Nick blickte noch mal auf die Adresse auf seinem Zettel. Er wusste, dass es das richtige Gebäude war. Schließlich gab es nicht so viele Gebäude in der Stadt, die mit Kriminaltechnischem Labor gekennzeichnet war.

Hier stand er also, mitten in Iowa, kurz davor den hoffentlich nicht größten Fehler seines Lebens zu machen.

Er überlegte sich, ob er nicht umkehren sollte. Sie ihr Leben leben lassen und zurück nach Vegas zu gehen.

Diese Entscheidung wurde ihm im nächsten Moment vom Schicksal abgenommen. „Kann ich Ihnen helfen.", fragte ihn eine vertraute Stimme.

Nick atmete tief durch und drehte sich um. „Ich wollte…"

Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis Sara merkte, wer vor ihr stand. „Geh, Nicky. Verschwinde bitte einfach."

Nick blickte sie an. „So wie du, ohne auf Wiedersehen zu sagen?" Seine Stimme war von einer Trauer unterlegt, die Sara kaum ertragen konnte.

„Das ist fünf Jahre her.", stellte sie klar.

Nick lächelte sie an. „Du hast nie meine Telefonate entgegengenommen und hast mich nicht einmal wissen lassen, dass es dir gut geht."

„Nick, bitte. Das ist so lange her. Ich schaffe es nicht noch einmal alles durchzukauen. Woher weißt du eigentlich, wo ich bin?", fragte Sara auf einmal verwundert.

„Ich hatte einen Zettel mit deiner Adresse in meinem Spind." Er wusste, dass Catherine ihn dort herein getan hatte, er hatte ihre Handschrift erkannt.

Sara fuhr sich durch die Haare. Das tat sie immer, wenn sie nervös war. Ihre Großmutter hatte also recht gehabt. Die Vergangenheit holt ein immer ein.

„Ich kann das nicht, Nicky. Ich muss arbeiten. Ich habe keine Zeit mich damit zu beschäftigen.", eine klare Aussage, die Nick mitten ins Herz stach.

„Du kannst nicht einfach davon laufen. Nicht schon wieder." Nick versuchte sie aufzuhalten.

Sara blickte ihn an. Nach all den Jahren konnte sie seinen Augen immer noch nicht widerstehen. „Ich laufe nicht davon. Ich lebe und das solltest du auch tun."

Dann ging sie. Er konnte ihr nicht folgen, aber er würde auch nicht aufgeben. Nicht diesmal.


Nick hörte seine Nachbarn streiten. Es machte ihm nichts aus. Er konnte sowieso nicht schlafen. Mit einem Kaffee saß er auf dem Hotelbett und starrte die Wand an.

Heute Nachmittag war es nicht so gelaufen, wie er gehofft hatte. Aber was hatte er erwartet. Dass Sara ihm um den Hals fallen würde und alles wieder so war wie früher. Bevor diese Sache passiert war.

Er wusste, dass es nie wieder so sein würde. Aber er wusste auch, dass wenn er nur noch den Funken einer Chance bei ihr hatte, er sie ergreifen musste. Er wollte sich nie wieder so fühlen, wie an diesem einen Tag vor fünf Jahren.

Nick schloss müde die Tür auf. Er hatte sich den ganzen Tag auf diesen Moment gefreut. Denn er wusste, dass sie es schaffen würden. Auch wenn es schwierig werden würde, sie würden es schaffen. Schließlich waren sie Sara und Nick.

Sara?", rief er, als er die Wohnung betrat.

Alles war still. Sie musste eigentlich schon hier sein, denn heute war ihr freier Tag. Sie hatte in letzter Zeit viel durchgemacht und nutzte deswegen jeden freien Tag aus.

Nick bemerkte nicht, dass Saras Sachen von der Garderobe fehlten. Er ging in die Küche und holte sich etwas zu trinken, dann machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer.

Sicher war Sara dort. Nick ließ das Glas fallen, als ihm klar wurde, dass Saras Sachen verschwunden waren. Er achtete nicht auf die Scherben, sondern eilte zum Schrank. Der Koffer war weg. Nick konnte auch keine Klamotten von Sara finden.

Ihre Schrankseite war leer.

Nick rieb sich die Augen und versuchte die Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen. Er schaffte es nicht, also nahm er seine Schlüssel vom Nachttisch und machte sich auf den Weg.


Sara hatte Schwierigkeiten sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Nachdem sie sechs Versuche brauchte um einen Fingerabdruck richtig zu nehmen, schnappte sie sich ihr Handy und wählte eine Nummer, die sie seit Jahren nicht mehr gewählt hatte.

„Warum hast du es ihm erzählt?", fragte sie ohne eine Begrüßung.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung musste sich erst einmal sammeln. Es dauerte eine Weile, bis sie wusste, wer der mysteriöse Anrufer war. „Es ist auch schön mit dir zu sprechen, Sara."

Sara konnte nicht glauben, dass Catherine so reagierte. „Cath, warum hast du es ihm erzählt?", fragte Sara erneut.

Catherine richtete sich auf. „Woher weißt du, dass ich es war?"

„Grissom hat mir versprochen, dass er es ihm niemals sagen würde.", antwortete Sara.

Catherine nickte, obwohl sie wusste, dass Sara es nicht sehen konnte. „Er hatte ein Recht darauf es zu erfahren."

„Nein, hatte er nicht. Ich will ihn nicht hier haben. Es ist so lange her und er sollte die Sache auf sich beruhen lassen.", versuchte Sara zu erklären.

Catherine konnte nicht glauben, was sie da hörte. „Sara, stell dir vor, der einzige Mensch, den du wirklich liebst, haut in einer Nacht und Nebel Aktion ab, ohne dir etwas zu sagen. Du bist einfach weggelaufen. Also wunder dich nicht, wenn du die Konsequenzen dafür in Kauf nehmen musst."

Sara war so kurz davor einfach aufzulegen. „Du verstehst das nicht. Du hast keine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe."

„Aber ich weiß, wie Nick sich gefühlt hat. Er ist nicht mehr der, den du kennst. Er ist nur noch eine Hülle, weil ihm alles genommen wurde, was ihm wichtig war. Von dir. Ich denken, du schuldest es ihm." Catherine hatte diese Rede schon vor langer Zeit im Kopf gehabt, aber sie hatte nie wirklich erwartet, dass sie sie mal halten muss.

Sara schwieg für einige Momente. Ihre Stimme war nur noch ein Hauch. „Ich kann nicht."

„Sara, du kannst. Du hast schon so viel geschafft. Er liebt dich immer noch und wenn du auch noch etwas für ihn übrig hast, dann sprich mit ihm und sag ihm warum. Das hat er verdient."

Diesmal legte Sara wirklich auf. Sie lief in den Waschraum, sperrte die Tür zu und fing an zu weinen.