Autor: Velence
Titel: Die kaputte Schallplatte ist mein
Inhalt: [2014 Castiel/2014 Dean, 2014 Castiel/2009 Dean] Dean, der von Zachariah in die Zukunft geschickt wurde, um zu sehen, was sein Nein zu Michael anrichtet, stiftet reichlich Unruhe zwischen Dean und Castiel aus 2014 mit ihm mittendrin.
Spoiler: 5.04 The End (Endspiel)
Disclaimer: Alle in dieser Story verwendeten Charaktere und Grundkonzepte sind Eigentum der jeweiligen Rechteinhaber. Sie werden einzig und allein zu Unterhaltungszwecken genutzt. Eine Copyright-Verletzung ist weder beabsichtigt noch impliziert.
Hauptcharakter(e)/Paar(e): 2014 Castiel/2014 Dean, 2014 Castiel/2009 Dean, Risa/2014 Dean, Chuck, Luzifer
Die kaputte Schallplatte ist mein
Kapitel 1 ~ Bessere Zeiten„Du bist also ein Mensch. Willkommen im Club." Dean drehte das Pillenröhrchen in seiner Hand, bevor er es in die Autoablage vor sich legte.
„Danke", sagte Cas, „Allerdings gehörte ich mal einem viel besseren Club an. Und jetzt bin ich machtlos. Ich bin glücklos, ich bin hoffnungslos. Ich meine, warum zur Hölle sollte ich mich nicht in Frauen und Dekadenz ertränken, richtig? Es ist das Ende, Baby. Dafür gibt es Dekadenz. Warum sollte ich nicht auf den Putz hauen, bevor die Lichter ausgehen? Das war's dann, so funktioniere ich."
Dean erwiderte nichts. Vor einer Minute hatte Cas noch schallend gelacht, seinen Kopf in den Nacken geworfen und sich mit Amphetaminen für das große Finale aufgepusht. Und nun das traurige Geständnis.
Der zukünftige Dean hatte den Colt organisiert und war mit seiner Truppe nach Detroit aufgebrochen, um Luzifer zu töten. Dean hatte sein Alter Ego mit Arschloch tituliert. Er konnte ihn nicht ausstehen – was auf Gegenseitigkeit beruhte, sonst hätte er ihn wohl kaum bei ihrer ersten Begegnung gefesselt zurückgelassen. Eiskalt und aggressiv, ein richtiger Sack. Wer war der Kerl?
Cas hatte ihn beißend ihren furchtlosen Führer genannt.
Die letzten fünf Jahre hatten den Engel – Ex-Engel – ganz offensichtlich geändert. Nicht nur Sarkasmus gehörte jetzt auf seinen Spielplan, sondern auch Orgien und Drogen. Sein Kleidungsstil erinnerte an eine Mischung aus Deans Sachen und denen eines Hippies. Mit dem Bart und den Haaren in der Stirn, dem zugekifften Lachen wirkte er wie Castiels böser Zwillingsbruder. Sein Alter Ego aus dem Spiegeluniversum. Wie Benders Pendant Flexo.
Mit Besorgnis sah Dean zu seinem Fahrer hinüber. Er war weder ungeduldig noch moralisierend gegenüber seinem Freund, der sich dermaßen verändert hatte. „Klingt nach mir, als ich wusste, dass ich nach meinem Deal zur Hölle fahren würde." Er wusste, wovon er redete; von dem Spaß, den er gesucht hatte, bis zur Dekadenz, die zu einer betäubenden Droge gegen den Schmerz des Scheiterns und den Schleier über die Wahrheit wurde. Dean war es nicht entgangen, dass der menschliche Cas eine extreme Version seines damaligen Selbsts war.
„Was ist mit deinem Trenchcoat passiert?", versuchte er die unangenehme Stille zu brechen.
„Secondhand-Shop. Ich hatte genug, immer das gleiche zu tragen", log Cas.
Er hatte den Trenchcoat bis zum letzten Tag getragen, an dem er buchstäblich auseinander gefallen war. Blutverschmiert, verdreckt und zerschlissen.
„Also hat Sam Ja gesagt. Luzifer trägt ihn zum Abschlussball...", wechselte Dean die Richtung.
„So sieht es aus."
„Was ist passiert?"
„Ich weiß es nicht. Ich habe Sam nicht mehr gesehen, seitdem ihr getrennte Wege gegangen seid."
„Friggin' Bizarro World."
„Nicht mal Batman könnte da etwas ausrichten", fügte Cas hinzu und grinste breit.
„Nicht mal das Dynamic Duo." Dean lächelte. Cas und Batman. Cas und Popkultur! Aber er wurde schnell wieder ernst. „Ich schätze, du hast Gott nicht gefunden. Und die anderen Engel sind einfach abgehauen wie eine feige Affenbange?"
„Michael hat es versucht." Cas neigte den Kopf. „Und versagt."
Dean schüttelte den Kopf. „Ich wusste es, alles Arschlöcher, die ihren Schwanz einziehen, wenn's ernst wird. Sie haben die verdammte Apokalypse zugelassen! Nach allem – ist das nicht auch deren Chaos? Die Penner wollten die verdammte Apokalypse, – et voilá – jetzt haben sie sie!" Er musterte Cas nachdenklich. „Denkst du, ich hätte Michaels idiotisches Kondom werden sollen?"
„Es war deine Entscheidung."
„Das war nicht meine Frage."
„Dean, ich vertraue und folge dir."
„Arschloch-Dean?!" Dean schnaubte.
„Sam und du, ihr habt euch gegenseitig aufrecht erhalten, einander gestärkt. Ich weiß nicht, warum Sam Ja gesagt hat, aber Luzifer hat seine Methoden – und du warst nicht da, nicht an Sams Seite, um ihm beizustehen", entgegnete Cas überzeugt. Der einstige Engel sah zu ihm hinüber. Sein Lächeln war ein wenig kleiner, natürlicher geworden, fast zerstreut.
Dean antwortete darauf nicht, auch wenn die Schlussfolgerung im Hinterkopf weiterratterte. „Kann der Colt Luzifer töten?"
„Vielleicht. Der Colt soll alles Übernatürliche töten können. Wenn wir soweit kommen, mit den Croats, den Dämonen, der ganzen Scheiße..."
„Er – Arschloch-Dean erinnert sich nicht, dass Zach mich – ihn – in die Zukunft geschickt hat. Das bedeutet, das hier ist nur eine Zukunft, nur eine Möglichkeit", überlegte Dean laut.
„Wer weiß."
„Ich hasse Zeitreisen." Dean rieb sich die rechte Schläfe.
Danach schwiegen sie wieder. Cas bot an, Dean könne schlafen, bis sie in Detroit angekommen waren, aber Dean konnte kaum ein Auge zu tun. Er döste nur oberflächlich. Im Morgengrauen hielten sie an einem Supermarkt in einem Geisterort. Nachdem er sich im Gebüsch erleichtert hatte, stand er gegen den Wagen gelehnt und wartete auf den Rest der Truppe, die sich den ausgebeuteten Supermarkt vornahmen oder ebenfalls die Gelegenheit nutzten, sich die Beine zu vertreten oder einen Happen zu essen.
Cas stand nicht weit von ihm entfernt und kaute an einem Apfel.
Seine Augen strahlten grün wie und je. Cas' unverhohlener Blick ging Dean unfreiwillig unter die Haut. Dean war schockiert und gleichzeitig angetan gewesen, als er der zukünftigen Version von Castiel gegenüber gestanden war. Der Engel Castiel lächelte viel zu selten, während dieser hier offenbar keinen Stock mehr im Arsch hatte, aber dafür ständig stoned grinste.
„Apfel? Bier? Wasser? Pille?"
„Nur ein Bier."
„Sicher? Amphetamine pushen auf, machen euphorisch. Kraft, Schnelligkeit... Libido", lockte Cas. „Du weißt, was man über amerikanisches Bier sagt. Ist wie Sex in einem Kanu. Verdammt nah am Wasser."
Dean grinste und zog eine Augenbraue hoch. „Du beeindruckst mich, Cas..."
Cas lächelte verschmitzt. Er fischte ihm eine Dose aus dem Wagen.
„Danke, ich halte mich an mein Wasser." Dean prostete ihm mit seiner Bierdose, die auf der Fahrt warm geworden war, zu.
Cas warf den Apfelgriebsch weg und fixierte Dean. Sein Herz hatte einen Satz gemacht, als er bemerkt hatte, dass der Dean aus einem anderen Jahr in seine Session geplatzt war. Er konnte sich noch sehr gut an bessere Zeiten erinnern.
Der alte Dean war zu beschäftigt damit, Gefühle für Castiel zu sortieren, platonisch oder mehr, dass er ihn (wie Sam) bei jeder Gelegenheit lieber durch den Kakao zog, als sich ernsthaft damit auseinander zusetzen. Lieber leugnete Dean seine Gefühle für Castiel, was sein heiß-kaltes Benehmen ihm gegenüber erklärte. Eine klassische Teenagerverliebtheit: ständig nach Castiel zu fragen, bei ihm sein zu wollen und dann, wenn der Engel da war, sich wie ein Arsch zu benehmen.
Cas war sich sicher, dass dieser Dean ihn liebte, auch wenn er selbst nicht wusste oder noch nicht bereit war, es sich einzugestehen.
Er hatte sich mit dem groben, unterkühlten Dean abgefunden. Er lebte diese elende Existenz seit Jahren aus Loyalität und Liebe zu Dean. Auf der Erde zurückgelassen von seinen himmlischen Brüdern und Schwestern.
Auch wenn sein Dean mit den Frauen im Camp schlief und versuchte, mit ihnen anzubandeln, sich etwas vorzumachen, kam er gelegentlich zurück und teilte die Blockhütte mit ihm, die sie anfangs zusammen bewohnt hatten. Sams Ja zu Luzifer, die Apokalypse, der Croatoan Virus, Castiels Menschwerdung, die Erde ohne Engel hatte alles verändert – und trotzdem versuchte Cas jedes Mal aufs Neue, Dean zu verführen, ihn zu halten. Chuck hatte es richtig erfasst, Cas würde nirgendwo hingehen. Er würde bis zum Ende an Deans Seite stehen und sterben.
2014 Dean stand bei seinem Jeep und beobachtete Cas und sein jüngeres Ich.
Cas hatte den Blick bemerkt. Er machte zwei Schritte auf den vergangenen Dean zu, legte seine Hand in Deans Nacken und küsste ihn, während er ihn gegen den Wagen und seinen Körper an ihn drückte. Der Kuss war alles andere als unschuldig, sein Mund glitt, überfiel Deans weiche Lippen und drang mit seiner Zunge zügellos in Deans Mundhöhle ein. Das war zu viel für den völlig überrumpelten Dean, der Cas von sich stieß.
„Whoa, Cas! Wie viele Pillen hast du heute schon eingeworfen?"
„Nicht genug." Cas lächelte zugekifft. Aus den Augenwinkeln suchte er vergeblich nach seinem Dean, der nun verschwunden war. „Betrachte das als meinen letzten Wunsch", fügte er hinzu, um danach unbeschwert hinter den Supermarkt zum Pinkeln zu schlendern.
Er hatte bereits seinen Hosenstall geöffnet, als er plötzlich herumgeschleudert und gegen die Rückwand der Backsteinwand gepresst wurde. Cas konnte sich gerade noch mit den Handflächen abbremsen, bevor die Wand sein Gesicht hässlich geküsst hätte.
„Wenn ich ein Croat gewesen wäre...", sagte Deans Stimme heiß an seinem Ohr.
„Glaube kaum, dass Croats in drei Sekunden von null auf hundert kommen", erwiderte Cas. Ein bisschen Reibung, Stoff an Stoff, und schon drängte sich Deans Ausbeulung in seiner Hose gegen Cas' Po.
Cas hatte in der Blockhütte auf Deans Rückkehr von seiner Mission gewartet. Kaum hatte der falsche Dean seinen Kopf durch den Perlenvorhang gesteckt, hatte Cas ihm zugezwinkert und seine Orgie abgebrochen. Wäre der alte Dean nicht dazwischen gekommen, hätten sie das Bett vor dem jüngsten Gericht ein letztes Mal durchwühlt.
Dean drückte seine Nase in Cas' Nacken. Offenkundig wollte er das Versäumnis jetzt nachholen. „Wolltest du mich mit mir eifersüchtig machen?"
„Hat es funktioniert?"
Deans Vorhaben, ihn mit irgendwelchen Frauen eifersüchtig zu machen, ihn zu verletzten, war fehlgeschlagen; Cas hatte es mit Orgien quittiert. Stattdessen war Dean überraschend eifersüchtig auf Cas' ‚Ich mag den alten Dean' angesprungen. Der säuerliche Blick in Deans Augen. Köstlich.
Yeager schaute um die Ecke. Er traf Deans Blick, der ihn ungefragt wieder umkehren ließ.
„Alles in Ordnung?", fragte Dean aus der Vergangenheit, als Cas merkwürdig gehend zum Wagen zurückkam.
„Brennnessel", antwortete dieser.
„Lass mich fahren", bot Dean an.
Cas kramte das Schlüsselbund aus seiner Jackentasche und warf es Dean zu. Allmählich sammelte sich der Trupp wieder zusammen. Dean setzte sich hinters Steuer, während Cas auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Der furchtlose Führer warf Dean einen Blick zu, den er mit Irritation aufnahm. Sie waren eine Weile gefahren, Cas war noch nicht eingeschlafen, da fasste Dean den Mut und fragte ihn: „Also... du und ich... Du und er?"
„Wahlweise Jane, Risa und Johnny."
„Johnny?"
„Johnny Labinsky's Kentucky Whiskey."
„Keine schlechte Wahl."
„Yeager ist sicher auch nicht abgeneigt, aber dafür bräuchte er noch viel mehr von Johnny..."
Dean verzog lässlich den Mund. „Und du revanchierst dich mit deiner Hippiekommune und besonderer Nächstenliebe."
„Er war… Du warst... Mh, was könnte ich sagen, um dein männliches Ego nicht zu verletzen?" Cas' Profil zeigte ein weiches, wehmütiges Lächeln, das weder den Trotz noch die Trauer der letzten Stunden inne hatte. „Du hast mir das Fahren beigebracht. Zuerst musste ich natürlich lernen, dein Baby zu pflegen, bevor ich überhaupt nur Hand an sie legen durfte."
Dean dachte daran, wie er sein ausgeschlachtetes Baby entdeckt hatte.
„Du hast mir den Rat gegeben, dass man auch mal die Kleidung wechseln muss. Dass man sich waschen muss, nachdem ich menschlich geworden war." Cas lachte echt bei der Erinnerung. „Wir hatten Dates, bevor ich, bevor du wusstest, das es welche waren. Du hast gesagt, ich bin wie ein Bruder für dich. Verdammt große Sache!" Er studierte seinen Fahrer. „Mir gefällt der alte Dean wirklich."
Deans Finger krallten sich um das Lenkrad. „Wirklich, Cas, ich bin geschmeichelt..." Er ließ verlegen den Satz offen in der Luft hängen.
„Der Anfang war groß, großes Kino", fuhr der Ex-Engel ungeniert fort. Er hatte schon lange das Bedürfnis, sich einiges von der Seele zu reden, was nicht in seine Predigten passte. „Ich sah mich nie als Mann, bis ich in diesem Körper auf der Erde festsaß. Erst viel später ist mir bewusst geworden, dass du nicht der Chick Flick Typ bist. Aber das war okay, wir hatten alle Zeit der Welt. Eine gelungene Fallschirmlandung. Mal abgesehen von dem Schmerz, der Verletzbarkeit, dem Verlust, der Wut und Angst, dem Frust... Mein Schmerz potenzierte sich mit deiner Abwärtsspirale, Dean. Das Ende der Welt ist da draußen", er schlug sich auf die Brust, „und hier drinnen."
Dean ließ das Gesagte einen Moment sacken, um die Bedeutung einzufangen. „Und trotzdem bist du Nr. 2 auf der Jagd nach dem Teufel."
Cas lehnte mit dem Kopf gegen den Gurt, eingeschlafen war er nicht, doch er gab ihm keine Antwort. Dean blickte zu ihm hinüber. Er sah in ihm eine seiner größten Ängste bestätigt: alles, was er berührte, kaputtzumachen. Er wusste noch nicht, wie sehr er damit richtig lag. 2014 Dean hatte vor, seine Truppe, seine Freunde, auch Cas, in den Tod zu schicken. Er war für den Tod von Menschen, die er liebte, verantwortlich.
„Es gibt eine schmale Linie zwischen Liebe und Hass, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Glaube und... Unglauben."
„Warum erzählst du mir das alles? Gib's keine Oberste Direktive? Zeitreiseverschwiegenheit?"
„Star Trek, Dean?"
„Bei Dr. Sexy M.D. gab es bisher noch keine Zeitreise-Episode, obwohl natürlich auch das möglich wäre!"
Unerwartet lachten beide laut.
