„Theoden, konzentrier dich bitte. Wenn in ein paar Tagen der Truchsess Gondors eintrifft, will ich nicht, dass du dich und damit auch mich lächerlich machst! Also noch einmal, sprich mir nach:..."

Die Tür auf der anderen Seite des hell erleuchteten Raumes schwang auf und eine ergraute, behäbige Frau in grauem Kleid und schmutziger Schürze wackelte in den Raum.

Ihr faltiges Gesicht leuchtete vor Aufregung und Elja fragte sich, welchen Klatsch die Alte nun wieder aufgeschnappt hatte.

„Elja, Kind, Ihr habt Besuch, stell sich das einer vor und was für einen! Das ist noch aufregender als Ihr und der junge Thorongil ankamt! Lasst Theoden in meiner Obhut, Ihr werdet in der Halle erwartet, macht schnell!"

Hastig raffte Elja ihre Haare zusammen und ließ mit fragendem Blick die alte Amme mit ihrem königlichen Schüler, der froh um eine Pause zu sein schien, allein.

Seit beinahe genau zwei Jahren weilte Eljathel, zumeist schlicht Elja genannt, schon in Edoras, der Hauptstadt Rohans, und lehrte den jungen Prinzen Theoden die eher simple Sprache Westron und seit einigen Wochen auch das anspruchsvollere Elbische, welches ihre Muttersprache war.

Ihr Schüler war jung und in der Regel von stürmischer Natur, aber zu Eljas Erleichterung auch interessiert und aufmerksam. Seit ihrer Ankunft widmete sie sich dem Unterricht des Prinzen und nebenbei auch einiger interessierter Bewohner der Hauptstadt und ansonsten nur ihren eigenen Studien und anderen alltäglichen Dingen. Sie hatte niemals Besuch erhalten.

Mit gerafften Röcken eilte sie in den Thronsaal, unendlich gespannt darauf, wer sie aufsuchen würde.

„Mithrandir!", rief sie erfreut aus, als sie ihn schon von hinten am langen, grauen und schmutzigen Kapuzenmantel erkannte. Auf seinen knorzeligen Stab gestützt, drehte sich der Zauberer um und begegnete ihr mit seinem typischen funkelnden, wachen Blick und einem Lächeln.

Freudig umarmte Elja den alten Mann, sie reichte gerade mal an seine Brust und lächelte Thengel, dem König, zu.

Der junge Dúnedain Aragorn, der hier Thorongil genannt wurde, saß am Tisch mit des Königs Kriegern und zwinkerte ihr lebhaft zu.

Aragorn war gemeinsam mit ihr auf Mithrandirs Veranlassung nach Edoras gekommen, um den König im Kampf gegen die zunehmenden Orküberfälle zu unterstützen, die das Land plagten.

Thengel indessen schaut betrübt drein und schenkte ihr nur ein trauriges Lächeln.

Mit aufgesetzter böser Miene blickte Elja den Zauberer an.

„Mithrandir, dein Besuch scheint den König zu betrüben, was hat der graue Zauberer nun wieder ausgeheckt?"

„Ich hecke niemals etwas, wie du es nennst, aus, gute Eljathel. Ich muss dem König lediglich etwas wegnehmen, was ich ihm zuvor selbst großzügigerweise gebracht habe. Ich brauche jemanden für ein Abenteuer. Jemanden, der sich gleichermaßen mit Zwergen und mit Elben auskennt, und derer sind nicht viele. Noch weniger wenn man die ausschließt, die zu alt und gebrechlich sind."

„Und wohin soll uns diese Reise führen auf die du gedenkst mich zu entführen?"

„Immer diese Anschuldigungen! Entführung! Nunja, sie führt uns ins hübsche, ruhige Auenland, wo wir über den weiteren Verlauf unseres Abenteuers beraten werden."

Elja musste nicht lange darüber nachdenken, ob sie Gandalf helfen würde oder nicht.

„Wie immer machst du es spannend. Aber gut, ich weiß ich schulde dir diesen Gefallen. Wann brechen wir auf?"

„Am liebsten wäre mir vorgestern, aber sofort wird auch reichen. Hast du eine Ausrüstung?"

„Ja. Und auch ein Pferd."

„Ist es schnell?"

„Wie der Wind", antwortete sie grinsend.

„Gut. Dann pack zusammen und finde möglichst schnelle Worte des Abschieds."


Als Elja in ihre kleine Kemenate zurückkehrte, saß der kleine Theoden auf der hölzernen Truhe, die vor ihrem Bett stand und schaute sie erwartungsvoll an.

Die junge Lehrerin seufzte bei dem Gedanken daran, dass sie von ihm Abschied nehmen musste, schließlich war sie fast zwei Jahre täglich an seiner Seite gewesen. Sie setzte sich neben ihn, woraufhin er auf ihren Schoß saß.

Sofort griff er in ihre dunkelbraunen Locken und spielte damit, wie schon tausende Male zuvor.

Elja holte tief Luft und sagte:

„Theoden, ich muss leider für eine Weile fortgehen."

Der Junge stoppte das gewohnte Spiel mit ihren Haaren und blickte sie ernst an.

„Ziehst du mit meinem Vater in eine Schlacht?"

„Nein, nein, ich tue nur einem Zauberer einen Gefallen, junger Prinz. Es ist sehr wichtig, dass ich ihm helfe, denn ich schulde ihm diesen Gefallen. Verstehst du das?"

„Ja, Lady Eljathel, ich denke schon. Kommst du denn zurück?"

„Ich hoffe es. Ich werde dich und jeden hier sehr vermissen. Vergisst du mich auch nicht?"

„Niemals, Lady Eljathel, das geht gar nicht."

Sie lachte glucksend.

„Da bin ich ja erleichtert. Lauf jetzt bitte zu deinem Vater, er wartet auf dich, ich komme gleich nach."

„Gut", nickte der Junge und flitzte aus ihrem Zimmer.

Elja stand auf und öffnete die Truhe in der ihr ganzes Hab und Gut ruhte.

Eilig tauschte sie ihr rotes Kleid gegen eine Reithose aus aufgerautem, braunen Leder, feste Stiefel, ein weites, cremefarbenes Leinenhemd und ein ledernes, metallbeschlagenes Schnürmieder. In ein gewachstes Tuch stopfte sie das Kleid, ihre Wäsche und einige persönliche Dinge, Bücher, Pergament, Federkiele und Tinte, ohne die sie nicht gehen wollte.

Als sie aus ihrer Tür trat, warf sie sich ihren dicken, hellbraunen Wollmantel um ihre Schultern.

Der junge Aragorn wartete vor ihrem Zimmer auf sie, um sie vor die Halle zu begleiten.

~"Ich hätte es auch getan ohne, dass du mich darum bitten musst, das weißt du doch."~

~"Es schien mir dennoch anständiger zu sein darum zu bitten."~

~"Also?"~

~"Nun, falls euer Weg euch nach Imladris führt, sagt Lady Arwen... Also sagt ihr..."~

Der Waldläufer schien keine Wort zu finden, so hob Elja ihre Hand und unterbrach ihn lächelnd.

~"Schon gut, Elessar, ich weiß was ich ihr sagen werde."~

Erleichtert atmete Aragorn aus und nickte.

~"Danke, Eljathel. Viel Glück bei deinem Abenteuer. Ich hoffe wir sehen uns eines Tages wieder."~

Sie umarmte ihn ein letztes Mal und trat dann durch das Tor der goldenen Halle.

Die Königsfamilie, der gesamte Hofstaat und einige Bedienstete hatten sich vor der Goldenen Halle eingefunden um sie zu verabschieden.

Elja trat vor den König und seine Frau, die den kleinen Theoden an der Hand hielt.

„Es tut mir weh euch gehen zu lassen, Eljathel, aber Gandalf Graurock wird wissen was er tut. Möge das Glück auf all Euren Wegen mit Euch sein und möget Ihr außerdem eines Tages nach Meduseld zurückkehren."

„Ich danke euch, Thengel König, ich werde Eure Gastfreundschaft vermissen."

Sie wandte sich an Theoden:

„Pass auf dich auch, junger Prinz. Wir werden uns wieder sehen und dann werde ich sehen wie gut dein Westron geworden ist."

Ein Stallbursche führte ihr fuchsfarbenes Pferd Eordhe, dass sie vom König geschenkt bekommen hatte, vor und Elja drückte ihrem nun ehemaligen Schützling Theoden einen letzten Kuss auf die vor Kälte rote Backe.

Sie warf einen letzten Blick auf die goldene Halle als sie sich auf den breiten Rücken ihrer kleinen Stute schwang und spürte einen leisen Stich im Herzen.

Sicher, sie schuldete Gandalf diesen Gefallen und sie würde es genießen sich endlich wieder auf eine größere Reise zu begeben, aber dennoch, sie hatte in Edoras eine zweite Heimat gefunden, man war ihr mit einer seltenen Freundlichkeit und Liebe begegnet, etwas was sie niemals zuvor erfahren durfte.

Selbst in Imladris war man ihr aufgrund ihrer Herkunft stets mit Vorsicht oder gar Misstrauen begegnet.

Nur Herr Elrond, der selbst nur ein Halbblut war, war ihr stets mit Wohlwollen begegnet.

Also wandte sich Eljathel mit einem lachenden und einem weinenden Auge von Edoras und der winkenden Königsfamilie ab, gab Eordhe die Sporen und ritt an Gandalfs Seite gen Norden auf ein Abenteuer zu, dessen Ausgang ungewiss war.


AN: „~" = markiert Gespräche in Sindarin

Mein erste FanFic auf dieser Seite und auch meine erste in Tolkiens Universum... Aber es wurde Zeit!
Ich hoffe jemand findet Gefallen hieran, damit ich weiterschreiben kann ;)