A/N: First things first. Ich habe keinerlei kommerzielle Vorteile an dieser Geschichte und besitze auch keinerlei Rechte an den beschriebenen Figuren und Orten. Ich spiele nur ein wenig mit ihnen.
Da das nun geklärt ist... Hoffe die Geschichte findet ein wenig Anklang.
Ich habe nicht vor, hier schon ein Pairing vorweg zu nehmen, aber es handelt sich nicht um Slash. Ich versuche mich einigermaßen an die Vorgaben von Tolkien zu halten und mache relativ viel Recherche, aber ich habe bei Weitem nicht alle seine Werke gelesen und wenn's mir in den Kram passt, dann ändere ich eben was. Was soll ich machen, bin eben ein Rebell... Nun ja, viel ist es ja noch nicht, aber wenn schon jemand Gedanken dazu hat, würde ich mich natürlich sehr freuen, wenn ich sie auch zu hören bekomme. Na dann, viel Spaß!
Prolog
Weit oben im Norden erstreckte sich einst das große Hexerreich von Angmar. Im kargen Ödland hinter dem Nebelgebirge ließ sich der Fürst der Nazgûl eine Stadt aus Eisen bauen: Carn Dûm.
Die Katakomben der Stadt wurden direkt in den Stein gehauen und verbanden die gesamte Stadt unterirdisch. An der Oberfläche glänzten die Häuser im dunklen grau des Stahls, der im nahe gelegenen Gebirge gewonnen wurde. In einem Ring um die Stadt standen 17 Wachtürme, 20 Meter hoch und mit messerscharfen Zinnen. Sie alle waren durch einen Wall aus massiven Stein verbunden, der nur von einem einzigen Tor durchbrochen war.
Vom schwarzen Tor führte eine Straße auf direktem Weg ins Zentrum, wo sich das Herz der Stadt erhob. Der Turm des Hexenmeisters überragte die Umstehenden um einige Meter und spitze Dornen, so lang wie der Arm eines ausgewachsenen Mannes, umschlossen seine gesamte Außenfläche.
Doch Angmar war längst Geschichte. Eine Armee aus Elben und Menschen hatte den Fürsten besiegt und sein Reich gestürzt. Seit über einem Jahrtausend war die Stadt verlassen und den Elementen schutzlos ausgesetzt. Rost hatte sich tief in die Stadt aus Eisen gefressen und sie zu einem makabren Gebilde geformt, das einem Schauer über den Rücken laufen lies.
So ging es auch den beiden Schwestern, die in ihren blauen Gewändern ein seltsam lebendiges Bild in dieser toten Umgebung abgaben. Beide waren sie älter als die Ruinen, die sie umgaben, jedoch waren die Falten in ihren Gesichtern und die vereinzelten grauen Strähnen unter ihren Hauben die einzigen Zeichen, die die Zeit auf ihnen hinterlassen hatte. Zielstrebig schritten sie durch die verrotteten Reste des einstig imposanten Stadttors und gingen die Straße entlang zum Stadtkern.
In einem Umkreis von mehreren Meilen hätte man kein anderes Lebewesen gefunden, denn Erde vergisst nicht und die Erde von Angmar hatte viel Böses gesehen. Sie duldete kein Leben und forderte einen blutigen Zoll von jedem, der es wagte, auf ihr zu wandern. Jedoch war es alles andere als still in der Stadt. Der Wind strich über den hohlen Stahl und spielte ein gespenstisches Lied, das den Eindruck erweckte, die Stadt selbst würde ihren eigenen Untergang beklagen.
Doch die Frauen ließen sich nicht vertreiben und erreichten nach einiger Zeit ihr Ziel. Am Eingang des großen Turms angekommen, warf Aurelia einen prüfenden Blick auf den roten Stahl und die zerfressenen Dornen, um dann skeptisch zu ihrer Schwester zu blicken.
„Hältst du das wirklich für eine gute Idee? Was, wenn wir gar nicht erst bis zur Spitze kommen, weil der Turm vorher einstürzt? Welchen Zweck haben zwei tote Hexen in diesem Turm?"
„Er wird nicht einstürzen. Dieser Turm ist nicht einfach aus Stahl gefertigt! Die Macht, die ihn trägt ist stärker als das bisschen Rost. Hör jetzt auf dir ständig Sorgen zu machen, es geht nun mal nicht anders. Eine Reinigung kann nur vom Epizentrum der Korruption zufriedenstellend durchgeführt werden." Und ohne auf weitere Einwände ihrer Schwester zu hören griff sie nach der Tür. Die alte Pforte schrie bei der ungewohnten Bewegung auf, gab aber problemlos nach. Aurelia zögerte noch einen Moment und blickte auf die Inschrift über der Tür, 'Hinc nascuntor omnia mala', folgte ihrer Schwester dann aber hinein.
Auf den unteren Etagen des Bauwerks waren keine Fenster angebracht, weshalb sie sich in absoluter Dunkelheit wiederfand.
„Aurora?"
Ein gleißendes Licht durchströmte den Raum und Aurelia musste ihre Augen mit einer Hand abschirmen, bis das Licht im nächsten Augenblick nachließ und sich zu einer etwa faustgroßen Lichtkugel in Auroras Hand zurückbildete.
Aurora lächelte ihr zu und nickte mit dem Kopf nach rechts wo sich eine Treppe an der Wand des völlig runden Raumes hinauf schlang. Sie ging voraus, das Licht noch immer über ihrer linken Hand schwebend, die rechte am Geländer. Als Aurelia ihr folgte sah sie, das die Treppe im Gegensatz zum Rest nicht aus Stahl zu sein schien. Es war eine Art Stein, der den Schein der Lichtkugel völlig zu verschlingen schien. Während die glatte Oberfläche der stählernen Wand nur durch die Nähte und Nieten an den einzelnen Stahlplatten und gelegentliche Flechten von Rost durchbrochen war, war die Treppe reich verziert. Unter dem spiegelglatten Griff des Geländers waren grausige Kriegsszenen dargestellt. Sie zeigten Menschen, Elben und Zwerge, die von Orks erschlagen und geschändet wurden.
Die beiden Frauen stiegen immer höher in den Turm, ohne das ein Ende der Treppe zu sehen war. Das gesamte Gebäude schien nur aus zwei Räumen zu bestehen, den Raum mit der Treppe, in dem sie sich gerade befanden und einen Raum an der Spitze des Turms.
Nach einigen Minuten erreichten sie eine Ebene, die auf eine Tür zu führte.
„Das ist es.", flüsterte Aurora, „Von hier aus hat er seine Zauber gewirkt." Wieder trat sie zur Tür und stoß sie ohne zu zögern auf. Diesmal öffnete sich die Tür mit bedeutend geringerem Lärm und die Hexen betraten das ehemalige Refugium des Hexenmeisters von Angmar.
Der Boden war aus geschrubbten Stahl und jeder Schritt erzeugte ein leichtes Hallen. Dieser Raum war als einziger im Turm mit Fenstern versehen gewesen, doch deren Form lies sich nur noch erahnen, da Rost sich so weit voran gefressen hatte, dass sich scharfe Zacken gebildet hatten. Warf man einen Blick durch die Fenster konnte man gerade sehen, wie die untergehende Sonne mit ihrem warmen Licht die rostige Stadt in ein blutiges Meer verwandelte.
Die Wände des Raumes waren ziseliert und zeigten dieselben scheußlichen Szenen wie das Treppengeländer. Früher hatte der Turm einmal ein spitzes Dach gehabt, doch das hatte die Zeit nicht überdauert und nun zierten die scharfen Kanten sein Haupt wie eine furchtbare rote Krone.
Es gab keine Regale voller Bücher, wie man es im Zimmer eines Zauberers erwartet hätte. Aber welches Wissen könnten dunkle Schriften einem Wesen bieten, das nur aus Dunkelheit bestand? Der Hexenmeister hatte alle Fertigkeiten, die er benötigte von seinem Herrn erhalten, mehr gab es nicht zu lernen.
Das einzige Möbelstück im Raum war der große schwarze Thron genau gegenüber der Tür. Er war so hoch wie zwei Männer und aus dem gleichen Material wie die Treppe. Auch er schien alles Licht in sich einzusaugen. Seine Oberfläche war glatt poliert, doch an den Seiten der Rückenlehne reihte sich ein messerscharfer Dorn an den nächsten. Der Sockel des Thrones zeigte Menschen, die sich unter seiner Last mit schmerzverzerrten Gesichtern krümmten.
Aurelia konnte fühlen, wie die Kälte zwischen ihre Gewänder kroch und sie zu zittern begann. Die Geschichten der Menschen fielen ihr ein, in denen an Orten, an denen Schreckliches geschieht manchmal ein Schatten dieses Schreckens zurück bleibt und die heimsucht, die den Ort betreten. Dieser Ort hatte viele Schrecken gesehen, waren einige von ihnen noch immer hier?
„Aurora, bist du dir sicher, dass wir uns hier nicht übernehmen? Vielleicht sollten wir uns doch an den Weißen wenden, er ist weit mächtiger als wir und hat außerdem Erfahrung mit den dunklen Mächten?" fragte Aurelia zögernd und konnte ihren Blick nicht vom schwarzen Thron nehmen.
„Wenn wir immer alles Schwierige ihm überlassen, wie sollen wir dann jemals stärker werden? Jetzt sind wir hier und wollen es versuchen. Komm zu mir, Schwester!"
Aurelia zwang sich zu ihrer Schwester zu blicken, die ihren Mantel und ihre Stiefel ausgezogen hatte und zum Zentrum des Raumes schritt. Der Boden ächzte unter ihr. Aurora stellte sich auf und blickte sie abwartend an. Mit einem Seufzen gab Aurelia ihren Protest auf und tat es ihr gleich. Sie nahm Auroras linke Hand in ihre rechte, wie sie es immer Taten, wenn sie ihre Banne sprachen und blickte in das Gesicht ihrer Schwester, das auch ihr eigenes hätte sein können. Die lange, gerade Nase, der schmale Mund, die eisblauen Augen, die nie zu altern schienen, die schwarzen Haare mit den vielen grauen Strähnen und die durchscheinende, elfenbeinfarbene Haut, die dies sehr wohl tat. Sie konnte sich nicht erinnern jemals von ihrer Schwester getrennt gewesen zu sein und obgleich sie sich im Wesen so sehr unterschieden, wusste sie doch, dass sie zwei Hälften einer Seele waren. Was ihrer Schwester manchmal an Besonnenheit fehlte glich sie durch ihren Mut wieder aus und bei ihr selbst war es genau anders herum.
Aurora lächelte plötzlich. „Worüber zerbrichst du dir denn jetzt schon wieder den Kopf? Du wirst noch einige hässliche Sorgenfalten dazu bekommen.", scherzte sie. Aurelia schüttelte nur den Kopf und gebar ihrer Schwester anzufangen.
Auroras Gesicht wurde sofort wieder ernst und beide Schwestern schlossen die Augen. Aurora begann eine Melodie zu summen, tief und beruhigend, wie man sie einem Kind vorsingen würde, dass beim Spielen gestürzt war. Ihre Schwester stimmte mit ein und spürte sofort, wie die warme Magie sie umschloss. Doch nach einigen Momenten veränderte sich die Melodie ihrer Schwester plötzlich, sie wurde laut und schrill und das warme Gefühl verschwand. An seine Stelle trat eine unangenehm beißende Hitze, als würde sie zu nah an einem Lagerfeuer stehen, sich aber nicht trauen einen Schritt zurück zu machen, weil die kalten Nachtluft sie dann verschlucken würde.
Aurelia öffnete gerade die Augen und blickte in das lächelnde Gesicht ihrer Schwester um zu fragen, was sie da tat, als das kalte Gefühl von Stahl durch ihre Kehle fuhr. Sie war so perplex, dass sie nicht einmal versuchte das Blut am Fließen zu hindern. Völlig hilflos starrte sie ihre Schwester an, blickte auf den Dolch in deren Hand und ihr eigenes Blut darauf. Als ihre Beine unter ihr nachgaben fing Aurora sie auf und setzte sich mit ihr auf den Boden. Noch immer starrte sie in diese kalten Augen die ihren eigenen so ähnlich waren und doch in diesem Moment nicht verschiedener hätten sein können.
„Shhh mein Liebling, gleich ist es vorbei." sagte ihre Schwester wieder in dieser leisen, beruhigenden Stimme, noch immer lächelnd.
Aurelias verzweifelte Versuche nach Luft zu schnappen endeten in einem bedauernswerten Gurgeln, dass nur noch mehr Blut aus ihrer offenen Kehle drückte. Aurora streichelte ihr sanft übers Haar, während der letzte Hauch von Leben aus ihr wich. Wie nebensächlich legte sie dann den Doch zur Seite, und während sie mit dem Blut ihrer Schwester einen dreizackigen Stern auf ihre Stirn malte summte sie wieder die schrille Melodie.
Sie konnte fühlen wie, Strähne für Strähne, ihr Haar den alten Glanz zurück bekam, wie ihre Haut glatter, ihr Rücken gerader und ihr ganzer Körper wieder straffer wurde. Und was am wichtigsten war: sie fühlte, wie ihre Macht wuchs. Sie war die Hälfte eines Ganzen gewesen und jetzt hatte sie sich ihre zweite Hälfte zurück geholt.
Aurora erhob sich und der Leichnam ihrer Schwester rutschte mit einem dumpfen Schlag, der mit einem Echo durch den Raum lief, von ihrem Schoß auf den Boden. Ihr blaues Kleid war durchtränkt von Blut, aber im Moment konnte ihr nichts gleichgültiger sein. Barfüßig lief sie beschwingt zum Thron und ließ sich mit einem erleichterten Seufzen auf diesem nieder.
Sie konnte jeden Quadratmeter ihrer Stadt in diesem Moment spüren. Die Menschen hatte recht in ihrer Annahme, das Orte sich einen Teil dessen was an ihnen geschieht merken. Die Erde unter Carn Dûm hatte Blut gekostet und wollte nun mehr davon. Aurora hatte diesem Durst Tribut gezollt und die Erde dankte ihr mit ihrer Macht. Jedoch würde dieses eine Opfer nicht lange vorhalten. Dieser Ort hatte lange verzichten müssen und war gierig geworden, bald würde er weitere Opfer verlangen.
Doch das sollte kein Problem darstellen. Überall in Mittelerde streiften Orks umher, wild und herrenlos. Orks waren eine gefügige Rasse. Wie Ameisen waren sie einzeln verloren und unterwarfen sich nur zu gern, wenn sie von der Stärke eines Anführers überzeugt waren. Angmar würde eine starke Ausstrahlung für alle dunklen Wesen haben, jetzt da es wieder erweckt war. Sie würden kommen. Und mit ihnen die Renaissance des Hexenreichs von Angmar.
Die Hexe schwang ihre Beine über eine Lehne des Throns und machte es sich bequem. Ein zufriedenes Lächeln legte sich auf ihr ebenmäßiges Gesicht, während das Blut ihrer Schwester von ihren nackten Füßen auf den Boden tropfte. Gedankenverloren strich sie über das klebrige Blut auf ihrem Kleid und berührte dann mit ihren Fingern ihre Lippen. Der Geschmack von Eisen schien ihr passend und mit einem Kichern schloss sie ihre Augen und entschied für eine Weile zu dösen, schließlich hatte sie einen ereignisreichen Tag hinter sich. Und wer konnte schon wissen was die nächsten noch mit sich bringen würden.
