My first uploaded fic. Be nice. ;o)
Big surprise: Harry Potter belongs only to J.K Rowling.
Christmas Tears
18. Dezember 2002
„Hey. Gerade ist eine Eule von den Weasleys gekommen."
Harry Potter kam in die Küche des kleinen Cottage in Hogsmeade gestürmt und wedelte dabei mit einem Bogen Pergament herum. Er ließ sich auf einen der weißen Holzstühle fallen, ohne auf das protestierende Knacken des alten Möbelstücks zu achten und strahlte seinen Freund über den Tisch hinweg an. Draco Malfoy warf ihm über den Rand seines Buches einen abwartenden Blick zu, sagte aber kein Wort. Wenn er nach fünf Jahren mit Harry eines gelernt hatte, dann war das Geduld. Früher oder später würde der Ex-Gryffindor schon mit dem Grund für seinen Enthusiasmus rausrücken. Denn eine Eule von einem der vielen Weasley allein, war noch kein Grund so aus dem Häuschen zu geraten. Es schien allerdings nicht so, als wollte er diese Erklärung in nächster Zeit abgeben. Momentan war er mehr mit Merlin dem Hund beschäftigt. Der große Mischling, der mehr einer Kreuzung zwischen Bär und Perserteppich ähnelte als einem Hund, rannte von der Begeisterung seines Herrchens angesteckt wie eine Ziege in der Küche herum, sprang an Harry hoch und leckte ihm quer durchs Gesicht. „Iiiiieeehhh, Merlin! Ich hab mich doch heute schon gewaschen. Du dummer Hund. Du süßer, dummer Hund. Nicht wahr, Dusty? Merlin ist ein großer, dummer Hund."Draco verdrehte die Augen. Jetzt ging das schon wieder los. Harry konnte sich stundenlang damit beschäftigen mit dem Hund und den beiden Katzen zu reden und diese recht einseitige Konversation wurde dabei von Minute zu Minute unsinniger. Den großen, grauen Kater, der es sich auf dem Tagespropheten bequem gemacht hatte, schien das Gesäusel nicht zu stören. Er fing wie immer in dem Moment an zu schnurren, als er seinen Namen hörte. Während er weiter mit den Tieren redete, warf Harry Draco immer wieder verstohlene Blicke zu und wartete ganz offensichtlich auf eine Reaktion.
Schließlich wurde es dem ehemaligen Slytherin zu bunt. Mit einem resignierten Seufzer schloss er sein Buch und sah seinen übermütigen Freund mit einem amüsierten Lächeln an.
„Also schön. Raus mit der Sprache. Was ist so fürchterlich bemerkenswert an einem Brief von den Weasleys?"
„Sie haben uns über Weihnachten in den Fuchsbau eingeladen! Ist das nicht toll? Wir können Weihnachten mit all unseren Freunden verbringen! Alle Weasleys kommen und Hermine wird da sein und Neville. Und sie haben Remus eingeladen! Ich freu mich schon so. Das wird richtig klasse! Drei Tage im Fuchsbau!"
Dracos Lächeln gefror. „Aber wir wollten dieses Jahr doch zu Hause bleiben."
„Nur du und ich." fügte er in Gedanken hinzu. „Nicht du und ich und zwei Duzend Weasleys."
„Ja, ich weiß. Aber da hatten wir ja auch noch nicht so eine tolle Einladung."
„Und was ist mit den Tieren? Wie können sie nicht drei Tage allein lassen."
„Ach, die Katzen geben wir rüber zu Mrs. Finsterberg. Die freut sich doch immer wenn sie dir einen Gefallen tun kann."Harry grinste. „Sie steht auf dich. Wenn sie nicht schon achtzig wäre, dann könnte ich glatt eifersüchtig werden. Und den süßen, dummen, dicken Hund hier nehmen wir einfach mit."Er bemerkte nicht, dass Dracos Lächeln die Augen nicht mehr erreichte und zusehends verblasste, weil er aufgesprungen war und seine Arme um Merlins Hals schlang. Dann stand er wieder auf und umarmte seinen Freund. „Hey. Es wird bestimmt schön. Das versprech' ich dir."
„Harry..." Draco unternahm einen letzten Versuch. „du weißt, dass ich mich nicht besonders gut mit den Weasleys verstehe. Ich meine, Molly und Arthur sind ok, aber Ron und die Zwillinge... Ich will Weihnachten nicht damit verbringen mich zu streiten."
„Das wirst du auch nicht. Ich werde Ron sagen, dass sie sich zurückhalten sollen. Und außerdem weiß er, dass du mir wichtig bist, da wird er bestimmt nett sein."
Er zog den schlanken Körper fester an sich und schmiegte einen Kuss gegen Dracos Schläfe. „Keine Sorge. Ich verspreche dir, dass es schön wird."
Draco schloss die Augen und versuchte seine Bedenken zu vergessen.
Die Enttäuschung blieb.
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24. Dezember
„Draco?" Harry stand in der Schlafzimmertür und sah seinen Freund flehend an: „Bitte versprich mir das du nicht streiten wirst. Wenn die Zwillinge dich zu ärgern versuchen, ignorier sie einfach. Es wäre sonst sehr unhöflich Mrs. Weasley gegenüber."
Draco unterdrückte ein genervtes Stöhnen und ließ sich aufs Bett fallen. „Das hast du mir heute schon hundertmal gesagt. Harry, ich bin keine fünf mehr und durchaus in der Lage mich zu benehmen. Davon abgesehen bin ich es nicht, der üblicherweise die Streiterei anfängt."
„Draco, bitte! Ich weiß, dass du dich von den Sticheleien angegriffen fühlst, aber sie meinen es nicht böse, glaub mir das doch. Es ist einfach ihre Art. Es hat nichts mit dir zu tun."Er kniete sich vor das Bett und nahm Dracos Hände in seine. „Versteh doch, Jinx, die Weasleys bedeuten mir sehr viel. Sie sind wie meine Familie. Ich möchte einfach, dass das für uns alle ein schönes Weihnachtsfest wird. Du kannst das vielleicht nicht nachvollziehen, weil du immer eine Familie hattest, aber ich habe mich immer danach gesehnt."
Draco entzog ihm seine Hände und stand vom Bett auf. Der Hinweis auf seine Eltern war wie ein Schlag ins Gesicht. Lucius war vor Jahren in Azkaban gestorben und Narcissa war bei ihrer Schwester in Frankreich und hatte jeden Kontakt zu ihrem Sohn abgebrochen. Außerdem, er hatte Harry nie davon erzählt, aber Weihnachten auf Malfoy Manor war alles andere als schön und besinnlich gewesen. Er sah den Gryffindor nicht an, der noch immer auf dem Boden saß und ihm flehentliche Blicke zuwarf und begann wütend ein paar Sachen in die Tasche zu werfen, die auf dem Bett stand. Er hörte wie Harry aufstand und ums Bett herumkam. Einen Moment später fühlte er starke Arme, die ihn von hinten umarmten. Er versteifte sich instinktiv, gab seinen Widerstand aber gleich wieder auf. „Es ist nicht Harrys Schuld."redete er sich selbst ein.
„Dray? Sei doch nicht so. Ich möchte doch einfach nur ein paar schöne Tage für uns. Kannst du das nicht verstehen?"
Draco seufzte kaum merklich, dann drehte er sich in Harrys Armen um und sah ihn an. „Also schön. Ich verspreche dir, dass ich mich nicht aufregen werde und dass ich mich zurückhalte. Ich hoffe nur, dass deine Freunde sich auch ein bisschen zivilisierter verhalten als sonst. Und Silvester werden wir hier bleiben! Das musst du mir versprechen."Harrys strahlendes, überglückliches Lächeln wärmte sein Herz und ließ ihn seine Zweifel einen Moment lang vergessen.
„Alles was du willst, Jinx. Ich liebe dich. Und jetzt werde ich die Katzen zu Mrs. F. bringen. Beeil dich mit dem Packen, dann können wir los bevor der Schneesturm anfängt."Er küsste Draco auf die Nase und rannte dann die Treppe runter um Dusty und Isis einzufangen.
Wieder allein, ließ Draco sich zurück aufs Bett sinken und betrachtete unschlüssig das Päckchen mit Harrys Geschenk. Es war etwas Besonders und er hatte sich sehr darauf gefreut, Harry das Päckchen morgen früh zu geben und seine Augen zu sehen, wenn er es auspackte. Unter dem schlichten, dunkelblauen Papier verbarg sich ein schmales, schwarzes Holzkästchen, dessen Inhalt Draco unzählige schlaflose Nächte bereitet hatte. Eingebettet in dunkelblauen Samt enthielt es zwei schmale, schlichte Silberringe. Ringe, die ein Versprechen bargen. Es hatte Draco große Überwindung gekostet sie zu kaufen. Die Idee war ihm irgendwann im letzten Frühjahr gekommen, aber erst vor zwei Wochen hatte er den Mut aufgebracht sie tatsächlich einpacken zu lassen und mitzunehmen. Er war sich noch immer nicht sicher, ob es das Richtige war und die Angst, dass Harry die Bedeutung der Ringe missverstehen oder sie vielleicht ablehnen könnte, dass er vielleicht doch nicht soviel für Draco empfand, hatten ihn in den letzten Tagen immer wieder schweißgebadet aus dem Schlaf hochschrecken lassen. Nein. Er schob die Schachtel zurück in ihr Versteck in seiner Nachttischschublade. Nicht jetzt. Dann würde eben der Pullover reichen müssen. Kein besonders einfallsreiches Geschenk, aber daran konnte er jetzt auch nichts mehr ändern. Der Gedanke, Harry die Ringe im Beisein des gesamten Weasley-Clans zu geben, war einfach unvorstellbar. Natürlich, Molly, Ginny und Hermine würden begeistert sein, aber die Reaktion der männlichen Weasleys stellte er sich lieber nicht vor. Verdammte Wiesel! Sie schienen immer und überall da zu sein und Harry als ihr Eigentum anzusehen. In letzter Zeit hing er ständig im Fuchsbau oder in Ron und Hermines Wohnung in London herum. Sie trafen sich zum Quidditch oder mit Fred und George in deren Laden oder irgendwelche Gryffindors tauchten unangemeldet auf um dann stundenlang in Erinnerungen zu schwelgen. Und Harry schien niemals auf die Idee zu kommen, dass es Draco vielleicht stören könnte, wenn ständig irgendwelche Leute in ihrem Haus herumliefen. Dass es ihn verletzte immer außen vor zu sein, niemals mit einbezogen zu werden. Und in letzter Zeit wurde es immer schlimmer und Draco hatte mehr und mehr das Gefühl, dass Harry sich von ihm entfernte, ihm immer mehr entglitt. Plötzlich kamen ihm wieder Zweifel. Vielleicht sollte er die Ringe einfach zurückgeben. Vielleicht war ihre Beziehung ohnehin zum Sterben verdammt... Vielleicht...
„Bin wieder da! Mrs. Finsterberg wünscht uns frohe Weihnachten und sie sagt, dass sie uns etwas vom Süßkartoffelauflauf ihrer Schwester aufhebt und... Hey, was ist denn los? Warum weinst du denn?"Harry kam die Treppe raufgepoltert und sah bestürzt, dass Draco auf dem Bett saß und lautlos weinte. Er ließ sich neben seinem Freund nieder und streichelte ihm sanft über den Arm. „Was ist denn passiert?"„Ach, gar nichts. Ich weiß nicht. Wahrscheinlich bin ich im Moment einfach ein bisschen sentimental, das macht die Jahreszeit und ich hab letzte Nacht kaum geschlafen und bin müde und... Ist doch egal. Es ist nichts passiert. Kein Grund dass du dir Sorgen machen musst."Draco wischte sich unwillig die Tränen aus dem Gesicht und setzte ein schiefes Lächeln auf. Harry sah ihn zweifelnd an. „Bist du sicher?"
„Ja! Harry komm schon. Es ist alles in Ordnung. Weihnachten spinnen doch alle ein bisschen. Jetzt mach nicht so ein besorgtes Gesicht."Er schlang seine Arme um Harry, ließ seine Finger durch die strubbeligen, schwarzen Haare gleiten, schmiegte sich eng an den vertrauten Körper und fing an ihn sanft zu küssen. Einen Augenblick lang hielt Harry den Blick der silbrig grauen Augen fest, versuchte zu ergründen, welche Gedanken sich dahinter verbargen, dann gab er auf, schloss die Augen und gab sich ganz dem Verlangen hin, das in seinem Körper hochwallte. Draco beobachtete zufrieden, wie Sorge und Zweifel aus Harrys Gesicht verschwanden. Einen Moment lang fragte er sich, was wohl geschehen würde, wenn er dem Gryffindor von seiner Angst und Unsicherheit erzählte, aber die Angst vor den Konsequenzen ließ ihn weiter schweigen. Es war besser so. Harry hatte ein zu weiches Herz. Und egal was passierte, Draco wollte nicht, dass er nur aus Mitleid bei ihm blieb.
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„Harry! Da bist du ja endlich. Und du hast Merlin mitgebracht. Hallo du süßer Hund. Kommt rein. Mum war schon ganz besorgt, dass du vielleicht in den Schneesturm gekommen sein könntest."Ron Weasley fiel Harry um den Hals, kaum dass er die Tür geöffnet hatte. Dann begrüßte er ausgiebig den Hund, der begeistert herumsprang. Erst als Harry und Merlin bereits im Haus waren schien er Draco zu bemerken. Sein breites Grinsen verschwand und sein Gesichtsausdruck sagte deutlich, dass er die Tür am liebsten zugeschlagen hätte. „Oh, hallo Malfoy."Seine Stimme war kühl und gelangweilt, aber seine Miene schien zu sagen: „Verschwinde Malfoy! Du bist hier nicht erwünscht! Harry ist unser Freund und du bist nur ein Eindringling."
Draco schalt sich innerlich wegen seiner Paranoia und setzte eine neutrale Miene auf. „Weasley. Danke für die Einladung."
„Damit hab ich nichts zu tun. Die kommt von meiner Mutter."Ohne Draco weiter zu beachten drehte er sich um und ging ins Wohnzimmer wo Harry bereits mit großer Begeisterung begrüßt wurde. Draco schloss die Tür, lehnte sich einen Moment lang gegen das beruhigend feste Holz und schloss die Augen. „Ganz ruhig. Du schaffst das. Sein einfach nett und höflich. Tu es für Harry. Das hier sind seine Freunde und sie bedeuten ihm viel. Du willst doch, dass Harry glücklich ist, oder?" Seid sie zu Hause aufgebrochen waren, wiederholte er innerlich dieses Mantra und zeitweise gelang es ihm sogar daran zu glauben. Jetzt meldete sich einen andere, kleine Stimme, tief in seinem Inneren. „Und wer fragt, ob du glücklich bist?"
„Ach sei still!"murmelte er.
„Sorry, ich hab doch noch gar nichts gesagt."Eine amüsierte Stimme in der Lachen mitschwang. Draco schlug die Augen auf und sah sich einem großen, gutgebauten und – natürlich – rothaarigen Mann gegenüber, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte, aber sofort als Weasley erkannte. Er merkte wie ihm eine leichte Röte in die Wangen kroch.
„Der muss ja denken, ich hab nicht mehr alle Tassen im Schrank! Steh hier im Flur und für Selbstgespräche!" Laut sagte er: „Endschuldige, ich hab nicht dich gemeint. Ich war in Gedanken."
Ein schiefes Grinsen erhellte das sommersprossige Gesicht und ließ die blaugrauen Augen leuchten. Hinzu kamen ein leicht unordentlicher Zopf und ein silberner Ohrring, der dem bisher unbekannte Weasley das Aussehen eines ausgesprochen attraktiven Piraten gaben.
„Hi. Ich bin Bill. Und du musst Draco sein."
„Ja, bin ich. Hi."Draco nahm die dargebotene Hand. Die Finger waren schwielig und warm.
„Wolltest du den ganzen Tag hier im Flur bleiben oder kommst du mit ins Wohnzimmer?"
„Naja, der Flur hat doch Einiges für sich."
Als Antwort brach Bill in schallendes Gelächter aus. „Ich denke, damit wird meine Mum nicht einverstanden sein und sie ist der Boss in diesem Haus. Sie hat mich losgeschickt, damit ich nachschaue wo du bleibst."
Das Wohnzimmer war hoffnungslos überfüllt. Auf jedem verfügbaren Platz saß jemand. Draco ließ sich von Mrs. Weasley und Hermine umarmen, schüttelte Mr. Weasley die Hand und beantwortete höflich die üblichen Fragen über Gesundheit und Arbeit. Dann sah er sich nach seinem Freund um. Harry saß eingequetscht zwischen Ron und Remus Lupin und führte eine lebhafte Diskussion mit den Zwillingen. Remus, der sich mit Hermine unterhielt, nickte seinem ehemaligen Schüler freundlich zu. Draco stand unschlüssig herum und hörte nur halb auf das was Arthur ihm gerade über die Abteilung für Muggleartefakte erzählte. Er hätte sich gern neben Harry gesetzt, aber die Couch war bereits jetzt völlig überladen. Harry zog entschuldigend die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Schultern. Dann deutete er verstohlen auf einen Hocker am anderen Ende des Zimmers, wo Percy und Penelope etwas abseits saßen. Draco spürte einen kleinen Stich der Enttäuschung. Hermine bemerkte sein Dilemma und wand sich an ihren Mann: „Ron. Würdest du bitte herkommen und dich eine Weile zu mir setzen?"
„Warum denn? Hermine ich unterhalte mich hier gerade."
„Bitte, Ron. Ich würde mich auch gern ein bisschen mit dir unterhalten. Außerdem kann Draco sich dann auch hinsetzten."
„Wieso? Da ist doch noch ein Stuhl! Oder ist der nicht gut genug?"Der bissige Tonfall der letzten Bemerkung war nicht zu überhören. Zum Glück warf Charlies fünfjährige Tochter Mona im gleichen Moment ihre Tasse runter, so dass Rons Kommentar fast ungehört blieb, weil sich alle um das heulende Kind kümmerten. Aber nur fast. Hermine hatte ihn gehört, Harry und Remus ebenfalls.
„Ronald Weasley! Wir hatten uns doch heute morgen ausführlich darüber unterhalten."
„Ja, ja, schon gut. Bis später Harry."
Der jüngste Weasley stand auf und ging zu seiner Frau. Im Vorbeigehen stieß er Draco grob zur Seite und zischte: „Ich hoffe die Couch ist genehm für Euer Hochwohlgeboren. Der Thron ist leider gerade zum Aufpolstern."
Draco schloss kurz die Augen und zählte stumm bis fünf. Dann ging er zur Couch und setzte sich. Harry schlang ihm sofort den Arm um die Schultern und küsste ihn auf die Wange, ohne auf die Würgegeräusche zu achten, die die Zwillinge von sich gaben. „Hey, tut mir leid. Ich red nachher mit ihm, ok?"
„Ich bezweifle, dass das etwas nützt."
„Komm schon, Jinx. Nicht böse sein."
Bei diesem Kosenamen zuckte Draco leicht zusammen. „Bitte nenn mich nicht so!"
Harry sah ihn erstaunt an: „Aber sonst stört es dich doch auch nicht, wenn ich dich so nenne."
„Ja, sonst liegen ja auch nicht zig Wiesel auf der Lauer und warten nur auf eine Chance sich über mich lustig zu machen!"Seine Stimme klang schärfer als beabsichtigt und er sah einen leicht verletzten Ausdruck in Harrys Smaragdaugen. „Hör mal. Tut mir leid. Ich bin nicht böse auf dich. Ich bin nur im Moment ein bisschen empfindlich. Das hier macht mich leicht nervös. Also nimm bitte nicht alles persönlich was ich sage."Er beugte sich vor und gab dem traurigen Gryffindor einen sanften Kuss. Fred und Ron taten als würden sie sich übergeben und Percy verzog angewidert das Gesicht.
Und Ginny platzte der Kragen.
„Jetzt ist hoffentlich bald mal Ruhe auf den billigen Plätzen! Frederick! Ronald! Geht lieber raus und helft Mum beim Tischdecken statt euch hier als Schmierenkomödianten zu betätigen. Ihr seid nämlich in keinster Weise lustig!"
Draco warf ihr einen dankbaren Blick zu. Er verlor von Minute zu Minute mehr von seiner ohnehin geringen Geduld und Ginny bewarte ihn jetzt davor sein Versprechen gegenüber Harry zu brechen, sich nicht mit den Weasleybrüder anzulegen.
Eine halbe Stunde später saßen die Weasleyfamilie und ihre Gäste zusammen an einem langen Tisch und fragten sich leicht verwirrt, wie es Molly gelungen war alle unterzubringen. Arthur thronte am einen Ende der Tafel und ließ seinen Blick über die versammelten Gäste gleiten. Zu seiner linken saß Molly, wenn sie nicht gerade wieder durch die Gegend wuselte um alle zu bewirten, daneben kamen Charlie und seine Frau Paula, die ihre Zwillinge Ben und Mona zwischen sich genommen hatten und versuchten so die größten Katastrophen halbwegs einzudämmen. Neben Paula kamen Hermine und Ron und dann Fred und George, beide zum Glück derzeit solo. Am anderen Ende des Tisches saß mit säuerlicher Miene Percy. Zu seiner Rechten sein Sohn Joshua, der es nicht wagte auch nur einen Krümel fallen zu lassen, dann Penelope, Harry, Draco, Ginny, Neville, Remus und schließlich zu Arthurs Rechten Bill. 19 Menschen und bisher war niemand wegen Platzmangel erstickt.
„Das ist wirklich klasse, Molly. Danke. Das beste Essen seit langem. Als Junggeselle bekommt man halt doch nicht so oft was Anständiges auf den Tisch."
Remus überschwängliches Lob ließ Molly Weasley vor Freude erröten.
„Es freut mich, dass es dir so gut schmeckt. Und über das Lob freu ich mich auch. Meine Bande schaufelt immer alles in sich rein, als ob es am nächsten Tag nichts mehr gibt. Denen könnte ich auch alte Socken und Kieselsteine vorsetzen, den Unterschied würde keiner merken. Hauptsache viel und oft, der Rest ist wurscht."
„So sind Jungs halt, Molly. Ich hab meiner Mutter auch die Haare vom Kopf gefressen."
„Ich hoffe ihr lasst alle noch Platz für den Nachtisch. Harry, Liebes, gibst du mir bitte deinen Teller an, dann bekommst du noch Kartoffeln."
„Danke Mrs. Weasley. Aber ich ess die restlichen von Draco."
Molly war sofort in höchstem Maße alarmiert: „Schmeckt es dir nicht, Draco?"
„Doch, sehr. Aber ich bin satt. Danke."
„Aber du kannst doch unmöglich schon satt sein. Du hast kaum etwas gegessen."
Harry winkte beruhigend ab: „Keine Sorge Mrs. Weasley. Er isst nie besonders viel. Ich hab mir schon den Mund fusselig geredet, das nützt nichts."
„Naja, ist halt kein Kaviar."murmelte Fred. „Nein, und er muss auf seine Linie achten, sonst passt er nicht mehr in seine Kleider." kam Rons ebenso leise Antwort. Dann steckte die beiden die Köpfe zusammen und einige Minuten später brachen sie in hysterisches Kichern aus. Niemand bemerkte ihren Heiterkeitsausbruch. Außer Draco. Er wusste, dass sie über ihn sprachen. Seid sie sich zum Essen hingesetzt hatten waren die beiden damit beschäftigt sich über ihn lustig zu machen. Leider verstand er nur Bruchstücke ihrer Unterhaltung, da Harry sich über den Tisch hinweg mit Hermine unterhielt und es auch sonst nicht besonders leise war. Er hörte Dinge wir „zu fein für uns", „arrogantes Frettchen", „bestimmt magersüchtig", „wie der das Messer hält!". Und er bemerkte die Blicke, das unverschämte Grinsen und die eindeutigen Gesten in seine Richtung. Ab und an beteiligte sich George ebenfalls an der Unterhaltung der beiden. Percy musterte ihn die ganze Zeit voller Abscheu und murmelte immer wieder etwas von Azkaban und bösem Blut. Niemand sonst schien all das zu bemerken und Draco stand kurz davor allen Versprechungen zum Trotz auszurasten. Seine Hände zitterten vor mühsam unterdrückter Wut und als er nach seinen Weinglas griff, glitt ihm dieses aus dem Fingern und der Wein ergoss sich über den Tisch und tropfte ihm in den Schoß. Die Zwillinge und Ron brachen augenblicklich in schallendes Gelächter aus, während Percy missbilligend den Kopf schüttelte.
„Wirklich elegant, Malfoy. Und ich dachte immer du wärst so gut erzogen."
„Halt deine dumme Klappe Weasley! Wenigstens weiß ich wie man mit Messer und Gabel isst!"Dann, an den Rest gewandt: „Wenn ihr mich bitte einen Moment entschuldigen würdet?"Er stand auf und verließ wütend das Esszimmer. Im Bad versuchte er sich notdürftig von den Weinflecken zu befreien. Als die Tür aufging wusste er ohne hinzusehen, wer es war.
„Sag mal, musste das sein?"Harrys Stimme war leicht vorwurfsvoll. „Du hast es versprochen!"Draco warf das Handtuch auf den Boden und fauchte Harry wütend an: „Wieso sagst du mir das? Deine feinen Freunde machen sich den ganzen Abend schon über mich lustig. Aber dazu hast du anscheinend nichts zu sagen. Ich war bis jetzt mehr als ruhig, aber irgendwann reicht es! Ich bin nur deinetwegen hier. Ich wusste, dass es so werden würde. Also wage es bloß nicht mir irgendwelche Vorwürfe zu machen!"
„Ich glaub nicht, dass sie sich über dich lustig machen. Das bildest du dir ein. Sie sind einfach ausgelassen. Und sie lästern über jeden. Mich verspotten sie doch auch dauernd. Wegen meiner Brille und meiner Haare. Das ist nicht böse gemeint. Versuch doch bitte, mit den dreien auszukommen. Oder geh ihnen wenigstens aus dem Weg. Bitte. Tu es für mich. Ich hab mich so auf dieses Fest gefreut."Er sah Draco flehend an. Dieser fluchte innerlich. Es fiel ihm schwer Harrys Bitten zu widerstehen. Und es waren nur drei Tage. Drei verdammte Tage, die Harry glücklich machen würden.
„Schön. Sag deinen Freunden, dass sie mich in Ruhe lassen sollen, sonst garantiere ich für nichts."
„Danke, ich liebe dich."Harry umarmte ihn und gab ihm einen langen, zärtlichen Kuss, in dem das Versprechen auf mehr lag. Draco schloss die Augen und ließ seine Wut von einer Woge der Zärtlichkeit wegschwemmen. Er wollte den Kuss gerade vertiefen, als es an der Tür klopfte.
„Alles ok bei euch?"Hermines Stimme klang besorgt. Als Einzige der übrigen Anwesenden schien sie die Sticheleien der Weasleybrüder mitbekommen zu haben und konnte Dracos Wutausbruch verstehen.
Mit einem resignierten Seufzer wand Draco sich aus Harrys Umarmung und öffnete die Tür.
„Komm rein. Ich hab Rotwein auf dem Hemd, aber sonst geht es."
„Molly hat hier irgendwo ein ziemlich gutes Fleckenmittel."Sie begann damit die Schränke zu durchsuchen. „Sie hat die Jungs rausgeschmissen, damit sie eine Schneeballschlacht machen oder was weiß ich und sich dabei abkühlen."
„Was? Ohne mich? Draco, bist du sehr böse, wenn ich auch rausgehen?"
„Nein, solange du mich nicht zwingst mitzugehen."
„Ok. Bis später."Harry gab ihm einen ziemlich lauten, feuchten Kuss auf die Wange und verschwand dann nach unten. „Hey Jungs, wartet auf mich!"
„Er erinnert mich manchmal an einen jungen Hund, der noch nicht trocken hinter den Ohren ist. Zieh das Hemd aus, dann weich ich es ein. Du hast ja bestimmt Sachen zum Wechseln mit, oder?"
„Mhm."
„Tut mir leid, Draco. Ron und die Zwillinge sind wirklich unmöglich. Ich bewundere dich, das du so lange durchgehalten hast. Ich wäre schon viel eher ausgeflippt."
„Du kannst ja nichts dafür. Das Schlimme ist einfach, ich habe Harry versprochen mich mit den dreien zu arrangieren. Und er ist der festen Überzeugung, dass ich sie genauso mögen werde wie er, wenn ich mir nur genug Mühe gebe. Aber ich sehe nicht ein, dass ich der Einzige bin, der sich um Frieden bemüht. Dass Percy ein hoffnungsloser Fall ist, weiß ich ja."
„Ach, auf den darfst du überhaupt nichts geben. Aber die anderen können wirklich ziemlich anstrengend sein. Und na ja, leider auch sehr nachtragend."
„Ich weiß. Es wäre auch kein Problem für mich, aber Harry will, dass alle Menschen die er gern hat sich auch mögen. Und das ist schwierig."
„Ja, ich weiß. Aber nimm's dir nicht so zu Herzen. Harry liebt dich und im Zweifelsfall würde er sich immer für dich entscheiden. So, ich muss jetzt wieder runter. Sonst macht Molly den Abwasch ganz allein. Kommst du zurecht?"
„Ja. Ich komm auch gleich runter. Ich werd mir nur eben was anderes anziehen. Und Hermine? Danke."
Sie umarmte ihn kurz und verließ dann das Bad. Es war wirklich nicht einfach für ihn. Auch Hermine war es am Anfang schwer gefallen Draco in Harrys Leben zu akzeptieren, aber mittlerweile hatte sie ihn ins Herz geschlossen. Ron war dazu nicht so ohne weiteres bereit.
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Eine Stunde später saß Draco allein auf dem Treppenabsatz und starrte hinaus in die Dunkelheit. Er konnte die anderen sehen, die sich im Garten eine wilde Schneeballschlacht lieferten und hörte die Frauen, die sich in der Küche leise unterhielten. Er hatte sich bei Molly und Arthur für sein Verhalten entschuldigt und beide schienen der Meinung, dass nichts Schlimmes vorgefallen war. Trotzdem fiel es ihm schwer sich zu entspannen. Er sah wie Harry sich lachend auf Ron warf und ihm einen Schneeball in den Nacken klatschte. Die beiden tollten herum wie junge Hunde während Merlin laut kläffend um sie herumsprang. Draco wand den Blick ab und stützte das Kinn in die Hände. Es stimmte nicht was er Hermine gesagt hatte. Es machte ihm etwas aus. Es tat ihm mehr weh als er bereit war zuzugeben. Die Gewissheit, dass es immer einen Teil von Harrys Leben geben würde, zu dem er nicht gehörte, zu dem er keinen Zutritt hatte. Es versetzte ihm kleine, glühende Stiche der Eifersucht, wenn er sah, wie Harry und Ron die Köpfe zusammensteckten und über irgendeinen gemeinsamen Witz lachten, wenn sie mit Hingabe über Banalitäten diskutierten oder wenn sie über ihre gemeinsam durchlebten Abenteuer philosophierten. Ron würde immer die älteren Rechte haben, würde immer derjenige sein, der Harry länger kannte. Sie hatten unzählige gemeinsame Erinnerungen, die Draco nicht teilte. Aber schlimmer als dieses Gefühl der Ausgeschlossenheit, war die panische Angst, Harry zu verlieren. Niemand der den kühlen, ausgeglichenen Slytherin kannte hätte das vermutet, aber unter dieser selbstsicheren, scheinbar so unberührbaren Maske verbargen sich Angst, Unsicherheit und Selbstzweifel. Draco wurde tief in seinem Herzen niemals das Gefühl los, dass er Harrys Liebe nicht verdiente. Und dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Harry das merken und ihn fallen lassen würde. Draco war sich nicht so sicher wie Hermine, dass Harrys Wahl im Zweifel auf ihn fallen würde.
Eine einzelne Träne lief langsam über sein schmales Gesicht und tropfte auf den Handrücken. Eine zweite und eine dritte folgten ihr. Draco machte sich nicht die Mühe sie wegzuwischen. Er saß einfach nur im Dämmerlicht auf der Treppe und starrte ins Nichts.
„Ach hier steckst du. Mum meinte, du wärst schon im Bett. Alles klar?"
Bill Weasley hatte genug vom Schnee und war auf der Suche nach etwas trockenerer Unterhaltung zurück ins Haus gekommen. Die Frauen unterhielten sich in der Küche über die perfekte Zubereitung von Buttercreme, die Kinder tollten draußen mit herum, Arthur und Remus saßen im Wohnzimmer am Kamin, rauchten Pfeife und führten ein „Männergespräch", kritisch beäugt von Percy, nur Draco schien wie vom Erdboden verschluckt. Bis Bill ihn schließlich im Dunkeln auf der Treppe entdeckte. Er wirkte einsam und verloren und unendlich traurig und der älteste der Weasleybrüder konnte nur mit Mühe den Impuls unterdrücken ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten. Als Percy ihm am Morgen vollkommen empört erzählt hatte, dass Molly allen Ernstes einen Malfoy zum Fest eingeladen hatte, war er nur mäßig interessiert gewesen. Vom Erzählen wusste er, dass Harry wohl mit dem Sohn von Lucius Malfoy zusammenlebte. Nichts wirklich Aufregendes. Seine Meinung hatte sich schlagartig geändert, als er Draco am Nachmittag zum ersten Mal gegenübergestanden hatte. Dieses atemberaubend schöne und geheimnisvolle Geschöpf hatte ihn sofort über alle Maßen fasziniert und Bill konnte nicht leugnen, dass er sich sehr zu dem ehemaligen Slytherin hingezogen fühlte und es mehr als bedauerte, dass er bereits vergeben war. Zwar war er etwa 10 Jahre jünger, aber davon abgesehen einfach perfekt. Er war daher mehr als erstaunt gewesen, dass Harry ihn so allein im Haus zurück ließ und sich amüsierte, während es Draco offensichtlich nicht sehr gut ging.
„Darf ich mich eine Weile zu dir setzten oder möchtest du allein sein?"
Draco zuckte mit den Schultern. Es war ihm egal. Die Tränen waren längst wieder getrocknet, aber er hatte einfach nicht die Energie aufzustehen und wieder nach unten zu gehen; so zu tun, als ob nichts gewesen wäre. Obwohl er es sich nicht eingestand war er ganz froh, dass Bill ihn hier gefunden hatte. Der älteste von Rons Brüdern war den ganzen Abend ausgesprochen charmant und liebenswürdig ihm gegenüber gewesen, Draco glaubte fast, dass er ihn ein paar Mal dabei erwischt hatte, wie er zu flirten versuchte.
„Ist wirklich alles ok? Du siehst nämlich ehrlich gesagt nicht danach aus. Im Gegenteil. Ich hatte den ganzen Abend das Gefühl, dass du lieber woanders wärest."
„Da könntest du Recht haben."
„Kann ich sogar verstehen. Meine Brüder sind manchmal ganz schöne Bastarde. Ich kann nur Harry nicht verstehen, dass er sich das so ruhig anhört. Wenn du mein Freund wärst, hätte ich denen schon längst die Ohren langgezogen."
Ohne es zu wissen traf Bill damit den wunden Punkt. Draco merkte wie ihm wieder die Tränen in die Augen traten. Einen Moment lang kämpfte er dagegen an, dann gab er auf und vergrub das Gesicht in den Armen. Bill war geschockt. Er rückte näher und legte Draco vorsichtig den Arm um die Schultern.
„Hey. Ist ja gut. Nicht weinen. Egal was es ist, das ist es nicht wert."
„Tut mir leid. Ich weiß nicht was in letzter Zeit mit mir los ist. Ich bin sonst nicht so empfindlich."
„Macht ja nichts. Willst du drüber reden? Weißt du, manchmal hilft es sich einem Fremden anzuvertrauen."
„Ich weiß nicht. Ich will dir nicht die Ohren volljammern."
Bill lachte: „Keine Sorge, ich hab das Helfersyndrom meiner Mutter geerbt und bin ein guter Zuhörer. Und ich kann schweigen wie ein Grab."
„Im Grunde ist es wahrscheinlich nur halb so schlimm, wie ich es mir im Moment einbilde. Es stimmt, ich bin nicht freiwillig hier. Versteh mich nicht falsch, ich mag deine Eltern und Gin und Charlie. Und es hat auch nichts mit deinen anderen Brüdern zu tun. Ich meine, normalerweise fällt es mir nicht schwer mich allein gegen die drei zu behaupten, aber ich hab Harry versprochen mich zurückzuhalten. Es ist nur... wir hatten ursprünglich vor dieses Jahr zu Hause zu bleiben und Weihnachten allein zu feiern. Nur er und ich. Wir sind seid fünf Jahren zusammen und es wäre das erste Mal, dass wir Weihnachten allein sind. Ich hab mich so darauf gefreut. Und dann kommt diese Einladung und in jedem anderen Jahr oder zu Silvester oder was weiß ich, wäre das vollkommen in Ordnung gewesen. Harry und ich hatten bereits alles geplant und dann wirft er einfach alles über Bord und beschließt herzukommen. Als hätte er nur darauf gewartet, als wäre ich ihm nicht genug, als wäre die Vorstellung die Feiertage mit mir allein zu verbringen zwar ganz nett, aber nur solange kein besseres Angebot kommt. Als er die Einladung bekam schien es, als hätte er alle anderen Pläne vollkommen vergessen und als könnte er nicht verstehen, warum ich mich nicht darüber freue. Und dann nimmt er mir das Versprechen ab, dass ich mich nicht mit deinen Brüdern streite, und ich hör mir den ganzen Abend ihr Gestichel und ihr Getuschel an, ohne eine Möglichkeit mich zu wehren. Ich hatte beim Essen das Gefühl als wäre ich eine Fliege in einem Spinnennetz. Ich will mich nicht dafür rechtfertigen müssen, dass ich nicht viel esse und ich will mich nicht der Art schämen müssen, wie ich mein Fleisch schneide und was weiß ich. Sie verlangen, dass ich sie so akzeptiere wie sie sind, gestehen mir aber nicht das gleiche Recht zu. Und Harry kriegt von all dem nichts mit. Es ist als wäre er blind und taub wenn es um seine Freunde geht. Sie können tun und lassen was sie wollen und er regt sich nur über meine Reaktion auf. Er traut mir jede Gemeinheit zu und ist bei seinen Freunden der festen Überzeugung, dass sie kein Wässerchen trüben könnten. Und das tut so verdammt weh. Ich weiß, dass ich kein Engel bin, ich bin der Letzte, der das behaupten würde. Ich kann gemein sein und boshaft und ich weiß das auch, aber darum bin ich nicht automatisch an jedem Streit schuld. Und gleichzeitig hab ich so verdammte Angst, dass Harry irgendwann auch merkt, dass ich nicht so lieb und engelhaft bin wie ich vielleicht aussehen. Dass der äußere Schein trügt und dass er merkt, dass ich seine Liebe nicht wert bin und dass er mich dann fallen lässt und das könnte ich nicht ertragen und... Ach scheiße!"Draco hatte sich in Rage geredete und zum ersten Mal brachen all die Dinge hervor, die er jahrelang tief in seinem Inneren vergraben hatte. Während er sprach liefen die Tränen ungehindert über sein Gesicht, bis seine Stimme schließlich von den unterdrückten Schluchzern erstickt wurde. Bill merkte wie sein Herz vor Mitleid überquoll. Er hatte das dringende Bedürfnis seine Brüder zu verhauen und Harry eine saftige Ohrfeige zu verpassen, weil er diesen Jungen, der ihn so sehr liebte, so sehr verletzte und es noch nicht einmal merkte. Stattdessen nahm er Draco in den Arm und hielt ihn einfach nur fest. Nach ein Weile verebbten die Tränen schließlich. Bill ließ den schlanken Körper in seinen Armen vorsichtig los und nahm das tränennasse Gesicht in beide Hände. Draco wirkte so vollkommen aufgelöst und verzweifelt, dass es dem ältesten Weasleysohn fast das Herz brach. Behutsam strich er mit dem Daumen über die hohen Wangenknochen und wischte die Tränen fort.
„Du bist unglaublich schön."flüsterte er.
Draco schloss die Augen und konzentrierte sich auf die warmen Hände die sein Gesicht sanft umschlossen, auf die zärtliche Berührung und die warme, tröstende Stimme. Bill merkte wie sein Herz schneller schlug. Dann konnte er dem Drang in seinem Inneren nicht mehr länger widerstehen. Er beugte sich vor und küsste Draco sanft auf den Mund.
Genau in diesem Augenblick kam Harry die Treppe hoch und blieb wie angewurzelt stehen. Das Bild das sich ihm bot, war wie ein Schlag ins Gesicht. Draco, der offensichtlich geweint hatte, lag in Bills Armen und die beiden küssten sich. Es war ein Kuss voller Zärtlichkeit. Harry wusste wie dieser Kuss sich anfühlte, denn diese Küsse gehörten ihm. Draco gehörte ihm. Zumindest hatte er das bis jetzt gedacht. Er merkte einen Kloß im Hals und fühlte Tränen in den Augen. Ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich auf dem Absatz um und floh die Treppe hinunter.
Draco befreite sich sanft aus Bills Umarmung.
„Nicht. Bitte."
„Entschuldige. Ich... es tut mir leid."
„Schon ok. Wäre ich allein, dann würde ich mich jetzt sehr glücklich schätzen. Aber das bin ich nicht."
„Ich weiß. Es ist nur..."
„Nein, bitte. Nach allem was ich dir erzählt habe, musstest du denken, dass ich mich nach etwas Neuem sehne. Aber ich liebe Harry. Ich liebe ihn mit jeder Faser meiner Selbst und ihn zu verlieren wäre mein Ende. Er war der Erste und ist der Einzige, den ich je lieben werde. Ich hab dich gern, Bill und ich würde mich freuen, wenn wir Freunde sein könnten, aber mehr nicht."
„Ja. Ich weiß. Harry hat wirklich Glück. Und er scheint das nicht zu wissen. Aber deine Freundschaft nehme ich gern an."Bill nahm Dracos Hand und drückte sie kurz, dann stand er auf und wand sich zum gehen. „Ich werd jetzt schlafen gehen. Es war ein verdammt langer Tag. Gute Nacht."
„Gute Nacht."
Bill war schon halb die Treppe hoch als ihm noch etwas einfiel.
„Hey, wenn du dich jemals von Harry trennst, ruf mich an."
Er zwinkerte Draco zu und lief dann eilig die Treppe rauf.
Draco lächelte leicht vor sich hin, dann beschloss er ebenfalls ins Bett zu gehen. Von den Weasleys hatte er für heute genug.
Harry war bereits fast wieder im Wohnzimmer, als die Wut die Enttäuschung und den Schmerz einholte. Ohne ein Wort der Erklärung drehte er sich wieder um, rannte Hermine fast über den Haufen und stürmte die Treppe hoch. Er würde nicht kampflos aufgeben! Als er den Absatz erreichte, waren Bill und Draco verschwunden. Sofort flammte Panik in ihm hoch. Was wenn sie diesem Moment in Bills Zimmer waren und... Harry zwang sich nicht daran zu denken. Das würde Draco nicht tun, oder? Nein. Er würde Harry nicht betrügen. Aber bis eben war er sich auch sicher gewesen, dass Draco niemals einen anderen küssen würde und er hatte sich gerade gegen seinen Willen vom Gegenteil überzeugen können. Plötzlich erwachte wieder die alte Angst. Die Angst Draco nicht genug zu sein. Er hatte das kleine Gästezimmer erreicht, dass sie sich teilten und seine Hand zitterte als er nach der Klinke griff.
Draco saß im Schneidersitz auf dem schmalen Bett und las. Von Bill keine Spur.
„Hey, da bist du ja wieder. Genug vom Schnee?"Dracos Stimme war ruhig und sanft, keine Spur von Reue oder schlechtem Gewissen.
Harry schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Er musterte Draco eingehend. Wie konnte er nur so ruhig dasitzen?
„Was ist los? Ist dir die Zunge eingefroren? Oder redest du nicht mehr mit mir?"Die vertrauten, silbernen Augen sahen ihn forschend an.
„Du weißt verdammt genau was los ist! Ich weiß was passiert ist! Ich habe euch gesehen. Also spar dir dieses scheinheilige Geschwätz!"
Draco seufzte: „Harry, es ist überhaupt nichts passiert."
„Nichts? So nennt man das also jetzt. Ich habe gesehen, wie du mit Bill rumgeknutscht hast."
„Wir haben nicht „herumgeknutscht". Wir haben uns unterhalten und dann hat er mich geküsst. Was hätte ich deiner Meinung nach machen sollen? Ich habe ihn nicht darum gebeten."
„Oh, ja klar! Nach allem was ich gesehen haben, hast du dich ja nicht gerade großartig gewehrt!"
„Was erwartest du denn? Dass ich das ganze Haus zusammenschreie wegen einem einzigen Kuss? Dass ich ihn verhexe? Tut mir leid, ich hatte leider meinen Zauberstab nicht dabei. Du hättest vielleicht ne Minute länger bleiben sollen, dann hättest du gesehen, dass ich ihn gebeten habe aufzuhören, was er auch getan hat, und dass er dann gegangen ist."
„Und woher soll ich wissen, dass das stimmt? Weißt du, das ist echt die Höhe. Den ganzen Abend schon spielst du die zutiefst verletzte Primadonna, meckerst nur rum, schreist meine Freunde an und kaum dreht man dir den Rücken zu, wirfst du dich dem nächstbesten Kerl an den Hals. In dem sicheren Wissen, dass jeder auf dein hübsches Gesicht reinfällt."Harry wusste, dass das gemein war, aber er hatte plötzlich den dringenden Wunsch Draco wehzutun. „Vielleicht hat Ron recht. Ich hätte dir nie vertrauen dürfen. Es wundert mich ja, dass du überhaupt noch hier bist. Oder hat Bill dir nicht verraten wo sein Zimmer ist?"
Draco zuckte zusammen als hätte Harry ihn geschlagen. Er schüttelte leicht den Kopf, er konnte nicht glauben was er gehört hatte. In seinen Augen lag ein Ausdruck tiefster Verletztheit, eine Augenblick lang hatte Harry das Gefühl, das er in den silbrigen Tiefen sehen konnte, wie Dracos Herz brach. Dann schienen sie zu gefrieren, bis nur noch rauchgraues Eis zurückblieb. Diese Augen hatte Harry sechs Jahre lang jeden Tag in der Schule gesehen. Hart und eisig und undurchdringlich gaben sie nichts von dem preis was dahinter lag. Dracos Stimme hatte jede Sanftheit, aber auch jedes Feuer verloren. Sie war kalt vor Wut: „Wage es nicht in diesem Ton mit mir zu sprechen, Potter! Du weißt überhaupt nichts! Ich weigere mich dieses Gespräch auch nur eine Sekunde weiterzuführen. Ich werde jetzt nach Hause gehen. Und komm ja nicht auf die Idee mir nachzukommen, bevor du dich nicht abgekühlt hast!"Er schnappte sich seinen Mantel vom Bett, verließ das Zimmer und lief die Treppe runter ohne sich umzudrehen.
„Fein!" rief Harry ihm hinterher. „Vielleicht sollte ich gleich hier bleiben!"
„Ja, vielleicht solltest du das!"
„Was ist denn hier los? Warum schreit ihr so rum?"Bill streckte seine Kopf um die Ecke und sah Harry fragend an. Er trug Pyjamahosen und ein ausgeleiertes T-Shirt und sah aus, als käme er gerade aus dem Bett.
„Ach fahr zur Hölle, Bill! Das ist doch alles deine Schuld!"Harry wirbelte auf dem Absatz herum, ging in sein Zimmer und schlug die Tür zu. Dann warf er sich aufs Bett und vergrub den Kopf in den Kissen.
Jetzt war das passiert wovor er sich immer gefürchtet hatte. Draco hatte jemand anderen gefunden. Jemanden, der interessanter war, der mehr Erfahrung hatte, der klüger war und der viel besser zu ihm passte.
Damals in Hogwarts, als ihre Beziehung begonnen hatte, war Harry derjenige mit der Erfahrung gewesen. Es war kurz vor Halloween gewesen, als der berühmte Harry Potter, der ein halbes Jahr zuvor den dunklen Lord Voldemort besiegt hatte und von unzähligen Mädchen und Jungen umschwärmt wurde sich eingestand, dass er sich ausgerechnet in seinen ärgsten Rivalen verliebt hatte. Draco Malfoy, der im Krieg die Seiten gewechselt hatte, weil es ihm endlich gelungen war sich aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters zu befreien. Er war klug und unglaublich schön, hatte kaum weniger Verehrer als Harry und schien unerreichbar. Und dann hatte dieses perfekte Geschöpf ihn nach dem Halloween-Ball im Garten geküsst. Es war ein unglaublicher Kuss gewesen, der Harry vollkommen vergessen ließ, dass es nicht der erste war. Wie Draco später sagte, es war nicht der erste Kuss, aber der erste der wirklich zählte. Die Wochen und Monate, die diesem ersten Kuss folgten waren wundervoll. Harry lernte eine Seite an Draco kennen, die er niemals für möglich gehalten hatte. Alle Boshaftigkeit und Hinterlist waren wie weggewischt. Er war charmant und witzig, freundete sich mit Hermine und Ginny an, half Neville seine Zaubertranknoten zu verbessern und schaffte es sogar Ron zu ignorieren. An Weihnachte hatten sie dann zum ersten Mal miteinander geschlafen. Harry war vorher panisch gewesen, im Stillen fest davon überzeugt, dass Draco seinem Ruf entsprechend schon Dutzende von Liebhabern gehabt hatte. Umso mehr überraschte es ihn zu erfahren, dass er der Erste sein würde. Und nach allem was er wusste, bisher auch der Einzige. Fünf Jahre waren seither vergangen und je mehr Zeit verging, desto größer wurde Harrys stille Sorge, dass er Draco irgendwann nicht mehr reichen würde, dass sein schöner Freund irgendwann das Bedürfnis verspüren würde, seine Erfahrungen zu vergrößern und einen Mann zu finden, der besser zu ihm passte. Der ebenso klug und gebildet war, der wusste wie man sich richtig benahm, der Geld und guten Geschmack hatte und alles war, was Harry niemals sein würde. Und heute schien dieser Alptraum in Erfüllung gegangen zu sein. Draco war schon die ganze Woche merkwürdig still und zurückgezogen gewesen und heute den ganzen Tag über extrem schlecht gelaunt und empfindlich. Plötzlich kam Harry ein schrecklicher Verdacht: Vielleicht kannte er Bill ja schon länger und er hatte gewusst, dass sie sich hier treffen würden!
In diesem Moment klopfte es an der Tür.
„Geh weg!"Egal wer es war, Harry hatte keine Lust irgendjemanden zu sehen und erklären zu müssen, warum Draco weg war.
Sein Besucher schien anderer Meinung. Es klopfte wieder, diesmal lauter.
„Harry mach die Tür auf. Wir müssen mit dir reden."Hermine.
„Morgen. Draco schläft schon und ich bin auch müde."
Leise Stimmen, die miteinander flüsterten. Dann lauter: „Harry, ich weiß, dass Draco weg ist. Darum sind wir hier."
„Hermine, bitte. Morgen. Ich will heute nicht darüber reden."
„Nun, so wie es aussieht bleibt dir gar nichts anderes übrig!"Mit diesen Worten öffnete sie die Tür und trat ins Zimmer, dicht gefolgt von Ginny und Bill, der hinter sich die Tür schloss. Harry schoss sofort vom Bett hoch.
„Was willst du hier? Raus! Ich will dich nicht in meinem Zimmer haben!"
Hermine trat ihm in den Weg und schubste ihn sanft zurück aufs Bett.
„Setz dich! Und vielleicht solltest du Bill erst mal zuhören, bevor du ihn verdammst!"
„Zuhören? Du weißt ja nicht was du da redest. Dieser Dreckskerl hat sich an Draco herangemacht. Er hat..."
„Harry! Es reicht jetzt! Ich weiß was Bill getan hat. Und ich bin der Meinung, dass du ihm zuhören solltest."
Harry verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte Ginnys ältesten Bruder giftig an. Der hob beschwichtigend die Hände.
„Hör mal Harry, es tut mir leid. Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe, aber das war bestimmt nicht meine Absicht."
„Ach ja? Sagst du das immer, wenn du einem anderen den Freund stiehlst? Freu dich, wie es scheint, hattest du Erfolg!"
Ginny mischte sich wütend in das Gespräch ein: „Jetzt mach aber mal halblang, Harry! Du wirst Draco doch nicht wegen eines einzigen Kusses verlassen?"
„Woher weiß ich denn, dass es nur ein Kuss war? Wer garantiert mir, dass das nicht schon viel länger so geht?"
Hermine war schockiert: „Wie kannst du so etwas auch nur denken? Du weißt so gut wie ich, dass Draco das niemals tun würde. Egal welche Fehler er vielleicht hat, Untreue gehört ganz sicher nicht dazu!"
„Sie hat recht, Harry. Ich habe Draco heute zum ersten Mal in meinem Leben gesehen. Ich gebe ja zu, dass ich die Situation ausgenutzt habe und das tut mir leid, aber..."
Harry unterbrach ihn: „Was heißt das: die Situation ausgenutzt?"
„Naja. Als ihr vorhin alle draußen wart, saß Draco allein auf der Treppen und schien ziemlich deprimiert zu sein. Ich hab mich mit ihm unterhalten und er hat mir sein Herz ausgeschüttet. Und dann fing er plötzlich an zu weinen. Tja, ich hab ihn getröstet und dann geküsst. Es war allein meine Idee. Er hat den Kuss nicht erwidert. Und er hat mich gebeten aufzuhören. Dann hat er mir gesagt, dass er nur dich liebt, und dass er und ich gern Freunde sein können, aber nicht mehr. Du hast einen sehr treuen und loyalen Freund, der darüber hinaus eine Menge einsteckt nur um dich glücklich zu machen. Ich an seiner Stelle hätte dich schon längst verlassen!"
„Was soll das denn heißen?"
„Harry! Draco hasst es hier zu sein! Und nach dem Verhalten meiner Brüder kann ich ihm das noch nicht mal nachtragen. Er hat mir erzählt, dass alles was er sich gewünscht hat ein ruhiges Weihnachten allein mit dir war. Und dass du all eure gemeinsamen Pläne einfach mir nichts dir nichts wegwirfst und ihn stattdessen zwingst an einem Ort zu feiern, an dem er sich unwohl und unerwünscht fühlt. Er sagte, er wollte einfach mal wieder ein bisschen Zeit mit dir verbringen, ohne das tausend andere Leute herumspringen."
Bei Bills Worten wurde Harry immer blasser. Das konnte doch nicht sein.
„Aber..."
Hermine unterbrach ihn: „Ich muss ganz ehrlich sagen, ich wundere mich schon länger über dich, Harry. Du bist ständig bei uns oder Ron ist bei euch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Draco besonders begeistert davon ist. Kein Wunder, dass er denkt, dass du ihn leid bist."
„Aber das hab ich nie gesagt!"
„Nein, Harry. Aber du zeigst es durch tausend versteckte Gesten. Ich bin mir sicher, wenn Draco dich nicht so über alle Maßen lieben würde und wenn er nicht so panische Angst davor hätte dich zu verlieren, dann wäre er längst weg. Stattdessen erträgt er es ständig allein zu sein oder deine Freunde um sich zu haben, weil er glaubt, dass dich das glücklich macht. Du sehnst dich nach Freunden und einer Familie. Draco hat eine furchtbare Familie und er zieht es vor mit dir allein zu sein. Seid ihr zusammenlebt, geht es immer nur nach deinem Willen. Draco war immer der Stärkere von euch beiden, aber irgendwann erreicht jeder seiner Grenzen. Ist dir nicht aufgefallen, wie sehr er sich in den letzten Monaten verändert hat? Er zieht sich immer weiter zurück, verkriecht sich in sich selbst, weil er Angst hat, dass jeder Missklang der von ihm ausgeht eure Beziehung nur schneller ihrem Ende entgegenbringen wird. Er wirkt unberührbar und selbstsicher, aber in Wirklichkeit leidet er unsagbar unter dem Misstrauen und den Vorurteilen, gegen die er noch immer zu kämpfen hat. Jeder der hört, dass ihr ein Paar seid, bemitleidet dich und unterstellt ihm, dass er dich auf irgendeine hinterhältige Art und Weise an sich bindet, und dass er einen boshaften Plan hat um dich zu vernichten. Kein Wunder, dass er irgendwann selbst glaubt, dass er deine Liebe nicht wert ist."
Harry war zu geschockt um ein Wort zu sagen. Er starrte Hermine nur fassungslos an. Dann brachte er mühsam hervor: „Woher weißt du das alles?"
„Erinnerst du dich, als du vor einem halben Jahr so krank warst? Draco hat Tag und Nacht an deinem Bett gesessen, deine Hand gehalten und war durch nichts in der Welt davon zu überzeugen, selbst zu schlafen. In einer dieser Nächte hab ich mich lange mit ihm unterhalten und er hat mir vieles anvertraut. Ich denke, dass die Sorge um dich und die Müdigkeit ihn dazu brachten, seine üblichen Schutzmauern fallen zu lassen. Ich habe später, als er schlief diesen Teil seiner Erinnerung gelöscht, weil ich mir sicher war, dass er nicht wollte, dass ich all diese Dinge weiß. Aber seither sehe ich ihn mit vollkommen anderen Augen. Er hat selber soviel durchgemacht, soviel verloren, aber er hat seinen eigenen Schmerz immer zurückgehalten, weil du wichtiger warst. Aber wenn man immer nur gibt und niemals etwas zurückbekommt, dann ist es irgendwann vorbei. Warum glaubst du, habe ich mich sooft aufgeregt, wenn du bei uns warst? Und heute war einfach der Punkt erreicht, an dem es nicht mehr ging. Den ganzen Abend haben Ron und die Zwillinge sich die größte Mühe gegeben Draco zu vergraulen. Sie waren gemein und rücksichtslos, haben einen blöden Witz nach dem anderen gerissen, sich alle möglichen Gemeinheiten einfallen lassen und du sitzt nur da und lächelst. Und als Draco dann der Kragen platzt und er sich gegen die Drei wehrt, gehst du hin und bist sauer auf ihn! Er hätte dich umgekehrt mit Zähnen und Klauen verteidigt und jedem das Leben zur Hölle gemacht, der dich angreift."
„Aber das wusste ich doch alles nicht! Ich dachte, dass ich ihn langweile, dass er nur bei mir bleibt, weil sich nichts Interessanteres bietet! Er ist so klug und schön und perfekt bei allem was er macht und ich bin ungeschickt und albern und mache nie was richtig. Warum hat er denn nie etwas gesagt! Ich weiß das er ein Einzelgänger ist und ich dachte, dass wenn ich ihm ständig auf die Nerven gehe, er schneller genug von mir hat und mich verlässt. Und als ich ihn vorhin mit Bill sah, da wollte ich ihm wehtun. Weil es mir so wehgetan hat."Harry merkte, dass er jetzt weinte, aber das war ihm egal. „Ich liebe ihn doch! Mehr als alles andere auf der Welt! Ich hab nicht gewusst, dass Ron und die anderen ihn wirklich nicht mögen. Ich hab ihn so gern, dass ich mir einfach nicht vorstellen kann, dass es Leute gibt, die das anders sehen. Ich hab wieder alles kaputt gemacht!"
„Ach Harry. Ihr müsst unbedingt anfangen miteinander zu reden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er dich wirklich verlassen will. Wie kommst du darauf, dass er genug von dir hat."
„Naja ich..."der Rest verlor sich in unverständlichem Gemurmel.
„Was?"
„Ich dachte, dass es ihm nicht reicht immer nur mit einem Mann zusammen zu sein."
„Warum das denn?"
„Ich war..."Harry wurde rot. „Ich war der Erste für ihn und na ja, ich dachte halt, dass es ihm bestimmt irgendwann zu langweilig werden würde und dass er sich fragt, ob er nicht was verpasst und ob es nicht irgendwo jemanden gibt, der mehr ist wie er selbst und der besser zu ihm passt."
Hermine setzte sich zurück und sah ihn fassungslos an.
„Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein. Es ist doch vollkommen egal mit wie vielen Männern er vor dir geschlafen hat! Ich denke nicht, dass das seine Gefühle für dich beeinflusst. Du hast echt nen Knall, Harry!"
Bill hatte bisher geschwiegen. Jetzt mischte er sich wieder in das Gespräch ein:
„Er sagte, du wärst der Erste und der Einzige, den er je lieben würde. Wenn dir das was nützt. Ich denke nicht, dass er vorhat dich zu verlassen."
„Hatte er auch nicht."Alle sahen Ginny an.
„Woher willst du das wissen, Gin?"
„Er hat... Wahrscheinlich sollte ich dir das gar nicht sagen, aber er hat dir einen Ring gekauft."
„Was?" hauchte Harry.
„Ja. Vor zwei Wochen. Ich hab ihn zufällig im Tropfenden Kessel getroffen und er wirkte so glücklich. Wir haben zusammen gegessen und er hat mir den Ring gezeigt und mich gefragt, was ich davon halte."
Harry schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte hemmungslos.
„Ich bin so ein Idiot!"
Hermine streichelte ihm beruhigend über den Rücken.
„Geh heim, Harry. Sprich mit ihm. Erzähl ihm was du uns erzählt hast. Er wird dich verstehen. Und kümmere dich in Zukunft um ihn. Er braucht dich."
Harry stand auch und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann umarmte er Hermine und Ginny und nach kurzem Zögern auch Bill.
„Ihr habt recht. Danke. Drückt mir die Daumen. Und sagt eurer Mum bitte, dass es mit leid tut."
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Hogsmeade lag unter einer dicken Schneedecke. Das Dorf wirkte friedlich und still. Harry blieb einen Augenblick vor der Haustür stehen und atmete die kalte Dezemberluft ein. Es hatte erst vor einer halben Stunde aufgehört zu schneien und der Himmel war sternenklar. Es musste bereits weit nach Mitternacht sein. Er öffnete die Tür und trat leise in den Flur, zog Jacke und Stiefel aus und ging dann weiter. Im Haus war es dunkel und still. Einen Moment lang hatte er Angst, dass Draco vielleicht gar nicht hier war, dann sah er Isis. Dracos schwarze Katze saß auf dem Kaminsims im Wohnzimmer, ihre Bernsteinaugen glühten im fahlen Mondlicht.
„Hallo Schönheit."Er streichelte ihr kurz über den Kopf und stieg dann so leise wie möglich die Treppe nach oben. Die Schlafzimmertür stand offen. Die Vorhänge waren nicht zugezogen und auf dem Nachttisch stand eine heruntergebrannte Kerze. Draco lag zusammengerollt auf dem Bett und schien fest zu schlafen. Sein Arm lag um Dusty, der sich eng an den Körper seines Herrn geschmiegt hatte und leise im Rhythmus seiner Atemzüge schnurrte. Harry schlich zum Bett und kniete sich vorsichtig hin. Dracos Wangen waren leicht gerötet und noch feucht von Tränen. Er hatte sich offensichtlich in den Schlaf geweint. Sein Anblick schnürte Harry sie Kehle zu. In der linken Hand hielt er ein schmales Holzkästchen. Zwei schmale Silberreifen funkelten auf dunkelblauem Samt. Harry nahm das Kästchen und stellte es auf den Nachttisch, dann streckte er die Hand aus und streichelte vorsichtig über Dracos Schläfe. „Verzeih mir, Baby." flüsterte er. Er ließ seine Finger durch die seidigen, weißblonden Haare gleiten, atmete den vertrauten Duft ein. Dracos Lider flatterten kurz, dann schlug er die Augen auf. Silber traf auf Grün.
„Hi." Harry hatte plötzlich einen Kloß im Hals und war nicht in der Lage mehr zu sagen.
In den silbrigen Augen mischten sich Trauer, Schmerz und Hoffnung. Von der Wut die noch vor wenigen Stunden darin geglitzert hatte, war nichts mehr zu sehen.
„Was tust du hier?"Dracos Stimme war vor Müdigkeit und vom Weinen rau.
Plötzlich sprudelten die Worte aus Harry hervor: „Es tut mir so leid, Draco. Ich habe mich wie ein Idiot aufgeführt. Aber ich hatte solche Angst dich zu verlieren. Und es tut mir leid, dass ich so blind war und nicht gesehen habe, wie gemein Ron und die andern zu dir sind. Ich hätte dich verteidigen sollen, statt von dir zu verlangen, dass du alles stumm erträgst. Und ich hätte dich nicht dauernd allein lassen sollen, aber ich dachte, wenn ich dauernd in deiner Nähe bin, dann merkst du schneller wie langweilig und dumm ich bin und dann hast du schneller genug von mir und..." Draco hatte sich aufgesetzt und Harrys Monolog mit leicht gerunzelter Stirn zugehört. Jetzt hob er die Hand und legte die Fingerspitzen leicht gegen Harrys Lippen.
„Shhht. Was redest du da für einen Unsinn? Wie könnte ich jemals genug von dir bekommen? Ich liebe dich so sehr, dass tausend Jahre nicht genug wären. Oh Harry, ich hab gedacht, dass du nach einem netten Weg suchst, mich loszuwerden, weil ich nicht bin wie deine Freunde."
Harry warf sich nach vorn und zog Draco auf seinen Schoß, fest an sich. „Ich will doch gar nicht, dass du anders bist! Ich hab mich in dich verliebt, weil du bist, wie du bist. Bitte. Bitte, verlass mich nicht. Sei mir nicht böse. Ich liebe dich. Ich liebe dich. Ich liebe dich."Eine Weile saßen sie engumschlungen so da. Lauschten dem Herzschlag und dem Atem des anderen. Genossen den vertrauten Geruch, die vertraute Wärme, das vertraute Gefühl zu Hause zu sein. Dann löste Draco sich ein wenig aus der Umarmung und angelte nach dem Holzkästchen. Er lehnte seine Stirn gegen Harrys und sah ihm tief in die Augen.
„Weihnachten ist zwar erst morgen, aber ich möchte dir das trotzdem schon jetzt schenken."Harry nahm das Kästchen und betrachtete die Ringe einen Augenblick. Dann zog er den kleineren heraus und schob ihn auf Dracos linken Ringfinger. „Dein auf Ewig."murmelte er. Dracos Herz schlug bis zum Hals und durch den Tränenschleier konnte er kaum etwas sehen, als er den anderen Ring nahm, ihn auf Harrys linken Ringfinger steckte und die Worte wiederholte: „Dein auf Ewig."
Als Stunden später die ersten Strahlen der Wintersonne durch das Fenster schienen, trafen sie auf zwei Gestalten, die engumschlungen, in eine Decke gewickelt auf der Fensterbank saßen. Der Größere, schwarzhaarige gegen den Fensterrahmen gelehnt, sein kleinerer, silberblonder Gefährte zwischen seinen langen Beinen, den Kopf gegen seine Schulter gelehnt. Die Finger ihrer linken Hände waren fest miteinander verschlungen und an jedem Ringfinger glitzerte ein schmales silbernes Band.
„Harry?"
„Mhm?"
„Frohe Weihnachten."
„Frohe Weihnachten, Draco"
ENDE
