Die große Lüge
Amanda saß auf einem der großen, bequemen Ohrensessel im Gryffindor Gemeinschaftsraum, direkt vorm wärmenden Kamin. Das Feuer erhellte ihr nachdenkliches Gesicht. Sie konnte noch immer nicht fassen, dass sie den Sprechenden Hut ausgetrickst hatte. Sie hatte es tatsächlich geschafft nach Gryffindor eingeteilt zu werden. Der Wille ihre Eltern nicht zu enttäuschen hatte sie stark gemacht. Amanda war für ihre 16 Jahre eine außergewöhnlich starke Hexe. Doch wie stark sie wirklich war vermochte zu diesem Zeitpunkt wohl noch keiner zu erahnen.
In Gedanken versunken ließ sie es zu wie die Flammen sanft ihren Körper erwärmten. Ihr Schulterlanges, rabenschwarzes Haar fiel ihr ins Gesicht als sie ihren Kopf senkte und seufzte. Wie sollte sie das nur alleine schaffen? Unsicherheit machte sich in ihren dunkelbraunen, fast schwarzen Augen sichtbar. Als sich plötzlich jemand auf den Sessel neben sie fallen ließ und sie neugierig musterte. Verunsichert schaute Amanda zu dem Jungen mit den roten Haaren herüber. Hi!; sagte er. Ich bin Ronald Weasley;
Ähm....., hi. Ich bin....ähm....ich bin Lu........Ähm...hehe. Amanda. Freut mich dich kennen zu lernen.; Das war knapp. Wie konnte sie nur so blöd sein. Beinahe hätte sie ihm ihren echten Namen gesagt. Es tut mir leid, aber ich glaube ich bin ziemlich müde und geh jetzt lieber ins Bett. Hat mich gefreut dich kennen zulernen;
Mit diesen Worten stand sie auf und ging zum Mädchen Schlafsaal. Verdammt, was machte sie da nur. Da hatte sie die ideale Gelegenheit sich mit Ronald Weasley anzufreunden und sie lief weg. Aber sie brauchte jetzt einfach Zeit für sich. Wäre sie da geblieben hätte sie sich wahrscheinlich verplappert. Als Amanda ihr Bett erreichte ließ sie sich darauf fallen ohne ihre Sachen auszuziehen. Sie hatte eigentlich vor gehabt das Vorgehen des nächsten Tages zu planen. Aber jetzt wollte sie nur noch schlafen. Einschlafen und alles vergessen. Und das tat sie auch auf der Stelle.
Doch es war kein ruhiger Schlaf so wie sie gehofft hatte. Sie hatte einen wirren Traum nach dem anderen. Eine verschwommene Gestalt die ihr Vater sein sollte glitt vor ihrem Gesicht hin und her. Wild auf sie einredend, dass sie immer schon das gute Kind gewesen war; und dass sie ihn nicht enttäuschen sollte.
' Ihn nicht enttäuschen sollte.
Doch schon im nächsten Moment wurde alles schwarz und ein Paar rote Punkte tauchte auf. Sie wurden immer größer und größer bis sie schließlich die Form von Augen annahmen, als sie auch schon wieder verschwanden und sich Amanda statt dessen in einem weiß gefliesten Raum wiederfand.
Jedoch zeigten kaum noch Fliesen ihre ursprüngliche Farbe. Die meisten waren dreck- und blutverschmiert. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch. Er war bis zur Hälfte gespalten und ein blutiges Beil steckte in dem Riss. Es sah aus wie in einer verlassenen Metzgerei. In der hinteren Ecke des Raumes lag etwas. Amanda ging langsam darauf zu. Als sie näher kam erkannte sie was sie da gesehen hatte. Es war Amanda selbst.
Dreckig und in Lumpen gehüllt hockte sie zitternd in einer Ecke. Die Haare hingen ihr verfilzt im Gesicht so dass es nicht zu erkennen war, und Amanda verspürte Erleichterung. Erleichterung dieses Gesicht nicht sehen zu müssen. Sie wusste nicht wieso, aber sie wusste dass sich unter diesem verfilzten Haar eine scheußliche Fratze verbarg.
Sie wollte diesen Raum verlassen bevor die zerlumpte Amanda aufsah und ihre Fratze offenbarte. Und nun verspürte Amanda nur noch ein Gefühl; Angst! Ehrliche, tiefe, alles auffressende Angst. Sie konnte sich nicht bewegen. Warum konnte das nicht aufhören? Sie versuchte die Augen zu schließen, doch auch das funktionierte nicht; als sich langsam der Kopf der zerlumpten Amanda hob. Sie wollte schreien. Sie wollte sterben, nur dieses entstellte Gesicht nicht sehen. Die entstellte Amanda neigte ihren Kopf weiter nach oben. Noch wenige Sekunden und Amanda würde verrückt werden. Sie wusste sie würde bei diesem Anblick verrückt werden;
Als sich das Szenario wieder veränderte. Alles war in weißes Licht getaucht. Es blendete in den Augen, so dass Amanda kaum etwas sehen konnte. Gerade wollten sich ihre Augen an das Licht gewöhnen als sie etwas aus dem Traum riss.
Es ist schon ziemlich spät. Du solltest jetzt wirklich aufstehen wenn du vor dem Unterricht noch frühstücken willst.; sagte das Mädchen das neben Amandas Bett stand. Sie hatte eine Katze auf dem Arm. Amanda mochte Katzen, aber diese hier sah aus als sei sie gegen eine Wand gelaufen. Oh, entschuldige. Ich hab vergessen mich vorzustellen. Ich bin Hermine Granger.; Sie reichte Amanda die Hand. Hallo Hermine. Freut mich dich kennen zulernen. Ich bin Amanda.;
Nachdem sie ihre Hand unter der Decke hervorgezogen hatte, reichte Amanda sie Hermine ebenfalls. Ich werd mich dann wohl besser mal fertig machen.; Hermine nickte nur und verließ den Raum. Amanda brauchte erst mal noch einige Minuten um ihre Gedanken zu sammeln. Der Traum steckte ihr noch zu tief in den Knochen. Durch das Fenster neben ihrem Bett blies der kühle Morgenwind. Sie war noch nicht mal einen Tag hier und hatte schon sowohl mit Ron als auch mit Hermine Bekanntschaft geschlossen. Jetzt fehlte nur noch Harry Potter, aber das dürfte nun ja wohl das geringste Problem sein. So schlimm war es also doch gar nicht gelaufen. Warum hatte sie sich nur solche Sorgen gemacht? Sie war gestern einfach müde. Das war alles. Ab heute würde alles Reibungslos laufen. Sie war stark. Sie konnte das, und ihr Vater verließ sich auf sie. Bereit also ihre Rolle zu spielen machte sie sich fertig und begab sich in die Große Halle.
Sie ging auf den Gryffindortisch zu und suchte einen freien Platz. Da sah sie, dass bei Harry Ron und Hermine noch einer war. Das lief ja ausgezeichnet. Sie zwängte sich an Stühlen und Schülern vorbei zu den Dreien. Ja, hast du sie auch kennen gelernt? Sag mal, hat die Frau auch nen Nachnamen? Seditia!; unterbrach Amanda Ron, der nicht gemerkt hatte dass sie mittlerweile hinter ihm stand und nun puterrot wurde. Hermine, die ihm gegenübersaß, konnte sich ein Lachen nicht verkneifen. Und Harry verbarg sein Gesicht um genau jenes zu verbergen.
Ist der Platz noch frei?; Klar, setzt dich.; antwortete Hermine die sich mittlerweile wieder beruhigt hatte.
Ja, Amanda war sehr zuversichtlich dass sie es schaffen würde.
