Der erste Teil der Geschichte "Die ersten Jahre" - beginnt mit einer kurzen Episode aus Zevrans frühester Kindheit im Bordell, die nächsten kurzen Kapitel zeigen seine Jahre der Ausbildung bei den Krähen. Gedacht als kurze Einblicke, Erinnerungsstücke (keine zusammenhängende Geschichte)
Eine mörderische Kindheit
Teil 1: Die ersten Jahre
1.1 Das unartige Kind
In seinem Zuhause wohnten viele Frauen. Keine von ihnen war seine Mama. Es war ein großes Haus mit vielen Zimmern. Die Frauen waren alle sehr hübsch, trugen schöne Kleider, malten ihre Gesichter an und lockten sich ihre Haare. Es gab immer viele Besucher und es wurde viel gelacht.
Das einzige Problem war, dass er störte. Er sollte sich immer verstecken, nicht zu hören und nicht zu sehen sein. War er es doch, dann gab es Schläge - meistens von Olinda, einer Frau, die nicht ganz so schön war, weil ihr Gesicht Falten hatte und zu stark angemalt war. Aber Olinda war auch die Frau, die ihm und den anderen Kindern Essen gab. Deshalb wusste Zevran nicht genau, ob er sie mögen sollte. Aber es gab eine Frau, die er ganz bestimmt mochte, und das war Dimeloé. Die schaute immer traurig, wenn Olinda eines der Kinder schlug. Oft nahm sie dieses Kind danach mit zu sich ins Zimmer und erzählte ihm eine Geschichte. Grund genug für Zevran, dafür zu sorgen, dass Olinda ihn sehr oft bestrafen musste...
"Warum hast du nur die Tapete abgerissen, du Dummerchen?" fragte Dimeloé seufzend, während sie die blauen Flecken an seinen Beinen mit einem feuchten Tuch kühlte.
Der blonde Elfenjunge antwortete mit einem tieftraurigen Blick aus seinen Bernsteinaugen "Ich weiß selber nicht, warum ich immer so böse bin."
Dimeloé stiegen die Tränen in die Augen beim Anblick des kleinen Engelsgesichtes "Wenn deine Mutter sehen würde, wie du hier leben musst, sie würde sich im Grabe umdrehen." schniefte die junge Elfin.
"Du kanntest meine Mama?" fragte er Junge und hing an ihren Lippen.
"Natürlich kannte ich sie. Wir waren die besten Freundinnen. Sie war wunderschön, hatte blonde Haare, genau wie du. Aber ihre Augen waren tiefgrün - wie die Seen im Arlathan-Wald."
"Alata-Wald?"
Dimeloé kicherte "Arlathan - das ist Dalish und heißt soviel wie 'Ich liebe diesen Ort.' Deine Mutter war eine Dalish-Elfin. Sie trug Zeichen in ihrem Gesicht - geschwungene Ornamente auf Stirn und Wangen. Ich habe keine Ahnung, was sie bedeuteten, aber sie sah damit wunderschön und geheimnisvoll aus. Sie war sehr beliebt hier, weißt du?"
"Warum ist meine Mama denn nicht im Wald gebleiben?"
"Sie hatte sich in einen Mann aus der Stadt verliebt und für ihn ihren Stamm verlassen."
"Dieser Mann, war das mein Papa?"
Dimeloé zögerte mit ihrer Antwort. "Das, mein Kind, weiß nur der Erbauer. Aber deine Mutter - ich weiß, sie hätte dich geliebt. Sie hat sich gefreut auf ihr Kind, obwohl sie sehr viele Schmerzen hatte."
"Was ist ihr denn passiert?"
"Als sie dich zur Welt brachte, hat der Erbauer sie zu sich geholt."
"Das ist aber gemein von ihm!"
Dimeloé lachte gerührt, als sie das wütende Gesicht des kleinen Jungen sah. Doch dann wurde sie wieder ernst und sprach sehr leise weiter. "Weißt du, man sagt, dass der Erbauer nur die allerbesten seiner Geschöpfe so früh zu sich holt."
In goldbrauen Kinderaugen bildeten sich Tränen. Dimeloé nahm den kleinen Jungen auf ihren Schoß und umarmte ihn, summte ihm ein Lied, das sie selbst als kleines Mädchen von einer der Huren gelernt hatte - auch sie war hier aufgewachsen, ohne ihre Mutter gekannt zu haben. "Du hast doch diese Handschuhe, nicht wahr, Zevran?" Der Junge nickte still und zog seinen Schatz verstohlen aus seiner Hosentasche - fein gearbeitete, kunstvoll bestickte Damenhandschuhe aus einem sehr dünnen Leder. "Die gehörten deiner Mutter. Sie hat sie sehr oft getragen. Es war die einzige Erinnerung an ihre Heimat. Solange du diese Handschuhe bei dir trägst, wird auch immer ein Stück von deiner Mama bei dir sein."
