Emerald Dragon
By Kendra Black
Maison des Désirs…das Haus der Wünsche.
Das Bordell für die Reichen und die High Society der europäischen Magischen Welt. Von hochrangigen Mitarbeitern des Ministeriums über ausländische Diplomaten und Aristokraten bis hin zu Todessern des Inneren Kreises konnte man hier jeden, der bereit war mehrere hundert Galleonen zu zahlen, finden. Hinter der eleganten Fassade eines der Häuser in der kostspieligsten Straße des magischen Londons, der Marble Avenue, betrat man einen Palast der Dekadenz und Lust, aber auch einen Ort der Entspannung und eine Zuflucht für ein paar Stunden.
Das war es zumindest, was Lucius ihm über diesen Ort erzählt hatte. Immer öfter wurde Severus von dem Anderen darauf hingewiesen, dass er ein ungeselliger, äußerst schlecht gelaunter und furchtbar angespannter Bastard sei. Der blonde Aristokrat und Todesser war der Meinung Severus würde etwas Entspannung und guten Sex brauchen. Die Antwort des schwarzhaarigen Mannes war lediglich eine gehobene Augenbraue gewesen, jedoch hatte er das Stück Pergament mit der Adresse in den Tiefen seiner Robe verschwinden lassen.
Er wusste ja selbst, dass seine Gesamtsituation, die nun schon seit über zwanzig Jahren wirklich schlecht war, langsam ihren Tribut forderte. Severus war an sich kein allzu sozialer, oder Merlin bewahre NETTER, Mensch, aber mit der Zeit bemerkte selbst er, dass er sich immer mehr veränderte, und zwar nicht gerade zum Positiven.
Noch einmal tief durchatmend überquerte Severus die beinahe verlassene Straße, es war bereits nach 11 Uhr, und betrat das luxuriöse Foyer. Mit entschlossenem Schritt ging er auf die hinter der aus poliertem Holz bestehenden Rezeption sitzende Empfangsdame zu.
„Guten Abend, Madam.", grüßte er sie mit ruhiger Stimme, die nichts von seiner Nervosität zeigte.
Die Frau mittleren Alters antwortete mit einem freundlichen Lächeln, das Severus doch etwas beruhigte. „Guten Abend, Sir. Willkommen im Maison des Désires. Ich bin Joana, die Inhaberin diese Etablissements. Soweit ich weiß, sind sie zum ersten Mal hier und deswegen werde ich ihnen einfach ein paar Fragen stellen damit wir herausfinden, was genau sie sich wünschen."
Severus entspannte sich merklich als sich die Situation als nicht so unangenehm wie erwartet herausstellte und nickte zur Zustimmung. Die Inhaberin mit den langen blonden Haaren, den vereinzelten Lachfalten um die kornblumenblauen Augen und der kräftigen Figur war äußerst professionell und Severus hatte eher das Gefühl in einem teuren Hotel anzukommen als in einem Bordell. Nun gut, hier verkehrten ja auch die oberen zehn tausend des magischen Europas.
„Also, dann fangen wir ganz einfach an. Bevorzugen sie männliche oder weibliche Gesellschaft?"
Ohne nachzudenken antwortete er, „Männlich". Erst als er geantwortet hatte registrierte sein Gehirn wirklich, was er da gesagt hatte und er verlor den Rest seiner so schon spärlich vorhandenen Gesichtsfarbe. Homosexualität war in der magischen Welt kein Problem, mit Hilfe von Zaubertränken konnte jedes gleichgeschlechtliche Paar Kinder zeugen, aber in den Kreisen in denen Severus aufgewachsen war und seit vielen Jahren gezwungen war zu verkehren wurden derartige Neigungen mit Abscheu betrachtet. Er hatte schon als Teenager gelernt, dass seine Vorlieben am besten unentdeckt blieben. Demzufolge hatte er nur ein paar Erfahrungen mit Frauen gemacht und versucht sein Verlangen und die Sehnsucht nach dem eigenen Geschlecht gänzlich zu vergessen. Natürlich gelang es ihm nicht und nun schien sein Unterbewusstsein der Meinung zu sein, er solle damit aufhören. Ganz toll. Genau das hatte ihm gerade noch gefehlt.
Joana schien zu ahnen, was ihm durch den Kopf ging und versicherte ihm mit ruhiger Stimme und einem Blick voller Verständnis, „ Keine Sorge, Sir, über dem gesamten Gebäude liegen Geheimnis- und Sicherheitszauber. Niemand der sie hier sieht, kann außerhalb des Maison darüber sprechen. Allen Kunden sowie meinen Mitarbeitern ist Geheimhaltung sehr wichtig. Also jemand männliches. Bevorzugen sie Top, Bottom oder ist es ihnen egal?"
„Das ist egal.", antwortete Severus, da er keinerlei Erfahrung hatte schien ihm das die sicherste Antwort zu sein.
„In Ordnung. Kommen wir zu dem, was genau sie möchten. Denken sie darüber nach, was sie suchen, wonach sie verlangen."
Severus sah sie etwas perplex an und versuchte seine Gefühle in Worte zu fassen. Bei Morgana, darin war er wirklich nicht gut. Joana schien sein Problem erneut zu erkennen. „Sir, wenn sie mir erlauben würden ihnen einen Tipp zu geben?", auf Severus Nicken hin sprach sie weiter, „ Sollte das ihre erste Erfahrung mit dem eigenen Geschlecht sein, dann würde ich sie zu jemandem schicken, der vielseitig ist, besonders verständnisvoll und der ihnen Hilft herauszufinden, was genau sie bevorzugen."
Severus gab der Frau ein etwas erleichtertes Nicken und antwortete. „Das würde ich sehr begrüßen, Madam Joana."
„Na also. Lassen sie mich kurz nachsehen, wer im Moment frei ist und für den Rest der Nacht keine bereits gebuchten Termine hat." Damit wandte sie sich einem Regal voller faustgroßer Kristallkugeln zu, die in verschiedenen Farben leuchteten und mit Namen versehen waren. Nach ein paar Sekunden sah sie noch auf eine große Pergamentrolle und wandte sich schließlich wieder Severus zu.
„Emerald wäre für sie frei, Sir. Er ist der Beste meiner männlichen Mitarbeiter und sie werden sich bei ihm sehr wohl fühlen. Die Bezahlung besprechen sie bitte mit ihm, das Grundhonorar für ihn liegt bei 110 Galleonen. Nehmen sie die rechte Treppe bis in den fünften Stock, die Türen sind alle mit Namen versehen. Ich wünsche ihnen einen angenehmen Aufenthalt im Maison des Désires.", erklärte Joana mit einem leichten Lächeln und deutete auf eine elegant geschwungene Marmortreppe rechts neben dem Empfangstresen.
„Danke, Madam.", erwiderte Severus lediglich und machte sich auf den Weg durch die ebenfalls äußerst geschmackvoll eingerichteten Flure in die letzte Etage. Ganz oben angekommen schien sich die Magie des Gebäudes noch einmal zu verändern und Severus erkannte, dass das ohnehin schon imposante Stadthaus wohl noch stark magisch vergrößert worden war. Nun gut, wahrscheinlich lebten einige der Mitarbeiter hier.
Severus ging langsam den Gang entlang um die Namen auf den unterschiedlich bemalten Türen lesen zu können. Black Fire…Silver…Frost…Luke…Adam…Caspar…Raven…und schließlich stand Severus vor einer schwarz lackierten Tür die ein atemberaubender Drache in den verschiedensten Grüntönen zierte. Neben der Tür konnte man auf einem silbernen Schild „Emerald" lesen.
Zögerlich legte Severus seine Hand auf die Türklinke. Tat er wirklich das Richtige? Er wusste, trotz seiner Erziehung und den Kreisen, in denen er gezwungen war sich so oft zu bewegen, dass nichts Falsches an seinem Verlangen war, aber die vielen Jahre der Unterdrückung hatten doch ein paar Spuren hinterlassen. Letztendlich straffte er seine Schultern, atmete noch einmal tief durch und klopfte an. Als die Tür sich durch Magie öffnete wurde er das seltsame Gefühl nicht los, dass sich wieder etwas grundlegend verändern würde. Nicht nur, weil er endlich seinem Verlangen nachgeben würde. Nein, es war die gleiche Vorahnung, die er gefühlt hatte als er mit 10 Jahren das erste Mal die auf den Dachboden verbannten Bücher seiner Großeltern gelesen hatte. Die Eltern seines Vaters, die vor über 35 Jahren auf mysteriöse Weise von einem Tag auf den anderen verschwanden. Gwendolin und Nathaniel, die die jahrhundertealten magischen Traditionen und Gedanken ihrer Welt gelebt hatten und damit nicht in das fanatische und rassistische Weltbild seiner Eltern und deren Freunde passten.
Die seltsamen Gedanken beiseite schiebend trat Severus schließlich ein.
Jahre später würde er sich daran erinnern, wie richtig seine Vorahnung doch gewesen war.
