Kapitel 1- Harry voll daneben

Übel gelaunt machte sich Harry Potter auf den Weg ins Büro. Er hatte schlecht ge- und außerdem verschlafen und zu allem Übel war er heute auch noch 30 Jahre alt geworden. Welchen Mann würde das nicht aus der Bahn werfen?

Er schlurfte durch die nebeligen Straßen Londons auf eine alte Telefonzelle zu und trat ein. Harry nahm den Hörer ab und wählte 6-2-4-4-3. „Hier ist die Auskunft, mein Name ist Patricia Sheer, was kann ich für Sie tun?" „Was ist das denn jetzt schon wieder für ein neuartiger Mist?" fragte Harry ärgerlich. „Her mit der Plakette, aber ein bisschen zügig, bitte!" „Sir!" „Ich hab' nicht den ganzen Tag Zeit, Lady, also los! Muss ich erst wieder meinen Zauberstab durch den Schlitz schieben! Den kennst du doch mittlerweile zur Genüge!" Am anderen Ende hörte Harry die Frau entsetzt nach Luft schnappen, dann legte sie auf, nachdem sie etwas von „Perversling..." in den Hörer geschnaubt hatte.

Zornentbrannt knallte Harry den Hörer auf die Gabel und brüllte den schwarzen Apparat an, der davon unbeeindruckt blieb. Er sah aus den Augenwinkeln einen Teenager, der ihm einen Vogel zeigte und eine alte Frau, die ihn mit angstgeweiteten Augen ansah und sich in die Polizeistation gegenüber flüchtete.

Polizeistation gegenüber? Moment mal... Ach du Sch..., ich hab' die falsche Zelle erwischt!

Schleunigst machte sich Harry auf und davon- er hatte nicht die geringste Lust in irgendeinem Muggelkrankenhaus für Geisteskrankheiten zu enden- wenn er auch sicher war, dass das seiner verhassten Muggel-Verwandtschaft sicher gut gefallen hätte...

Er ging schnell eine Straße weiter- diesmal hatte er die richtige Telefonzelle- und die altbekannte Frauenstimme erklang, „Willkommen im Zaubereiministerium. Bitte nennen Sie Ihren Namen und Ihr Anliegen."

Harry verdrehte entnervt die Augen. „Als ob du das nicht wüsstest..." brummelte er säuerlich. „Guten Morgen, Mr. Potter, Sie haben ja mal wieder reizende Laune heute Morgen..." „Rück einfach die bescheuerte Hundemarke raus!" schnappte Harry und ein silbernes Abzeichen fiel durch den Schlitz. Harry beäugte kurz die Aufschrift, Harry Potter, Auror- Achtung: schreckliche Laune!

„Du hast es erfasst, Miss Galleonensickel..." muffelte Harry und steckte sich das Schild an.

In seinem Büro lungerten bereits seine Kollegen herum. Einige schrieben Berichte, andere unterhielten sich. „Moin, Chef," begrüßte ihn sein Partner Stephen heiter. „Und herzlichen Glückwunsch zum Ge-" Er sah in Harrys Gesicht. „Oh oh... ist da etwa jemand 30 geworden? Okay, okay, ich halt schon den Mund... Wir haben eine Menge zu tun heute."

„So? Was denn zum Beispiel?" fragte Harry säuerlich. „Ein paar falsch parkenden Besen Strafzettel ausstellen?"

„Na na, höre ich da etwa ein ganz klein wenig triefenden Sarkasmus in deiner Stimme? Sei doch froh, dass die Welt so ruhig geworden ist- schließlich hast du... Weißt du was? Hol schon mal den Wagen Harry, ich glaube, wir fahren mal ein bisschen Streife!"

„Ja, Stephan, äh, Stephen..." Harry trottete in Richtung Garage. „Moment mal, wer ist hier eigentlich der Boss?"

Sein Partner grinste ihn an und Harry fühlte sich unweigerlich an diese dämliche Katze aus Alice im Wunderland erinnert. „Ich glaube, ich muss hier dringend mal aufräumen..." sagte er noch, dann verschwand er in die Tiefgarage, in der Muggelfahrzeuge standen, mit denen man relativ unerkannt durch das London der Muggel fahren konnte um sich dort herumtreibende, regelwidrig verhaltende Zauberer aufzuspüren.

„Hätt' ich doch nur was Ordentliches gelernt..." sagte Harry Donut mampfend, als sie am Buckingham Palace vorbeifuhren.

Eine Stimme aus dem Lautsprecher des Radios erschreckte ihn so, dass er Donutkrümel über das eh schon klebrige Lenkrad spuckte. „Zentrale an Potter und Darric- uns wurde ein Zwischenfall gemeldet!"

„Poll," nuschelte Harry mit vollem Mund. „Um wasch fur eimem?"

„Oh, ja, das hab' ich ja völlig vergessen- in der Winkelgasse befindet sich ein großer, schwarz gekleideter Mann im Tropfenden Kessel der sich als Dunkler Lord ausgibt und nach Lonny Schlafwandler oder so ähnlich sucht..."

Harry hustete- er hatte sich an den Resten seines Donuts verschluckt. „Oh, gut dass Sie mich daran erinnern, Mr. Potter- er atmet irgendwie komisch, klingt wie eine Art röcheln."

„Ahh-hrrrahh..." brachte Harry noch zustande. Stephen schlug ihm ein paar Mal kräftig auf den Rücken. „Na, wer wollte denn Action? Fahr' schon los, Potty, wollen mal sehen, wer sich dahinter verbirgt!"

„Nenn' mich nicht Potty, klar?" sagte Harry, nun wieder Herr über seine Stimme. „Das erinnert mich an einen gewissen Schleimbeutel, den ich aus der Schule kenne..."

„Yep- verstanden. Was meinst du dazu? Wer könnte sich als der Dunkle Lord ausgeben?"

„Keine Ahnung- Voldemort ist es nicht!"

„Was macht dich so sicher?"

„Weil sein Gehirn in Formaldehyd eingelegt auf meinem Schreibtisch steht!"

„Das ist ein Argument..."

Sie hatten den Wagen im London der Muggel geparkt und gingen nun schwungvoll in den Tropfenden Kessel, die Hände vorsichtshalber am Zauberstab- man konnte ja nie wissen.

An der Theke saß tatsächlich, wie von der Zentrale beschrieben, ein Mann in schwarzem Umhang der seltsame Atemgeräusche von sich gab, den bleichen Wirt am Kragen gepackt hatte und ihn hin- u. herschüttelte. „Bäumchen rüttle' dich, Bäumchen schüttle dich, wirf Gold und Silber über mich..." murmelte Stephen. Harry schoss ihm einen tadelnden Blick zu, hob seinen Zauberstab und sagte laut: „Lassen Sie ihn runter!"

Die vermummte Gestalt hielt inne, drehte sich aber nicht um. „Verlangt wer?"

„Verlange ich! Loslassen, bevor ich ernstlich böse werde!"

„Hey, Kumpel, ich würde auf ihn hören, mit ihm ist nicht zu spaßen..."

„Stephen!" zischte Harry, „Wir spielen hier nicht das ‚Guter Bulle'- ‚Böser Bulle' Spielchen, ja?"

„Ach… nein? Okay... Also lass' ihn los, Großer!"

Der Mann ließ den Wirt unsanft auf den Boden fallen und drehte sich um. Er schien unbewaffnet, jedenfalls hatte er keinen Zauberstab in der Hand. „Ahh," sagte er langsam. „Die Macht ist stark in dir, wozu brauchst du dieses lächerliche Stück Holz?"

Harry sah ihn konfus an. Stephen schickte ihm einen mitleidigen ‚Ein-Fall-für-St.Mungos-geschlossene-Abteilung' Blick zu.

„Was wollen Sie hier?" wollte Harry wissen.

„Die Welt beherrschen, meinen Sohn finden, ein bisschen Chaos veranstalten, ein bisschen Angst und Schrecken verbreiten und wenn ich schon mal da bin auch noch ein Butterbier trinken... Außerdem habe ich gehört, dass es hier einen tollen Scherzartikelladen geben soll..."

Harry seufzte leidend auf. Warum nur hatte er immer mit den ganzen Spinnern zu tun? Gab es für so was nicht eine Extra-Abteilung!

„Schön... Guter Plan... Und warum müssen Sie dafür den Wirt würgen?"

„Na ja, also eigentlich habe ich ihn ja nicht direkt gewürgt- eher ein bisschen... geschüttelt..."

„Nicht gerührt..."

„Stephen! Okay, also warum haben Sie ihn... geschüttelt?"

„Ich wollte wissen, ob er klappert."

„Ob er klappert?"

„Das sagte ich gerade."

„Ja... So so... Sie wollten also wissen, ob er klappert... Hat er? Geklappert meine ich?"

„Nein."

„Gut, dann wäre die Frage ja geklärt! Was ist mit den anderen Sachen? Sohn finden, Welt beherrschen und so..."

„Ach das..."

„Ja, DAS!"

„Na ja... Das war gerade so in meinem Kopf... Klingt komisch, is' aber so."

Harry rieb sich sichtlich genervt die Augen unter seiner Brille. Das hatte ihm heute gerade noch gefehlt... Er neigte den Kopf zu Stephen und flüsterte, „Toto, äh, Stephen, ich glaube, den müssen wir doch nach St. Mungos bringen- mit so was kenne ich mich gar nicht aus..."

Stephen nickte entschlossen und wandte sich in einer freundlichen Kindergärtner Stimme an den Mann. „Na Großer, was hältst du denn davon, wenn wir ein bisschen spazieren fahren? Zu gaaanz netten Leuten, die dir gaaanz bestimmt helfen können, die Welt zu beherrschen?"

Der Mann strahlte ihn an. „Im Ernst?"

Harry verdrehte die Augen und sah aus, als würde er gleich selbst dekompensieren. „Mmm-hmm..." nuschelte er zustimmend.

„Aber jaaaa," sagte Stephen, „wir haben draußen ein gaaanz tolles Auto, damit bringen wir dich hin..."

Widerstandslos ließ sich der schwarzbekuttete Mann mitnehmen.