Kapitel 1: Landurlaub
„Landurlaub? Ich brauche keinen Urlaub, Anderson.", Jane zog irritiert eine Augenbraue hoch. Seit wann wurden Allianzangestellte zum Zwangsurlaub verurteilt? Hatte sie mal wieder etwas ausgefressen, an das sie sich nicht einmal erinnerte? Oder war dieser Urlaub nur halb so schlimm wie sie dachte?
„Keine Wiederrede, Commander.", erwiderte das Hologramm streng. „Die Normandy muss dringend aufgerüstet werden. Und ein wenig Ruhe kann Ihnen und Ihrer Crew auch nicht schaden.", Jane wusste, dass der Captain es nur gut meinte. Seit sie sich mit 18 verpflichtet hatte, hatte der Captain sich um sie gekümmert. Ob heimlich oder offiziell, immer so gut es ging. Sie wusste das zu schätzen und glaubte daher, ihm nicht länger widersprechen zu müssen. Also nickte sie nur und beendete die Sitzung. Seufzend stützte sie sich an dem Terminal ab. Langsam so schien es, wuchs ihr das alles über den Kopf. Der Angriff der Reaper auf die Erde, die Sache mit Tuchanka... es fiel ihr schwer Richtig und Falsch noch auseinander zu halten. Außerhalb davon hatte sie für eine Sekunde wirklich in Betracht gezogen, Kaidan zu erschießen. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. Sie hatte ihm zwar gesagt, dass sie nie den Abzug hätte drücken können, aber in Wirklichkeit wusste sie, dass sie es getan hätte, wäre es wirklich zum Äußersten gekommen.
„Commander, Admiral Hackett ist auf der Videoleitung verfügbar.", Traynor sagte das mit der selben Leichtigkeit wie immer. Jane schloss für ein paar wenige Sekunden die Augen. Musste Sie sich von ihm nun auch noch anhören, dass sie ein wenig Ruhe dringend nötig hatte?
„Ich hab's verstanden.", murmelte sie genervt, bewusst, dass keiner ihr zuhörte und verließ den Kommunikationsraum. Primarch Victus warf ihr einen kurzen fragenden Blick zu, den sie gekonnt ignorierte. Sie hatte keine Lust jetzt irgendwelche Fragen zu beantworten. Er würde früh genug erfahren, dass die Normandy vorerst mal nirgendwo hinfliegen würde.
Auf dem Weg nach draußen stieß sie ungewollt auf Traynor.
„Commander. Ich dachte Sie würden mit Admiral Hackett sprechen...", meinte sie nervös und Jane sah ihr sofort an, dass Traynor irgendetwas tun wollte, zu was sie nicht befugt war.
„Ich hielt es nicht für nötig ihn zu kontaktieren. Schicken Sie eine Rundmail an die Crew raus. Wir wurden für unbestimmte Zeit beurlaubt.", erklärte Jane ruhig, ging nicht weiter auf Traynors irritierte Fragen ein und verließ die Normandy. Kein Wunder hatte Anderson Sie zur Citadel gerufen. Er hatte gewusst sie würde kommen, ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Ab und zu wäre es wohl doch besser, der Sache auf den Grund zu gehen...
Gedankenverloren saß Jane an dem großen schwarzen Flügel und ließ langsam ihre Finger über die Tasten gleiten. Sie hatte nie gelernt zu spielen, nie gelernt Töne den Tasten zuzuordnen. Geschweige denn mit anderen Instrumenten umzugehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie sich in den ganzen letzten Jahren vielleicht etwas zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt hatte. Ihr war zum ersten Mal seit langer Zeit langweilig. Sie wusste nicht, was sie tun sollte, saß ahnungslos auf dem kleinen Stuhl und hoffte darauf, irgendwann ihr Talent für das Klavierspielen zu entdecken. Aber allem Anschein nach war sie nie dazu bestimmt, ein Instrument auch nur anzurühren. Sie versuchte sich krampfhaft an die Tage in ihrer Jugend zu erinnern, was sie damals gerne getan hatte, aber selbst jetzt wenn sie daran zurückdachte, schien da nichts zu sein, was sie wirklich beschäftigt hatte.
Irgendwie waren ihr andere Dinge immer wichtiger gewesen, früher war es die Schule gewesen, dann ihre Ausbildung und letzten Endes die Rettung der gesamten Galaxie. Sie hatte nie Zeit gehabt, sich irgendwelchen anderen Aktivitäten zu widmen und in diesem Moment schien ihr das auch zu lächerlich zu sein. Da draußen tobte der größte Krieg aller Zeiten und sie saß in diesem riesigen Apartment und hatte keine Ahnung, wie sie zurück zu ihrem Schiff kommen sollte. Und zu Allem Überfluss begannen die Albträume sie auch noch tagsüber zu jagen. Immer wieder sah sie diesen kleinen Jungen vor sich, hörte Stimmen wo gar keine waren und immer öfter befürchtete sie den Verstand zu verlieren. Wenn sie sich nicht bald ablenkte, würde sie früher oder später noch verrückt werden.
„Commander Shepard, Sie haben eine neue Nachricht.", Glyph flog einmal quer durch das Apartment und hielt direkt vor ihr an.
„Danke.", erwiderte sie bloß und rührte sich nicht von der Stelle.
„Wollen Sie sie nicht lesen?"
„Ich... ja."
Jane stand auf und ging zu Andersons kleiner Bibliothek. Sie konnte immer noch nicht richtig glauben, dass ihr Captain ihr sein ganzes Apartment vermachen wollte. Und noch schlimmer war die Tatsache, dass ihr das alles vor Augen führte, wie unwichtig ihm diese Wohnung erscheinen musste. Im Anbetracht der Umstände war es verständlich, dass der Schutz der Erde vorging. Und sie musste hier wochenlang ausharren und Kaffee trinken...
Die Nachricht war von einem gewissen David Kent. Er schrieb, er wolle ein Video über sie und ihr Leben drehen. Hauptsächlich über die letzten drei Jahre. Der Kampf um die Citadel, die Selbstmordmission bishin zur Gegenwart. Zur Bedrohung der Reaper. Jane seufzte. Wer hatte Interesse sich so ein Video anzusehen? Sie wusste, dass sie für einige wenige ein großes Vorbild war und für manche auch so etwas wie eine Heldin aber sie selbst musste viel zu oft an die vielen Niderlagen denken, die sie in den letzten Jahren einstecken musste.
Und dann erinnerte sie sich an einen gewissen Elcor, der ihr im Silversun Strip über den Weg gelaufen war. War er nicht Schauspieler gewesen und hatte nach Arbeit gesucht? Ohne es zu merken, begann sie wieder zu arbeiten. Und seltsamerweise schien das für sie auch gar nicht falsch zu sein. 'Vielleicht', dachte sie 'ist das ja mein Hobby.'
Jane sprang kurz unter die Dusche, zog sich frische Klamotten an und verließ das Haus.
Das Silversun Strip war wie immer überlaufen. Etliche Leute liefen kreuz und quer über den Platz. Und irgendwo dazwischen entdeckte sie das bekannte Gesicht eines verzweifelten Elcors. Sie zwängte sich durch die Menge und blieb schließlich vor dem globigen Wesen stehen.
„Entschuldigen Sie. Ich bin Commander Shepard, wir hatten uns letzte Woche unterhalten. Sie hatten mir von Ihrem Job erzählt. Ich hätte da vielleicht ein Angebot für Sie.", begann Sie. Der Elcor schien zu lächeln, allerdings war Jane sich dabei nicht so ganz sicher. Bisher hatte sie nicht viel mit Elcor zu tun gehabt und fand es immer noch schwer ihre Gesichtszüge richtig zu deuten.
„Erfreut. Vielen Dank, Mensch. Neugierig. Um welches Angebot handelt es sich?", fragte er mit seiner gewohnt monotonen Stimme.
„Es gibt da einen gewissen David Kent. Er will ein Video über die Ereignisse der letzten drei Jahre filmen. Ich bin mir sicher, dass er mit meiner Empfehlung einen Job für Sie finden kann.", erklärte sie und lächelte.
„Erleichtert. Danke, Commander. Aufrichtig. Wenn ich Ihnen helfen kann, sagen Sie mir Bescheid."
Der Elcor verließ den Platz. Einen Moment lang überlegte Jane ob das so eine gute Idee war. Sie hatte eigentlich nie gedacht, jemals so berühmt zu werden. Und das nun auch noch ein Video über sie gedreht wurde...
„Shepard!"
Jane wandte sich zu dem Casino.
„James."
Insgeheim wunderte sie sich nicht über sein Auftauchen. Schließlich hatte sie seinen Namen auf der Rekordliste schon gesehen. Anscheinend hielt er sich oft in dem Casino auf.
„Was machen Sie denn hier? Ich dachte, Sie sitzen in ihrem schicken Apartment und lesen irgendso einen historischen Wälzer.", James grinste sie spitzbübisch an.
Jane verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf.
„Ich frage mich wieso Sie so einen Eindruck von mir haben. Wirke ich auf Sie so langweilig?", fragte sie und als er ihr ein kurzes Zeichen gab folgte sie ihm in das Casino.
„Das habe ich nie gesagt, Lola. Sie sind alles andere als langweilig. Eine Frau die dem Rat widerspricht, ohne mit der Wimper zu zucken mal eine ganze Kollektorenbasis niederreißt und dann auch noch die Genophage heilt. Langweilig? Nein.", auch wenn James ganz offensichtlich beeindruckt von ihr war konnte er das gut hinter seinem Humor verstecken.
„Warum können Sie nicht einmal ernst bleiben?", fragte sie und erwartete eigentlich keine richtige Antwort, aber anscheinend nahm James sie beim Wort.
„Sie sind doch alle immer viel zu ernst, Lola. Ich halte das nicht für richtig. Wir müssen uns mit genug ernsten Themen auseinandersetzen. Wenn Sie mein Sarkasmus stört, ignorieren Sie ihn einfach.", schlug er vor und ging geradewegs auf den Greifarmautomaten zu.
„Sie stören mich nicht.", erwiderte sie noch leise, bezweifelte allerdings, dass er das gehört hatte. James lachte leicht.
„Wow, damit hätte ich nicht gerechnet. Lassen Sie das mal nicht Garrus hören. Ich glaube, ich bin ihm schon lange ein Dorn im Auge.", erwiderte er erneut mit einem leichten Anschwung von Sarkasmus.
„Ich habe gesagt, dass Sie mich nicht stören, nicht, dass ich Sie liebe, James.", entgegnete Jane und stellte sich direkt neben ihn. In den letzten Tagen war ihr so langweilig gewesen, dass sie sich ab und zu auch hier her verirrt hatte. Und komischerweise war sie auch immer mal wieder vor diesem Automat stehen geblieben. Das man immer gewann, war für ihr Portmoné auch nicht gerade so fördernd.
„Autsch, das hat weh getan, Lola.", er lächelte bitter. „Haben Sie das auch schon versucht? Macht einen echt süchtig."
'Schneller Themenwechsel', dachte Jane, ging aber darauf ein.
„Ja, Liara meint, es wäre gar nicht so schlecht, wenn ich mal eine etwas größere Auswahl für meine Musikanlage zu bieten hätte.", erklärte sie und beobachtete, wie James mit dem Greifarm einen lilanen Ball in die Röhre manövrierte.
„Glückwunsch, Sie haben gewonnen!", erschallte eine viel zu glückliche VI und brachte ein kleines Plüschherz zum Vorschein.
„Haha, das ist ja... nett.", kommentierte James und zog zweifelnd eine Augenbraue hoch. „Für Sie, Lola. Ich kann damit nicht viel anfangen."
Jane lachte. „Aber ich?"
„Zu Ihnen passt es jedenfalls besser wie zu mir."
Lächelnd nahm sie das kleine Geschenk an.
„Danke."
„Keine Ursache, Lola. Haben Sie schon was gegessen? Nachdem Sie den Sushi Laden in die Luft gejagt haben gibt es hier zwar kein richtig gutes Restaurant mehr, aber vielleicht könnten wir uns eine Pizza bestellen. Sie wohnen ja nicht weit von hier.", er grinste erneut sein typisches Vega-Grinsen.
Jane ließ sich seinen Vorschlag kurz durch den Kopf gehen und entschied dann, dass es gar keine schlechte Idee war. Alleine würde sie in dem riesigen Apartment sowieso nur eingehen. Immerhin wusste sie einfach nicht, was sie mit sich anstellen sollte. Hobbylos traf es wohl am besten...
„Gut, gehen wir."
ich hoffe euch hat das erste Kapitel gefallen :) Ich nutze zum schreiben Open Office und habe daher leider kein Rechtschreibprüfungsprogrammgedöns, ich hoffe daher, dass es mit den Rechtschreibfehlern nicht ganz so schlimm ist :D
Danke für's lesen :)
