Einkleiner One-shot. Vielleicht wird irgendwann mal mehr daraus. Ich weiss es nicht. Mal sehen.


Entkommen

Alucard saß auf seinem Thron in seinem Kellerverlies und ließ den Wein in seinem Glas langsam kreisen. Er dachte nach. Über den Tod. Genauer gesagt, über den Tod von Abraham van Hellsing.

Es war nicht das erste Mal, dass sich seine Gedanken in diese spezielle Richtung bewegten. Ganz in Gegenteil, hatte ihn dieser besondere Gedankengang durch so manche Nacht und so manch schlaflosen Tag begleitet, seit der elende alte Mann ihn gefangen und zu seinem Sklaven und Versuchskaninchen gemacht hatte.

In seinen Gedanken hatte er van Hellsing bereits tausende Male, ja hunderttausende Male getötet. Auf jede erdenkliche Art. Mal schnell, mal quälend langsam. Mal mit Waffen und Folterinstrumenten, mal mit bloßen Händen und blanken Reißzähnen.

Wie immer breitete sich ein finsteres Lächeln auf seinem Gesicht aus, wenn er daran dachte wie es sich anfühlen würde seine Zähne in den Hals des Vampirjägers zu versenken, ihm die Kehle heraus zu reißen und sein warmes Blut zu trinken. Ihm in die erlöschenden Augen zu blicken und zu sehen, wie sich dort ein entsetzliches Verständnis breit machen würde. Das Verständnis, dass er verloren Verständnis, dass er einen furchtbaren Fehler begangen hatte. Nämlich den Fehler, den Vampir nicht getötet zu haben, als er die Möglichkeit dazu hatte.

Abraham würde seinen Stolz verfluchen. Seine Anmaßung, in der er glaubte, er könne Ihn, Dracula, für alle Zeit in Ketten zu legen. Ihn, für den Zeit keine Rolle spielte. Ihn, für den die Leben der Menschen nicht länger oder wichtiger waren, als das Leben eines Insektes. Ihn, den Mächtigsten der wahrenVampire.

Auch wenn das Siegel Abrahams ihn fest in seinem Griff hatte, so hatte er doch immer gedacht, dass er seine Chance bekommen würde sich an seinem alten Widersacher zu rächen. Irgendwann. Ein kleiner Moment der Unachtsamkeit, ein unklarer, anders interpretierbarer Befehl und er würde van Hellsing die Schmach und die Erniedrigung heimzahlen, die er als sein Sklave hatte dulden müssen.

Der Moment war nie gekommen.

Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht.

Und jetzt hatte sich die Situation geändert. Abraham van Hellsing lag im sterben. Er war ein alter Mann und die Jahre als Vampirjäger hatten an seinen Kräften gezehrt.

Alucard war nicht bewusst gewesen, wie lange es wirklich schon her war, seit er seine Niederlage durch van Hellsing erlitten hatte und sein Sklave wurde. Schon damals war van Hellsing kein junger Mann mehr gewesen, doch nun war er wahrlich alt.

Alucard fühlte sich betrogen.

Der Mann, der ihm alles genommen hatte. Seine Freiheit, seine Bräute und... Mina. Der Mann, der sich als sein Herr und Meister aufgespielt hatte, starb nun einfach. Weil er alt war.

Er starb und entkam ihm. Entkam und ließ ihn zurück. Immer noch gebunden an seine Blutlinie. Gebunden an seinen Sohn. Alucard knirschte mit den Zähnen. Arthur war ein Idiot. Er spielte und trank und hatte nichts im Kopf außer Frauen. Er hatte nichts von seinem Vater.

Alucard hasste Abraham. Gleichzeitig jedoch fühlte er auch einen widerwilligen Respekt für den Mann. Für seine Schläue, seine Gerissenheit und seine Disziplin. Für seine Kraft zu tun was nötig war ohne seine Menschlichkeit zu verlieren.

Warum hatte van Hellsing ihn nicht getötet? Ein Mensch sollte das Monster töten.

So sollte es sein.

Alucard lehnte sich auf seinem Thron zurück und schloss seine Augen.