.. ein Alkoholiker, ein Millionär, ein Barkeeper, ein hingebungsvoller Assistent ..
Nichts los bei Moe's, wie immer.
Schon längst waren die Gelegenheitskunden in die Geborgenheit ihres glücklicheren Lebens zurückgekehrt, eine Weile schon hatten auch die Ehemänner den Rückzug angetreten. Danach blieben noch ein zwei Stammkunden, bis Moes theoretisches, angeschriebenes Vermögen schließlich auf seinen innersten und hartnäckigsten Kern stieß.
"Immer noch hier, Barney?"
Es war eine rhetorische Frage, Moe wusste dass der angesprochene schon seit mindestens einer halben Stunde im Land der erfüllten Träume weilte.
Trotzdem bekam der Barkeeper eine Antwort, sehr zu seiner Überraschung.
"Ich geh gleich, ich ... schwörs", würgte der zusammengefaltete Barney hervor und machte sich keine allzu große Mühe, den Rülpser zu unterdrücken der daraufhin in ihm hochkam.
Moe nickte nur, und eine Art resignierter Sarkasmus stand ihm ins Gesicht geschrieben, während er dasselbe schmutzige Tuch über denselben schmutzigen Tresen wischte.
Während er das tat begannen sich langsam wieder dunkle Gedanken heimtückisch ihren Weg in seine Hirnwindungen zu schmuggeln, und er bemerkte kaum, wie er von resigniert zu trübsinnig überwechselte.
Wie viele Stunden, Tage, Monate, Jahre saß er wohl schon hinter diesem Tresen und wischte mit einem alten Fetzen darüber? Und vor allem, wie lange würde er das noch tun, mit dem sicheren Wissen, dass er sich auf keine verwandte Seele daheim freuen konnte?
Immer noch waren die Phasen seiner Depression wechselhaft, aber wenn sie mal tief waren, waren sie so tief wie die Risse in den Wänden seiner Bar.
Wenn es doch nur irgendeinen gäbe, irgendwas ... er hatte es so oft mit einer Frau versucht, inzwischen war er sich beinah sicher, mit Freuden auf Männer umsteigen zu können, nur um nicht allein zu sein. Außerdem, nach dem Experiment mit diesem Mister Smithers, wusste er zumindest, dass sich ein Kuss schon einmal ganz in Ordnung anfühlte - alles andere würde sich dann schon ergeben.
Aber selbst in der Männerszene würde ich derselbe alte Troll sein. Mit derselben Fischschnauze, Gorillastirn und wenig ansprechenden Figur. Siehs ein, Moe, du warst nie bestimmt auf dieser Erde zu sein, wenn es nicht mal ein einziges Gegenstück für dich gibt.
Moe hatte das Gefühl, reden würde ihm von seinem stetig dichter werdenden Gefühlssumpf ablenken, bevor er wieder auf nicht durchgedachte Ideen kam.
Etwas verstört, wendete er seinen Blick Barney zu und war überrascht einem Paar hellwacher Augen entgegenzustarren.
"Solltest du nicht betäubt am Boden liegen?", fragte Moe überrascht.
Barney brauchte eine Weile, dann erst antwortete er etwas holprig, und Moe hatte die seltsame Ahnung, dass das nicht vom Bierkonsum kam.
Nichts los mit Barney, wie immer.
Er war um 12 Uhr Mittags aufgewacht, hatte eine Runde mit dem Helikopter gedreht und dabei einem Kind das Leben gerettet, als es unbeaufsichtigt beinah aus dem Fenster eines Wohnhauses gestürzt wäre; hatte sich danach von der Mutter des Kindes auf ein Mittagessen im italienischen Viertel der Stadt einladen lassen, dann Homer geholfen einen Schatz auf Mount Springfield auszugraben und anschließend einen weiteren Kunstfilm gedreht, zusammen mit der kleinen Lisa und ein paar Pfadfindern.
Aber obwohl Barney dafür eine Ehrenmedaille, ein 12-karätiges Goldamulett und einen Emmy bekommen hatte, war er um exakt 17 Uhr wieder bei Moe's eingekehrt, als ob es ein weiterer, ereignis- und erfolgloser Tag gewesen wäre.
Und natürlich konnte jeder Volltrottel auf den Schluss kommen, dass das Bier der allzu offensichtliche Grund seiner täglichen Wiederkehr war.
Aber seit Neuem hegte Barney eine andere Theorie. Denn nüchtern war er immer noch, und seit Kurzem hatte er sogar seinen Kaffeekonsum einschränken können.
Dieser Tag war aber anders. Er war in den letzten Tagen ohne ersichtlichen Grund in die Bar gekommen und hatte sich meistens auf ein einziges Bier beschränkt.
An diesem Tag hatte er mal wieder richtig auf die Pauke gehauen und das aus gutem Grund.
Um die Dinge, die er diesen Abend offenbaren wollte, auch wirklich offenbaren zu können, brauchte es eine große Menge an Duff Bier. Eine enorm große.
Jetzt war es wohl so weit.
Jetzt starrte Moe ihn gerade verwirrt und etwas unsicher an, und die Bar war so gut wie leer.
Jetzt.
Jetzt kam irgendwie nicht.
Und alles was Barney übrig blieb, war, weiter in dieses immer verzweifelter werdende Gesicht zu starren, ohne den Hauch einer Ahnung was hinter der Stirn des jeweils anderen vorging.
"Moe-", begann er endlich.
"Mr Syzlak!-", wurde er unterbrochen.
Nichts los mit Waylon Smithers. Wie immer.
Es war ein harter Tag gewesen, und ein neuer schönster Tag seines Lebens zugleich. Zumindest, bis zu dem Moment an dem alles in seinem Leben den Bach runterging.
All die zwanzig Jahre an vorsichtiger Annäherung - futsch, mit drei Wörtern.
"Sie sind gefeuert" hatte Mister Burns gesagt. Ganz leise und kalt. Und gefühllos. Waylon hatte das Gefühl ein paar hundert Jagdhunde hätten sich mit ihren Zähnen in seiner Brust verfangen und wollten nicht mehr loslassen.
Dabei hatte Waylon immer angenommen dass Mister Burns von seiner ... "Neigung" wusste. Immerhin, es war das Geheimnis, dass jeder in Springfield kannte, und die die es nicht kannten, konnten es schnell erahnen.
Dass sein nun ehemaliger Boss derart reagieren würde, auf einen der vielen ungesendeten Liebesbriefe zu stoßen, hätte er sich jedoch trotzdem gut ausmalen können. Der Alte war nun mal in anderen Zeiten aufgewachsen, und er war nun mal allergisch gegen menschliche Gefühle. Wahrscheinlich war es ihm unangenehm vorgekommen, zu wissen, dass Waylon wusste, dass er es wusste und hatte peinliche Situationen während den Arbeitszeiten vermeiden wollen?
So oder so. Waylon wusste, dass er nicht mehr länger derart klar über seine Entlassung nachdenken würde. Bald würde die Wut, der Hass, die Verzweiflung, die Trauer und schließlich die über Monate andauernde Depression einsetzen. Er wusste wie er sich gefühlt hatte, als Mister Burns angeschossen worden war.
Er war innerhalb weniger Tage zum Wrack geworden, von innen und von außen und er erschauerte beim Gedanken wieder in diesen Zustand zurückkehren zu müssen.
Und bevor er sich auchs versah hatten ihn seine Schritte eine bestimmte Straße entlang gelenkt.
"Moe's" leuchtete es flackernd von den roten Lettern auf Waylon herab und er erinnerte sich an die Zeit der geschäftlichen Zusammenarbeit mit dem Inhaber des Lokals. Eigentlich keine allzu schlechte Zeit, wenn er darüber nachdachte. Wenn er sich auch an Moes sture Art alles für Geld zu tun gewöhnen hatte müssen. Und dann war da noch dieser ungeklärte Kuss ...
Etwas zittrig linste er auf seine Armbanduhr und war überraschend milde schockiert. 1:00 Uhr war unter diesen Umständen eine Bestzeit. Bei der letzten Entlassung hatte er gar nicht mehr nach Hause gefunden und schließlich in einem Pappkarton übernachtet.
Das Ziffernblatt der Uhr reflektierte nun das schwummrige rote Licht über ihm und in Waylon formte sich plötzlich ein seltsamer Plan.
Seltsam, verrückt und zum Scheitern verurteilt.
Aber versuchen konnte er es.
Nichts los auf C. Montgomery Burns Landgut und in seiner Villa.
Und das war nicht wie immer.
Burns hatte es nun, um 1:00 Uhr nachts schließlich geschafft die Bettdecke zu sich zu ziehen. Ein Kraftakt, der ihm unmenschlich erschienen war, und den er nicht vorhatte zu wiederholen.
Ein Ersatz für Smithers musste her und zwar schnell.
Nur leider, bekam das Wort "Ersatz" plötzlich einen seltsamen Klang. Es hinterließ ein unwohles Gefühl bei Burns und hallte unheilvoll in seiner Hirnschale nach, als müsste er sich gleich übergeben.
Eine ganze Weile dachte er darüber nach, aber neben der Sache mit Smithers gab es beim besten Willen keine Erklärung für dieses Sachverhältnis.
Also wandte er seine Gedanken seufzend seinem nun ehemaligen Assisten zu.
Natürlich hatte er gewusst, was da "im Busch war" bezüglich Smithers. Und gerade deswegen hatte es auch so viel Spaß gemacht, Smithers bei jeder Gelegenheit zu entblößen, zu erniedrigen und zu unterdrücken. Und natürlich auf seinen Gefühlen herumzutreten ohne auch nur einen Hauch von Mitleid walten zu lassen.
Über die Jahre hin hatte das sämtliche Aggressionsabbaustunden beim Psychiater überflüssig gemacht und Burns damit eine Menge Geld gespart. Smithers breitete seine ganze Hingabe aus und Burns trampelte darauf herum so gut er nur konnte.
Aber wenn Smithers und er reinen Tisch gemacht hätten, wie es jetzt bedauerlicherweise passiert war - Burns war sich sicher, dass zumindest sein Spaß danach vorbei gewesen wäre.
Und diese Liebesbriefe waren auch wirklich der Gipfel der Idiotie gewesen. Ein solches Weichei konnte ein mächtiger Mann wie Burns in seiner Drohnenarmee nicht gebrauchen.
"Betörende Rose, die niemals welkt ... "
"Stattliche Eule, die niemals schläft ... "
Was für ein Schwachsinn ...
...
Natürlich war es schwer jetzt einen Ersatz finden zu müssen.
Ja, und selbst wenn, dachte Burns, würde es Monate dauern so einen Ersatz in einer Art auszubilden, die ausreichend war.
Und selbst dann würde dieser Ersatz nie derart devot wie Smithers sein. Kein anderes menschliches Wesen in der ganzen Stadt, wenn nicht in ganze Amerika, wenn nicht auf der ganzen Welt, liebte ihn.
Zum Teufel noch eins, auf wessen Gefühlen sollte Mister Burns jetzt wohl rumtrampeln?
Ja. Das war es. Burns brauchte einen Haudraufdummy, das war alles.
Niemals wäre er so töricht und würde doch tatsächlich über die Jahre eigene Gefühle der Freundschaft für diesen jungen, talentierten, leidenschaftlichen Mann entwickeln, den er schon als Baby in den Armen gehalten, als Kind in die Schule geführt, als Teenager bei der Berufswahl geholfen und als jungen Erwachsenen als seinen persönlichen Assistenten aufgenommen hatte. Und da könnte Smithers zweimal praktisch sein ganzes bisheriges Leben Mister Burns gewidmet haben. Niemals könnte da etwas von Burns selbst kommen.
Und mit einem festen Entschluss schaffte es Burns schließlich doch einzuschlafen.
Hier ging es nicht um Gefühle.
Hier ging es nur darum Besitztümer wieder einzuholen.
