während James in den Schwitzkasten genommen wurde.

„Oi, sorry!" Sirius zog James mit runter, als er sich vorbeugte und Lily aufhelfen wollte, aber dieses Mal selbst zur Seite geschupst wurde.

„Mach es nicht noch schlimmer, Sirius.", seufzte Remus und hielt Lily die Hand hin.

„Als ob ich immer Alles verschlimmern würde.", schmollte Sirius und zog James mit der Begründung „Essen fertig" weg.

Lily griff nach der ausgestreckten Hand und lies sich von Remus aufhelfen. „Danke.", meinte sie nur und lächelte den Werwolf an.

Remus sah verlegen zu Boden. „Du, Lily… wegen vorhin…"

„Das ist schon okay, Remus. War ja nicht deine Schuld und es ist ja auch nix passiert. Hast du vielleicht eine Minute für mich?"

Er hob den Kopf und blickte sie an. „Für dich doch immer."

Lily riskierte einen Blick auf den Flur, um sicher zu gehen, dass die beiden Anderen auch wirklich außer Hörweite waren. „Ich muss dich mal was fragen. So als mein Freund und ein Freund von James. Glaubst du, ich tu das Richtige?"

„Wie meinst du das?", fragte er irritiert.

„Na mit dem Einzug hier. Ich hab so leichte Zweifel, weißt du?" Remus wollte ihr ins Wort fallen, doch sie hob die Hand und er schwieg erst mal. „Ich liebe James. Da bin ich mir absolut sicher, aber ist es richtig, dass wir zusammen wohnen? Am Ende geht es doch schief und ich sitze auf der Straße."

„Hast du mit James darüber schon einmal gesprochen?"

Lily sah bedrückt zu Boden. „Nein. Er hat so viele andere Sachen im Kopf. Der Tod seines Vaters, der Krieg und jetzt mein Einzug. Das geht doch irgendwie ein bisschen schnell. Findest du nicht?"

Remus schüttelte den Kopf. „Lily, James ist in dich schon so viele Jahre verknallt. Er hat nie auch nur ein einziges anderes Mädchen angesehen. Für ihn gab es immer nur dich. Keiner hat mehr dran geglaubt, dass du ihn irgendwann einmal erhören würdest. Für uns, seine Freunde und für James, geht das hier gar nicht schnell. Wir reden da schon seit Jahren von. Wenn du aber Zweifel hast, dann solltest du mit James reden."

Lily schob mit dem Fuß eine Seite des Tagespropheten hin und her. Dabei kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. „Da ist noch etwas, was mir Angst macht."

„Was denn?", fragte Remus, nachdem Lily keine Anstalten machte, weiter zu reden.

„Wir sind noch nicht…du weißt schon…", druckste sie jetzt herum.

„Ich fürchte, du musst deutlicher werden."

„Wir hatten noch keinen…Sex." Das letzte Wort hatte sie so leise gesprochen, dass Remus es nur verstanden hatte, weil er gerade auf ihren Mund geschaut hatte. „Glaubst du, James erwartet, jetzt wo ich hier einziehen werde, dass wir…" Sie wurde rot im Gesicht.

„Ich denke, er wird dir alle Zeit der Welt lassen, wenn du ihm sagst, dass du noch nicht so weit bist. Er lässt dir sogar die Wahl, ob du bei ihm im Zimmer schlafen möchtest, oder doch lieber dein eigenes Reich hättest. Mach dir da mal keine Sorgen. Und Sirius ist ja auch noch hier."

Sie sah wieder auf. „Das ist auch noch so ein Punkt. Manchmal denke ich, dass Sirius mich nicht leiden kann."

„Quatsch, wie kommst du nur darauf?" Remus musste schmunzeln.

„Ich weiß auch nicht. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Sirius eifersüchtig auf mich ist. Vielleicht denkt er ja, ich wolle ihm James ausspannen. Dabei liegt mir nichts ferner. Und er macht es mir manchmal auch verdammt schwer, in ihre kleine, verschworene Gemeinschaft hinein zukommen."

„Das siehst du falsch, Lily. James und Sirius sind wie Brüder. Die Beiden verstehen sich blind. Selbst Wurmschwanz und ich haben da manchmal unsere Probleme, aber Sie würden dich nie absichtlich ausschließen. Zugegeben, Sirius Scherze sind manchmal etwas derb, aber er meint es nicht so. Nimm seine Sprüche mit einem Lächeln hin, lass dich nicht provozieren und gib ihm doch einfach ne passende Antwort zurück. Sirius ist nicht viel anders, als James. Und jetzt sollten wir mal nach unten gehen, bevor die Beiden noch einen Suchtrupp hinter uns her schicken." Er lächelte Lily an und die lächelte zurück.

„Nochmal danke, Remus. Du hast Recht, lass uns essen gehen."

„Moony hat Pasta gemacht."

James schaute noch einmal zurück, wo er Lilys Stimme, die ein bisschen höher als sonst klang, hören konnte. „Sirius? Machst du das mit Absicht?", fragte er seinen besten Freund der ihn daraufhin losließ.

„Was?", fragte er und schüttelte verwirrt den Kopf.

„Na ja, kommt mir fast so vor, als würdest du sie nicht mögen.", meinte James und setzte sich an den Küchentisch. Sirius setzte sich gleich neben ihn und klopfte auf der Tischplatte herum. Remus und Lily ließen sich wohl noch etwas Zeit.

„Nah.", winkte Sirius ab. „Ich dachte nur, dass das vielleicht Alles ein bisschen schnell geht, ne? Ich mein, vor ein paar Monaten hat sie dich noch nicht ausstehen können und jetzt kommt sie mit ihrer Spitzenunterwäsche hier an."

„Du weißt schon, das… Moment!" James' Augen weiteten sich. „Hast du in ihrer Unterwäsche rumgewühlt?"

Sirius winkte ab. „Nichts, was ich nicht kennen würde. Außerdem ist Moony das Köfferchen…" Er rollte mit den Augen. „…umgefallen.", sagte er Schultern zuckend. „Ich hab nichts gegen Lily, höchstens gegen ihre Stimmungsschwankungen."

Sich die Lippen befeuchtend legte James nachdenklich den Kopf schief. „Meinst du, sie überlegt sich das mit uns nochmal anders?", wollte er wissen und Sirius schüttelte schnell den Kopf.

„Krönchen, wenn sie jetzt schon, ich mein, so früh, hier einzieht, dann… Na ja.", druckste er herum.

James nickte verstehend. Jeder andere würde nachfragen. „Jaah, ganz oder gar nicht sag ich immer."

„Ganz meine Meinung.", stimmte Sirius zu.

„Hast du eben nicht…", fing James an, als Lily und Remus sich endlich herunter bequemten. James beäugte die Beiden kurz misstrauisch. Seiner Meinung nach hatte das ein bisschen zu lange gedauert. „Ey, Lily?" Er grinste Sirius kurz an. „Ganz oder gar nicht. Wenn du hier schon einziehst, dann können wir ja gleich heiraten, was?"

Lily fing an zu kichern. „Ja klar, James. Heiraten." Aus dem Kichern wurde ein Lachen. Remus, der hinter Lily die Küche betreten hatte, sah seinen Freund irritiert an. „Dann hätte ich ja keine Chance mehr, eine heiße Affäre mit Blacky zu führen." Sie stellte sich hinter Sirius, sah auf ihn herab und wuschelte ihm kurz durchs Haar. „Was hältst du davon, mein Hübscher?"

James kniff die Augen zusammen. Manchmal dachte er wirklich, Lily machte das mit Absicht, Sirius so einen reinzuwürgen. Jedenfalls war sie damit gerade dermaßen ins Fettnäpfchen getreten und dabei hatte er das mit dem Antrag eigentlich ziemlich ernst gemeint. Er liebte Lily, das schon eine Ewigkeit und wollte Nägel mit Köpfen machen, bevor sie es sich noch einmal anders überlegte und ihn wieder hasste, oder so…

Und Lily? Machte sich über Sirius lustig, ausgerechnet auf die Art und Weise, die Tatze gar nicht komisch fand. Und das sollte schon was heißen. Immerhin fand er es sogar zum Brüllen, fast von der Schule zu fliegen!

„Moony!", quengelte Sirius und streckte an Lily vorbei die Hände aus. „Lily soll weggehen!" Remus seufzte und streckte die Hand aus um Sirius' zu tätscheln. „Und ich will Pasta…"

„Oi, Lily…" James grinste seiner bald-Verlobten, das gab er so schnell nicht auf, zu. „Wie kannst du es wagen, die Black'sche Haarpracht zu berühren? Normalerweise müsstest du jetzt fünf Galleonen in die Haushaltskasse tun, aber weil du neu bist…"

„Werden es acht.", raunte Sirius mit dunkler Stimme und stand auf. „Es klingelt." Damit marschierte er aus der Küche, hatte entweder großes Glück, das es wirklich klingelte oder entwickelte enorme Fähigkeiten im Hellsehen.

Lily warf Remus einen ‚Ich-hab-es-dir-doch-gesagt'-Blick zu, den der mit einem ‚Red-dir-nix-ein'-Blick quitierte. James beobachtete den Blickwechsel mit wachsendem Misstrauen. „Ich werde dir das Geld für die Haushaltskasse später geben.", wandte sie sich jetzt grinsend an James.

Sie folgte Remus zum Herd und half diesem dabei, die Teller mit Essen zu füllen. „Das hast du ganz alleine gekocht, Remus?", fragte sie. Der bekam einen leichten rosa Schimmer um die Nase und nickte. „Sieht jedenfalls genießbarer aus, als so mancher Zaubertrank, den wir zusammen gebraut haben." „Vielen Dank, Lily.", gab er jetzt ebenfalls grinsend zurück und knuffte sie kurz in den Arm. Gemeinsam brachten sie Teller und Besteck zum Tisch, als Sirius wieder rein kam, dicht gefolgt von Peter.

„Wotcha!" Sirius schob den pummeligen Kerl durch den Türrahmen und hob Peters Arm um dem Rest der Mannschaft zu winken. „Schaut's wer da ist. Der Quotendicke."

James grinste wieder und hörte auf Remus still und heimlich kleine Blitze aus haselnussbraunen Augen entgegenzuschleudern. „Das…"

„Das war aber nicht nett, Sirius…", redete Remus ihm dazwischen. James atmete tief durch und stocherte in seinen Nudeln herum, während Sirius sich wieder neben ihn setzte.

„Wir haben nen Stuhl zu wenig…" Sirius kratzte sich verwirrt am Schädel.

„Häh?", machte James verwirrt. „Aber wir essen immer zu viert und… Oh!" Er schaute zu Lily und fuhr sich durch die Haare. „Ja, da haben wir jetzt aber ein Problem."

Ziemlich verloren stand Peter in der Küche und starrte auf seinen Platz, wo jetzt Lily saß und sich wohl auch nicht wegbewegen wollte.

„Ist schon okay…", piepste der Dickste und wollte wohl wieder verschwinden, aber Sirius packte ihn am Umhangsaum.

„Hiergeblieben." Er zog solange an Peter bis, der auf Sirius' Schoß landete. „Ist das nicht goldig?", grinste Sirius, legte einen Arm um die Wampe und kuschelte sich an den dicken Rücken. „Nun iss, sonst fällst du Mama noch vom Fleisch."

Sich eine Hand auf den Mund pressend um das Lachen zu unterdrücken, lehnte James sich zurück und bedachte sein Essen nicht einmal mehr mit einem kleinen Blick, was Remus aber nicht zu stören schien.

„Das ist doch albern.", meinte Lily, holte ihren Zauberstab raus und malte damit einen Stuhl in die Luft, der auch sofort erschien und sanft am Tischende nieder schwebte. „So, Peter. Bitteschön." Der piepte so was, wie ein Dankeschön, rutschte von Sirius Schoß und lies sich auf dem neuen Stuhl nieder.

„Ich geh mal davon aus...", fing Remus an. „...dass du auch etwas Pasta möchtest.", beendete Lily den Satz und sprang zeitgleich mit Remus auf. Beide starrten sich kurz an, bevor sie in schallendes Gelächter ausbrachen.

Sich genauso wie Sirius fragend, was daran jetzt so unheimlich witzig war, zuckte James mit den Schultern, wurde kurz darauf an selbiger gepackt und von Sirius rüber gezogen.

„Wenn sie so ne Spielverderberin bleibt, zieh ich wieder aus.", raunte er seinem besten Freund ins Ohr, ließ ihn wieder los und schlürfte seine Nudeln.

Seufzend verschränkte James die Arme vor der Brust und lehnte sich zurück. Na, das konnte ja was werden…