Wiedergeboren
1. Kapitel: Eine neue Frau in seinem Leben
Sirius war verwirrt, er wußte nicht was geschehen war, was noch geschehen würde. Er lag verdreckt und verstört auf der schäbigen Decke im zu kleinen Zwinger, das Hundefutter stand unberührt vor der Schnauze. Ein Mann, der von anderen stets Mickey genannt wurde, hatte ihm schon mehrmals gedroht und dabei mit dem Zeigefinger vor seiner Nase herum gefuchtelt, wenn er nichts fresse, müsse er ihn einschläfern, so ist das halt im Tierheim.
Sirius hätte sich gerne in den großen, abgezerrten, aber immer noch starken Mann verwandelt, der er einmal war, und dem fetten, versoffenen Klops gesagt, er solle es doch mal versuchen.
Aber es funktionierte nicht. Er war doch so routiniert darin. Mensch, Hund. Hund, Mensch. Mensch, Hund. Er war ja nie darin aus der Übung gekommen. Er hatte es in Askaban, auch im Grimauld Place getan. Er konnte es im Schlaf. Doch nun ging es nicht mehr; was er auch tat.
Überhaupt wußte er nicht im geringsten, was in der Nacht in der Mysteriumsabteilung passiert war, jene Nacht in der Voldemort Harry überlistete. Er mußte Harry helfen, egal daß Remus es nicht wollte. Und Snape hatte ihm ja wohl nichts zu vorzuschreiben.
Das Letzte an das er sich erinnerte, war der Schockzauber von Bellatrix, welcher ihn glatt von den Füssen gerissen hatte. Er hatte noch den Anflug eines Lächelns in ihrer häßlichen, ausgemergelten Fratze entdeckt , er spürte Stoff über sein Haar und die Haut streicheln, dann kam die Dunkelheit.
Wie aus einer langen Bewußtlosigkeit, einem Koma, war er dann hier erwacht.
Tage, Wochen, Monate waren seit dem vergangen. Mittlerweile war es Winter, denn die Kälte kroch durch den Betonboden, durch die Decke in ihn. Es mußte wohl bald Weihnachten sein. Die Frau von Mickey, deren Name eigentlich Betty war, aber die zu besonderen Anlässen auch Zuckermäuschen gerufen wurde, und wenn sie nicht im Raum war, meistens „Die Schnalle" hieß, schmückt den Raum ein wenig. Sie fädelte Lamettagirlanden durch den Maschendraht der Zwinger, im Hintergrund hörte Sirius kirchlichen Chorgesang aus dem Fernseher dudeln.
Das Ringen der Türglöckchens durchbrach die Musik kurz, und man hörte wie sich der Wind sausend seinen Weg durch den Komplex bahnte. Wie auf Kommando sprangen, die meisten Hunde bellend, den Schwanz wedelnd auf. Nur Sirius und der alte Mischling in Zwinger Nummer drei nicht, der seinen Lebensabend so gut wie erreicht hatte. Beide hatten kein Interesse mehr daran, was mit ihnen geschah. Betty begrüßte die Kundin, wie es ihre Art war überschwenglich und übertrieben freundlich. Jene erklärte ohne große Umschweife, sie wolle sich zu Weihnachten selbst einen Hund schenken. Betty pries das gleich als überaus christlich und so was von loyal gegenüber minderen Geschöpfen an, worauf die Kundin lachen mußte.
Sirius Gedanken schweiften von dem Gespräch ab, vor seinem inneren Auge liefen Erinnerung aus besseren Zeiten wie ein Film ab. Er sah sich mit James durch ihren Schlafsaal in Hogwarts tollen, wie sie gemeinsam am See saßen, wie er Snape aus dem Hinterhalt einen Fluch aufhalste, wie er Harry zu ersten Mal sah, aus der Lücke zwischen den Häusern heraus und wie er das ersten Mal mit ihm sprach, das Gesicht von Remus Lupin als ihm bewußt wurde, dass nicht Sirius James verraten hatte. Es gab ihm Halt, er hatte genug Schlechtes erlebt, er mußte es nicht in seinem Kopf noch mal nachspielen.
Flache, wildlederne Stiefel machten nun auch vor seiner Buchte halt. Mit wäßrigen Augen blickte er auf, blonde Haare fransten unter einer roten Mütze hervor, sie sahen ihn prüfend an. „Der sieht gut aus, wie heißt er?"
„Wir geben den Hunden keine Namen, sonst werden sie zu anhänglich," erklärte Betty nüchtern. „Und von welcher Rasse ist er?" fragte die junge Frau weiter. „Das dürfte ein langhaariger, sibirischer Rasseborder (PS ich hab keine Ahnung von Hunden) sein, und das in einer sehr außergewöhnlichen Farbe," log Betty mit stolzstrotzender Stimme.
„Ah," stimmte die Kundin unwissend zu. „Die sind alle sehr niedlich, aber ich denke, ich hab mich für diesen hier entschieden."
Sirius hob den Kopf, die Frau zeigte mit einem Finger auf ihn, er mußte wohl wirklich gemeint sein. Er hätte sein schelmisches, jugendlichen Grinsen aufgesetzt, hätte er es noch gekonnt, statt dessen richtete sich auf, neigte den Kopf zur Seite, als wolle er sagen: Ich bin ein toller Hund.
„Gute Wahl!" lobte Betty die Frau. „Folgen Sie mir bitte ins Büro um die Formalitäten noch schnell zu klären." Betty schien in ihrem Übereifer ähnlich begeistert wie Sirius.
Kurz darauf kamen die beiden Damen aus dem Hinterzimmer zurück. Sirius neue Besitzerin hielt eine billige Leine als Geschenk des Heims in der Hand, Betty schloß mit Mikeys großen Zentralschlüssel den Zwinger auf. Die junge Frau hockte sich vor Sirius, wuschelte in seinem Kopfhaar, zog dabei die Nase kraus, dann band sie ihm die Leine um.
„Komm," sagte sie schlicht und leise. Und Sirius folgte ihr schwanzwedelnd.
