Titel: Wartezeit
Teil: 1 von 2
Fandom: Digimon
Pairing: Taichi/Yamato
Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir, ich habe demnach keinerlei Rechte an ihnen und mache auch kein Geld mit dieser Fic
Kommentar: Die Story habe ich zu Anfang des letzten Jahres für ein paar meiner Freunde geschrieben. Taichi und Yamato sind etwas älter als in 02 und mehr gibt's von meiner Seite aus dazu nicht zu sagen.
Feedback: Ist immer gern gesehen
Wartezeit
Warum hast du mich vergessen?
Irgend etwas im Inneren schien mit dem verbotenen Gedanken zu zerspringen und das dazugehörende Klirren ging von dem Löffel aus, den die Finger in langsamen Bewegungen in der Tasse kreisen ließen. Eine Runde, eine weitere und das in einem anhaltenden Spiel, was man Leben nennt. Der Junge war froh, dass niemand die Unverschämtheit besaß in seine Ecke zu spähen und dabei zu sehen, dass sich in der kleinen Tasse kaum noch Flüssigkeit befand. Bewusst langsames Trinken kostete also auch Zeit; Wartezeit, um genauer zu sein.
Wie bereits unzählige Male zuvor richtete sich das blaue Augenpaar nach draußen und fand dort nicht mehr vor als das hektische Treiben einer Großstadt zur Abendzeit. Ein wilder Mix aus Verkehrsgeräuschen, den stechenden Lichtern in der Dunkelheit und einem lauten Prasseln des niederschellenden Regens, dessen Tropfen das bunte Lichtspiel ins skurrile zerrte hinter der Fensterscheibe.
"Kann ich Ihnen noch etwas bringen?"
"Ne-." Yamato hatte zu einem Nein angesetzt, bei dem er den Kopf herumdrehte und eigentlich dem Kellner schwach zu lächeln wollte für dessen Aufmerksamkeit - selbst wenn sie eine Pflicht seines Berufes war. Nun jedoch hielt er mitten im Wort inne und starrte die Person verblüfft an. Die sonst so kessen Bemerkungen, für die der Blonde gewöhnlich bekannt war, blieben irgendwo in dessen Halse stecken, als er den anderen Jungen weiterhin anstarrte und dabei lediglich die Lippen leicht geöffnet behielt.
"Bist du sicher? Ist nicht gerade viel Kaffee, durch den du da rührst."
"Was machst du denn hier?" Die vorhergegangene Aussage ignorierend verfolgte Yamato wie sich der ihm wohlbekannte Kellner grinsend auf die kleine Bank gegenüber setzte und mit seinen dunklen Augen rollte.
"Wonach sieht es aus? Campingurlaub!"
"Das würde zumindest das Wetter erklären." Mitsamt einem verstohlenen Blick nach draußen widmete sich Matt wieder seiner Tasse und befeuchtete nebenbei seine Lippe mit der Zunge. Diese Situation führte ihm vor Augen, wie wenig Zeit er für Taichi gehabt hatte in den vergangenen Wochen. Aber es war ja nicht so, dass er sich für andere Menschen sonderlich mehr Zeit nehmen konnte; nur einer war ihm bedauerlicherweise wichtig genug hier unnütz zu hocken und deprimiert Löcher in die Luft oder den halbkalten Kaffee zu gucken.
Der andere Junge fuhr sich mit der rechten Hand durch seine Haare, bettete dann seinen Kopf auf einer Handfläche und schaute erwartungsvoll. Eine ganze Weile schon hatte er Yamato jetzt beobachtet; seine Schicht hatte vor einer guten halben Stunde begonnen und dennoch waren dermaßen viele Leute hier gewesen, dass er es nicht geschafft hatte seinem Freund seine Anwesenheit zu demonstrieren, weswegen sich Tai ernsthaft fragte, ob die halbe Welt nichts besseres zu tun hatte als an verregneten Samstag Abenden in einem Café zu hocken.
Dem war aber wohl nicht so und sogar Mr. Ishida schien diese Tätigkeit zu betreiben - wenn auch unverkennbar lustlos.
"Schmeckt der Kaffee nicht? Kannst dich ruhig beschweren, dann kriegst du direkt Entschädigung."
"Was interessiert mich der beschissene Kaffee!" Gereizt ließen Yamatos Finger den Löffel los, sodass dieser erheblich geräuschvoller gegen den Rand der Tasse schlug. Warum nur regte er sich so auf? Taichis Schuld war es garantiert nicht, dass man ihn versetzt hatte. Da die blauen Augen gar nicht sehen wollten, wie finster man die eigene Person von der gegenüberliegenden Seite fixierte, schloss Matt die Lider und massierte sich zugleich die Schläfen auf jeder Seite mit der jeweiligen Hand. Anscheinend war das schreckliche Bedürfnis jemanden anzufahren aufgrund seiner Enttäuschung wie so oft in unerträgliche Höhen geschossen. Verfluchter Abend!
"Hör zu, Yamato. Ich hab gerade mal ein paar Minuten Freiraum hier und hatte nicht vor mich von dir anmotzen zu lassen. Warum sitzt du hier überhaupt rum, wenn es dir eh nur auf den Sack geht!" Darum bemüht nicht auch noch so zu klingen, als wolle er dem blonden Jungen sogleich an den Hals springen, lehnte sich Tai zurück und verschränkte die Arme. Zur eigenen Sicherheit sandte er einen Kontrollblick durch das Café und stellte beruhigt fest, dass sich seine Kollegen momentan um die paar besetzten Tische kümmerten.
"Und auf wen wartest du? Warum weiß ich nicht, dass du eine Freundin hast!"
"Ich hab keine Freundin!"
"Wer ist es sonst wert, dass du dir hier solange den Arsch platt sitzt!" Die Aussicht darauf jeden Moment irgend ein irres Mädel hereinschneien zu sehen, die Yamato mit großen, klimpernden Augen eine Entschuldigung auftischte, stimmte den Fragenden keinesfalls besser. Diese ganze Geheimniskrämerei, die der andere Junge stets veranstaltete, war einfach nur zum Haare raufen und das Schlimmste daran war, Taichi konnte nicht einmal etwas gegen seine energische Eifersucht unternehmen. Sie befiel ihn einfach bei allen erdenklichen Theorien, weswegen Yamato seinen kostbaren Abend hier vergeudete. Warum konnte er nicht zur Abwechslung mal bei ihm anrufen und sich danach erkunden, ob sie nach langem wieder einen Abend zusammen verbringen wollten?
Genauestens verfolgte das dunkle Augenpaar das unübersehbare Grimassieren auf der anderen Tischseite, was nur eine konkrete Aussage aufwies: ich erzähle es dir nicht.
So war das also mit Freunden: sie verrieten einem über einen gewissen Zeitraum alle erdenklichen Dinge von sich, aber irgendwann war damit Schluss und auf Fragen hin, mit denen man sich ihnen wieder nähern wollte, schob man sie lediglich weiter von sich weg. Taichi unterdrückte den Impuls krampfhaft Matt genau dies einmal unmissverständlich ins hübsche Gesicht zu schreien und behielt sein Starren bei.
"Aha, gut zu wissen...!"
"Man, es ist doch nicht wichtig, oder!"
"Ich würde demjenigen allein dafür in seine blöde Fressen schlagen, dass du jetzt schon über eine halbe Stunde auf ihn wartest! Jemanden wie dich würde ich nicht warten lassen." Nebenbei begannen Tais Finger damit die Ränder des runden Tabletts nachzufahren, das er vorhin auf dem Tisch abgestellt hatte und sich jetzt im Zentrum seiner Aufmerksamkeit befand.
Das aggressive Knurren, was in der Stimme mitschwang, ließ Yamato zu ihm herüberblinzeln. Unter der Voraussetzung würde er Taichi schon zweimal nicht verraten, um wen es sich handelte. Stattdessen gewöhnte man sich daran, dass er seit neustem hier kellnerte und anscheinend noch keine Katastrophe in Form von zig zerbrochenen Gläsern verursacht hatte. Über die amüsante Vorstellung hinweg mussten die Mundwinkel ein Stückchen höher gezogen werden; kleines Trottelchen und doch unersetzlich. In sich fand Matt keine Wut mehr auf seinen Freund. Früher hätte sich der erneut nun durch den kalten Kaffee Rührende sicherlich bevormundet gefühlt von Tais Aussage; jetzt sah er in ihr bloß noch unverkennbare Anzeichen von Gefühl und Gedanken.
"Das brauchst du nicht... ich werde sowieso gleich gehen."
"Aber es ist nicht okay, dich ohne ein Wort sitzen zu lassen! Wofür hast du sonst ein Handy! Und jetzt erzähl mir nicht, deine Verabredung hätte keines..."
"Doch, schon..." Verteidigung wäre leichter, wenn es etwas zu verteidigen gäbe. Leider war sich Yamato in diesem Falle sicher, dass der Angeklagte in allen Punkten schuldig gesprochen werden konnte. Und wie sehr ihn dies wiederum traf, wollte er sich nicht eingestehen, geschweige denn hier zeigen...
Tai zog misstrauisch eine Augenbraue hinauf, als er das anscheinend wieder ruhigere Gemüt erneut studierte. Hier war definitiv eine wichtige Verabredung geplatzt, sonst würde sich der Blonde das mit Garantie auch nicht so einfach bieten lassen.
"Wenn du dich nicht auf sie verlassen kannst, ist sie nicht die Richtige für dich..."
"Es ist nicht meine Freundin." Vielleicht wäre es aber besser gewesen; Freundinnen konnte man im Gegensatz zu anderen Menschen wechseln.
"Wer dann?"
Yamato fühlte sich in diesem Verhör unnötig erröten und zugleich ausweichen. Wann hatte es begonnen, dass Taichis Fragen für ihn eher wie ein Eindringen in seine Privatsphäre als ein freundschaftliches Interesse erschienen? Aber wenn er seinem Gegenüber nicht mehr voll und ganz vertraute, warum überlegte er dann jetzt überhaupt, ob er diesem nicht einfach die Wahrheit sagen sollte? Begleitend wurde sich über die Augenpartie gerieben und schmerzlich eingestanden, dass wenn man einmal anfing zu reden, bald eine Menge folgen würde. Und dafür würde Tais knappe Zeit hier nicht ausreichen...
"Tai, ich-."
Schräg schnitt der Klingelton Matt das Wort ab, welcher sogleich in seine Tasche griff und eilig das Mobiltelefon herausholte. Jetzt würde er die Entschuldigung erfahren; den Grund der Verspätung und es hatte gewiss nichts mit purem Vergessen zu tun.
"Ja? ...Warum sollte ich Zuhause sein? ...Nein, haben wir nicht... Ist schon okay... Nein, macht wirklich nichts... Bis dann..."
Taichi verfolgte wie sein Freund sichtlich enttäuscht das Handy ausschaltete und zurück in die kleine Umhängetasche verfrachtete, deren Buttons er stets bewunderte. Die Erkenntnis sich nicht daran erinnern zu können, wann man Yamato das letzte Mal derart gefühlsmäßig am Boden erlebt hatte, stach wie ein Griff in einen Scherbenhaufen. Der Niederschauende war nicht zutiefst verärgert darüber versetzt worden zu sein, sondern zu Tode traurig, dass man ihn vergessen hatte. Diese Erkenntnis schmetterte so plötzlich durch Tais Gedanken, als habe ihm jemand eine gehörige Ohrfeige verpasst, die wie Gift betäubte.
"Warum sagst du, dass es für dich okay ist, dass man dich vergessen hat!"
Ziemlich aus den betrübten Überlegungen gerissen, sahen die blauen Ovale kurz auf und dann wieder weg.
"Ich bin nicht vergessen worden."
"Doch, bist du." Keinesfalls mit dem Ziel zu provozieren oder gar sonstiges, hatte die Stimme des Dunkelhaarigen durchgehend einen sanften Unterton, der jedoch nichts an Matts kräftigem Kopfschütteln änderte.
Es war einfach unmöglich jetzt auch noch einzugestehen, dass diese Sätze der Wahrheit entsprachen. Yamato spürte seine Finger als sie sich zu Fäusten ballten und einfach nur den Impuls knebelten aufzuspringen und fortzulaufen.
Natürlich hatte man ihn vergessen; nicht zum ersten Mal und trotzdem war Matt von diesem Menschen auf emotionaler Basis zu abhängig, als dass er dessen Argumente nicht als milden Trost tolerieren konnte.
Ein Seufzen ging Taichis folgenden Worten voraus: Natürlich! Gib es wenigstens zu.
"Verdammt, du weißt genau, dass er sehr viel zu tun hat! Du weißt genau, dass es da mal passieren kann, da er einfach den Kopf zu voll hat, um an mich zu denken! Von irgendwas müssen wir ja auch leben! Mein Vater macht das nicht, um mir weh zu tun!" Blitzartig legte sich eine Handfläche auf Yamatos Mund, als er realisierte, in welcher Lautstärke es aus ihm herausgebrochen war. Sein Gegenüber starrte lediglich entgeistert und auch die beiden anliegenden Tische beherbergten Personen, die einen kritischen Blick warfen, sich dann aber wieder ihren eigenen Konversationen widmeten.
Jedoch schelte sich der Blonde selbst zu sehr, als dass ihm die anderen noch groß etwas ausmachen konnten. Wieso schrie er Tai ins Gesicht, was er sich selbst in Gedanken dauerhaft vorkaute? Ruckartig wurde sich von dem Tisch erhoben und noch bevor Yamato zwei Schritte machen konnte, hielt ihn jemand am Ärmel zurück. Dieser jemand, Taichi, platzierte einen flüchtigen Kuss auf der Wange seines Freundes und strich zugleich eine herabperlende Träne von Matts anderer Wange.
"Ruf mich an... und wein bitte nicht..."
Es war nicht zu definieren, was jetzt mehr Tränen auslöste: die Tatsache vom geliebten Vater vergessen worden zu sein oder der eindeutige Beweis Taichi so viel zu bedeuten. Fest stand, dass die Wimpern hastig über die feuchten Augen schlugen und Erleichterung durch Yamatos Körper wetzte, als dieser bemerkte nicht mehr an Ort und Stelle festgehalten zu werden, sodass er nun zum Ausgang des Cafés und hinaus in den Regen stolpern konnte.
Die Zeiten, in denen Tai und er sich Küsse auf die Wange gegeben hatten, waren also doch nicht vorbei, sondern konnten wieder beginnen. Vorerst musste der loslaufende Junge allerdings eine Hand auf die Wange drücken, auf der das fremde Lippenpaar vorhin auflag, damit der unbarmherzige Regenguss ihre unsichtbaren Spuren nicht hinfort spülte.
Ende von Teil 1
