Hallo an alle! Hier ist meine neue Übersetzung einer französischen FF von Alixe: Le choix de Lord Voldemort. Ich hoffe, sie wird euch genau so gut gefallen wie mir.

Einen ganz lieben Dank an Verliebtindich, die eine tolle Arbeit mit Aqualys' Geschichten geleistet hat und sich nun bereit erklärt hat, auch Die Entscheidung von Lord Voldemort zu korrigieren.

Disclaimer: Wie immer gehören die Zaubererwelt und ihre Charaktere und Orte nur zu J.K. Rowling. Das Konzept von mehreren Harrys, die sich treffen, kommt aus der Schreibgemeinschaft lesneufmondes. Natürlich verdienen Alixe und ich nichts damit.

Spoilers: Die ersten sechs Bände von Harry Potter.

Anmerkung von Alixe: Jene, die meine FF Der Andere schon gelesen haben, werden bemerken, dass es sich um die gleiche Idee handelt. Doch selbst, wenn einige Dinge gleich sind – wie zum Beispiel wie ich die Welt des anderen Harrys sehe –, sind beide Geschichten voneinander unabhängig. Die Geschichte beginnt am 2. August 1997, zwei Tage nach Harrys siebzehntem Geburtstag.


Die Entscheidung von Lord Voldemort:

Kapitel 1: Eine recht verwirrende Vision:

Harry murrte Flüche vor sich hin, die Mrs Weasley sehr missfallen hätten. Das war nicht zu fassen. Er hatte es geschafft, sich in Hogwarts zu verlaufen!

Der Gryffindor musste gestehen, dass sich das leere Schloss sehr vom warmen Gebäude unterschied, in dem er die letzten sechs Jahre verbracht hatte. Als würde die Gewissheit, dass Dumbledore nie mehr in den Gängen umhergehen würde, die Atmosphäre für immer ändern. Hermine konnte behaupten, dass Hogwarts seit tausend Jahren immer noch dasselbe Hogwarts war, soviel sie wollte, doch er war nicht davon überzeugt.

Sie meinte dann, das läge nur daran, dass er und Ron Eine Geschichte von Hogwarts nie hatten lesen wollen. Wenn sie es gelesen hätten, dann würden sie die Schule für Hexerei und Zauberei als beständig und nicht so einseitig sehen. Bei dieser Gelegenheit hatte Ron Harry zugeflüstert, dass Hermine bei manchen Sachen die Gefühlswelt eines Teelöffels hatte. Er hatte es damit geschafft, Harry zum Lächeln zu bringen.

Zuerst wollte er bereits nach Bill und Fleurs Hochzeit, die am ersten August stattgefunden hatte, direkt nach Godric's Hollow reisen. Hermine hatte ihn dann aber dazu überredet, in Hogwarts vorbeizuschauen, um sich über Gegenstandsbesessenheit zu informieren. Er hatte ihren Vorschlag angenommen und seine Projekte um vierundzwanzig Stunden verschoben. Professor McGonagall, die auch bei der Hochzeit gewesen war, hatte sich ohne Schwierigkeiten dazu überreden lassen, sie am nächsten Tag zu empfangen. Da Hogwarts jetzt ihre Schule war, konnte sie ihnen freien Zugang zu allen Bibliotheksbüchern gewähren. Harry hatte sich gefragt, was Dumbledores Porträt ihr seit ihrem letzten Gespräch miteinander erzählt hatte, dass sie so nachgiebig geworden war.

An jenem Morgen hatten sie also den Fuchsbau verlassen und Molly versprochen, dass sie zum Abendessen zurück sein würden. Harry hatte das Haus, in dem Ginny lebte, mit Erleichterung verlassen. Auch wenn er von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt war und das Mädchen nicht versucht hatte seine Meinung zu ändern, war es peinlich, unter dem gleichen Dach wie sie zu leben. Er fand sie immer noch so schön und reizend. Und er fühlte sich unwohl, wenn sie zu ihm blickte und er die Melancholie in ihren Augen sehen musste.

Ron und er hatten den ganzen Morgen damit verbracht, Recherchen unter Anleitung Hermines zu führen. Madam Pince war nicht da und zum ersten Mal hatten Harry und Ron zur Verbotenen Abteilung gelangen können, ohne sich zu verstecken. Ihre Freundin hatte Bücher zwischen ihnen aufgeteilt und sie darum gebeten, bestimmte Begriffe nachzuschlagen, über die sie mehr wissen wollte, von denen Harry und Ron jedoch noch nie gehört hatten. Gegen ein Uhr mittags waren sie immer noch beschäftigt, die Bücher zu durchsuchen, also hatte Harry vorgeschlagen, etwas zum Essen aus der Küche zu holen, ehe Ron die Zeit hatte es vorzuschlagen.

Hermine hatte zugestimmt und dann Ron ein sehr dickes Buch gegeben. Harry hatte seinen Freund wie ein Feigling allein gelassen und war beinahe im Laufschritt davongehastet. Er hatte dann doch seinen Gang verlangsamt, als er durch die Tür der Bibliothek gegangen war, um die Pause zu genießen, die er gerade verdient hatte. Nach seiner Bitte hatten die Elfen einen Korb voll mit Essen gefüllt und er hatte seinen Zauberstab aus der Tasche heraus gezogen, um den Korb schweben zu lassen. Dann hatte er den längsten Weg genommen und war in den Gängen herumspaziert, anstatt geradewegs zu seinen wartenden Freunden zurückzukehren.

Das war trotzdem keine Erklärung dafür, dass er sich hatte verlaufen können!

Er sah, dass der Gang, den er entlang ging, zu einem ziemlich dunklen Raum führte. Er ging trotz eines mulmigen Gefühls im Magen auf ihn zu. Der Korb fiel plötzlich auf den Boden, als wäre die Magie erloschen, die ihn in der Luft gehalten hatte. Harry schreckte auf, geriet in Panik und machte einen Schritt nach hinten, um aus dem Zimmer zu gehen, doch er fiel in Ohnmacht, ehe er die Tür erreichen konnte, durch die er gekommen war.

OoOoO

„Schmollen hilft nichts, Harry", tadelte ihn Lily. „Wenn du gestern nicht die Hälfte deiner Sachen im Schlafsaal vergessen hättest, hättest du zuhause bleiben dürfen."

Ihr Sohn murrte leise und verfluchte seinen Mangel an Glück. Zuerst waren die Hauselfen, die sich um das Gepäck kümmerten, mehr als schluderig gewesen und hatten die Sachen, die er wie gewöhnlich auf seinem Bett hatte liegen lassen, nicht in seinen Koffer eingeräumt. Auf die Hauselfen war heutzutage auch kein Verlass mehr! Und darüber hinaus hatte seine Mutter als erfahrene und anerkannte Forscherin in Alter Magie freien Zugang zur berühmten Bibliothek von Hogwarts, so dass sie während der Schulferien dort forschen durfte. Und sie hatte keine bessere Idee gehabt als ihn an jenem Morgen mitzunehmen, obwohl er erst am vorigen Tag für die Sommerferien nach Hause zurückgereist war.

Es reizte ihn nicht sonderlich, einen ganzen Tag unter der Aufsicht seiner Mutter in der Bibliothek eingeschlossen zu bleiben. Denn natürlich ging es nicht darum durch die Gänge zu bummeln oder im Park spazieren zu gehen. Es sollte ihm schließlich eine Lehre sein. Lily hatte beschlossen, dass er seine Strafe dazu nutzen würde, um mit seinen Hausaufgaben für die Ferien zu beginnen. ‚Es wird viel einfacher sein, sie jetzt gleich nach deinen Prüfungen zu schreiben und nicht erst in zwei Monaten', hatte sie behauptet. Es hatte den jungen Mann nicht ermutigt zu wissen, dass sie dabei Recht hatte. Seine Mutter war nichts als eine Spielverderberin, die ihm den Anfang seiner Ferien wegen eines kleinen Versehens versaute.

Nun ja, die Person, die Lilys Meinung ändern könnte, war noch nicht geboren, und wie gewöhnlich hatte James gar nicht erst versucht, sein unentschuldbares Verhalten zu verteidigen. Stattdessen hatte er ihn mit einem mitleidigen Lächeln bedacht, als seine Mutter Blitze auf ihn geschleudert hatte. Es nützte nichts anzumerken, dass seine Mutter bei Rose, seiner plärrenden Schwester, viel nachsichtiger war. Weil sie sich als viel umsichtiger und verantwortlicher erweise als er, obwohl sie drei Jahre jünger sei, meinte Lily. Kompletter Unsinn. Aber sein Freund Neville, der auch mit einer jüngeren Schwester gestraft war, hatte ihm versichert, dass es in allen Familien so war. Sie rächten sich, indem sie stets Streiche erdachten, mit denen sie ihre Lieblingsopfer quälen konnten. Die beiden hatten es ja selber herausgefordert.

Um ein Uhr mittags gingen Harry und Lily zur Küche herunter, um sich für den Nachmittag zu stärken. Seine Mutter aß rasend schnell und ging wieder an die Arbeit. Sie erlaubte ihm eine weitere halbe Stunde zu bleiben und fügte noch hinzu, dass jede Verspätung erbarmungslos bestraft würde. Er bedeutete ihr, dass er es verstanden habe, und sah sie mit Erleichterung weggehen. Eine halbe Stunde, empörte er sich leise, ich habe nicht mal Zeit, einen Spaziergang im Park zu machen!

Als er sich aufraffte, zu Lily zurück zu gehen, blieben ihm nur noch fünf Minuten. Er sollte sich am besten beeilen. Und so traf er die Entscheidung eine Abkürzung zu nehmen, und zu seinem Verdruss verlief er sich auf dem Weg. Er fing an zu laufen und hoffte, er würde bald auf einen bekannten Gang stoßen. Er zitterte, als er plötzlich vor einem dunklen Raum stand, aber er konnte sich solche zimperlichen Anwandlungen jetzt nicht mehr leisten, also verlangsamte er seine Schritte nicht. Als die Wände anfingen zu glänzen, bekam er ein flaues Gefühl im Magen und dachte daran, zurück zu gehen. Ihm blieb keine Zeit dafür.

OoOoO

Als Harry erwachte, blieb er eine Weile lang verwirrt liegen und versuchte sich wieder zu fassen. Dann kam alles zu ihm zurück. Hermine und Ron in der Bibliothek, der Korb, den er bringen sollte, der Weg, auf dem er sich verlaufen hatte. Zu seiner großen Überraschung wurde er sich der Tatsache bewusst, dass die Bibliothek am anderen Ende des Gangs lag. Dennoch blieb vom Korb keine Spur. Auch keine von seinem halb gegessenen Apfel.

Anstatt in die Küche zurückzugehen, traf er die Entscheidung, seine Freunde zu finden und ihnen zu erklären, was passiert war. Sie würden dann alle drei gemeinsam zum Essen hinunter gehen. Plötzlich dachte er: Madam Pince musste zweifellos den Gang zur Bibliothek verzaubert haben, um zu verhindern, dass Essen in ihr Heiligtum gebracht wurde, wenn sie nicht da war. Ja, das würde zu ihr passen!

Als er den Raum betrat, sah er, dass an diesem Tag noch eine andere Person anwesend war. Eine Frau, die mir dem Rücken zu ihm gewandt stand. Ihr Haar war kastanienbraun und es schien, als wäre sie in ihre Arbeit vertieft. Sie hielt eine Feder in der Hand, als würde sie sich Notizen machen. Er bemühte sich darum, sie nicht zu stören und versuchte geräuschlos um sie herumzugehen, um seine Freunde einige Reihen weiter zu finden. Doch sie drehte sich um und sagte:

„Perfekt, Harry, genau pünktlich. Du darfst weg, sobald deine Verwandlungshausaufgabe fertig ist."

Die Bestürzung ließ ihn erstarren. Das war … seine Mutter. Daran gab es keinen Zweifel. Die Haare hatten einen vertrauten roten Schimmer. Sie hatte die gleichen Augen wie er. Sein Herz blieb förmlich stehen. Seine Mutter. Lebendiger und anwesender als er sie je gesehen hatte, als auf den Fotos in seinem Album, selbst als im Spiegel Nerhegeb. Und viel solider als die durchsichtigen Echos vom Friedhof in Little Hangleton.

Natürlich wusste er, dass dies nicht die Wirklichkeit war. Er musste träumen oder einem Zauber erlegen sein. Er zögerte und wusste nicht, wie er sich verhalten sollte.

„Nun, Harry, schmoll nicht so, schreib deinen Aufsatz fertig und dann darfst du gehen", fügte die Erscheinung mit einem ärgerlichen Ton in der Stimme hinzu.

Harry konnte Autorität in einer Stimme erkennen, wenn er sie hörte. Er eilte zu dem Platz, der ihm gezeigt worden war, und tatsächlich lag da ein Pergament, das mit einer Schrift, die der seinen ähnelte, halb beschrieben war und in dem es um Verwandlungen ging. Geistesabwesend nahm er die Feder und senkte den Kopf, so wie er es tat, wenn er Hermine weismachen wollte, dass er ernst arbeitete, obwohl er eigentlich an Ginny oder an eine neue Quidditchtechnik dachte, um die Slytherins zu besiegen.

Verstohlen betrachtete er sein Gegenüber. Sie war seine Mutter, dessen war er sicher, doch etwas an ihrer Erscheinung war merkwürdig. Sie sah … er brauchte einige Minuten, um es zu fassen zu kriegen: Sie sah älter aus!

Nicht so wie McGonagall oder sogar Mrs Weasley, nein. Eher wie Deans oder Hermines Mütter. Nicht sehr alt also, aber unbestreitbar älter als auf den Fotos, die er von ihr hatte. Er spürte wie er in kalten Schweiß ausbrach. Nein, das hier war weder ein Zauber, den Madam Pince auf ihn gelegt hatte, noch ein gewöhnlicher Traum. War das eine Halluzination, für die Voldemort verantwortlich war? Er legte die Hand auf seine Narbe. Erstaunlicherweise spürte er nichts, als er die leicht raue Oberfläche berührte, die auf seiner Stirn einen Blitz zeichnete. Sie zog ja nicht mal mehr, wie sie es seit der Rückkehr des unheilbringenden Magiers stets tat. War das ein gutes Zeichen oder nicht? Er erinnerte sich nicht daran, je einen Traum von Voldemort geschickt bekommen zu haben, in dem es weder abscheulichen Schmerz noch grausame Dinge gab, die er leider mit ansehen musste.

Was war also los? Die, die seine Mutter zu sein schien, arbeitete intensiv und war ganz in das Werk vertieft, das sie las. Plötzlich hob sie den Kopf, lächelte ihn an, und zeigte auf sein Pergament, als wollte sie ihn dazu anstiften, sich wieder an die Arbeit zu machen. Dann vertiefte sie sich wieder in ihre eigene Arbeit. Nein, er konnte wirklich nicht daran glauben, dass Voldemort sich solch eine friedliche Szene ausdenken könnte.

Aber wer oder was war es dann? Was verursachte diesen Traum, der erstaunlich real zu sein schien? Hogwarts! Ja, natürlich, er war in Hogwarts. Hogwarts war es, das ihn in die Irre und schließlich hierhin geschickt hatte. Wollte ihm das Schloss etwas sagen? Versuchte … Dumbledore … ihm etwas aus dem Jenseits zu zeigen, indem er die Magie seiner Schule nutzte, die ihm so am Herzen lag? Harry atmete die altbekannte Luft der Bibliothek ein und entschloss sich, dem Schloss zu vertrauen.

Er senkte den Blick auf sein Pergament. Zweifelsohne würde er in dieser Aufgabe die Antwort finden. Er las das Thema „Die transsubstanziellen Verwandlungen: Eine Magie für die Zukunft?" und machte sich an die Arbeit.

Nachdem er den Anfang des Aufsatzes sorgfältig und die Bücher vor ihm flüchtig durchgelesen hatte, fühlte er sich genauso klug wie vorher. Es waren klassische Unterrichtsbücher, die Hermine zweifellos auswendig kannte. Außerdem erschien ihm das Thema, das zu behandeln war, wie ein Teil des offiziellen Stundenplans eines Siebtklässlers, nicht wie etwas über Horkruxe. Nachdem er einen Augenblick lang mit sich selbst gerungen hatte, entschied er sich den Anleitungen zu folgen.

Man hatte ihm geboten, diesen verfluchten Aufsatz zu schreiben, also würde er ihn schreiben. Er hatte genug darüber gelesen, um den Text fertig zu stellen, ohne Fehler zu machen. Er seufzte und machte sich an die Arbeit. Hogwarts, Dumbledore oder wer auch immer ihn das erleben ließ, hatte einen besonders seltsamen Sinn für Humor.

OoOoO

„Ich bin fertig", sagte er, nachdem er, wie ihm schien, sehr lange daran gearbeitet hatte.

Lily streckte die Hand aus und Harry gab ihr seinen Aufsatz. Sie las ihn kurz durch und bemerkte:

„Dein Stil hat sich verbessert, vor allem am Ende. Dafür gibt es mehr Rechtschreibfehler, aber du hast noch zwei Monate, um sie zu korrigieren. Gut, ich bin fast fertig. Würdest du bitte auf mich warten? Wir treffen uns in einer halben Stunde vor den Toren der Eingangshalle."

Er hielt einen Moment lang überrascht inne, bis er sich an seine Verhaltensregel erinnerte: Den Anweisungen gehorchen. Er ging also hinaus und versuchte, sich direkt dorthin aufzumachen, als er im Gang war. Doch so stark er sich in seinem Kopf die riesigen Türen des Schlosses auch vorstellte, er tauchte nicht direkt dort auf, wie es in Träumen doch üblich war. Nein, der Erschaffer dieser Vision musste besonders sorgfältig gewesen sein. Er würde seine Beine benutzen müssen.

Er brauchte mehr als fünf Minuten, bis er unten angekommen war, weil er sich nicht traute, Abkürzungen zu nehmen. Es schien ihm besser, den offiziellen Weg zu nehmen. Als er auf den Stufen der Schlosstreppe stand, sah er zum Park hinunter, der im warmen Licht eines Sommernachmittags badete. Er erblickte den Verbotenen Wald, Hagrids Hütte und, weiter weg, nahe des Sees, Hogwarts' Friedhof, auf dem Dumbledore bestattet worden war. Urplötzlich traf er die Entscheidung, dorthin zu gehen.

Das weiße Grabmal, an das er sich erinnerte, war nicht zu sehen. Sollte das heißen, dass der Schulleiter in seinem Traum immer noch lebte? Da er sonst nichts zu tun hatte, fing er an, die Inschriften aller Grabmale zu entziffern. Zum Glück gab es nicht viele. Natürlich, dachte er, nur wenige Leute verdienen solch eine Ehre. Sehr schnell musste er das Offensichtliche erkennen: Dumbledores Name war nirgendwo eingraviert. Er hätte nicht sagen können, ob da der Unterschied zur Wirklichkeit aufhörte. Während seiner Schulzeit hatte er diesen Ort nie besucht – seine Nähe zum Tod schien ihm nämlich groß genug, ohne dass er sich noch mehr mit ihm beschäftigte.

Als er die Augen in Richtung Schloss wandte, schreckte er auf: Hogwarts' Schulleiter ging ruhig und sehr lebendig auf ihn zu. Es ist nur eine Sinnestäuschung, wiederholte er bei sich, um sein schnell klopfendes Herz zu beruhigen. Ich werde endlich wissen, weswegen ich hier bin, hoffte er. Er zwang sich zur Ruhe und ging zu Dumbledore. Der schien in Hochform zu sein: Viel flinker und entspannter als bei ihren letzteren Treffen. Viel lebendiger auch, dachte er zynisch.

„Oh, guten Tag, Mr Potter", sprach ihn der Neuankömmling an. „Ich dachte nicht, dass ich Sie so schnell wieder sehen würde."

„Ich auch nicht", gestand Harry.

Plötzlich kam ihm eine Idee in den Sinn, an die er noch nicht gedacht hatte: War er tot? War das der Grund, aus dem er nur verstorbene Leute sah?

„Mein junger Freund, mir scheint, dass Ihnen unwohl ist", meinte die Stimme seines Gesprächspartners etwas besorgt.

Er spürte, wie ihn eine starke Hand am Arm hielt und zu einer Bank zog, die nicht weit von ihnen außerhalb des Friedhofs stand.

„Ich hoffe, dass es nicht dieser Ort ist, der Sie sich unwohl fühlen lässt", fuhr die ruhige Stimme des alten Mannes fort. „Man soll sich nicht vor dem Tod fürchten, wissen Sie? Schließlich ist der Tod für den gut vorbereiteten Geist nur das nächste große Abenteuer."

Ich weiß, dachte Harry. Das haben Sie mir schon einmal gesagt.

„Soll man es denn trotzdem eilig haben, ihn zu treffen?", fragte er besorgt.

„Natürlich nicht, mein junger Freund. Sie haben vor dieser letzten Reise noch ihr ganzes Leben vor sich und es ist nur natürlich, das auszunutzen. Ich meinte nur, dass Sie nichts von denen zu fürchten haben, die aus dem Leben geschieden sind."

Richtig! dachte Harry, ich habe schon genug Probleme mit dem, der es ablehnt zu verscheiden …

Doch fühlte er sich durch das beruhigt, was die Worte des Mannes implizierten. Er war nicht tot und er hatte noch das ganze Leben vor sich. Wenn es sich nur als wahr erweisen würde! Er starrte seinen Begleiter an und wartete immer noch auf einen Hinweis auf den Grund für diesen Traum. Aber der Schulleiter sah in Richtung des Sees und fing an, breite Handbewegungen zu machen.

Harry drehte den Kopf und sah, wie der Riesenkraken als Antwort seine Fangarme bewegte. Diese Halluzination fing an, ihn leicht zu verärgern, aber er musste gestehen, dass der Charakter der Leute, die sie bevölkerten, sehr realistisch wiedergegeben wurde. Schließlich sprach ihn der alte Mann an:

„Lieber Mr Potter, ich sehe, dass Sie Ihre gesunde Gesichtsfarbe wieder haben. Ich muss Sie verlassen, mich ruft die Arbeit. Grüßen Sie Ihre Eltern von mir. Auf Wiedersehen."

„Auf Wiedersehen", antwortete Harry geistesabwesend.

Der alte Zauberer stand auf und ging einige Schritte vorwärts, ehe er sich umdrehte und rief:

„Oh, das hatte ich vergessen! Diese Bänder sind wunderschön! Ich finde, sie passen ganz gut."

Verdutzt sah Harry an sich hinab um zu prüfen, ob sich seine Kleidung nicht plötzlich mit Bändern geschmückt hatte. Aber nein, er trug seine blanke Schuluniform, seine einzige Zaubererkleidung bis auf den Festumhang, den er am vorigen Tag für die Hochzeit angezogen hatte.

Wie soll ich das verstehen? fragte er sich verlegen.

„Harryyyy!"

Er drehte sich um und erwartete fast zu sehen, wie sich Hermine in eine Sirene verwandelt hatte und aus dem See zu ihm rief. Doch es war nur Lily, die ihn von den Toren des Schlosses aus zu sich rief. Als sie sah, dass er sie bemerkt hatte, machte sie sich auf den Weg nach Hogsmeade. Er holte sie schnell ein.

„Hast du nichts vergessen?", fragte sie ihn, als er neben sie trat.

Harry überlegte, wusste aber zu wenig um zu antworten.

„Oh, Harry, du würdest deinen Kopf vergessen, wenn er nicht angewachsen wäre", seufzte die Frau, die seiner Mutter ähnelte. „Erinnerst du dich daran, warum ich dich hierher mitgenommen habe?"

„Hm …"

„Harry!", rief sie beinahe ungeduldig aus.

Und da er sie ahnungslos ansah, beantwortete sie ihre Frage mit verärgerter Stimme selber:

„Du musstest die Sachen holen, die du gestern Morgen auf deinem Bett vergessen hast. Gut, und wo sind deine Sachen jetzt?"

Er suchte verzweifelt nach einer Eingebung, aber er sah nur den Park und keine Kleider, die neben rosa Elefanten mit Schulbüchern auf dem Kopf Ballet tanzten.

„Du hast sie noch mal vergessen", seufzte seine Mutter. „Du hast Glück, ich habe mit einem Hauself gesprochen, damit sie per Flohpulver geschickt werden."

„Ach, hm, gut."

„Was soll ich nur mit dir machen?", klagte sie.

Dieser Traum war überhaupt nicht lustig.

„Nun, schmoll nicht so", fuhr Lily in einem sanfteren Ton fort. „Einverstanden, es sind Ferien, du darfst etwas entspannter sein. Vergeben und vergessen?"

Harry spürte, dass er zumindest ein bisschen Dankbarkeit zeigen sollte. Also tat er sein Bestes, um sie auszudrücken, obwohl er von der Richtung, die seine Wahnvorstellungen nahmen, etwas verdutzt war. Sie hatten nun die Grenzen des Schlossgeländes erreicht. Die Frau streckte ihren Arm aus und der junge Mann verstand, dass sie apparieren wollte. Er klammerte sich an sie und bereitete sich auf das unangenehme Gefühl vor. Zum Glück dauerte es nicht lange. Er fand sich vor einem Haus wieder, das ihm vertraut erschien. Schließlich erkannte er es: Einige Tage vorher hatte er nämlich Fotos davon gründlich angesehen.

Sie waren in Godric's Hollow.


Einen herzlichen Dank an Alixe, die mir erlaubt hat, ihre FFs zu übersetzen, an Rodo und Verliebtindich, meine Betaleserinnen, und natürlich auch an Euch, Leser. Das nächste Kapitel kommt nächste Woche am gleichen Tag. Darin entdeckt ihr, wie Zauberer ihren Garten neu gestalten und lernt weitere bekannte und doch nie getroffene Charaktere

Viele liebe Grüße

Euer Ron