Anmerkung:Ich habe die Geschichte überarbeitet. Ich hatte sie damals nicht zuende gedacht. Und auch die Art der Umsetzung ging mir inzwischen gegen den Strich. Ich habe die meisten parodistsichen Szenen durch ernstere ersetzt, damit Severus Verzweiflung echt wirkt. Das ganze hat jetzt eine leicht geänderte Storyline, dank einer Idee aus einem früheren Review habe ich mich entschlossen, die Geschichte so umzuschreiben, dass man besser nachvollziehen kann, warum Hermione vor seiner Tür steht. Ich hoffe, der Rest an Humor ist in der Geschichte wirkt nicht allzu deplatziert.:)
Ich hoffe ihr seid nicht böse, dass ich die Story nun so stehen lasse und den Titel geändert habe.
Inhalt:
Heiligabend: Severus beschließt desillusioniert, sein Leben in dieser Nacht zu beenden. Doch noch bevor der erste Tropfen Gift seine Lippen berührt, klopft es an der Tür. HG/SS
Die dargestellten Suizidgedanken dienen nur dramaturgischen Zwecken! Wer bis zum Ende liest, weiß wie sehr ich darauf hinweisen möchte, das Leben als das wertvollste zu betrachten, das wir haben:)
~ Das Mädchen, das ich rief ~
Eine Weihnachtsgeschichte
Wie leer ist die Welt für den, der sie einsam durchwandert
Flaubert
1. Der Todgeweihte
Das Sterben war nicht der schwierige Teil. Es war all das, was dorthin führte.
Schwer atmend tauchte er in die Kerkergänge ein.. Es war ihm, als hätte etwas seine Brust unnachgiebig umklammert und nicht vor sie wieder frei zu geben.
Schniffelus.
Mit einer hastigen Bewegung öffnete er die Tür zu seiner Wohnung und schlug sie hinter sich zu. Die Dunkelheit umgab ihn wie ein schützender Mantel – und für einen Moment war es ihm möglich sich nur auf seinen Atem zu konzentrieren.
Mit einem Keuchen sprach er einen lumos.
Mein ergebenster Diener.
Sein Blick klammerte sich an das geordnete Chaos, das in dem Lichtkegel aufflammte. Es hatte ihm immer Halt gegeben und so war es auch jetzt. Es würde ihm hierbei helfen. Das hier war sein Leben, auf diese Räume verteilt. Sein ganzes bisheriges Leben empfing ihn mit offenen Armen. Aber es würde ihn gehen lassen.
Sev?
Eine Weile konnte er nichts anderes tun, als inne zuhalten und seinem eigenen aufgeregten Atem lauschen. Nein, er fragte sich schon lange nicht mehr, wer er war. Er wusste es. In diesem Moment, mehr denn je.
Ein Mann, der nicht mehr da war. Ein lebender Alptraum, vor allem für sich selbst.
,,Severus, wollen Sie schon gehen?" hatte Dumbledore gefragt und mit einem Bedauern die Nikolausmütze, aufgehoben, die Severus mit einer mechanischen Bewegung von seinem Kopf gerissen und ohne ein weiteres Wort den Raum verlassen hatte, ihrer aller Blicke im Rücken, fragend, aber nicht völlig überrascht.
Wie sehr er Weihnachten verabscheute. Die aufgesetzte Fröhlichkeit. Das Lachen, und die Freude darüber, wie schön die das Leben doch war, während dort draußen die Welt unterging. Wie sehr es hasste von Albus Brian Wulfric Dumbledore diese Mütze auf den Kopf gesetzt zu bekommen! Wie sehr es hasste, wenn dieser in goldene Sterne auf blauem Grund, gekleidete alte Mann, ihn Zimtplätzchen kauend vor dem Kollegium vorführte.
Mit hastigen Schritten war er bei seinem Regal, in dem er seine Phiolen, Hals an Hals geschmiegt, aufbewahrte. Der Schein des Lichts hinterließ ein seltsam schönes Farbenspiel auf den verstaubten Glasfläschen. In Anbetracht der Situation musste Severus sich über das plötzliche aufwallende zärtliche Gefühl in ihm wundern.
Seine Hände griffen nach einem schlanken kleinen Fläschen aus dunkelgrünem Glas.
Seine Augen huschten über das Schildchen, das er selbst noch vor Jahren akribisch beschriftet hatte. Er konnte sich noch gut an den jungen Mann erinnern, der er gewesen war. Und er wusste - damals hatte er in dieser grünen Phiole den Tod verkorkt, ohne je daran zu denken, ihn jemals selbst daraus zu empfangen.
Aber so war das Leben - grausam. Manchmal eintönig. Und dann ganz plötzlich brach die Erkenntnis, die jahrelang wie rankender Efeu gewachsen war, und den Geist schleichend überwuchert hatte, hervor und machte eine Umkehr unmöglich.
Vielleicht war es diese verdammte Weihnachtsmütze gewesen, vielleicht nicht.
Severus Hand umklammerte sanft die Phiole, während er zu seinem Sessel ging. Ein gedankernschwerer Moment der Unachtsamkeit reichte, um plötzlich den Halt zu verlieren. Er kam hart auf den Knien auf und atmete scharf ein.
Das Sterben war nicht der schwierige Teil. Es war die Herausforderung, die Haltung zu bewahren. Er umfasste das Gift, das ihm beinahe aus der Hand gefallen wäre, schützend. Er brauchte es, mehr noch als je zuvor. Diesmal gab es kein zurück. Er fühlte nichts.
Mit einem weiteren schweren Atemzug erhob er sich und leuchtete mit seinem Zauberstab über den Störenfried auf dem Boden. Es war ein Buch. Was suchte dieses verfluchte Ding auf dem Boden? Hatte er das Chaos so weit gedeihen lassen, dass sogar seine Büchersammlung verwahrlost und mit Eselsohren herumlag?
Als er es aufhob, sah er, dass es sich um sein Kompendium der Heiltränke handelte. Ja, richtig. Madame Pomfrey hatte ihn nach einer Charge Tränke gegen Fieber und Blutarmut gefragt. Sie standen schon fertig in der Holzkiste auf seinem Labortisch. Fein säuberlich beschriftet. Es hatte mehrere Nächte gedauert sie zu brauen. Umrühren. Erhitzen. Erkalten lassen. Nocturnkraut, fein geschnitten. Seegras, leicht gesotten. Vipernschuppen, die eine Nacht im Mondlicht gelegen hatten. Lyandroskraut gegen Kurzatmigkeit -
Sie würde sie schon finden!
Er legte das Buch sorgsam beiseite und wandte sich wieder um, fühlte die Wärme seiner eigenen Haut, die sich in das Glas gesogen hatte.
Ein Tropfen genügte.
Es würde schnell gehen. Nur ein paar Sekunden und -
Nein. Nicht in dieser Dunkelheit. Es würde aussehen, als hätte er sich verstecken wollen.
Mit einer sanften Bewegung setzte der die Phiole auf dem Tisch ab. Dann wandte er sich den Kerzen zu. Noch immer nach Luft ringend, entzündete er eine Kerze nach der anderen, bis zwei Kerzenständer ihr warmes Licht spendeten.
Er sah sich um. Sein Chaos. Er hatte es immer gemocht, in Zeiten, in denen er noch etwas hatte empfinden können.. Kein Wunder, denn er hatte es erschaffen. Sein Chaos. Er schluckte die Härte in seiner Kehle weg.
Langsam bewegte er sich zu seinem Sessel zurück. Er kannte das alles, den Weg zu dieser einen Schwelle. Und wenn er noch etwas gefühlt hätte, wäre er, von seiner Entschlossenheit. bestimmt gerührt gewesen.
Er hätte Zeit. Die ganze Nacht. Nach seinem imposanten Abgang von der Weihnachtsfeier würde es niemand wagen, ihn zu stören.
Sollte er dem Kollegium einen Abschiedsbrief schreiben?
Schon im nächsten Moment verwarf er diese Idee wieder. Ob er sich nun damit abplagte seine Beweggründe niederzuschreiben, sie würden doch alle doch nur ihre große Betroffenheitshow abziehen.
Ein grauenhafter Gedanke.
Seine wahren Beweggründe? Er erstickte an einem zynischen Lächeln, das mehr ein mechanischer Reflex als echte Gefühlsregung war.. Die würde er mit ins Grab nehmen. Möglicherweise bis Dumbledore sich seiner Geschichte annahm.
Nein. Die wahren Beweggründe würden mit ihm verschwinden.
In goldenes Licht getaucht, wandte er sich dem Sessel zu.
Er straffte die Schultern, so wie er es immer tat, wenn er vor den dunklen Lord trat, und ließ sich in seinen Sessel sinken.
Lange Zeit betrachtete er die kleine Glasflasche, kaum größer als ein halber Daumen.
Er hatte in ferner Zeit einmal Freude empfunden. Noch bevor er entdeckt hatte, dass er die Fähigkeit zur Zauberei besessen hatte. Er erinnerte sich nicht genau daran. Es musste gewesen sein, als er noch sehr klein gewesen war. Er erinnerte sich an Sonnenlicht und Glas. An schwarzes Haar und ein schönes Lachen.
Aber das war lange her. Er atmete schwer ein und aus. Das Sterben war nicht der schwierige Teil. Zwei Sekunden und -
Es war das Leben davor. Er schloss kurz die Augen. Seine Hände zitterten ein wenig. Er hätte die ganze Nacht Zeit. Das hier war der schwierigste Teil. Nicht das Sterben.
Ihre Augen. Vielleicht.
Nein. Seine Hand griff blind nach der Phiole und entkorkte sie. Würde war freier Wille. Und von dem hatte er in letzter zeit nicht viel gehabt. Er zog das Fläschen an sich. Zitternd. Da war nichts. Gleich würde es vorbei sein - dieses Nichts.
Durch den Nebel seiner schweren Gedanken vernahm er ein hämmerndes Klopfen. Er brauchte einen Moment um in den Raum zurückzukehren. Seine Professionalität half ihm dabei.
Er schluckte seine trockene Kehle frei.
,,Nein, Schulleiter. Ich wünsche nicht gestört zu werden!" rief er der Tür entgegen.
,,Professor." murmelte eine Stimme dumpf hinter der Tür.
Severus hielt inne. Das konnte nicht sein. War das wirklich ...ihre Stimme?
Einen Moment war es ihm unmöglich zu sprechen. Sein Blick glitt hastig zu der grünen Phiole in seiner Hand, dann wieder zur Tür.
,,Bitte. Es ist wichtig. Lassen Sie mich rein!"
Nur langsam gelang es Severus sich aus seiner Starre zu lösen. Er erhob sich langsam, mit großer Skepsis dem gegenüber, was gerade geschah und stellte die Phiole auf das Tischen zurück.
,,Professor." flehte die Stimme wieder.
Er streckte seine Hand aus. Ein Traum? Schlief er? Tot war er nicht. Sein Herz schlug. Und so etwas wie Neugier kitzelte ihn.
Verdammt.
Als er die Tür aufschloß und sie aufzog, bestätigte sich sein Verdacht.
Er fand keine Worte. Alles zu dem er fähig war, war blankes Starren. Hermione Granger, in einen Rock und einen gryffindorroten Pullover gekleidet, mit einem überraschend gut gebändigtem braunen Haarschopf und einem Teller, auf dem sich ein Ungetüm von Kuchen auftürmte, stand vor seiner Tür.
Über ihr Gesicht schlich sich ein winziges unsicheres Lächeln, aber darunter erblickte er ein todernstes, von Zweifel geplagtes Gesicht. Sie setzte tapfer ein weiteres wackeliges Lächeln auf. Sie hielt kurz inne, sammelte Mut und übertrat seine Schwelle.
Erst jetzt fand Severus seine Sprache wieder.
,,Miss Granger, ich hoffe du hast einen guten Grund mir heute Abend auf den Wecker zu etwas geschehen?." warf er ihr entgegen.
Sie hielt den Kuchen vor sich, wie die Gabe eines Gesandten an einen König. Merkwürdig, diese Kombination aus unterschwelliger Aufregung und völliger Sicherheit in ihrem Blick.
Er starrte sie auffordernd an, und übersah dabei sogar den Kuchen.
,,Nun?"
,,Ich - ."
,,Ja?"
,,Bin hier...weil...".
Sein Blick wurde scharf und fordernd.
Sie holte sichtbar Luft. ,,Weil ich denke, Sie könnten etwas Gesellschaft gebrauchen."
