A/N: Ich weiß, ich weiß… ihr wartet auf GSI 3 und eigentlich hätte es jetzt kommen müssen. Aber… es kommt immer ein Aber angeschlichen, und wenn diese Abers sich auch noch mit Plotbunnies verbünden, ist alles anders. Ich schwöre, ich habe das Bunny auf Knien angebettelt, noch etwas zu warten, aber es wollte nicht.

Es wird wieder eine längere Story, allerdings sind die chaps kürzer als ihr es von mir gewohnt seid. Das liegt daran, dass mit wenigen Ausnahmen in jedem chap die Sicht der Hauptprotagonisten (ich muss nicht erwähnen, dass es sich hierbei um unseren Lieblingstränkemischer und unsere Lieblings-Know-it-all handelt?!) wechselt.

Das erste Kapitel widme ich leo2109, meiner Recherche- und Inspirationsbeta! Danke für all die Mühe, die du dir mit mir gemacht hast!

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Once upon a time in Ireland

Die Vergangenheit ist nur der Prolog. Shakespeare

1. Kapitel

Sie kam seit ein paar Tagen regelmäßig zu den Klippen von Cleggan, am äußersten Ende der westirischen Region Connemara. Obwohl sich der Nationalpark großer Beliebtheit bei den Touristen erfreute, war sie hier allein. Allein mit den Felsen, dem spärlichen Gras, dem milden Wind.

Sie tat nichts anderes, als sich an einen der Felsbrocken zu setzen und auf das Meer hinauszustarren. Wenn sie Glück hatte, dachte sie in dieser Zeit an gar nichts. An den schlechten Tagen verschwamm der Blick auf das Meer vor ihren Augen; sie sah nicht mehr die schäumenden Wellen, die sich an den Riffs tief unter ihr brachen, nicht mehr die Insel Inishbofin, die nur wenige Meilen weiter im Meer lag wie ein Stein, den ein übermütiger Riese dort hingeschleudert hatte.

Dann spielten sich unvorstellbare Szenen vor ihren Augen ab. Männer und Frauen in dunklen Umhängen, die sich gegenseitig verhexten, Werwölfe, die Menschen zerrissen, ein hoch gewachsener Zauberer mit einem flachen Gesicht und roten Augen, der mit einem kalten Lächeln Todesfluch um Todesfluch auf ihre Freunde jagte. Sterbende Menschen, Stöhnen, Schreien. Ein Jugendlicher und der bösartigste Schwarzmagier, den die Welt je gesehen hatte, im Duell, der Augenblick, als die Zeit einzufrieren schien, zwei Flüche, zur selben Zeit geschrien. Der Fall Voldemorts.

Es hätte vorbei sein sollen.

Und so war es auch. Alles war gut. Die Toten wurden betrauert und begraben, Hogwarts wieder aufgebaut, sie holte ihr letztes Schuljahr nach, machte den besten Abschluss aller Zeiten, wie es auch niemand anders erwartet hatte. Sie hatte eine Beziehung mit ihrem ältesten Freund; sie studierte Verwandlungen und Zaubertränke und bekam bereits in ihrem vorletzten Jahr an der Universität ein Angebot vom Zaubereiministerium.

Sie musste nur noch zusagen.

Sie schob es vor sich her. Von Woche zu Woche, von Monat zu Monat. Ihre Freunde drängten sie, sich zu entscheiden. Ihr Partner redete liebevoll auf sie ein. „Es wäre wie früher, Liebling. Wir drei wieder vereint! Das Goldene Trio!" Sie fand es auch nach mehr als vier Jahren noch immer seltsam, von ihm Liebling genannt zu werden. Es hörte sich… falsch an.

Wochen später fiel ihr Kartenhaus der heilen Welt zusammen. Bei einem Tränkeexperiment schoss ein grüner Strahl aus einem der Kessel und plötzlich stand sie wieder mitten drin: Kämpfe, Schreien, Blut, Schweiß, Angst. Besonders Angst. Sie sah all die Toten um sich herum, sie anstarren, sogar anlächeln.

„Wieso ich?", fragte der rothaarige Fred.

„Warum wir?", riefen Remus und Tonks, fassten sich an den Händen und strahlten einander an. „Warum muss unser kleiner Teddy als Waise aufwachsen?"

„Es ist nicht fair!", bekräftigte Colin Creevey und nickte.

„Der Tod ist nur das nächste große Abenteuer", sagte Albus Dumbledore und zwinkerte.

„Ich komme dich holen!", zischte die schwarzhaarige Bellatrix Lestrange mit irre funkelnden Augen.

Sie träumte von ihnen, Nacht für Nacht. Sie konnte sich nicht mehr konzentrieren. Sie sprach nur noch das Notwendigste. Und doch dauerte es Tage, ehe Ron überhaupt bemerkte, dass etwas nicht stimmte. „Was ist los?", fragte er. „Menstruationsprobleme?" Oh, was für ein einfühlsamer Partner er doch war.

Sie reagierte gereizt. Es kam zu Streit. Er wehrte sich auf die einzige Art, die er kannte. Er ging zu Quidditchspielen. Verbrachte die Wochenenden bei seinem Bruder. Entzog sich ihren Versuchen, mit ihm zu reden. „Warum kommst du ausgerechnet jetzt damit an? Es ist Jahre her! Werde mal wieder vernünftig!"

Sie versuchte, wieder vernünftig zu werden. Sie versuchte es wirklich. Ging ins St. Mungos. Unterzog sich etlichen Behandlungen. Bis einer der alten Heiler ihr erklärte, dass sie etwas hatte, was die Muggel Posttraumatische Belastungsstörung nannten, was, wie er meinte, ja auch kein Wunder war, schließlich hatte sie den ganzen Krieg mitgemacht. „Sie waren mittendrin, mein Kind. Schließlich sind Sie ja Harry Potters beste Freundin!"

So einfach war das. Man erlebte einen Krieg und Tod und Zerstörung und wurde verrückt. Natürlich wusste sie, dass das Blödsinn war, sie war nicht verrückt. Aber sie verstand nicht, warum offensichtlich niemand anders diese Probleme hatte. Selbst George Weasley, der seinen Zwillingsbruder vor seinen Augen verloren hatte, lachte und scherzte und lächelte den ganzen Tag.

Wieso sie? Wieso ausgerechnet jetzt? Rollins, der Heiler, schüttelte nur den Kopf. Dafür gab es keine eindeutigen Erklärungen. Behandlungsmethoden? Ein paar Tränke, die er ihr mitgab, sie jedoch gleichzeitig davor warnte, es mit ihnen nicht zu übertreiben. Er musterte sie genau aus wässrig-blauen Augen. „Sie haben beste Chancen auf eine vollständige Heilung", sagte er. „Sie sind jemand, der gut mit Stress umgehen kann. Sie helfen anderen. Sie sind stark und können Probleme lösen. Sie haben gute soziale Bindungen. Was Sie brauchen, ist nur ein wenig Ruhe. Nehmen Sie sich die Zeit, junge Frau, und kommen Sie zur Ruhe."

Er hatte Recht mit seiner Meinung über ihre guten sozialen Bindungen, und doch waren ihre Freunde jetzt die letzten, mit denen sie reden wollte. Sie ertappte sich dabei, neiderfüllt auf Harrys liebevollen Umgang mit Ginny zu sehen, ertappte sich dabei, wie sie Ron angeekelt dabei beobachtete, auf unappetitliche Weise einen Teller Spaghetti zu verzehren.

Nicht einmal für ihn kam es überraschend, als sie ihm eine Beziehungspause vorschlug; fast schien es ihr, er sei erleichtert. Sie zog aus der gemeinsamen Londoner Wohnung aus, in das Kinderzimmer im Haus ihrer Eltern zurück. Doch die bedrückende, liebevolle Anteilnahme ihrer Mutter und der sorgenvolle Blick ihres Vaters waren einfach zuviel. Zwei Tage nach ihren Abschlussprüfungen – noch bevor sie die Ergebnisse erhalten hatte – packte sie eine Reisetasche und nahm die erste Fähre nach Irland, die sie erwischen konnte.

In Dublin ging sie zur magischen Tourismusberatung und nach halbstündiger Diskussion mit einer jungen irischen Hexe, die in etwa in ihrem Alter war und der sie etwas von Liebeskummer und Ausspannen und Einsamkeit erzählte, flohte sie auf einen Bauernhof in der Nähe von Cleggan. Der gut aussehende Mittdreißiger, der diesen Hof führte, wanderte mit ihr zwanzig Minuten lang durch die Heide, erzählte ihr in seinem singenden irischen Akzent lustige Geschichten und schaffte es sogar, sie zum Lächeln zu bringen. Schließlich standen sie vor einem Einödhof, nur eine halbe Meile von den Klippen entfernt.

Er reichte ihr die Tasche, die er ihr galant abgenommen hatte, tätschelte kurz ihre Schulter, wünschte ihr einen angenehmen Aufenthalt und versicherte ihr, dass sie jederzeit zu ihm kommen konnte, wenn Probleme auftauchten. Schön, wenn es so einfach wäre, dachte sie.

Sie tat eigentlich nicht viel. Wenn sie essen konnte, aß sie, wenn sie schlafen konnte, schlief sie. Sie versuchte, Bücher zu lesen, doch ihre Konzentration verflog, noch bevor sie überhaupt begriffen hatte, worum es ging. Also ging sie die meiste Zeit spazieren. Und immer landete sie an dem großen Stein oben auf den Klippen. Hier war sie allein. Sie konnte heulen wie ein Schlosshund, sobald ihr danach war, sie konnte ihre Wut, ihre Angst und ihren Frust in den Wind hinausschreien.

Oder sie konnte auch einfach nur dasitzen, mit leerem Blick und leerem Kopf. Niemand störte sie hier. Zumindest hatte sie bis jetzt nie jemand gestört.

Sie hielt inne, als sie den großen, schwarzen Hund bemerkte, der ruhig auf dem Platz lag, wo sie normalerweise saß. Er hob den Kopf und musterte sie aus seinen dunkelbraunen Augen, doch er zeigte keinerlei Aggressivität. Sie zögerte, doch sie liebte Hunde, und als er aufstand und mit dem Schwanz wedelte, war es um sie geschehen. Behutsam streckte sie die Hand aus. Er leckte kurz drüber und zeigte das typische Hundegrinsen mit offenem Maul und heraushängender Zunge.

Sie kniete sich vor ihn hin und fuhr mit den Händen durch sein dichtes, weiches Fell. Es glänzte in der Sonne, und überhaupt machte das ganze Tier einen gut gepflegten und wohl genährten Eindruck. Er war nicht gänzlich schwarz, die beiden Hinterpfoten und die rechte Vorderpfote waren weiß und er sah aus, als hätte er in der Eile vergessen, auch noch einen vierten Strumpf anzuziehen.

Unwillkürlich musste sie lächeln. „Was bist du für ein schöner Bursche!", murmelte sie. „Wer bist du denn? Wo kommst du her, hm? Was machst du hier? Bist du deinem Herrchen davongelaufen?"

„So viele Fragen und alle davon jemandem gestellt, der sowieso nicht antworten kann", ertönte eine ruhige, irische Stimme, und ein Mann erhob sich von der anderen Seite des Steines.

Die junge Frau starrte ihn erschrocken an. Sie konnte sein Alter nicht bestimmen. Das wettergegerbte Gesicht war voller Falten, doch die braunen Augen waren aufmerksam und klar. Er trug ein ausgewaschenes, blaues Hemd, welches sich in der leichten Brise aufbauschte und eine ebenso ausgewaschene schwarze Hose. Er war ziemlich groß und seine dunkelblonden Haare fielen ihm in sein Gesicht, bis er sie mit einer Kopfbewegung, die alles andere als weiblich wirkte, zurückwarf.

„Es tut mir Leid, wenn ich Sie gestört…", stammelte sie, doch er ließ sie nicht ausreden.

„Sein Name ist Toby und nein, er ist seinem Herrchen nicht davongelaufen."

„Gut", murmelte sie und kam sich ziemlich albern vor. Ihre Finger hatten sich hinter Tobys Ohr geschlichen und kraulten ihn dort.

Dann wandte sie sich ab. „Ich gehe dann wieder. Einen schönen Tag noch!"

„Warum?", fragte er.

Sie sah ihn über die Schulter verwirrt an. „Warum was?"

„Warum gehen Sie? Hier ist Platz genug für zwei Menschen und einen Hund."

„Ich wollte Ihre Ruhe nicht stören", sagte sie und fühlte sich unglaublich albern.

„Wenn Sie nicht das Bedürfnis haben, die ganze Zeit zu plappern, wie Ihr Engländer das sonst immer tut, bleiben Sie. Toby ist ständig auf der Suche nach jemandem, den er um seine Pfote wickeln kann."

Unwillkürlich lächelte sie. „Er ist wirklich schön, und er hat mich bereits um seine Pfote gewickelt.

Der Kopf des Mannes ruckte einladend und noch immer zögernd ließ sie sich auf ihrem üblichen Platz an den Stein sinken. Toby blockierte sofort ihre Beine, als er seinen massigen Schädel auf ihren Knien ablegte und sie mit bettelnden Augen ansah. Sie kam seiner Aufforderung nach und streichelte ihn.

Der Fremde setzte sich wieder auf die andere Seite des Steines, so dass sie ihn nicht mehr sehen konnte. „Sie können mich Ref nennen", sagte er plötzlich. „Das tun alle in dieser Gegend."

„Ref?", fragte sie und runzelte die Stirn. „Ist das irisch?"

Sie glaubte, ein Lachen zu hören, doch es war so leise, dass sie sich nicht sicher war. „Nein, Miss England, es ist die Abkürzung für Refugee."

„Sie sind ein Flüchtling?"

„Sind wir das nicht alle, kleine Miss England?"

„Hören Sie auf, mich Miss England zu nennen!", sagte sie unerwartet heftig. „Mein Name ist Hermione. Hermione Granger."