Bei der Sitte - Vice
A/N: Aufgrund einer andauernden Schreibblockade habe ich mich mal an eine Übersetzung gewagt. Ausgewählt habe ich dafür meine Lieblingsgeschichte von Sandiane Carter. Ihr Einverständnis zu dieser Aktion liegt natürlich vor. Das Original findet ihr unter: s/8393226/1/Vice
November 2003
Beckett schob eine Hand durch ihr kurzes Haar und zuckte zurück, als sie merkte, wie das Gel an ihren Fingern kleben blieb. Lanie hatte sie gewarnt, ihre Haare nicht zu berühren.
Sie seufzte, beugte sich über das kleine Becken im Waschraum des 12. Reviers und spülte ihre Hände ab. Sie blickte noch einmal auf ihr Gesicht, das gelbliche Licht ließ sie bleicher aussehen als sonst und sie konnte nicht wirklich erkennen, ob ihr Make-up zu vampirmäßig war.
Sie hoffte nicht.
Nachdem sie sich die Hände abgetrocknet hatte, justierte sie ihren Rock, ohne zu versuchen ihn weiter nach unten zu zerren, sie hatte sich längst mit der unsäglichen Kürze des Teils abgefunden. Sie sollte jedenfalls eine Nutte sein und zumindest sah sie so aus. Ihr Oberteil funkelte trotz des Fehlens von Umgebungslicht heftig, als wolle es ihre gedrückte Stimmung wettmachen. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
In der Regel genoss sie es, undercover zu sein, den Nervenkitzel, die gesamte Geheimniskrämerei, niemand wusste wer sie war, was ihre Agenda war. Es erfüllte Kate Beckett mit einem Gefühl der Macht, wie nichts, was sie je zuvor gefühlt hatte. Sie hatte in der High School einige Schauspielkurse belegt, genug um Rollenspiele zu genießen.
Aber heute Abend...
Heute kam ihr Vater aus der Reha. Nüchtern. Endlich. Er hatte sie vorhin angerufen, hatte ihr gesagt, er wolle keine große Sache daraus machen, aber sie hatte geplant ihn zum Abendessen einzuladen, vielleicht sogar bei ihm zu Hause - und dann wurde sie zu diesem Fall gerufen.
Sie konnte nicht nein sagen. Sie brauchten eine gutaussehende Frau, und noch besser, jemand, der genug Russisch sprechen konnte, um undercover zu gehen. Und Kates Name kam ins Spiel, obwohl sie nur eine Uniformierte war. Ein wenig mehr als ein Nichts.
Sie konnte ein solches Angebot nicht ablehnen, nicht wenn sie irgendwann Detective werden wollte.
Beckett kaute auf ihrer Unterlippe, ertappte sich selbst dabei beim Blick in den Spiegel und stoppte. Sie atmete ein letztes Mal tief durch und trat aus dem Waschraum, Hüften schwingend, ihren mit Lipgloss bedeckten Mund zusammengepresst.
Jetzt war sie Anya Ivanova, 20 Jahre alt, eine russische Einwanderin, die vor einem Jahr in New York aufgetaucht war und heute für den Zuhälter und Drogendealer Antonio Velasquez arbeitete.
Das hieß, wenn sie in seinen neuen Nachtclub Russian Angels reinkommen konnte.
„Noch mal, Beckett. Wie ist der Plan?"
Sie stieß einen hörbaren Seufzer aus, hielt ihre Verärgerung aber in Zaum, weil sie erst 24 war und dieser Kerl, Miles Osborne, ein Detective der Sitte, etwa doppelt so alt wie sie. Er erinnerte sie ziemlich gerne daran, dass er schon im Revier gewesen war, als sie noch in den Kindergarten ging.
(Sie hatte die Rechnung nachvollzogen und festgestellt, dass es leider wahr war).
„Ich schaue mich als Anya um, rede mit Leuten und sammele so viele Informationen wie ich kann über Antonio Velasquez und seine angeblich minderjährigen Prostituierten", rezitierte sie.
„Und?"
„Ich gehe kein Risiko ein, versuche unbemerkt zu bleiben und steige aus, wenn etwas schief geht."
Osborne verengte seine klaren, blauen Augen. „Das ist kein Spiel, Beckett. Ich meine es ernst. Ich will nicht, dass meine Jungs da rein gehen müssen, um Sie da herauszuholen."
„Das müssen sie nicht", versprach sie ruhig, ihr Kinn angehoben, versuchend so viel Vertrauen, wie möglich zu projizieren. Sie konnte fühlen, wie die Augen der beiden anderen Jungs auf sie gerichtet waren. Ein Detective namens Robinson vom Rauschgiftdezernat und Osbornes Partner, ein robuster, jüngerer Schwarzer, der ihr eher gefiel. Johnson war stark und ruhig, er hatte etwas in seinen Augen, das einen dazu brachte, ihm vertrauen zu wollen.
„Gut", sagte Osborne. „Sie haben die Kopfhörer. Wenn Sie fertig sind, geht es los."
Beckett drehte sich um, nahm ihre Handtasche vom einzigen freien Stuhl und warf einen letzten Blick auf die Männer, die sich im Innern des Überwachungsfahrzeugs drängten. „Wir sehen uns in ein paar Stunden", sagte sie, öffnete eine der hinteren Türen und trat hinaus.
Ihre High Heels klackten gegen den Bürgersteig, scharf und klar, und sie waren fast so gut für ihr Selbstvertrauen, wie die kleine Pistole, die sie an ihrem inneren Oberschenkel versteckt hielt.
Beckett bahnte sich ihren Weg an die Bar und ließ ihr leeres Glas auf den hölzernen Tresen sinken, versuchte nicht die Augen zu verdrehen, als sie eine Hand an ihrem Hintern spürte.
Es war nicht die erste und würde auch nicht die letzte sein.
Sie drehte sich langsam um, arrangierte ihren Gesichtsausdruck neu, um, wie sie hoffte, Interesse und Verführung zu vermitteln, anstatt den Ärger und die Frustration, die in ihrer Brust brodelten.
Bisher war die Undercover-Operation ein komplettes Fiasko. Sie wurde in den Club gelassen, was gut war, aber ihre Kopfhörer hatten etwa 30 Minuten danach aufgehört zu funktionieren. Sie war seitdem auf sich allein gestellt, versuchte sich ohne Erfolg in den hinteren Raum zu schleichen, einen Blick auf den Zuhälter zu erhaschen, nach dem sie suchten.
Beckett war müde und hungrig. Sie wollte, dass es vorbei war, damit sie zu ihrem Vater gehen konnte.
Die Chance, dass das jetzt passierte, war gering.
„Hey, du." Der Mann mit den wandernden Händen grinste. Er hatte ein schmales Gesicht, dichte, lockige Haare und Tattoos auf seinen muskulösen Schultern verteilt. Sein Akzent war Russisch, dachte sie, war sich aber nicht sicher.
„Hallo", sagte sie und senkte mit Absicht ihre Stimme und ihre Wimpern. Sie sollte schließlich 20 Jahre alt sein und Schüchternheit gefiel einer bestimmten Art von Männern.
'Wandernde Hände' schien einer dieser Männer zu sein. Er grinste sie an, seine Augen für eine unverschämt lange Zeit auf ihre Brust gerichtet, bis er nach ihr griff und sie mit den Händen auf ihren Hüften näher an sich zog.
„Also, wie ist dein Name, Babe?"
Beckett wollte aufgrund des Spitznamens ihre Augen rollen, aber sie blickte ihn stattdessen an und verzog ihre Lippen zu einem schüchternen Lächeln. „Anya", bot sie an.
„Anya. Ist das nicht schön. Nun, ich bin Paul, Anya. Sehr schön dich kennen zu lernen." Er hielt ihre Hand eine Weile in seiner und sie konnte den Schweiß fühlen, der seine Handfläche benetzte. Er war offensichtlich ein wenig betrunken, aber sie fragte sich, ob da noch mehr war, aufgrund des unscharfen Blicks in seinen Augen.
„Du arbeitest hier?", fragte er und deutete in den Club, wo die Leute nach harten Techno-Beats tanzten.
Sie schüttelte einmal den Kopf.
„Nein?" Er schien nicht überrascht, er war wohl ein Stammgast und hatte sie hier noch nie gesehen.
„In der Regel arbeite ich in ... einem anderen Club", sagte sie und hob eine Hand, um ihr Haar glattzustreichen. „Downtown."
Sie hatte ihre ganze Geschichte parat, alle Namen sorgfältig gespeichert, aber sie war dennoch erleichtert, als er das Thema fallen ließ. Seine Hand streichelte ihre Hüfte hoch und runter, in irritierender Form, und er fragte mit leiser Stimme: „Also sag mal, Anya. Was machst du so?"
Sie musterte den Mann und versuchte zu entscheiden, ob er eventuell irgendeine Art von persönliche Verbindung zum Zuhälter hatte, nach der sie suchte. Wenn er ein Stammgast war - vielleicht war es einen Versuch wert.
„Ich mache was du willst", sagte sie, klapperte mit den Wimpern und griff langsam nach dem Träger ihres BHs. Sie hielt ihn zwischen zwei Fingern und zog ihn über die Rundung ihrer Schulter, damit er nicht falsch verstand, was sie meinte.
Pauls Augen waren weit aufgerissen, seine Pupillen geweitet, seine Atmung flach, als er sie ansah.
Ugh. Männer.
„Möchtest du jetzt", murmelte er, aber es war nicht wirklich eine Frage.
Er wollte ihr nur allzu bereitwillig glauben.
„Uh-huh", flüsterte sie, drehte ihre Hüften, während sie von einem Fuß auf den anderen trat, was ihn dazu brachte, ihre Beine zu bemerken, die wahnsinnigen High Heels. Sie brauchte mehr Praxis beim Tragen dieser Dinger, sie hatte sich auf der Treppe im Revier beinahe den Knöchel verdreht.
Der Mann beugte sich vor und Beckett machte sich bereit, wischte jede Emotion aus ihrem Gesicht - Anya fühlte keinen Ekel. Anya fühlte gar nichts. Aber er küsste sie nicht, er legte seinen Mund an ihr Ohr und fragte leise: „Und wie viel wird mich was-immer-ich-will kosten?"
Vielleicht war er doch nicht so betrunken, wie sie gedacht hatte.
Sie sah ihn an, lächelte verschmitzt. „Für dich wird es ein echtes Schnäppchen."
Paul lachte, sein schwerer, feuchter Atem streifte ihre Schläfe. Er stand auf, eine Hand an ihrem unteren Rücken.
Großartig. Es schien, als hatte sie ihn überzeugt.
„Lass uns irgendwo mehr ... privates hingehen," sagte er zu ihr und sie nickte leicht als Zustimmung. Sie folgte ihm nach hinten und versuchte ihren Triumph zu verbergen.
Endlich, endlich erreichte sie etwas.
Jedenfalls hatte sie das gedacht.
Es gab mehrere Zimmer im hinteren Teil des Clubs, er war viel größer als sie erwartet hatte, und ein Teil von ihr wollte die Jungs im Sittendezernat würgen, weil sie nicht in der Lage gewesen waren, ihr genauere Informationen zu geben.
Die beiden stämmigen, unpassierbaren Männer, die die Tür beobachteten, hatten sie hereingelassen. Einer der beiden hatte Beckett einen langen, misstrauischen Blick zugeworfen, bis Paul etwas aggressiver erklärt hatte: „Sie gehört zu mir."
Zumindest war das geklärt. Sie hatte recht gehabt, Paul hatte Verbindungen zum Club.
Aber der feste Griff seiner Hand an ihrem Handgelenk, als sie ihm hinein folgte, das Aufblitzen von Lust in seinen Augen, jedes Mal, wenn er zu ihr zurückschaute -
Das alles ließ ihren Magen verkrampfen. In was war sie da nur hineingeraten?
Es war ja nicht so, dass Beckett nicht zuvor schon für die Sitte undercover gearbeitet hatte. Sie hatte, zweimal, und alle hatten ihr gesagt, was für einen großartigen Job sie gemacht hatte. Aber sie hatte als Köder fungiert, war von einem Team umgeben gewesen und ansonsten hatte sie nicht viel zu tun gehabt. Berührungen waren nicht oft vorgekommen.
Das - in die Hinterzimmer eines Nachtclubs gezogen zu werden, der berüchtigt war für seine Verbindungen zu Prostitution und Drogen - das war neu. Und obwohl Beckett wusste, dass sie die Mittel hatte Paul auszuschalten, wenn es darauf ankam, wusste sie nicht, wo die Notausgänge waren, wusste nicht, wie die anderen Gäste reagieren würden.
Scheiße.
Sie gab vor, sich ihr Haar hinters Ohr stecken zu wollen, eine Tarnung, um ihre Fingerspitzen an den Kopfhörer zu drücken, stumm bittend, dass das Ding seine Arbeit wieder aufnehmen würde. Schön wärs.
Was sollte sie tun? Alles vergessen und verschwinden? Wahrscheinlich hätte Detective Osborne gewollt, dass sie genau das tat, aber -
Zur Hölle, nein. Sie hatte fast zwei Stunden in diesem Club versucht, Zugang zu Velasquez zu bekommen. Sie würde nicht aufhören, jetzt wo sie so nah dran war. Na ja, näher immerhin.
Nein, Kate Beckett würde nicht abhauen, nur weil die Dinge ein wenig heißer wurden.
Paul führte sie durch einen verrauchten Raum mit Tischen und Bänken und ziemlich vielen Personen, die mit verschiedenen, vermutlich illegalen Aktivitäten beschäftigt waren. Sie schaute durch den Raum, in der Hoffnung einen Blick auf Velasquez zu erhaschen, wenn er überhaupt hier war.
Aber sie waren zu schnell und sie konnte Paul nicht bitten, langsamer zu gehen, nicht, wenn sie unauffällig bleiben wollte. Sie biss die Zähne zusammen und blinzelte, ihre Aufmerksamkeit dafür auf den Grundriss des Clubs gerichtet - zumindest würde sie einige wertvolle Informationen für ihr Team mit zurückbringen können.
Dann waren sie im nächsten Raum, wo die Lichter mehr gedimmt waren, und noch bevor sie sich orientieren konnte, fühlte Beckett wie sie herumgewirbelt wurde, ihr Rücken schlug mit einem dumpfen Ton gegen die Wand, ihr Kopf folgte. Autsch, das tat weh -
Aber sie hatte keine Zeit sich zu erholen, denn Paul war auf ihr, Hände und Mund und Zähne, ugh, sein Körper nahe genug an sie gepresst, dass sie die harte Beule in seiner Jeans fühlen konnte. Scheiße, das war nicht der Plan.
Nicht der Plan.
Sie schob mit all ihrer Kraft und es gelang ihr, sich für ein paar kostbare Sekunden von ihm zu lösen. Ihr Kopf schwamm und sie fluchte innerlich. Sie musste sich am nächsten Stuhl abfangen. Pauls Hand krallte sich um ihren Bizeps, hart genug, um sie zu verletzen.
„Was ist los, Schatz?", flüsterte er, anschwellende Wut in seiner Stimme erkennbar. „Du hast gesagt, alles was ich will -"
Kate sah ihn an, sah die Drohung in seinen kalten, leeren Augen, und ihre Antwort erstarb auf ihrer Zunge. Scheiße, Scheiße, sie hatte den Kerl unterschätzt.
Sie warf einen Blick in die Runde, schaute sich nach Hilfe um, einen Weg nach draußen. Irgendetwas. Das Zimmer war dunkel und größtenteils leer, abgesehen von zwei Paaren, ein Mädchen auf den Knien vor einem Mann, der wenigstens 50 sein musste, und zwei Personen, die buchstäblich umeinander gewickelt waren, geschützt in eine Ecke. Keiner von ihnen war geeignet, um ihr zu helfen.
„Antworte mir, Miststück", knurrte Paul, seine andere Hand schoss nach oben und schloss sich um ihren Hals, schnitt ihr die Luft ab. Okay. Sie hatte genug.
Beckett zog ihren rechten Arm zurück und ließ ihn auf den Oberkörper des Mannes fliegen, bevor er sie erwürgen konnte. Ihr Handballen traf mit einem dumpfen Knall seinen Solarplexus und er stolperte rückwärts, sie sofort loslassend.
Sie berührte mit den Fingern ihren Hals, dankbar für diesen ersten, schönen Lufthauch, der in ihren Körper floss wie kühles Wasser. Paul war keuchend am Boden, setzte sich aber auf, abgestützt auf seine Unterarme. Zeit zu verschwinden.
Sie machte einen Bogen um ihn, eine Hand strich entlang der Wand, ebenso für das Gleichgewicht, als auch zur Orientierung. Sie hielt inne, als sie die Tür erreichte, durch die sie gekommen waren.
Sie warf noch mal einen Blick durch den Raum, hoffend auf das rote, rettende Licht eines Notausgangs, aber sie konnte keines finden. Der einzige Weg nach draußen, war der, den sie hereingekommen waren.
Verdammt.
Paul stand nunmehr stolpernd auf seinen Füßen und sie konnte sich keine Sekunde des Zögerns leisten. Sie schob den dünnen Vorhang beiseite und ging zurück in den helleren, volleren Raum, wo sie gehofft hatte, einen Blick auf Velasquez werfen zu können.
Dafür war es jetzt zu spät, dachte sie, und ging geradewegs auf die Tür zu, als sich ein betrunkener Mann auf sie stürzte, sie aus der Bahn warf und sie - einmal mehr - gegen die Wand prallen ließ.
Das war ein Mal zu oft und sie verzog das Gesicht, als ihr Ellbogen in den Beton einschlug, ihr Kopf folgte beinahe. Was zum Teufel -
„Du bist so schön", brüllte der Mann, auf sie sabbernd, offensichtlich störte es ihn nicht, dass er nun ausgestreckt auf dem Boden lag.
Kate stieß ihn und versuchte ihre Sicht zu fokussieren. „Lass mich los", sagte sie, Zähne knirschend und sich an Paul erinnernd. Oh, um Gottes willen, falls dieser Trunkenbold ihr noch mehr Ärger einbrachte -
„Lass. Los", zischte sie, ihre Kräfte sammelnd, um ihn wegzuschieben. Aber der Mann war schwer und schien es bequem zu haben. Beckett fühlte die Klaue der Panik in ihrem Innern.
Nein, nein, sie konnte das -
„Ich glaube, die Lady hat Sie darum gebeten, sie gehen zu lassen", sagte eine Stimme über ihnen, eine starke, feste Stimme, die sich himmlisch anhörte, weil es nicht Pauls war.
In der nächsten Sekunde wurde der Trunkenbold von ihr heruntergerollt, eine warme Hand umfasste ihre und sie wurde von einem Mann mit sehr, sehr blauen Augen auf ihre Füße gezogen. Für einen Moment war das alles, was sie bemerken konnte, aber dann registrierte sie sein Gesicht und dachte, ist das -?
Bevor sie jedoch sicher sein konnte, holte die Stimme ihres ehemaligen 'Kunden' sie aus ihrer Trance. „Wo ist die Schlampe?", schrie er von irgendwo viel zu nahe.
„Scheiße", flüsterte sie und der blauäugige Mann sah sie mit Interesse an, eine seiner Augenbrauen aufgewölbt.
„Ich nehme an, dass er mit diese Schlampe Sie meint?"
Sie presste ihre Lippen zusammen ohne zu antworten, drehte ihm den Rücken zu und ging zurück in den Hauptraum, zur Anonymität der Tanzfläche.
„Hey, warte!" Oh, du meine Güte. Wenigstens hatte er nicht versucht, sie festzuhalten. Er folgte ihr lediglich zu dem Durchgang, der zurück in den Club führte, holte sie ein, als sie für eine Sekunde schwankte, nicht gewillt das Hinterzimmer zu verlassen, in das sie so schwierig hereingekommen war.
Aber sie hatte keine Wahl.
„Arbeiten Sie hier?", fragte der Mann mit den blauen Augen und erinnerte sie damit wieder an seine lästige Anwesenheit. Sie ignorierte ihn und schlüpfte zwischen den beiden Wachhunden hindurch, mischte sich schnell unter die tanzende Menge.
Schau nicht zurück, schau nicht zurück.
Paul würde sie bald vergessen haben, aber das letzte, was sie jetzt brauchen konnte, waren seine durch die Diskothek schweifenden Augen, die sie erblickten. Sie hörte jedoch einen Tumult und laute Stimmen, und gerade als sie am Rand der Tanzfläche stand, konnte sie nicht anders.
Sie schaute zurück.
Einer der Türsteher hielt den Mann fest, der ihr geholfen hatte - sie wollte ihn nicht Richard Castle nennen, er konnte es nicht sein. Es konnte einfach nicht sein. Der Typ versuchte offensichtlich, sich aus dem Schlamassel herauszureden, in den er sich selbst gebracht hatte, und Kate beobachtete gebannt, wie es ihm gelang.
Der Türsteher ließ ihn los, sein Mund formte lautlos etwas, das offensichtlich eine Drohung war, und schob Castle - nein, nein, den blauäugigen Mann - in Richtung Ausgang. Beckett fühlte eine Woge der Erleichterung, obwohl es sie nicht kümmern sollte, es war ihr egal, und sie folgte den beiden Männern zur Tür, versteckt im Schatten.
Sie wartete, bis die Tür wieder geschlossen war, der Türsteher wieder an seinem Platz stand, bevor sie schließlich in die kalte, dunkle Nacht trat.
Osborne würde wütend auf sie sein.
Doch Osborne wartete nicht an der Tür auf sie.
Der Mann war da.
Richard Castle, dachte sie wieder, diesmal war es einfach nicht zu leugnen. Sie hatte genug Stunden damit verbracht, sehnsüchtig auf den Einband seiner Bücher zu starren, sich fragend, ob sich sein Lächeln im wirklichen Leben genauso warm und wunderbar anfühlen würde.
Was um Himmels willen machte der Mann in einem Club wie dem Russian Angels? Ihr Lieblingsautor. Verdammt, es war ihr egal -
„Alles in Ordnung?", sagte er mit weicher Stimme, irgendwie sanfter als sie erwartet hatte, und bewegte sich zu ihr.
Sie wich zurück.
„Ich bin okay", erklärte sie kühl. „Ich kann auf mich selbst aufpassen, danke." Für den Fall, dass ihre Worte nicht deutlich genug waren, faltete sie die Arme vor ihrer Brust. Die Luft war kühl, wodurch sie eine Gänsehaut bekam und natürlich hatte er es bemerkt.
Sie realisierte es nicht, begriff nicht, was er tat, bis er seine Jacke über ihre Schultern hängte, und dann zuckte sie zurück, der Stoff rutschte fast zu Boden, wenn da nicht Castles schnelle Reflexe gewesen wären.
„Was machen Sie da?"
Verdammt, sie musste wieder zurück zum Van, nicht hier rumstehen wie ein Idiot und in die blauen Augen starren, die im schwachen Schein der Straßenlaternen so viel dunkler aussahen.
„Ich gebe Ihnen meine Jacke. Sie frieren offensichtlich", entgegnete er mit hochgezogen Augenbrauen, nicht eingeschüchtert durch ihre Reaktion.
„Ich bin nicht -" Sie biss sich auf die Lippe, sie würde niemals im Leben diesen Mann verstehen. „Meine Güte, behalten Sie die Jacke. Es ist Ihre. Ich muss sowieso gehen."
„Wohin?"
Sie hatte sich halb umgedreht, aber er stellte sich zwischen sie und die Straße, wo der Van wartete, etwas eifriges, neugieriges in seinem Gesichtsausdruck.
„Das geht Sie nichts an", sagte sie barsch, ein Teil von ihr war entsetzt, dass sie diese Worte zu ihrem Lieblingsautor sagte. Aber das war genau der Punkt - die ganze Situation war surreal und sie hatte keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollte.
Sie war müde, und mit müde kam bissig, und sie konnte nicht anders.
Er schien allerdings sehr zufrieden mit ihrer Antwort zu sein. „Sie sind nicht wirklich eine Nutte, oder?", sagte er, die Augen intensiv auf sie gerichtet. Sie wollte ihm fast gratulierten und ihn fragen, ob er einen Preis wollte.
Stattdessen seufzte sie, verdrehte die Augen und versuchte, ihm auszuweichen. Er bewegte sich zusammen mit ihr.
„Wer sind Sie?"
Oh, Jesus.
„Gehen Sie nach Hause, Mr. Castle." Im gleichen Moment als die Worte ihren Mund verließen, schloss sie entsetzt die Augen. Verdammt, wie blöd war sie eigentlich?
Sein Gesicht begann praktisch zu strahlen. „Sie kennen mich."
Und das wars. „Könnte sein, dass ich eines Ihrer Bücher gelesen habe", murmelte sie und hoffte, er würde es dabei belassen.
„Ernsthaft?" Er lachte, und ugh, es war ein schöner Klang, der etwas tief in ihrem Bauch freisetzte. „Ich bin nicht so berühmt. Sie müssen tatsächlich einige Zeit damit verbracht haben, auf meine Biographie zu starren, um mich auf der Straße erkennen zu können."
Nicht erröten, Kate.
„Ich muss gehen", wiederholte sie, aber ihre Beine schienen angewurzelt zu sein.
„Sie sind keine Nutte", sagte er noch einmal und es war viel zu viel Faszination in dieser vollen Stimme. Er kam wieder näher und diesmal blieb sie, wo sie war, sie hätte ihre Füße auch nicht bewegen können, um ihr Leben zu retten.
„Es ist schade", seufzte er lachend. „Ich hätte eine Menge Geld bezahlt ...", er ließ seine Augen über sie schweifen und es war jetzt nicht annähernd so gruselig, wie es vorhin in der Bar mit Paul gewesen war. „... um diesen Mund küssen zu dürfen."
Sie tat ihr Bestes, um ihr aufkommendes Schaudern zu verstecken. Sie war sich nicht sicher, ob es funktionierte.
„Mir fällt es schwer, nicht beleidigt zu sein", sagte sie, aber ihre Stimme klang nicht mehr so fest.
Er sah nachdenklich aus. „Oh, wahrscheinlich nicht mein bestes Kompliment. Entschuldigung. Das passiert, wenn ich die ganze Nacht versuche, eine Stimmung oder ein Verhalten in Worte zu fassen, nur … all die guten Worte sind weg."
Der Versuch, Worte zu fassen -
„Sie waren wegen der Inspiration dort", erkannte sie schließlich, eine törichte Erleichterung breitete sich in ihrer Brust aus. Wirklich, Kate.
„Ah, ich würde es nicht Inspiration nennen, sondern definitiv Authentizität." Er zwinkerte ihr zu, lieber Gott, und sie merkte, wie sie sich zu ihm neigte. Job. Erinnere dich, du hast einen Job.
„Ich muss gehen", sagte sie, entsetzt über das ehrliche Bedauern, das in ihrer Stimme mitschwang. Es war ein Uhr morgens, sie fror und sie musste dringend nach Hause. Sie konnte kein Gespräch über Bücher und Authentizität führen mit Richard freaking Castle.
„Ich weiß nicht einmal Ihren Namen", beschwerte er sich und da war etwas leicht Lächerliches, aber auch etwas Liebenswertes an seinem Schmollmund.
„Kate", fand sie sich murmelnd, gegen alle Vernunft.
„Kate", wiederholte er langsam, als ob er es genoss. „Ich mag es. Kate."
Er sah sie mit einem Lächeln an, seine Augen mit Lachfältchen, wie auf dem Buchumschlag, und er beugte sich vor. Für eine atemlose, fassungslose Sekunde war sie sich sicher, er würde sie küssen.
Aber seine Lippen streiften nur ihre Wange, blieben dort für einen langen Moment, bevor er sich wieder aufrichtete. „Es war schön, dich kennenzulernen, Kate."
Er nahm sein Handy, ein schickes Ding, das wahrscheinlich hundert andere Dinge konnte neben telefonieren und SMS schreiben, und sagte zu ihr: "Ich rufe ein Taxi, wenn du es teilen willst -"
Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe mein eigenes. Danke."
Er begann mit jemanden vom Taxi-Unternehmen zu sprechen, seine Augen verließen schließlich ihre, fokussiert auf einen fernen Punkt an der Straße, und Beckett nutzte ihre Chance.
Sie floh.
A/N: Eine Übersetzung macht zwar Spaß, ist aber auch sehr zeitaufwendig. Diese Geschichte hat 33 Kapitel mit ca. 112.000 Wörtern. Deshalb seht das hier bitte als langfristiges Projekt, mit unregelmäßigen Updates.
