Hi, schön daß Ihr reinschaut. Den Anstoss für diese Geschichte hat eine Reportage gegeben, die mich sehr bewegt hat.
Wie geht man damit um, zu wissen, daß man sterben wird? Was wenn man unverhofft noch auf die große Liebe trifft? Ich hab mir dazu meine eigenen Gedanken gemacht.
Reviews sind wie immer sehr gerne gesehen, traut Euch einfach.
DISCLAIMER: Wie immer gehört mir niemand aus der Criminal Minds Crew, ich gebe alle nach Ende dieser Story wieder so unbeschädigt wie möglich zurück. Ich verdiene keinerlei Geld hiermit, diese Geschichte dient nur der Unterhaltung.
Der Song, den Callie im Blue Note singt heisst 'Hurt' interpretiert von Johnny Cash. Auch daran besitze ich keinerlei Rechte, es wurden nur ein paar Zeilen geborgt.
"Es tut mir sehr leid, Miss Aimes. Aber wir hatten über diese Möglichkeit gesprochen."
"Ich weiss, Doktor. Aber über eine Möglichkeit zu sprechen und dann vor einer Tatsache zu stehen, sind zwei verschiedene paar Schuhe, wenn Sie verstehen, was ich meine." Callie war so abrupt aufgestanden, daß der Stuhl fast umkippte.
"Miss Aimes, bitte. Sie können natürlich noch andere Kollegen zu Rate ziehen. Ich habe Ihre Aufnahmen zu meinem Kollegen Dr. Sykes in Chicago geschickt. Er ist einer der besten Neurologen und Operateure, die ich kenne." Dr. Malone wusste, wie unecht sich das anhörte. Kayleigh Aimes würde sterben, er wusste das und sie wusste es auch. An solchen Tagen hasste er seinen Job, Kayleigh war gerade Mitte Dreißig und hatte eigentlich das Leben noch vorsich.
"Wie lange, Dr. Malone?" Callie´s Frage riss ihn aus seinen Überlegungen.
"Zwölf Monate, vielleicht weniger."
"Zwölf Monate", wiederholte Kayleigh tonlos und versuchte, die Fassung zu wahren. Versuchte, das Schluchzen und das Weinen zu unterdrücken, das sich den Weg aus ihrem Innersten bahnen wollte. "Ich danke Ihnen. Für alles, was Sie getan haben." Kayleigh reichte ihrem Arzt die Hand.
"Ich wünschte, ich könnte mehr tun, Callie. Ihr Rezept ist bereits in der Apotheke hinterlegt, ich stelle Ihnen jederzeit ein Neues aus, wenn die Schmerzen zu stark werden." Kayleigh nickte nur und verlies die Praxis.
sechs Monate später...
Punkt 7: In einer Bar singen
Callie konnte auch diesen Punkt abhaken. Allerdings war aus Punkt 7 eher Kapitel 7 geworden. Kayleigh sang seit gut einer Woche in dieser Bar. Freddie, der Besitzer des 'Blue Note' war begeistert von ihr und sie lies sich dazu überreden, es häufiger zu tun. Es machte ihr Freude und es ging ihr noch relativ gut, die Schmerzen und die neurologischen Ausfälle hielten sich in Grenzen, so als ob 'Bill', wie sie ihren unerwünschten Begleiter getauft hatte, ihr eine kleine Atempause gewähren wollte.
Hotch betrat das 'Blue Note' um Viertel nach zehn. Heute war Haley´s zweiter Todestag und der Schmerz wurde für Hotch nicht weniger. Eher im Gegenteil. Er fühlte sich einsam und im Grunde, verloren. Jack war sein einziger Fixpunkt, aber selbst ihm konnte Hotch heute so nicht unter die Augen treten, er konnte heute nicht seine Dad-Maske aufsetzen und so tun, als wäre alles in Ordnung. Nichts war in Ordnung, dachte Hotch, gar nichts. Sein Job brachte ihn im Moment an seine persönlichen Grenzen. All das Leid, der Schmerz und der Tod. Hotch gab sich nach aussenhin völlig emotionslos. Er wusste, wieviel Sorgen sich alle um ihn machten, aber er fühlte sich regelrecht erdrückt von ihrer Fürsorge. Nichts davon brachte ihm Haley zurück, gar nichts.
Er saß an der Bar und starrte auf seinen Glenfiddich. Ein, zweimal im Jahr kam er hierher. Wenn es zu schlimm wurde. Sie waren vorhin aus Bangor, Maine gekommen. Fünf kleine Mädchen waren dort brutal ermordet worden, alle in Jack´s Alter. Im Moment war das mehr, als Hotch ertragen konnte.
I hurt myself today,
to see if I still feel.
I focus on the pain
the only thing that´s real
Hotch drehte sich Richtung Bühne, ihre Stimme ging ihm durch und durch. Und sie hatte so recht. Der Schmerz war das Einzige, was Realität war.
What have I become
my sweetest friend
Everyone I know
goes away in the end
Was ist aus mir geworden, dachte Hotch. Ja, was? Ich sollte meinem Sohn beibringen, was Liebe ist und daß sein Vater einmal ganz anders war. Er leerte das Glas auf einen Zug.
Er war Callie sofort aufgefallen. Das 'Blue Note' war nicht wirklich voll, kein Wunder, es war Dienstag. Die Woche hatte gerade angefangen. Er trug einen Anzug, der wie angegossen saß, wie eine Rüstung, dachte Callie unvermittelt. Und er machte den Eindruck, als würde er zusammenbrechen, zöge diesen Anzug aus. Konzentrier Dich auf Deinen Text, ermahnte sich Kayleigh, deswegen bist Du hier.
I wear this crown of thorns
upon my liar´s chair
full of broken thoughts
I cannot repair
Nein, man konnte Gedanken nicht reparieren, genau so wenig wie Gefühle und Leben. Hotch war bei Glenfiddich No.3 angekommen.
Als Callie um Mitternacht ihren letzten Song beendete, saß Hotch immer noch an der Bar. Callie winkte den Barmann zu sich heran.
"Der wievielte war das?" fragte sie.
"No.8, Callie. Aber ich hab nicht den Eindruck, daß er auch nur ansatzweise betrunken ist. Ich soll Dich übrigens fragen, was Du trinken willst?"
"Bring mir ein Ginger Ale, Charlie."
Callie setzte sich zu Hotch. "Ist es okay, wenn ich nur ein Ginger Ale nehme?"
Hotch nickte.
"Vielleicht sollten Sie auch langsam umsteigen?"
Hotch drückte ihr seinen Autoschlüssel in die Hand und sah ihr dabei in die Augen. "Besser?"
Callie lächelte kurz, "Besser. Aber keine Lösung, ich weiß das, ich hab´s schon versucht. Die Probleme schwimmen immer oben, egal, wieviel man intus hat." Was machst Du da, dachte Callie ärgerlich. Einen Unbekannten in einer Bar aufreissen, war kein Punkt auf der Liste. Aber da waren seine Augen, Kayleigh hatte noch nie so viel Schmerz und Trauer gesehen. Sie würde sterben und den Schmerz einfach hinter sich lassen, aber er?
"Ich werde Sie nach Hause fahren, in Ordnung?"
"Ich kann nicht nach Hause", antwortete Hotch leise.
"Hier können Sie aber auch nicht bleiben, Charlie wird in einer Stunde zumachen."
"Ich kann in meinem Auto schlafen", sagte Hotch in leicht trotzigem Tonfall und lieferte einen Hinweis darauf, daß die acht Scotch doch nicht spurlos an ihm vorüber gegangen waren.
"Das könnten Sie. Aber meine Couch ist ziemlich bequem, ich denke, Ihr Auto kann da nicht mithalten."
Aaron schlief, kaum daß er im Auto saß. Callie musste ihre linke Hand massieren, bevor sie losfahren konnte. Ihre komplette linke Seite fühlte sich taub an. Callie stöhnte leise, nicht jetzt, dachte sie, bitte nicht jetzt. Es dauerte eine Weile, bis sie losfahren konnte.
Hotch zeigte sich kooperativ, als sie ihn weckte.
"Ich bin zu Hause." Callie musste ihn nur einmal leicht schütteln.
"Haley?", fragte er leise und Callie berichtigte ihn sachte.
"Kayleigh"
"Kayleigh", wiederholte Hotch, streichelte über ihre Wange und küsste sie ganz vorsichtig. Warum nicht, dachte Callie. Eigentlich war es doch egal. Sie wollte spüren, daß sie noch lebte und das mit jeder Faser ihres Körpers. Sie erwiderte seinen Kuss, er war nicht fordernd, eher bittend, nach Wärme und Nähe, vielleicht konnten sie sich ja gegenseitig ein wenig von dem Schmerz nehmen. Callie legte ihren Arm um seine Hüfte, als sie gemeinsam den Aufzug betraten. Hotch lehnte sich ein wenig an sie, es fühlte sich richtig an, nicht alleine zu sein. Er war es schon so lange.
"Ist Hotch noch nicht da?"
JJ stellte Rossi einen Becher heissen Kaffee auf den Tisch und bot ihm einen Muffin an.
"Double Choc?" fragte Dave und JJ nickte lächelnd. Schleckermäulchen, dachte JJ als Dave geniesserisch abbiss.
"Machst Du Dir keine Sorgen um ihn? Ich meine, er sieht furchtbar aus, in letzter Zeit. Wie ein Gespenst, Dave."
"Ich weiß JJ. Du kannst ihn aber doch nicht zwingen, Hilfe anzunehmen. Vielleicht nimmt er sich heute frei, wir zwei sollten eigentlich ja auch noch zu Hause sein." JJ stöhnte kurz.
"Will?" fragte Rossi und JJ rollte mit den Augen.
"Ist es nicht immer Will?"
"Ich dachte, es läuft wieder ganz gut zwischen Euch, oder habe ich mich da getäuscht?" Dave wusste schon seit einiger Zeit, daß es Probleme zwischen Will und JJ gab.
"Es ist ein ständiges Auf und Ab, Dave. Immer wenn ich denke es ist jetzt alles in Ordnung, zieht sich Will an irgendeiner Kleinigkeit hoch und die Streitereien gehen von Vorne los. Es sollte doch einfacher sein, wenn man zu zweit ist, oder?"
Dave schmunzelte kurz, "Na ja, zumindest kann man als Paar Probleme teilen, die man als Single gar nicht hatte."
JJ kicherte, "Ich wüsste nicht, was ich ohne Dich machen sollte, Dave. Was ist jetzt mit Hotch? Rufen wir ihn an?"
Morgan steckte den Kopf zu Tür herein, "Hotch noch nicht da?"
Dave und JJ schüttelten gleichzeitig den Kopf.
"Oh, ist das ein Double Choc Muffin, den Dave da isst?" Derek setzte seinen Hundeblick auf, "Ich hatte heute noch nichts Süsses, JJ."
JJ klappte ihre Tupper-Dose auf und zauberte einen weiteren Muffin hervor, "Ich nehme schon an, Du meinst, nichts Süsses zu Essen?"
Derek grinste nur. "Ich geniesse und schweige, wie immer."
Hotch wachte auf, weil irgendetwas nicht stimmte. Das Bett, sein Bett? Wirkte... bevölkert? Hotch blinzelte und stöhnte leise. Das Rollo war zwar herunter gezogen, aber es war trotzden hell genug im Zimmer um zu erkennen, daß das hier nicht sein Schlafzimmer war. Und der blonde Wuschelkopf gehörte auch nicht Jack. Ganz langsam erinnerte er sich wieder, Kayleigh? Kayleigh aus dem 'Blue Note'. Sie hat mich mit zu sich genommen, weil ich nicht nach Hause wollte, dachte Hotch. Er erinnerte sich an grüne Augen, die sich in seine gebohrt hatten, leidenschaftliche Küsse und Berührungen. Und er erinnerte sich daran, wie sie sich geliebt hatten, wie Ertrinkende, verzweifelt und Vergessen suchend. Auch daran, daß Callie geweint hatte.
Callie bewegte sich, die Bettdecke verrutschte und gab ihren Rücken frei. 'Carpe Diem' stand vertikal in verschlungenen Lettern auf ihrem Rücken, eingerahmt von einer Rose unterhalb ihres Nackens und einer über ihrem Po. Hotch streichelte mit einem kleinen Lächeln über ihr Tattoo, 'Carpe Noctem' wäre passender gewesen. Hotch stand vorsichtig auf.
"Die zweite Türe rechts", murmelte Callie, "das Badezimmer, meine ich. Frische Handtücher sind im Regal hinter der Tür."
"Danke", murmelte Hotch zurück. Anscheinend war es okay für sie, daß er noch hier war. Hotch hatte keinerlei Erfahrung in diesen Dingen, vor Haley hatte es nur eine Andere gegeben und auch mit ihr war er länger als nur eine Nacht zusammen gewesen. Das hier war völliges Neuland.
Callie hörte das Wasser der Dusche rauschen und setzte sich langsam auf. Die Kopfschmerzen waren wieder da, die Atempause war kurz gewesen, sie griff zu ihrem Vicodin in der Nachttischschublade. Das Röhrchen war schon wieder fast leer, sie schluckte das Zeug wie m & m´s. Er hat sich nicht einfach aus dem Staub gemacht, dachte Callie. Sie hatte deutlich registriert, wie er über ihr Tattoo gestrichen hatte, ganz sachte. Ob er dabei gelächelt hat? Callie schüttelte unwillig den Kopf, es war völlig egal, ober er gelächelt hat oder nicht, sie würden sich sowieso nicht wiedersehen. Sich in diesen Mann zu verlieben, wäre das Dümmste überhaupt. Ich kenne ja noch nicht einmal seinen verdammten Namen. Kayleigh zog sich schnell etwas über und sammelte seine Kleidung ein. Sie legte sie ordentlich auf einen Sessel.
Hotch genoss das Prasseln des heissen Wassers auf seinem Körper und es roch sehr angenehm nach Orangenblüten. Er musste sich durch ein paar Flacons schnuppern, bevor er sich für das Duschgel mit besagten Orangenblüten entschied. Zu Hause stand gerade mal eine Sorte, Hotch war nicht so experimentierfreudig. Bei Callie stapelten sich Tiegelchen, Töpfchen und Flacons. Hotch stand mittlerweile vor dem Spiegel, gegen die Bartstoppeln konnte er im Moment nichts machen, er strich probehalber darüber, so schlimm war es noch nicht. Er machte sich wieder auf ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen. Hotch konnte Callie in der Küche werkeln hören, ausserdem blubberte die Kaffeemaschine. Etwas unsicher betrat Hotch die Küche.
"Guten Morgen."
"Hi, ich sehe, Du hast alles gefunden?"
Hotch nickte, "ich hab Dich gestern zu nichts überredet, was Du nicht wolltest, oder? Ich meine, ich weiß daß wir miteinander geschlafen haben, aber..."
"Du weißt nicht mehr genau, wie es dazu gekommen ist", ergänzte Callie und reichte ihm einen Becher Kaffee. "Milch, Zucker?" Hotch bediente sich an Beidem. "Ich denke, Du hattest einen ziemlich schlimmen Tag. Auf jeden Fall wolltest Du nicht nach Hause und Du hast mich angesehen, wie so ein waidwundes Reh und dann ist es einfach passiert."
"Wie ein waidwundes Reh?" wiederholte Hotch.
"Waidwunder Hirsch?" schlug Callie stattdessen vor.
"Mit Hirsch könnte ich schon eher leben", Hotch´s Mundwinkel zuckten leicht nach oben. Sie schien eine unkomplizierte Frau zu sein. "Must Du irgendwo hin? Ich kann Dich fahren, Dein Auto steht doch noch an der Bar."
"Das wäre sehr nett. Ich mache nachher einen Tandemsprung, zum Flugplatz komme ich ohne Auto nicht hin."
So, das war also Kapitel eins. Hotch ist in dieser Geschichte etwas OoC, meine dichterische Freiheit, *g* Ein bisschen Feedback wäre nett, soll´s weitergehen?
