Etwas das immer wiederkehrt

Er erwachte in völliger Schwärze. Erdrückende, schwere, allumfassende Finsternis, die nichts zurückließ als schlechte Erinnerungen, böse Vorahnungen und ein unglaubliches Gefühl völlig alleingelassen worden zu sein. Dann Licht, kein grelles Licht, kein Licht, das in den Augen schmerzte, blendete oder die Sicht erschwerte, nein, eher ein winziges langsam anwachsendes Flimmern in unendlich vielen Facetten, dass die Finsternis unter seiner Pracht zerbrach, langsam, aber doch stetig und ohne zurückzuweichen oder zu flackern. Bilder, verschwommene Fetzen angesammelt über viele Jahre, Schatten alter Kämpfe, der Glanz alter Triumphe schnell verblassend und dann heraufbrausend wie ein schlimmer Sturm, Schmerz.

Er wusste nicht wo er war, was er fühlte, sondern trieb nur in immer wilderen Strudeln seiner eigenen Furcht, Verzweiflung, Ungewissheit und seinem Hass. Langsam, ja unendlich langsam begannen seine Gefühle Gestalt anzunehmen, er blickte in vermodernde Fratzen, Zerrbilder, aufgestiegen zu so unendlicher Bösartigkeit das ihm, ja selbst ihm das Blut in den Adern gefror ob ihres Anblicks, dann verschwanden die Bilder wieder, tauchten ab in den unermesslichen Pfuhl seiner eigenen Existenz und hinterließen nicht einmal einen bitteren Nachgeschmack. Die Umgebung veränderte sich, er konnte Wiesen sehen, Wälder, Wasser; er schien zu schweben, von irgendeiner unsichtbaren Kraft gezogen zu werden, sodass sämtliche Farben zu einer blaugrünen, undeutlichen Masse verschwammen. Dann, einen Wimpernschlag später ein Schrein, ja ein Schrein umgeben von Wald, kannte er diesen Ort? Kein laut war zu hören, dann löste sich plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten des Gebäudes, nein sie lief aus dem Schatten des Gebäudes, sie lief und in ihrer Hand sah er etwas funkeln. Dann konnte er die ungeheure Macht spüren, die von diesem kleinen Gegenstand ausging und in diesem Moment wusste er genau wo er war und was sich gerade abspielte.

Aber in diesem Moment änderte sich die Umgebung schon wieder und er, der er zuvor nur schwebender Beobachter gewesen war, befand sich nun inmitten des Geschehens. Irgendetwas war seltsam und als er an sich hinabblickte sah er es und roch es auch, den widerlichen Gestank von Menschenblut, seine Hände waren davon bedeckt, sein ganzer Suikan war gesprenkelt vom Blut der vor sich liegenden Leiche. Eine Leiche? Das war doch nicht etwa...? Nein, so war es nicht gewesen, er hatte mit ihrem Tod nicht das Geringste zu tun, aber seine Gedanken spielten ihm einen Streich, brannte seine schlimmsten Vorstellungen in seinen Verstand, sein Bewusstsein ein und ließen es wie grausame Realität erscheinen. War er ein Mörder? Hatte er dieses unschuldige, nun grausam entstellt im Gras liegende Geschöpf gemeuchelt? Nein, nein, nein er war nicht bereit etwas Derartiges zu glauben, nein, er hatte sie geliebt, niemals, niemals hätte er etwas Derartiges tun können. Der andere war es gewesen, er hatte sie gegeneinander ausgespielt und ihr Schicksal bestimmt, sie waren nur Spielfiguren, jammervolle, einfältige Spielfiguren in seinem Plan gewesen. Und als er solches noch bei sich dachte hörte er plötzlich das grausame Lachen seines Feindes, ein vielstimmiges diabolisches Gelächter in dem sich jeder Geist seiner Existenz verband und über ihn herfiel, als wolle sein Feind ihn schon mit dieser einfachen Geste in den Staub fallen lassen.

Langsam drehte er sich um und starrte im nächsten Moment in das zu riesigen Ausmaßen vergrößerte Bild seines Feindes, der sich im Körper einer riesigen Spinne hinter ihm aufgebaut hatte und ihn nun mit einem seiner enormen, abstoßenden Beine packte und aufhob, anscheinend um ihn zu verschlingen.

Er suchte nach seiner Waffe, griff aber nur ins Leere, während er sich unaufhaltsam dem gigantischen Maul näherte, das nun, geöffnet, wie eine riesige Höhle wirkte, die wieder in ewiger Dunkelheit mündete. In seinem Kopf drehte sich alles, er konnte nicht mehr klar denken, sein Verstand schien zu kippen, sein Körper zu erschlaffen und seine Sinne auszusetzen. Nun sah er sich wieder in völliger Dunkelheit gefangen, allein, hilflos, schwach, jedem kranken Spiel das nun folgen würde ausgeliefert. Er wurde geschüttelt, irrte durch die Schwärze wie ein Blinder, stundenlang, tagelang, monatelang, wurde wieder geschüttelt, undeutliche Stimmen erreichten sein Ohr, zu schwach um zu ihm durchzudringen. Lähmung, verwirrende Gefühle, dann plötzlich Licht, wieder Finsternis, Licht, näher kommende Stimmen, ein Wort, immer wieder ein Wort: „I...I...In...u...ya...sha!"

Jetzt noch einmal laut und klar: „Inuyasha!" Er schlug die Augen auf.

Um ihn herum begann der Tag gerade Gestalt anzunehmen und er schien im Gras zu liegen.

Da erschien über ihm eine Gestalt, eine Person die ihm die Schmerzen der vorangegangenen Erfahrung wieder in Erinnerung rief: „Ki...Kikyou?"

„WAS! Ich hab dir schon tausendmal gesagt, dass ich Kagome heiße Inuyasha! Wann kapierst du das endlich? Aber es ist wieder so weit mit dir was?" „W...was meinst du? Ich fühle mich irgendwie seltsam." Hatte er etwa geschlafen und...geträumt? Nein, das war nicht möglich...es sei denn. Er betrachtete sich, es schien wirklich so zu sein wie er vermutet hatte, er war nun wieder in seiner menschlichen Gestalt, schwach und hilflos wie jeder Mensch, nein, er war niemals schwach, nur weniger stark als sonst, dachte er sich.

Er schaute hinüber zu Kagome. Dieses Mädchen war die Widergeburt Kikyous. War sie dieser wirklich so ähnlich, dass er sie für Kikyou hatte halten können? Und würde sie auch einst so enden wie Kikyou? Gemordet durch Hände, die zwar nicht die seinen aber diesen dennoch so ähnlich waren, dass es keinen Unterschied machen würde?

Er wischte diese trüben Gedanken schnell beiseite und stand auf.