Die einzige Möglichkeit, Severus Snapes Zorn nicht auf sich zu ziehen, war, sich so unauffällig wie möglich zu verhalten.
Leider hatte mir das in den letzten Wochen auch nichts gebracht.
Obwohl – ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich Zorn war, der Schuld war, dass er sich so komisch benahm.
Ich seufzte leise.
Seit ich meinen Professor vor wenigen Wochen vor der gesamten Klasse verbessert hatte, machte er mir das Leben zur Hölle.
Und es war nicht das ‚zur Hölle machen', was mich störte. Nein, das, womit ich nicht zurecht kam, war die Art und Weise, wie er dies tat!
„So abgelenkt, Miss Granger?", fragte eine dunkle Stimme spöttisch an meinem linken Ohr.
Ich zuckte zusammen. „Natürlich nicht, Sir", meinte ich mit zittriger Stimme und gab das Dianthuskraut in meinen Kessel.
Ich konnte die Wärme, die von Professor Snapes Körper ausging, beinahe schmerzhaft spüren.
Er stand dicht hinter mir, nicht so nah, dass er mich berührte, aber immerhin noch nahe genug, um mich verrückt zu machen.
Es war zum Verzweifeln! Er lachte leise und ich spürte, wie sich meine Nackenhaare aufrichteten. Oh Merlin! Wie konnte jemand nur so attraktiv sein?
Attraktiv und Snape – zwei Worte, die ich bisher nie miteinander in Verbindung gebracht hätte.
Und doch, ich fand Professor Snape attraktiv! Und genau dies, schien der Mann mit seinem Verhalten erreichen zu wollen.
„Wie schön, dass Sie das amüsiert", sagte ich leicht schnippisch und begann dreimal gegen den Uhrzeigersinn zu rühren.
„Finden Sie wirklich?", murmelte er und lehnte sich ein wenig vor.
Offiziell, um in meinen Kessel sehen zu können. Inoffiziell, um mich zu foltern.
Sein heißer Atem streifte meine Wange und ich atmete tief ein.
"Probleme, Miss Granger?", hauchte er sanft.
„Wie kommen Sie denn darauf?", fragte ich hastig und versuchte, mich wieder auf meinen Trank zu konzentrieren.
„Sie atmen so komisch...", meinte er ernst.
„Machen Sie sich keine Sorgen", erwiderte ich. „Das sind nur – Staubkörner in meinem Hals."
Ich hustete einige Male demonstrativ und blickte ihn unschuldig an.
„Dieses Spiel können auch Zwei spielen", dachte ich spöttisch und beugte mich etwas vor.
„Vielleicht mache ich sie mir ja trotzdem?", hauchte Professor Snape amüsiert und rückte noch etwas näher an mich heran – natürlich so, dass die anderen Schüler nichts davon sehen konnten.
Das war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Ich musste mich stark konzentrieren, um richtig zu atmen.
Meine Knie waren ganz wacklig und ich musste sich mit den Händen an dem Labortisch abstützen.
„Sicher, dass es Ihnen gut geht?"
Ich nickte zögerlich und griff nach den Passionsblumenblüten.
Mein Professor warf einen letzten Blick in meinen Kessel.
„Hervorragend, Miss Granger", säuselte er, bevor er sich abrupt abwandte und in den Kessel von Ron sah.
Ich war geschockt. Hatte er mich gerade wirklich gelobt?
Das erste Mal seit 6 Jahren? Oh Merlin! Ich wollte die Passionsblüten gerade in meinen Trank geben, als mich Professor Snapes Stimme zurückhielt.
„Die Passionsblumenblüten gehören übrigens erst nach dem Mondsteinpulver in den Trank, Miss Granger. Wir wollen doch nicht, dass hier alles in die Luft fliegt, oder?"
Verdammt! Er hatte Recht.
Wenn ich die Blüten in den Kessel gegeben hätte, wäre mir alles um die Ohren geflogen.
Die Slytherins musterten mich schadenfroh. Wahrscheinlich fanden sie es wahnsinnig lustig, dass auch ich mal einen Fehler machte.
Und dies alles nur, weil Snape mich so aus dem Konzept gebracht hatte. Dieser Mistkerl!
Mit zusammengepressten Lippen hob ich das Mondsteinpulver und fuhr fort, meinen Trank zu brauen.
Ich hasste ihn, hasste ihn dafür, was er mir antat!
Warum hatte er nur diese Macht über mich? Manchmal denke ich, er tat es, um sich für meinen Satz vor wenigen Wochen zu rächen.
Ich weiß selber nicht, was in mich gefahren war.
'Übrigens, Professor. Ron und ich – wir sind kein Paar mehr.'
Ich könnte mich heute noch dafür umbringen! Warum hatte ich dies nur gesagt? Es konnte Professor Snape doch vollkommen egal sein, ob ich mit Ron zusammen war oder nicht!
Ich war vollkommen in Gedanken versunken und schreckte erst auf, als Snape brüllte: „Longbottom! Sie sind ja wirklich so dumm, wie Sie aussehen! Habe ich nicht gerade noch gesagt, dass die Passionsblumenblüten nach dem Mondsteinpulver in den Trank gehören?"
„Tu-tu-ut mi-ir L-l-leid, P-p-professor", stotterte Neville panisch.
„Sie sind wirklich eine Schande für die Zaubererwelt!", zischte Snape und blickte ihn hämisch an.
„Das müssen Sie gerade sagen!", rief ich plötzlich und schlug mir einen Augenblick später auch schon die Hand vor den Mund. Verdammt!
„Was haben Sie gesagt?", zischte Snape gefährlich.
Er war wütend, keine Frage. Doch tat er vielleicht nur so?
Ich meinte, ein wenig Amüsement in seinen dunklen Augen aufblitzen zu sehen.
„N-n-nichts." Jetzt war ich an der Reihe zu stottern.
„Sie machen weiter!", herrschte Professor Snape den Rest der Klasse an.
Während die Schüler sich rasch an die Arbeit machen, schritt er langsam auf mich zu. Ich hielt den Atem an.
Was würde er tun? Mein Herz schlug bis zum Hals. Als er dicht vor mir stand, flüsterte er leise: „Angst vor der eigenen Courage, Gryffindor?"
Oh ja, er wusste, dass er mich durch seine Nähe so durcheinander bringen konnte. Verwirrt schüttelte ich den Kopf.
„Na, dann ist es ja gut", säuselte er an meinem Ohr und sagte dann in gewohnter Lautstärke: „Dann macht Ihnen die Strafarbeit mit Sicherheit nichts aus. Heute – 8 Uhr in meinem Büro!"
Ich biss die Zähne zusammen und schenkte ihm keinerlei Beachtung.
Diese Genugtuung würde ich ihm nicht geben!
Finster rührte ich meinen Trank um und seufzte erleichtert, als er in einem hellen Gelb erstrahlte. So wie es aussah, hatte mein Trank die Stunde überlebt.
„Sie können Ihre Tränke jetzt abfüllen", schnarrte Professor Snapes kalte Stimme. „Bringen Sie sie nach vorne."
Vorsichtig füllte ich die Flüssigkeit in eine Phiole und schritt nach vorne. Ich musste aufpassen.
In den letzten Stunden hatte er sich immer einen Spaß daraus gema - „Seien Sie vorsichtig", flüsterte plötzlich die Stimme meines Lehrers und mir rutschte die Phiole beinahe aus den Händen.
Er drückte sich von hinten leicht an mich und meinte: „Nicht, dass Sie Ihren Trank noch fallenlassen."
Ich verfluchte meinen Körper, weil er selbst auf diese Berührung reagierte.
War es nicht eigentlich verboten, dass Lehrer einen so muskulösen Oberkörper hatten? Denn das, was sich an meinen Rücken schmiegte -
„Hermione! Hol deine Gedanken aus der Gosse!", schimpfte ich mich selber.
„Ich lasse ihn schon nicht fallen, Professor", meinte ich betont langsam und legte die Phiole auf seinen Schreibtisch.
„Das freut mich für Sie", versicherte Professor Snape höhnisch. „Denken Sie an unsere Verabredung heute Abend."
„Natürlich", sagte ich und wandte mich ab.
Ich spürte Harrys besorgten Blick auf mir ruhen und verließ schnell die Klasse.
„Hermione? Warte doch!", hörte ich Harrys Stimme durch den Korridor rufen.
Genervt blieb ich stehen und drehte mich um. Harry blieb keuchend stehen und fragte leise: „Was war das denn?"
„Was meinst du?", fragte ich gespielt ahnungslos.
„Was ist mit dir und Snape los?"
„Es heißt Professor Snape, Harry. Und - nichts...was soll schon los sein?", murmelte ich und lachte leicht auf.
„Er benimmt sich komisch", stellte Harry besorgt fest und musterte mich kritisch. „Geht es dir gut?"
„Ja verdammt!", meinte ich genervt. Harry war schon immer viel zu aufmerksam gewesen.
„Ist ja schon gut", versuchte Harry, mich zu beschwichtigen. „Ich dachte nur...wegen Ron, du weißt schon."
Er wurde vor Verlegenheit etwas rot. Wie süß!
„Ach Harry, du bist so niedlich", grinste ich ihn an. „Aber mach dir keine Sorgen. Mir geht's wirklich super!"
„Gut", Harry schien erleichtert. „Ich kann auch überhaupt nicht verstehen, warum er sich von dir getrennt -"
„Lass es gut sein, okay?", unterbrach ich ihn. „Es war wirklich nicht schlimm für mich, dass er Schluss gemacht hat. Wir haben einfach nicht zusammen gepasst."
„Also...also bist du nicht wütend?", fragte er und schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen.
„Würde Lavender dann noch unter uns weilen?", entgegnete ich grinsend.
„Ähm...Lavender?", wiederholte Harry verwirrt.
„Ja natürlich. Sie ist doch jetzt – sag bloß du wusstest das nicht?", rief ich gespielt überrascht.
Harry knirschte mit den Zähnen. Er hasste es, wenn wir Geheimnisse voreinander hatten. Armer Ron.
„Er ist jetzt mit Lavender zusammen", erzählte ich Harry.
„Eigentlich war er das auch schon vor einem Monat, er hielt es nur nicht für nötig, mit mir Schluss zu machen."
„Das ist doch nicht dein Ernst!", stieß Harry schockiert aus.
Ich zuckte mit den Schultern. „Sieht ganz so aus."
„Ich fasse es nicht!", rief Harry und drehte sich abrupt um. „Ich muss sofort mit ihm reden."
Ich blickte ihm interessiert hinterher.
Irgendwie tat es mir ja etwas Leid für Ron – aber: Rache muss sein! Und niemand betrügt eine Hermione Granger einfach so.
„Potter!", zischte eine dunkle Stimme wütend.
Offenbar war Harry so in Gedanken versunken gewesen, dass er Professor Snape nicht bemerkt hatte. „Können Sie nicht aufpassen? 5 Punkte von Gryffindor."
Ich grinste und wandte mich wieder um.
Ich versuchte mich unauffällig zu entfernen, doch Professor Snapes Stimme hielt mich zurück.
„Was gibt es da zu grinsen, Granger?", fauchte er.
„Nichts, Professor", meinte ich und vermied es, ihm ins Gesicht zu sehen.
„Gucken Sie mich gefälligst an, wenn ich mit Ihnen spreche!"
Genervt hob ich meinen Kopf und blickte ihm direkt in die dunklen Augen.
Schwarz traf auf Braun, Braun auf Schwarz – Moment einmal!
„Ihre Augen sind ja gar nicht schwarz!", stellte ich verblüfft fest.
„Sind sie wohl!", protestierte er und blickte schnell zur Seite. „Ich sehe Sie heute Abend!", knurrte er und schritt mit aufbauschender Robe davon. Ich sah ihm verwirrt nach.
Die Welt war verrückt geworden.
