Hallo!

Mein Name ist Brandy, und ich war eigentlich nur Betaleserin für diese Geschichte, bis ich durch eine Verkettung unglücklicher Umstände (die eigentliche Autorin, Neli, hat Krebs bekommen) zur Co-Autorin geworden bin.

DZP ist eine lange Geschichte, mit überdurschnittlich langen Kapiteln- ich wollte euch nur schon einmal vorwarnen. So, und hier kommt jetzt Neli...


Ciao!!!

Ummm... ich weiß, ich sollte eigentlich an meinen DBZ-Stories arbeiten, vor allem weil ich diesen Sommer einmal Zeit dazu gehabt hätte- und stattdessen habe ich mich dazu entschieden, dieses Projekt zu beginnen (Juli '03). Ich werde diese Geschichte zuerst vollenden und dann posten- ihr könnt also sicher sein, dass sie ein Ende hat. Im Licht der Ereignisse vom Herbst2003 ist das, denke ich, ein ganz guter Vorsatz. Mein Zwillingsbruder wird sie wahrscheinlich finden wenn er meine files durchgeht. Ich hoffe, ihr schreibt mir reviews, auch wenn ich sie selbst nicht mehr lesen kann- es ist inzwischen schon März, und ich kann kaum noch tippen.... na ja, ist auch nicht wichtig. Ein paar Dinge muss ich noch erwähnen: viele meiner Ideen kommen schon des Öfteren in fanfictions vor, vor allem in englischen, die ich hauptsächlich lese.Seid aber versichert, dass ich sämtliche Ideen selbst gehabt habe (habe schon kurz nach OotP mit dem Schreiben angefangen) und dass die Storyline originell sein wird (Leser meiner DBZ-Stories wissen, dass ich Clichés sparsam einsetze). Zaubersprüche, die ich nicht aus den Büchern habe, basieren auf Latein (das ich sechs Jahre lang gelernt habe).Ich bin zwar relativ versiert im Deutschen, aber nicht in der deutschen Potter-Terminologie. Etwaige Fehler oder Anglizismen bitte ich deswegen zu verzeihen. Vielleicht erscheint euch meine Story deswegen langweilig, oder vielleicht habt ihr etwas gegen gewisse 'gängige' Interpretationen von J.K. Rowlings Welt, aber dann kann ich mit gutem Gewissen sagen: hört einfach auf zu lesen. Ich schreibe was ich denke, was mir gefällt und was ich für wahscheinlich halte. Zu den 'ships': Ich bin eigentlich ein H/Hr-Fan (weil ich selbst ein bisschen wie der Bücherwurm von Gryffindor bin...), aber im Licht von OotP... na ja, abwarten. Ginny Weasley ist mir nämlich plötzlich doch sympathisch! Ships spielen jedenfalls keine große Rolle in meiner Geschichte- ich bin nicht sehr romantisch veranlagt, Liebesfilme geben mir das kalte Grausen und außer meinem Ex-BF Phil kenne ich Jungs nur als Freunde. Wenn ihr slash sucht, dann sucht woanders- ich habe einen Zwillingsbruder, dessen Gefühle mir hinsichtlich romantischer Liebe ein Rätsel sind, also werde ich mich schon gar nicht an die romantischen Gefühle ZWEIER Männer füreinander wagen. Wenn euch vor jedem Akt der Grausamkeit gruselt und ihr nicht einen Tropfen Blut sehen könnt ohne in Ohnmacht zu fallen dann sucht euch eine Story mit niedrigerem Rating. Diese hier ist (nach britischem System) PG-15!!! Wenn ihr gut recherchierte Stories mit langen Kapiteln (5000 Wörter pro Kapitel sind bei mir die Norm- denkt in Buchkapiteln!), ein bisschen Action, Humor, Introspektive und Romantik mögt, dann seid hier, denke ich, genau richtig.

Und jetzt geht's los- ENJOY!!!

Disclaimer: Harry Potter ist Eigentum J.K. Rowlings und verschiedener Publizisten einschließlich aber nicht ausschließlich Scholastic Books, Bloomsbury Publishing, Warner Bros. und Carlsen Verlag. Diese Geschichte will nicht in deren Rechte eingreifen, ist nur zur Unterhaltung geschrieben worden und jeder Versuch, aus ihr Profit zu schlagen steht im ausdrücklichen Widerspruch zur Absicht der Autorin.


Kurzinfo:

Titel: Harry Potter und die Zweite Prophezeiung

Autor: starlight, aka Hoshiakari, aka Neli

Rating: PG-15

Kontakt: Hoshiakariweb.de (Neli), nosebitingteacupYahoo.com (Brandy)

Kurzzusammenfassung: Nach einem eher aufregenden Sommer kehrt Harry Potter nach Hogwarts zurück. Sirius' Tod belastet ihn schwer, trotzdem gibt er sein Bestes, um zu der Waffe zu werden, die Voldemort vernichten kann. Wenn da nur nicht die Zweite Prophezeiung Professor Trelawneys und der mysteriöse Talisman des Ourouboros wäre! Und was meint ein Mädchen, wenn es um Hilfe mit den Wahrsage-Hausaufgaben bittet? Harrys Jahr wird vieles werden, nur eines nicht: langweilig!


"..." = sprechen

... = denken

= Orts-/ Zeitwechsel (was, dürfte klar sein)


Harry Potter und die Zweite Prophezeiung

Kapitel 1: Der Beginn des Sommers

Der schwarze Mercedes, Vernon Dursleys neuer Firmenwagen, glitt auf der linken Spur der M5 in Richtung Little Whinging. Während er das Lenkrad mit der einen und die Hupe mit der anderen Hand bediente- was wollten diese Autofahrer, die sich an das Tempolimit hielten, auch auf der rechten Spur?- warf Vernon Dursley einen verächtlichen, kalten Blick in den Rückspiegel. Der schwarzhaarige, schlaksige Junge dem dieser Blick galt bemerkte ihn nicht einmal, gefangen in seinen eigenen dunklen Gedanken, bevor ihn die Stimme seines Onkels aus ihnen herausriss.

"Was hast du dieses Jahr an... dieser Schule gemacht?" Ein gut plazierter Ellenbogen seiner Frau, Petunia, hatte Vernon an den Verrückten im King's Cross- Bahnhof und die guten Vorsätze der Familie Dursley erinnert. Ihr Neffe hatte ihrem geliebten Sohn, Dudley, im vorigen Sommer das Leben gerettet. Petunia hatte beschlossen, dass er sich deswegen wenigstens ein Gespräch sowie das Recht, die Nachrichten zu sehen verdient hatte. Vernon hatte um des Hausfriedens willen eingewilligt, und Dudley war alles recht, was seine Eltern von seinen Freunden und ihren Plänen für den Sommer ablenkte.

Harry Potter, der Neffe um den es ging, hatte natürlich keine Ahnung von den Plänen der Dursleys und sah dementsprechend aus als hätte er einen Geist gesehen. Erstaunte grüne Augen hinter runden Brillengläsern starrten Vernon Dursley aus einem schmalen Gesicht an. "Was...?" fragte er, seine Stimme brüchig und zittrig. Vernon hatte ihn aus dem wachen Alptraum geweckt, der die Erinnerung an seine Freunde, Mentoren und Kameraden, die ihm am Bahnhof auf Wiedersehen gesagt hatten, war- oder eher, der das Fehlen des einen Gesichts war, das wiederzusehen Harry alles geben würde.

"Vernon hat dich etwas gefragt! Du kannst wenigstens antworten. Also, was war an... dieser Schule dieses Jahr? Deine.... Freunde," so, wie Petunia Dursley das Wort 'Freunde' aussprach schienen es schleimige, eklige Wesen aus dem Labor von Harrys Zaubertrankprofessor zu sein anstelle menschlicher Wesen, "waren ja sehr besorgt um dich."

Dudley, der noch immer eher übergewichtige Sohn Vernons und Petunias, schauderte bei diesen Worten merklich. Er war fast rückwärts hingefallen als er das sich rasend drehende Auge dieses... Mannes mit der Melone gesehen hatte. "Vielleicht hat er es geschafft, dass sie ihn bald von der Schule werfen," kicherte er und boxte Harry in die Seite.

Harry würdigte Dudley noch nicht einmal eines Blickes, obwohl er sich sicher war, dass er am Abend einen blauen Fleck da vorfinden würde, wo Dudleys Faust gelandet war. Sein Cousin hatte offensichtlich Fortschritte in seinem Boxtraining gemacht.

"Ist das so?" fragte Vernon lauernd, fast hoffnungsvoll.

"... nein," murmelte Harry nach einer langen Pause. Petunia schnaubte.

"Bist du dir zu fein, mit uns zu reden? Oder haben die dir endlich Manieren beigebracht?" Vernon war eindeutig nicht so geduldig wie seine Frau und handelte sich dafür einen strafenden Blick ein.

"Der Junge hat unserem Dudders das Leben gerettet. Wir hatten vereinbart, dass wir dafür wenigstens einmal fünf Minuten mit ihm sprechen. Harry, was war los?"

Vielleicht war es der Schock darüber, dass seine Tante ihn mit seinem Namen angesprochen hatte, auf alle Fälle konnte Harry seine Zunge nicht länger im Zaum halten. "Oh, nichts, wirklich. Ich habe seitenweise Sätze mit meinem eigenen Blut geschrieben, der mächtigste böse Zauberer, den die Welt je gesehen hat, hat meinen Körper übernommen, und ach ja! Ich habe meinen eigenen Paten umgebracht!"

Die Stille im Auto konnte man mit dem Messer schneiden. Dudley wurde bleich und versuchte, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Harry zu bringen, was angesichts der Tatsache, dass er fast zwei Drittel der Rückbank füllte, ein bisschen schwierig war. Seine Mutter warf einen besorgten Blick in den Rückspiegel, sah aber nur Harrys schwarze Haare, die ihm in die Augen fielen und seine sarkastisch heruntergezogenen Mundwinkel.Vernons Hand verharrte sogar für mehr als fünf Sekunden über der Hupe ohne sie zu betätigen. Dann drehte sich Petunia mit einem gezwungenen Lächeln auf ihrem Pferdegesicht zu ihrem Sohn um. "Und, Dud, wie war dein letzter Boxkampf?"

Harry versank wieder in seiner eigenen düsteren Welt in der ihn ein zottiger, schwarzer Hund aus vorwurfsvollen Augen ansah und mit einem herzzerreißenden Wimmern rückwärts durch einen schwarzen, wehenden Schleier fiel und bemerkte nicht einmal die Ironie in Petunias neuestem Spitznamen für ihren Sohn (1) während Dudley begeistert von Rechts-links-Kombinationen und Haken sprach.

Und damit nicht genug, dachte Harry bitter, Dumbledore hält mich endlich für soweit, mir mitzuteilen, dass ich der einzige bin, der Voldemort umbringen kann. Mörder oder Opfer- eine tolle Auswahl! Er hatte, seit er herausgefunden hatte, dass er berühmt war als 'Der Junge, der überlebte' nichts mehr gehasst als seinen unverdienten Ruhm und die Aufmerksamkeit, die ihm seine Narbe auf der Stirn einbrachte- unter anderem von Voldemort. Die blitzförmige Narbe- sie hatte ihm nichts als Ärger und Kummer eingebracht.

Meinetwegen mussten so viele Menschen sterben- meine Eltern, Cedric Diggory, Sirius... Ein Kloß schnürte Harrys Kehle zu, und er senkte den Kopf, versteckte das Glänzen seiner Augen hinter seinen schwarzen, unbändigen Haaren. Wenn ich die verdammte Narbe nicht hätte dann könnte Voldemort nicht in meinen Gedanken rumschnüffeln und dann... dann wäre wenigstens Sirius noch am Leben. Wenn ich wenigstens mehr Okklumentik gelernt hätte... Snape... Der Gedanke an seinen Zaubertränkelehrer machte Harry wütend.

Snape hätte wenigstens versuchen können, mir etwas beizubringen! Ich bin nicht mein Vater! Aber nein, er muss sich an alte Schulstreite klammern und Sirius st... er konnte den Satz nicht zu Ende denken. Das Wissen, dass sein Pate nie wieder in seiner Animgus-Gestalt auf ihn zurennen würde, ihm nie wieder ein verschmitztes Lächeln zuwerfen würde, nie wieder das Portrait seiner Mutter mit allen magischen und nichtmagischen Methoden von der Wand der Diele im Haus Nr. 12, Grimmauldplatz zu entfernen versuchen würde... Harry schluckte seine Tränen mit Mühe herunter. Alles war seine Schuld. Wahrscheinlich wäre Voldemort nie wieder zum Leben erweckt worden wenn er statt Harrys Neville Longbottom gewählt hätte- die Prophezeiung hatte schließlich nicht bestimmt, welcher der beiden Jungen ihm die Stirn bieten würde. Erst nachdem Voldemort seinen Gegner gewählt und als ebenbürtig gekennzeichnet hatte.... Neville wäre bestimmt nicht in die Falle getappt wie Harry. Neville hätte Cedric Diggory nicht umgebracht. Neville hätte Okklumentik gelernt und seinen Paten beschützt.

Er, Harry hingegen hatte nichts als Fehler gemacht. Du und dein 'Ich-muss-alle-retten'-Komplex! dachte Harry in Anlehnung an Hermione Grangers Worte. Er hatte Cedric dazu drängen müssen, den Pokal gemeinsam mit ihm zu ergreifen. Er hatte Dolores Umbridge, die wohl schlechteste Lehrerin in Verteidigung gegen die Dunklen Künste, die je an der Hogwarts-Schule unterrichtet hatte, gegen sich aufbringen müssen. Er hatte Voldemort mit seinen Träumen spielen lassen, hatte den dunklen Zauberer am Ende sogar von seinem Körper Besitz ergreifen lassen, und er hatte mit seinem vorschnellen Handeln seinen Paten umgebracht.

Aber damit ist jetzt Schluss, sagte sich der junge Zauberer und versuchte vergeblich, nach Luft zu schnappen während Dudleys beachtliches Gewicht in einer Kurve gegen seinen Körper gepresst wurde, ab jetzt mache ich keine Fehler mehr. Sirius ist nicht umsonst gestorben. Ich bin Dumbledores kostbare Waffe gegen Voldemort? Na gut, ich bin es Sirius schuldig, dass die Waffe scharf ist! Und Dumbledore wird sich wundern, was ich alles schaffe. Er biss entschlossen die Zähne zusammen und vertrieb die schwarzen Wolken seiner Gedanken in sein Unterbewusstsein, wobei ihm seine Wut auf Dumbledore half. Er würde sie in seinen Träumen noch oft genug zu Gesicht bekommen, aber solange er wach war würde er lernen, üben, lesen, so lange, bis er einen Weg gefunden hatte, Voldemort loszuwerden. Und wer weiß- vielleicht stoße ich dabei ja auf einen Weg, Sirius wieder zurückzuholen.

"Was ist, willst du nicht aussteigen? Oder wartest du vielleicht auf eine Einladung?" Vernon stand sichtlich genervt an der Hintertür seines kostbaren Mercedes E. Harry blinzelte eine Träne, die er nicht einmal bemerkt hatte, aus seinen entschlossen funkelnden Augen.

"Ich komme, Onkel Vernon," sagte er, stieg aus und hievte unter Vernons wachsamen Blicken seine Truhe aus dem Kofferraum des Autos. Ohne ein weiteres Wort schleppte er sie an Tante Petunia, die die Tür aufhielt, vorbei und die Treppen hinauf in sein Zimmer. Es war ihm egal, dass die Dursleys normalerweise nicht zuließen, dass er seine Schulsachen bei sich hatte. Mad-Eye Moodys Drohung würde wenigstens dafür herhalten müssen. Harry würde nicht noch mehr Fehler machen. Und er würde damit anfangen, dass er seine Hausaufgaben machte. Zwar hatten die Lehrer in Hogwarts alle Aufgaben nur für den Fall gestellt, dass die Schüler sich für ihr Fach in den ZAGs qualifiziert hatten, aber Harry wusste, dass er entweder noch mehr Menschen umbringen würde oder dass er anfangen musste, zu lernen. Lernen, zu überleben und für das Überleben Anderer zu kämpfen.

"Abendessen um sechs," rief Tante Petunia ihm hinterher und kommentierte erstaunlicherweise noch nicht einmal das eine Mal, das seine Truhe auf einer Treppenstufe aufschlug.

Kaum in seinem Zimmer angelangt öffnete er zuerst das Fenster, das zwar noch immer mit Gitterstäben versehen war doch an dem wenigsten kein Riegel mehr Hedwigs Kommen und Gehen verhinderte. Seine Eule würde es diesen Sommer auch besser haben, schwor sich Harry. Sein Onkel mochte noch so sehr rot anlaufen, aber Hedwig würde keinen Hunger mehr leiden und jederzeit zum Jagen nach draußen fliegen. Gesagt, getan. Harry öffnete die Tür des Käfigs, den er auf seine Truhe gestellt hatte während er sie die Treppen hinauf bugsierte, und ließ die von der Fahrt noch mürrische und zerzauste Eule frei.

Hedwig kniff ihn freundschaftlich in sein linkes Ohrläppchen bevor sie sich mit einem erleichterten "Uhu!" auf dem Fensterbrett niederließ und ihre Federn ordnete. Harry lächelte als er sich daran erinnerte, wie er sie als sein erstes richtiges Geburtstagsgeschenk von Rubeus Hagrid, dem Halbriesen und Lehrer für Pflege Magischer Geschöpfe in Hogwarts erhalten hatte. Hagrid... noch ein Opfer Voldemorts. Er hatte ein paar Monate außerhalb des kleinen Dorfes Hogsmeade in einer Höhle leben müssen, nur weil er nicht vollkommen menschlich war.

"Hagrid ist mehr Mensch als Umbridge es je sein kann," stieß Harry zwischen wütend zusammengebissenen Zähnen hervor und starrte voller Abscheu auf die dünnen, silbernen Linien auf seinem Handrücken die er selbst dort eingeritzt hatte weil diese... Kröte aus dem Ministerium seine Beteuerungen, Voldemort sei zurück, als Lügen abgetan hatte. 'Ich soll keine Lügen erzählen' starrte schweigsam zurück.

Hedwig hatte ihre Gefiederpflege beendet und verschwand über den Dächern der Häuser des Ligusterweges, ein lautloser weißer Schatten. Harry seufzte und trat vom Fenster zurück. Die drückende Schwüle des heißen Sommertages drückte auf seinen Kopf und seine Stimmung, und trotz seines Entschlusses fühlte er, wie Verzweiflung und Hass auf sich selbst und sein Versagen wie bittere Galle wieder in ihm aufstiegen. Seine Freunde hatten ihm zwar zugesichert, dass er diesesmal nicht so lange im Ligusterweg bleiben musste, aber Dumbledore würde ihn wahrscheinlich wieder so lange wie möglich in diesem Gefängnis halten. Schließlich durfte seiner Waffe ja nichts geschehen- es wäre Verschwendung würde Harry von ein paar einfachen Todessern getötet bevor er nicht wenigsten versucht hatte, zum Mörder zu werden.

"Mörder. Mörder, Mörder, Mörder," versuchte Harry, sich an das Gefühl, das dieses Wort in Verbindung mit seiner Person in ihm auslöste, zu gewöhnen- mit dem Erfolg, dass vor seinem inneren Auge wieder der wehende, schwarze Schleier auftauchte und Sirius, vom roten Licht aus Bellatrix Lestranges Zauberstab getroffen, mit überraschtem Gesichtsausdruck nach hinten fiel, quälend langsam und doch zu schnell für Harry.

"Sirius..." wisperte er mit brechender Stimme und wandte sich schnell seiner Truhe zu, bevor seine Emotionen hervorbrechen und ihn überwältigen konnten. Es würde nicht gut für die Waffe sein, wenn sie von Trauer abgestumpft würde. Nein... Harry kämpfte den Kloß in seinem Hals zum zweiten Mal nieder und verschloß ihn dieses Mal sicher indem er sich aus seinen Zorn, seine rasende Wut konzentrierte. Wut auf Dumbledore, der so viel vor ihm verheimlicht hatte. Wut auf Sirius, der nicht im Haus am Grimmauldplatz geblieben war. Wut auf die Dursleys, die ihn wie den Dreck unter ihren Füßen behandelten. Und unbändigen Zorn auf sich selbst, weil er wieder einmal versagt hatte.

Während er seine Schreibsachen aus der Truhe zerrte und auf dem wackligen Schreibtisch, dessen eines Bein Dudley einmal abgebrochen hatte, arrangierte, merkte Harry nicht, wie ein heißer Wind, der nichts mit der drückenden Luft draußen zu tun hatte, durch das Zimmer fegte und eine kleine, verkohlte Stelle an der Wand zurückließ. Er warf einen großen Bogen Pergament auf die zerkratzte Holzplatte, in die Dudleys Name in riesigen, ungelenken Buchstaben eingeritzt war und machte sich daran, seine Hausaufgaben so gut und so schnell wie möglich fertigzustellen.

"Junge, Abendessen," donnerte Vernons Stimme. Harry, der seit seinem vierten Scheuljahr keine Uhr mehr besaß, warf seine Feder auf den halbfertigen Verwandlungsaufsatz ("Benennen und erklären Sie vier verschiedene Arten menschlicher Verwandlung, erläutern Sie Risiken und geben Sie Vor-und Nachteile an") undd trottete missmutig zur Zimmertür. Wenigstens hatten die Dursleys dieses Jahr anscheinend den Vorsatz gefasst, ihn nicht zu schlecht zu behandeln- sie erinnerten ihn sogar an die Mahlzeiten. Er polterte die Treppen hinunter, achtete einmal nicht darauf, möglichst wenig Geräusche zu verursachen, machte seine Anwesenheit stattdessen deutlich. Vernon grunzte ärgerlich über sein Sportmagazin hinweg, klopfte mit der Hand auf den Küchentisch, runzelte die Stirn und sah aus, als wollte er Harry in sein ehemaliges 'Zimmer' unter den Treppenstufen sperren. Petunia wuselte eifrig durch die Küche und stellte Platten, Teller und Schüsseln voller Steak, Kartoffeln und Erbsen auf den Tisch. Anscheinend hatte sich Dudleys Diät geändert- oder auch nicht, denn Harry entdeckte inmitten der Unmengen von Leckereien eine doch recht große Schüssel mit grünem Salat.

"Der Salat ist für Dudley," ermahnte ihn Tante Petunia bevor sie sich zu ihrem Mann, Sohn und Neffen setzte. Harry sagte nichts und wartete geduldig, bis alle Dursleys ihre Teller vollgeladen hatten. Wirklich hungrig war er, wie seit Beginn des Sommers, nicht, doch um des Friedens Willen nahm er sich das kleinste der Steaks und ein wenig von jedem Gemüse. Erstaunlicherweise unternahm Dudley nicht einmal einen Versuch, etwas anderes als seinen Salat zu verzehren- und er bemerkte Harrys ungläubigen Blick.

"Was ist, Freak? Ich muss mein Gewicht halten, im September habe ich einen Kampf!" Harry schüttelte nur den Kopf. Dudley schien seinen Sport wirklich ernst zu nehmen.

"Mum, morgen gehe ich um sechs joggen," murmelte der Boxer. Harry verschluckte sich beinahe und verhinderte nur mit Mühe, dass Vernon eine Dusche aus Erbsenmus und Steakpüree abbekam.

"Du gehst joggen?" fragte er. Dudleys Schweinchengesicht drückte so etwas wie Stolz aus.

"Ja. Du etwa auch?" Harry schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass sein fetter, fauler Cousin zum Fitnessfreak mutiert war.

"Nein. Aber... hast du was dagegen, wenn ich mitkomme?" Hatte er das eben wirklich gefragt?

"Nein. Wenn du mithalten kannst." Und hatte Dudley das eben wirklich gesagt?

"Keine Ahnung, kann es ja mal versuchen." Und Dudley grinste. Harry fühlte sich als sei er in einem seiner Alpträume gefangen- jeden Moment würde Voldemort auftauchen.

"Der Freak soll sich ruhig anstrengen- dein Trainer hat dir schließlich gesagt, du solltest dir einen Partner suchen," war Vernons Kommentar.

"Noch ein Steak, Harry?" Petunia lächelte gezwungen während sie ihm den Teller mit den saftigen Fleischstücken hinhielt. Harry schüttelte den Kopf. Es wäre wirklich nett, wenn jemand die Austausch-Dursleys wieder gegen das Original eintauschen würde, damit er sich wieder wach fühlen konnte- aber für den Moment würde er sich mit diesem seltsamen Traum zufriedengeben.

Die Traum-Sache überlegte sich Harry am nächsten Morgen dann doch noch einmal. Um halb sechs Uhr von seinem Cousin mit einem Glas kalten Wassers ins Gesicht aufgeweckt zu werden entsprach nicht gerade seiner Vorstellung von einem Traum, vor allem nicht, da er erst zwei Stunden zuvor in einen unruhigen Schlaf gefallen war- zu groß war seine Furcht vor Alpträumen und Visionen gewesen, die ohne einen Schluck Traumlos-Schlummer-Trank seine steten Begleiter waren. Dudley hatte jedoch kein Mitleid- nicht, dass Harry welches erwartet hätte, und insgeheim war er auch froh über das unsanfte Wecken. Er war gerade dabei gewesen, zum vierten Mal Sirius' Sturz durch den schwarzen Schleier mitzuerleben...

Harry Potter schnürte seine Turnschuhe so fest zu, wie er nur konnte. Obwohl er im letzten Jahr ziemlich viel gewachsen war, war er doch Dudley immer noch an Gewicht und Größe unterlegen. Sein Cousin hatte die Schuhe außerdem derart ausgeleiert, dass sie an Harrys schmalen Füßen wie kleine U-Boote wirkten. Dennoch waren sie das einzige Paar, das der Fünfzehnjährige besaß, und so knotete er die Schnürsenkel eben dreimal, um nicht über sie zu stolpern wenn er rannte. Dudley stand ungeduldig neben ihm, eine massige Gestalt in seinen Trainingshosen und dem ärmellosen T-Shirt. Hary konnte nicht umhin anzuerkennen, dass die Armmuskeln seines Cousins denen von Crabbe und Goyle, den trollhafte Begleitern seines Schulfeindes Draco Malfoy, haushoch überlegen waren. Und er konnte ebenfalls nicht umhin sich einzugestehen, dass er ein wenig neidisch war. Gegen seinen Cousin war er ein bleiches, skeletthaftes Würstchen

So traumatisch wie seine Erlebnisse im Ministerium für Zauberei auch gewesen waren hatten sie Harry doch eines deutlich gemacht- wenn er gegen Voldemort bestehen wollte, musste er sich weiterentwickeln, und zwar schneller, als er das in den vergangenen fünf Jahren in Hogwarts getan hatte. Er konnte nicht hoffen, dass er Dumbledores Niveau im Duellieren erreichte- Harry war kein Meister in Verwandlung und würde so schnell auch keiner werden. Aber er hatte einen Vorteil, den der alte Zauberer nicht hatte- seine Schnelligkeit, seine Reflexe und seine Gewandtheit, er würde ausweichen könne, wo Dumbledore animierte Figuren benutzt hatte, um Flüche von sich abzuhalten. Um diesen Vorteil voll ausnutzen zu können musste er allerdings an sich arbeiten, und nach reiflichem Überlegen war Harry zu dem Schluß gekommen, dass er zwar keine Möglichkeit hatte, seine Schnelligkeit zu trainieren, dass er aber wenigstens versuchen konnte, ausdauernder zu werden. Dudleys Ankündigungen beim Abendessen hatten ihm die Möglichkeit eröffnet, und sein Vorsatz hatte sich später am Abend, während er den ersten der drei Aufsätze für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ("Welche Fähigkeiten sind in einem Duell gegen einen Dunklen Zauberer von Bedeutung? Warum?") geschrieben hatte, erhärtet. Er hatte die Feder weggelegt, den Kopf in Dudleys Zimmer gesteckt und seinem Cousin über den Krach seines Computerspieles hinweg zugeschrien, dass er ihn am nächsten Morgen aufwecken sollte.

Wer hätte gedacht, dass Dudley mir einmal hilft? dachte Harry, ein schiefes Grinsen auf seinem von dunklen Schatten gezeichneten Gesicht. Die tiefen Ringe unter seinen Augen nahmen langsam eine violette Färbung nicht unähnlich der, die der Himmel dank der aufgehenden Sonne gerade aufwies, an- seit Sirius' Tod war schon mehr als eine Woche vergangen, in der Harry nicht einmal eine einzige Nacht lang gut geschlafen hatte. Trotzdem stand er energisch und entschlossen vor der Tür des Ligusterweg Nr. 4 und streckte, Dudleys Beispiel folgend, Arme und Beine durch bevor er langsam zu joggen begann.

Nur wenige Meter weiter musste er stehenbleiben. Seitenstechen, Atemnot, ein Kribbeln in Armen und Beinen- Harry hätte nicht geglaubt, dass 300 Meter eine solche Strecke sein konnten. Dudley joggte mit genervtem Gesichtsausdruck neben ihm auf der Stelle- es war die ultimative Demütigung für Harry. Er hatte sich eigentlich für ganz gut in Form gehalten, schließlich war er ein guter Quidditch-Spieler auch wenn er die letzten paar Monate nicht mehr hatte fliegen können. Aber anscheinend gab es doch einen Unterschied zwischen Sport auf Besen und Sport auf den eigenen zwei Beinen- jedenfalls musste er sich eingestehen, dass er, was Letzteren anging, vollkommen außer Form war wenn selbst Dudleys Kondition besser war als seine. Aber er würde nicht aufgeben- das war er Sirius schuldig. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich auf und schnnaufte weitere qualvolle 700 Meter neben Dudley her- der noch so frisch aussah wie beim Loslaufen- bevor er vollkommen erschöpft war.

"Geh... weiter, ich kann nicht mehr," schnaufte er. Dudley zuckte mit den Achseln und joggte weiter, auf den Park zu, schneller als er mit Harry gerannt war. Der Zauberer sah seinem Cousin neidisch nach bevor ihn ein Stich in der Seite dazu zwang, sich nach vorne zu neigen.

Harry gönnte sich nicht mehr als eine fünfminütige Atempause bevor er sich, humpelnd weil die zu weiten Schuhe für Blasen an seinen Füßen sorgten, auf den Rückweg machte, vorbei an makellosen Vorgärten, blankgewienerten Autos und Fußmatten mit 'Willkommen' vor jeder glänzenden Haustür. Zwei Kilometer- aber wenigstens das hatte er geschafft. Der Ligusterweg war ihm noch nie so lang erschienen...

Der Sonnenschein hatte inzwischen eine stechende Qualität angenommen, doch die Kühle des Morgens war noch spürbar als Harry den Gartenweg zur Haustür des Ligusterwegs Nr. 4 halb heraufjoggte, halb heraufhumpelte. Sein Atem zischte zwischen seinen Zähnen hervor und seine Muskeln verkrampften sich, doch alle Beschwerden waren vergessen als er eine Gestalt, die nicht Dudley war, auf den zwei Treppenstufen, die zur Tür hinaufführten, sitzen sah. Im Bruchteil eines Augenblickes hatte Harry seinen Zauberstab aus dem Hosenbund gezogen und sich mit einem Satz hinter einem von Tante Petunias Rosenbüschen in Sicherheit gebracht. Angespannt wartete er auf den ersten Fluch- doch die Gestalt bewegte sich keinen Millimeter vom Fleck.

Harry verfluchte die langen Schatten, die der niedrige Sonnenstand hervorrief- er konnte das Gesicht des Mannes auf den Treppenstufen nicht sehen, und obwohl er verwaschene Jeans und ein sauberes, wenn auch ausgebleichtes Poloshirt trug konnte er ebensogut ein Todesser wie ein ahnungsloser Muggel sein. Zauberstab in der Hand schlich er sich hinter den Rosenbüschen vorbei näher an die Gestalt heran- und stieß vor Erleichterung beinahe einen Seufzer an als diese stirnrunzelnd den Kopf hob und er ein vertrautes Geicht erblickte.

Remus Lupin war kurz nach Sonnenaufgang am Ligusterweg angekommen und hatte beschlodssen, vor der Haustür zu warten bis er etwas von Harry hörte. Der Werwolf wusste, dass der Junge wahrscheinlich nicht mit ihm sprechen wollte, aber gleichzeitig fühlte er sich dazu verpflichtet, wenigstens zu versuchen, zu Harry durchzudringen. Die Nachrichten, die aus dem Ligusterweg an den Orden des Phoenix geschickt wurden waren zu kurz angebunden und neutral- Harry musste lernen, mit dem Verlust von Sirius umzugehen.

Seufzend fuhr Remus sich mit einer Hand durch das Haar bevor er die Stirne runzelte und sich suchend umschaute. Er hatte etwas gehört....

"Wer sind Sie und was wollen Sie hier?" Das kühle Holz des Zauberstabes wurde unangenehm warm wo es seine Kehle berührte, und Remus schluckte schwer als er Harrys zischende Stimme hörte. Wie hatte der Junge es nur geschafft, sich derartig an ihn anzuschleichen?

"Ich bin es, Harry, Remus Lupin," sagte er.

"Welche Form hat mein Patronus?" fragte Harry ohne seinen Zauberstab von Remus' Kehle zu nehmen. Der Werwolf lächelte.

"Ein Hirsch, wie Krone, die Animagus-Form deines Vaters." Die Antwort war richtig, aber zu viele wussten davon. Harry runzelte die Stirn. Er musste sich eine bessere Frage einfallen lassen...

"Wer ist Wurmschwanz?"

"Eine betrügerische Ratte, die einmal einer meiner besten Freunde namens Peter Pettigrew war, aber inzwischen weniger als nichts wert ist." Remus spuckte Wurmschwanz' Namen förmlich aus.

"Warum muss man im Flur des Hauptquartiers auf Zehenspitzen schleichen?" war Harrys letzte Frage.

"Das Portrait von Mrs. Black hat die unglückliche Angewohnheit, Gäste in voller Lautstärke zu beleidigen," antwortete Remus prompt.

Noch immer ein wenig unsicher senkte Harry seinen Zauberstab. "Professor Lupin?"

"Remus, Harry- ich bin nicht mehr dein Professor." Er lächelte freundlich. "Was machst du so früh hier draußen?"

"Training," sagte Harry, sein Gesicht verschlossen.

"Training?" fragte Remus mit hochgezogenen Augenbrauen.

"Training. Voldemort wird nicht von selbst verschwinden," bestätigte Harry sarkastisch.

"Aber warum...?" Der Werwolf deutete auf Harrys alte Trainingshosen, ausgeleierte Schuhe und angegrautes, drei Größen zu großes T-Shirt.

"Ich habe keine anderen Trainingskleider."

Remus senkte den Blick und seufzte bevor er sich wieder dazu aufraffte, Harrys Augen zu begegnen. "Harry, hör zu, ich muss mit dir sprechen. Ich... Ich habe den letzten meiner besten Freunde verloren, und du den einzigen Vater in deinem Leben. Ich weiß, dass du das nicht gerne hörst, aber das Einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, die Sache gemeinsam durchzustehen. Ich weiß das, ich bin diesen Weg schon einmal gegangen und..."

Es war als wäre eine Jalousie vor Harrys Gesich niedergegangen, so schnell wurden selbst seine Augen zu harten, ausdruckslosen Steinen. "Die Sache ist Sirius' Tod, den ich verursacht habe. Und leider muss ich diesen Weg alleine gehen. Danke trotzdem."

"Harry..." Remus hob hilflos die Hände, doch der junge Zauberer vor ihm wich ihnen aus bevor er sie auf seine Schultern legen konnte.

"Hat Dumbledore...?" fragte Harry. Remus schüttelte den Kopf.

"Ich in von alleine gekommen. Dumbledore hat nichts damit zu tun, dass ich hier bin," versicherte er aufrichtig. Harry rührte sich nicht.

"Professor Lupin ich... ich brauche noch Zeit bis ich... darüber sprechen kann," gab er schließlich zu nachdem er mit gesenktem Kopf ein paar Minuten vor seinem ehemaligen Lehrer und Mentor gestanden hatte.

"Ich verstehe," Remus' Hände fanden Harrys Schultern, und er sah tief in die smaragdgrünen Augen, die Lily Potters so sehr ähnelten. Schmerz und Trauer spielten unter einer harten Schicht aus Entschlossenheit und Verbissenheit, und Remus seufzte. Es würde eine lange Zeit dauern, bis Harry diesen Verlust überwinden konnte.

"Wie gesagt, ich bin diesen Weg schon einmal gegangen. Nach James und Lilys Tod bin ich beinahe verrückt geworden. Jeder Vollmond hat mich beinahe umgebracht, und ich habe 20kg abgenommen. Das Einzige, was mich am Leben erhalten hat, war die Gewissheit, dass du noch lebst." Eine bedeutungsschwangere Pause. Harry begegnete Remus' ernstem Blick mit gleicher Intensität..

"Ich?" Seine Stimme klang rauh.

"Ja, du, Harry. Ich habe nie daran geglaubt, dass ich dich kennenlernen darf- Werwölfe sind schließlich dunkle Geschöpfe. Aber es war eine Art Ehrensache- ich habe geglaubt, dass ich der Letzte von uns allen bin, und ich musste am Leben bleiben, für James, für Lily und für dich."

Harry zuckte ein wenig- Remus hatte Sirius für schuldig gehalten, hatte geglaubt, sein Pate hätte die Herumtreiber verraten.

"Du siehst deinem Vater unglaublich ähnlich, Harry, aber vom Wesen her bist du deiner Mutter ähnlicher, glaube ich."

"Danke- zumindest einer kann zwischen mir und meinem Vater unterscheiden," meinte Harry nur.

Remus grinste. "Keine Ursache- deine Eltern wären beide sehr stolz auf dich, und James würde sich freuen, dass du Lily so änlich bist. Nur eine Frage- warum hast du mich nach Wurmschwanz gefragt?"

"Oh, weil kein Todesser ihn als 'betrügerische Ratte' bezeichnet hätte- und weil selbst ein verkleideter Todesser unter Vielsaft-Trank nicht so wütend und verächtlich klingen könnte wie der echte Moony."

"Gut gedacht," meinte Remus.

"Danke," grinste Harry und schnitt im nächsten Moment eine Grimasse. "Habe ich Muskelkater!"

"Was hast du eigentlich gemacht? Training ja, aber... du kannst doch keine Zauberei einsetzen!"

"Ummm... ich dachte, dass es von Vorteil sein könnte wenn ich ausdauernder bin als Voldemort- ich kann schließlich nicht hoffen, dass ich in den nächsten drei Wochen zum Duellmeister werde, aber ich kann mich wenigstens so vorbereiten. Stell dir vor- mein Cousin hilft mir sogar!" antwortete Harry, Feuer in den Augen.

"Oh. Ja, viele Zauberer halten nichts davon, sich fit zu halten. Gut zu sehen, dass du eine Ausnahme bist..."

Dudleys massige Gestalt joggte lässig durch das Gartentor. Harry verzog das Gesicht. "Wenn man vom Teufel spricht..."

"Hey, Freak- wenn du nicht bald duschst kannst du dich heute nicht mehr bewegen- und wer ist das?" fragte Dudley, Entsetzen in seinen Augen. Remus lächelte freundlich.

"Remus Lupin. Wir haben uns an King's Cross kennengelernt." Dudley schien die Hand von Harrys Professor als einen knallrümpfigen Kröter zu sehen, aber er nahm allen Mut zusammen und schüttelte sie.

"Dudley Dursley." Remus grinste. "Sie... sind nicht hier um..." er legte schützend seine Hände über sein Hinterteil. Remus sah verwirrt aus.

"Nein, nein, Dudley, keine Sorge, er wird dich nicht verhexen. Remus wollte nur... mit mir sprechen. Aber wollen wir nicht reingehen?" fragte Harry, während er seine schmerzenden Unterschenkel massierte.

"Sicher," meinte Remus freundlich, "wenn du einen alten Werwolf im Haus haben willst..."

"W...Werwolf?" Dudleys Augen quollen über, und er überlegte sich, wie gut seine Chancen zur Flucht standen.

"Nur bei Vollmond," meinte Remus, das Gesicht ausdruckslos. Harry war sich sicher, dass er innerlich vor Lachen platzte.

"Oh, ich bin nicht das Problem- aber stell dir einmal Onkel Vernons Gesicht vor wenn er erfährt..." Harry kicherte leise.

"Mein Vater?" Dudleys Fähigkeit zu sprechen war noch vom Schock eingeschränkt.

"Die Dursleys wissen nicht, dass ich...?" fragte Remus, der alte Herumtreiber-Geist in seinen Augen.

"Nein," sagte Harry.

"Dann sollte wir uns überlegen, wie wir es Vernon und Petunia am Besten beibringen."

"Was zum Teufel ist hier los?" donnerte Vernon Dursleys Stimme aus dem Schlafzimmerfenster über den Köpfen der beiden Zauberer. Remus und Harry tauschten amüsierte Blicke.

"Wir sollten definitiv lieber ins Haus gehen," stotterte Dudley, von all dem, was er gerade erfahren hatte, überwältigt, und zog seinen Schlüssel hervor. Remus nickte seine Zustimmung, und Harry führte ihn in Petunias geheiligte Küche.

"Ich mache uns Tee," bot Harry an. Dudley schüttelte den Kopf.

"Ich habe meine Drinks," sagte er, langsam wieder der Alte.

"Das wäre nett," meinte Remus, und spürte wieder jenes unheimliche Gefühl, der Überbringer einer schlechten Botschaft zu sein, denn die Wahrheit war, dass sein Besuch bei Harry nicht ohne Grund an diesem Tag stattfand. Dudley nahm sich eine der bunten Dosen aus dem Kühlschrank, die Harry unter Androhung der Todesstrafe nicht anrühren durfte. Iso-fit. Er konnte sich nicht einmal vorstellen, was Dudley da trank, und um ehrlich zu sein wollte er es auch gar nicht. Der Teekessel war schnell auf den Herd gestellt, und weil er nicht auf Flüssigkeit warten konnte nahm er sich eine Flasche Orangensaft und trank durstig noch ehe er sich in einen Stuhl am Küchentisch fallen ließ. Dudley beobachtete ihn schadenfroh.

"Kaputt, Cousin?" Harry hatte nicht genug Energie, um zu widersprechen. Nun, da er erst einmal saß, schlug die Müdigkeit voll zu. Er stöhnte schon bei dem Gedanken daran, dass er aufstehen musste, um den Tee zu machen.

"Ganz schön schlappe Vorstellung," setzte Dudley nach.

"Hau ab, Dud," erwiderte Harry schlapp.

"Oh, ich hab Angst- hey, dein Kessel pfeift!" Harry raffte sich auf und goß das Wasser über die vorbereiteten Teeblätter (2). Zwei Minuten schwiegen die beiden Sportler und der ehemalige Hogwarts-Professor, dann stellte Harry Remus eine Tasse schwarzen Tee hin und goß sich selbst eine ein. Dudley stand auf.

"Ich geh duschen. Solltest du auch, Freak." Harry nickte müde, zu steif um sich Gedanken darum zu machen, warum sein Cousin so nett zu ihm war. "Und wenn du auch mal bisschen Training mit Gewichten machen willst- ich gehe um halb fünf heute Abend in den Club."

"Okay. Ich komme mit," überwand sich Harry. Er hatte einen Schwur zu halten und einen bösen Zauberer zu besiegen. Remus beobachtete die beiden Jungen aufmerksam. Etwas hatte sich zwischen ihnen verändert... aber das festzustellen war nicht, warum er hier war. Seufzend stählte er sich für das, was er tun musste.

"Harry, ich muss dir etwas sagen," begann der plötzlich müde und ausgelaugt erscheinende Werwolf, und nahm mit Besorgnis die hochgezogenen Augenbrauen und sarkastisch gesenkten Mundwinkel des Jungen zur Kenntnis. Seine Botschaft würde sehr schwer wiegen...

"Ich glaube, ich warte jetzt seit drei Minuten darauf, dass du das tust," unterbrach Harry.

"Du hast recht- es hilft nichts, wenn ich es noch länger herauszögere. Ich bin hierhergekommen, weil ich dich sehen wollte, Harry- aber auch, weil du in Sirius' Testament stehst. Ich... ich soll die diese Einladung überbringen." Er hielt einen einfachen, schwarzen Umschlag mit zwei gekreuzten Zauberstäben als Siegel in der ausgestreckten Hand.

Harry sah fast mit Abscheu auf den furchtbaren, schwarzen Umschlag der alles so endgültig besiegeln würde. Er wollte das nicht... es gab schließlich noch immer Hoffnung, das Licht des Fluchs, der Sirius getroffen hatte, was rot und nicht das Grün des Avada Kedavra gewesen... und wer wusste schon, wohin dieser Schleier führte...

"Harry, es ist bereits endgültig. Es gibt keine Macht auf der Welt, die Sirius von hinter dem Schleier zurückbringen könnte. Er ist... gegangen, und alles, was wir tun können ist, seine Wünsche zu achten und weiterzuleben. Nimm den Umschlag!" Nur widerwillig streckte der Junge seine Hand aus. Als das rauhe Pergament in seinen Fingern knisterte, brach sein Herz. Sirius... war tot. Und dies war sein Testament.

"Dies ist eine Einladung zur Verlesung des Letzten Willens und Testaments von Sirius Black," erklärte Remus mit brüchiger Stimme, "die eigentliche Verlesung findet dann... in der Gringotts Bank statt, zwei Wochen vom morgigen Tag an. Und..."

Was auch immer Remus hatte sagen wollen ging im pltözlichen Dröhnen des Fernsehers unter. Vernon Dursley war wach und begann sein morgendliches Ritual mit den Nachrichten. Harry wurde bleich, und lauschte eindringlich der blechernen Stimme der Ansagerin.

... to be continued ...


Information:

(1)Dud bedeutet 'Blindgänger' im Englischen

(2) Teebeutel sind eklig! Und meine Mum hat mir versichert, dass die meisten Briten frische Teeblätter benutzen, zumindest bei schwarzem Tee. Bin zwar Amerikanerin, aber außer Kamillentee gibt es bei uns keine Teebeutel.


Die meisten von euch werden sich für diese Rubrik herzlich wenig interessieren, aber für mich ist die Musik immer eine Zuflucht gewesen, mein Weg aus einer Welt, in der ich manchmal einfach versunken bin- mein Weg, meinen eigenen Gedanken und Erinnerungen zu entkommen. Das klingt wahrscheinlich ziemlich überheblich und esoterisch für euch, aber versetzt euch einmal in meine Lage als eidetic: ihr könnt euch an jede Minute des Tages mit perfekter Klarheit erinnern, und könnt, wenn die Erinnerung besonder eindrucksvoll war, sogar Sinnesreize nachempfinden. Ich verbringe jede Nacht eine halbe Stunde mit Meditation nur um meiner eigenen Gedanken so weit Herr zu werden, dass ich überhaupt schlafen kann. Dieses Kapitel habe ich im Februar 2004 überarbeitet, zwei Wochen nach meiner zweiten Chemotherapie. Jede Sekunde meines Krankenhausaufenthalts ist noch so lebendig als wäre sie gerade erst geschehen. Ich will nicht sagen, dass ich nicht damit umgehen kann- auch wenn ich nicht wusste, was es ist, das mit mir los ist habe ich doch Mittel und Wege gefunden, meinen Kopf zum Schweigen zu bringen, aber eines der wichtigsten, und jetzt mehr denn je, war immer die Musik. Zum selbst spielen bin ich leider inzwischen zu schwach, aber in meinem Zimmer läuft eigentlich immer eine CD. Also, das ist der Grund warum ich die kleine Soundtrack-Rubrik hinten an jedes Kapitel anhänge, und wenn ihr euch mein ganzes Gejammer angetan habt dann könnt ihr sie ja auch noch lesen, oder? Und vielleicht ein oder zwei Stücke anhören und an mich denken, das würde mich freuen !

Soundtrack:

Ottorino Respighi: Suite Alte Weisen und Tänze

Ludwig van Beethoven: Violinkonzert

W.A. Mozart: Klavierkonzert Nr. 21


So, das ist das Ende des ersten Kapitels. Ich freue mich auf eure Kommentare!

Bis dann!

Brandy