High School war nie besonders spannend für mich. Nicht dass ich irgendwie ausgeschlossen wurde oder so aber ich gehörte auch nicht wirklich zu diesem beliebten Kreis, der sich jeden Montag darüber ausließ wie mega krass das letzte Wochenende war oder wie viel sie gesoffen hatten.

Klar, ich hatte auch schon diverse Partys hinter mir und das eine mal war ich sogar richtig betrunken. Das war dann auch eine Geschichte die rumerzählt wurde und die 5 Minuten Ruhm über mein komatöses schlafen in Celine Baker's Kleiderschrank war es wirklich wert gewesen. Leider vergaßen die Leute das schnell wieder und keiner redete mehr über „Bad-ass Horan" ,wie mich Louis seither gerne nannte, der völlig betrunken im Kleiderschrank gepennt hatte. Dass ich so betrunken war hatte gar keinen wirklich Grund. Ich kante meine Grenzen noch nicht und hatte einfach übertrieben. Dann wurde ein bisschen über mich geredet, manche grüßten mich sogar, das wars. Man hatte mich weder dafür fertig gemacht, noch mich in den Kreis der Obermacker eingeführt. Alles beim Alten eben.

Ich war in der 12. Klasse, nächstes Jahr würde ich mein letztes Jahr hier verbringen und mein A-Level, hoffentlich, in den Händen halten.

Ich hatte noch keine Ahnung was oder wo und überhaupt ob ich studieren wollte aber wenn es nach meinen Eltern ging würde es wohl etwas mit Bwl sein oder sowas. Dad sagt mit Wirtschaftslehre kann man immer irgendwas machen. Wenn man mich fragte war Wirtschaftslehre mit einem fiesen Pickel zu vergleichen, unnötig, schmerzhaft und beschissen.

Ich habe blaue Augen und braune Haare, die ich gerne blondierte.

„Niall, wir befinden uns nicht im Krieg, du musst dein Sandwich nicht in Lichtgeschwindigkeit hinunter schlingen!" Louis lehnte sich Kopfschüttelnd in seinem Stuhl zurück während er genüsslich seine Pommes aß. Ich für meinen Teil bevorzugte die schnelle Variante. Nicht dass ich mein Essen nicht genoss aber meine letzte Mahlzeit lag bereits 6 Stunden hinter mir und ich hatte einen Bärenhunger.

„schab hungaa!"

„Oh bitte, mach wenigstens den Mund leer wenn du redest!"

Manchmal benahm sich Louis wirklich wie ein Mädchen. Kein Wunder dass er uns Harry sich wie ein altes Ehepaar verhielten. Ich hatte das Gefühl sie verwechselten mich oft mit ihrem Kind. Louis fuhr sich durch seine kurzen braunen Haare.

Harry für seinen Teil lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und schlief. Er hatte sich an den neuen Schulrhythmus noch nicht gewöhnt. Sein Ferienrhythmus bestand darin um 6 ins Bett zu gehen und irgendwann gegen 3 oder 4 am Nachmittag aufzuwachen. Dass er jetzt um 6 wach sein musste, warf ihn etwas aus der Bahn. Auch wenn wir schon seit über 4 Wochen Schule hatten.

Schule war okay, ich war guter Durchschnitt, außer in Mathe, da hatte ich so meine Probleme aber ich sah das recht locker. Louis war auch nicht gut in Mathe, nur Harry, und jeder wunderte sich darüber, der war sogar ziemlich gut darin. Er war im Leistungskurs und einer der besten. Nicht dass Harry besonders lernte, seine anderen Noten ließen eher zu wünschen übrig aber Mathe war irgendwie sein Ding. Wenn er seine Hausaufgaben machen würde, wäre er sogar Klassenbester. Leider hatte er nie besonders Lust die zu machen.

„In 2 Wochen ist Susan King's Hausparty, gehen wir hin?" Ich hatte mein Sandwich bereits gegessen und machte mich heimlich an Louis Pommes zu schaffen. Ich blinzelte einen Moment und zuckte mit den Schultern.

„Meinetwegen." meinte ich und tauchte eine der lapprigen Pommes in das Ketchup bevor ich sie mir in den Mund stopfte.
Von Harry kam nur ein Brummen, dann ein hochgehaltener Daumen.

„Wie geht's Mister X?" Louis Augen strahlten jedes mal wenn er mit dem Thema anfing.

„Alles bestens!"

„Ich bin so knapp davor herauszufinden wer er ist!" Lou rieb sich die Hände und schaute über unsere Körper durch die Cafeteria.

Ich seufzte schwer.

„Lou, lass es. Ich hab keine Lust dass er mich für einen Spinner hält!"

„Aber wir wissen doch schon so viel!"

„Lou."

„Vielleicht kommt er heute auf das Konzert?!"

Ich seufzte und ja ich dachte daran.

Mister X, wie Lou ihn gerne nannte, war sowas wie mein Brieffreund. Wir gaben uns keine Namen wenn wir schrieben, wir schrieben einfach was uns auf der Seele lag. Das ganze hatte am ersten Tag nach den Ferien, vor genau 4 Wochen angefangen.

.*.*.*.*.

Wir hatten das Klassenzimmer am Ende des Ganges im untersten Stock im C Block unserer Schule. Hier gab es sonst kein anderes Klassenzimmer, nur ein Computerraum, ein Raum für die Klassensprecher und den Raum des Hausmeisters, den ich nur einmal in meinem Leben betreten hatte weil ich in der 6. meine Colaflasche hab fallen lassen und Mr. Takato mir einen Wischmop samt Eimer geben musste. Man verstand ihn kaum, er war Japaner und murmelte meist auch irgendwas japanisches vor sich hin, was natürlich keiner verstand.

Man sah also wirklich niemanden hier im Erdgeschoss des C-Blocks.

Durch die Fensterfront konnte man direkt auf den Sportplatz schauen, der aber dennoch in weiter Ferne lag. Wir hatten fast ausschließlich in diesem Raum Unterricht. Nur Chemie, Physik und Biologie fand in den Laborräumen statt. Und natürlich Sport und Musik aber das sprach ja schon für sich. Wenn wir also in besagten Fächern nicht in diesem Raum waren, gab es nur eine Klasse die noch hier drin war. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht welche Klasse es war. Louis sei dank wusste ich es irgendwann. Es war eine Abschlussklasse, 13c um genau zu sein. 36 potentielle Brieffreunde. Lou hatte es nur zufällig bemerkt als er zu spät zur ersten Stunde Biologie kam und dann einfach direkt vor dem Klassenzimmer wartete. Diese Klasse war besonders. Jeder mochte sich dort und natürlich gehörten alle zu besagten Obermackern. Das war so eine Klasse, in die jeder gehören wollte, alle sahen so perfekt aus und führten wahrscheinlich auch perfekte Leben.

Jedenfalls hatten wir unseren ersten Tag zuerst in diesem Zimmer, die letzte Doppelstunde war Chemie im Laborraum. Man traf die nächste Klasse natürlich nicht, immerhin war der Weg von den anderen Blöcken zum C Block ziemlich weit und wahrscheinlich verbrachten sie, wie wir auch, jede freie Minute im A Block. Dort war auch die Cafeteria und die ganzen anderen Leute. Im B-Block befanden sich sämtliche Laborräume und Werkräume. Harry nannte den B-Block immer Hogwarts, weil er der Meinung war Naturwissenschaft wäre Zauberrei.

Ich kam also ein paar Tage später in unser Klassenzimmer am anderen Ende der Welt und setzte mich an meinen Platz. Wie jedes Jahr saß ich ganz hinten am Fenster. Neben mir saß Harry und vor ihm Louis.

Auf meinem Tisch stand in geschwungener Schrift ein simples Hi. Kein Name, kein Smiley oder Penis, wie es sonst immer der Fall bei Tischschmierereien war, einfach nur Hi

Also antwortete ich, war ja nichts dabei. Mit meiner Kinderschrift schrieb ich Hi, was geht?. Nicht besonders kreativ aber was sollte man sonst auf ein Hi antworten?

Es war verboten auf Tische zu schreiben aber es machte trotzdem jeder. Harry hatte im 9. Schuljahr mal seinen ganzen Tisch mit komischen Zeichen bemalt. Dafür musste er dann Nachsitzen aber es sah ziemlich kunstvoll aus und ich glaube Mrs. Locker fand das auch, trotzdem musste er nachsitzen.

Ich dachte nicht mehr weiter darüber nach bis ich am nächsten Tag wieder in das Zimmer kam und unter meiner Kinderschrift

Der Unterricht bei Mr. Williams ist zum einschlafen. Bei dir?

Ich musste schmunzeln. Mr Williams hatte ich auch in Englisch. Er redete noch langsamer als Harry und das war schon eine Kunst. Außerdem machte er gerne kunstvolle Pausen zwischen seinen Sätzen. Das sollte wohl poetisch rüber kommen. Mich machte es nur müde und aggressiv.

„Wieso lachst du?" Louis Stimme riss mich einen Moment aus meiner Gedankenblase. Er zog seine Tasche über den Kopf und lies sich auf seinem Platz nieder.

„Ach nichts, hab an was witziges gedacht!" Louis sah misstrauisch aus aber ich hatte keine Lust ihm von dem Tischschreiber zu erzählen.

Du würdigst also die poetische Darbietung unseres Mr. Williams nicht? Schande! Haha

Ich hab Mathe Doppelstunde. Mein Todesurteil.

Ich grinste über meinen Satz, dann begab ich mich in meine persönliche Hölle Namens Mathematik bei Mrs Locker. Sie war okay, eine coole Lehrerin aber Mathe, Man echt ich würde es nie verstehen.

Bis dahin hatte ich mir nicht viele Gedanken über meinen Tischschreiber gemacht. Ich fand es witzig dass wir uns schrieben und langsam wurde es zur Routine.

Poesie ist eine Kunst, meine Kinder! -lange Pause- eine Kunst seinen Gefühle -lange Pause- eine Bedeutung zu geben! -ich bitte um Applaus-

Also bist du kein Mathegenie?

Ich musste lachen als ich sein Kommentar am nächsten Tag las. Genau diesen Satz predigte Mr. Williams tagtäglich in unserer Englischstunde.

„Okay, was ist so witzig?" kam es genervt von der Seite. Ich schaute zu Louis.

„Ach nichts. So jemand aus einer anderen Klasse hat was auf den Tisch geschrieben."

Louis grinste „Was versautes?"

Ich stöhnte „Nein, was lustiges!"

Er kam rüber und las die paar Zeilen. „Süß, wer ist es?" Ich runzelte die Stirn. „Keine Ahnung, hab mir noch keine Gedanken darüber gemacht." Louis kratzte sich am Kinn. „Hazza, weißt du wer hier noch Unterricht hat?" Harry kam gerade ins Zimmer. Seine Augen waren so klein vor Müdigkeit, dass er überhaupt das Zimmer gefunden hatte war verwunderlich. Er stand einen Moment lang einfach nur da dann schüttelte er den Kopf. „Nee, warum?" Louis winkte ihn her und nachdem er die Zeilen gelesen hatte grinste er leicht. „Hast du ein Mädel am Start?"

„Keine Ahnung ob es ein Mädchen ist. Ist doch auch egal!"

„Also doch lieber Jungs?"

Ich schnaubte zur Antwort. Was machten die überhaupt für ein Theater? Es waren doch nur ein paar kleine Zeilen. Völlig belanglos. Das Zimmer füllte sich und noch während Louis angestrengt nachdachte und Harry sich auf seinen Stuhl fallen lies fing ich an meinem Tischschreiber zu antworten.

haha oh mein Gott. Er sagt das zu euch auch ständig?
Ich und Mathe, wir hatten bis zur 4. Klasse ein recht gutes Verhältnis, danach lief es nicht mehr so gut und inzwischen hat es mich ganz aufgegeben

Ab diesem Zeitpunkt fing ich an mir Gedanken darüber zu machen wer es sein konnte. Ob er wusste wer ich war oder ob er sich fragte wer ich war. Ob es überhaupt ein Er war und warum ich mir immer vorstellte es wäre ein Er. Seinen Erzählungen zu Folge musste es aber ein Kerl sein. Oder ein sehr männliches Mädchen aber das glaubte ich nicht. So vergingen die Wochen und ich erwischte mich jeden Tag aufs neue wie ich mich auf eine Antwort von „Mister X" freute.
Wir redeten über unsere Lehrer, über das schreckliche Essen der Cafeteria und den muffigen Umkleideraum, der wahrscheinlich noch nie richtig geputzt wurde. Er hatte so eine Art zu schreiben, die mich zum lächeln brachte. Unsere Gespräche hatten es bis dahin nicht über die Schule hinaus geschafft und besonders privat waren sie auch nicht aber sie waren trotzdem besonders.

Während Louis alles versuchte um herauszufinden wer es war, versuchte ich das ganze eher zu vermeiden. Nicht dass ich Komplexe hätte oder so aber ich hatte doch etwas Angst dass er enttäuscht wäre wer ich bin.

„Frag ihn wer er ist!"

„Auf keinen Fall!"

Louis schnaubte. „Hör zu, nur weil du unbedingt wissen willst wer er ist heißt das nicht dass ich es auch tue!" wir saßen in der Cafeteria und würgten die Spagetti Bolognese hinunter, die es heute hasste den Nudeldienstag.

„Tust du nicht?" fragte Harry und legte den Kopf schief. Seine Mundwinkel waren mit Soße verschmiert, was mich kurz schmunzeln lies.

„Nein!" ich seufzte. „Doch, schon." und meine Backen fühlten sich warm an. Ein Nachteil wenn man so leichenblass war wie ich. Jede kleinste Gefühlsregung zeichnete sich sofort auf meinem Gesicht ab.

Jetzt sah er verwirrt aus „Wo ist dann das Problem?" Ich zuckte mit den Schultern und schaufelte einfach ungehindert meine Spagetti in den Mund.

Die beiden tauschten ein paar Blicke aus, dann ließen sie mich in Ruhe.

Danach hatte ich wieder im Klassenzimmer und dieses mal war nur ein kleiner Pfeil unter meinen letzten Worten, der auf mich zeigte, als ich mich an den Tisch saß. Erst verstand ich nicht ganz was das sollte, dann begriff ich es. Wir hatten schon fast den ganzen Tisch bekritzelt und selbst nachdem wir jedes mal die letzte Unterhalten wegradierten hatten war der halbe Tisch voll.

Ich griff unter die Tischplatte und fühlte Papier. Es war mit einem langen Tesastreifen unter der Platte befestigt. Mein Herz schlug mit einem mal wie wild.

Ich war noch nie irgendwo etwas besonders. Ich war nie besonders gut in einem Fach oder konnte besonders toll singen, tanzen oder malen. Ich war überall guter durchschnitt, mal abgesehen von Mathe. Ich hatte mal eine Freundin in der 8. gehabt. Jeder hatte zu der Zeit eine Freundin und wenn man dazugehören wollte hatte man auch eine. Also ging ich mit Hannah vielleicht 4 Monate aus. Bei ihr hatte ich aber auch nicht das Gefühl ich wäre ihr besonders wichtig. Immerhin hatte sie die Beziehung aus den selben Gründen angefangen wie ich, dazugehören. Sich über seinen Freund aufregen und so ein Kram. Doppeldates am Samstag mit Louis und seiner Freundin. Ich kam mir so dämlich dabei vor.

Jetzt aber hatte ich etwas nur für mich. Mein Tischschreiber schrieb nur mir. Nur ich hatte diesen speziellen Freund, sonst keiner. Das gab mir ein gutes Gefühl. Ja, ich weiß, ich hatte zwei tolle beste Freunde, die alles für mich täten und ich würde auch alles für sie tun aber Harry und Louis haben, auch wenn sie es nie zugeben würden, eine engere Bindung zueinander wie zu mir. Sie schließen mich nicht aus aber die beiden harmonieren einfach. Man könnte fast meinen sie wären zusammen. Wie sie miteinander redeten und wie sie sich mit einem Blick verstanden, manchmal machte mich das richtig eifersüchtig. Ich wollte ja nicht dass sie mich auch so ansahen, ich wollte nur einfach jemanden haben mit dem ich das auch haben konnte. Wenn Louis ein Mädchen wäre, wären sie wahrscheinlich auch zusammen. Harry stand aber eben viel zu sehr auf Brüste und son Zeug, außerdem war er nicht treu und das wäre nichts für Louis. Ich war mir manchmal nicht so sicher ob Louis auf Mädchen oder Jungs stand. Oder ob er vielleicht sogar wirklich auf Harry stand.

Vielleicht war er sich auch nicht sicher. Wir hatten mal darüber geredet aber da waren wir alle betrunken und lagen bei mir im Zimmer auf dem Fußboden. Harry hatte gesagt er würde Brüste vermissen wenn er mit einem Kerl zusammen wäre und ich hatte gesagt ich mochte dunkle Haare, was völlig zusammenhangslos war. Louis hatte nur gelacht und gesagt er würde darauf warten bis er sich verliebt und uns dann sagen ob es ein Mädchen oder ein Junge war. Das fand ich ziemlich gut. So ging es mir irgendwie auch. Das hatte ich aber nicht mehr gesagt weil es Louis Satz war und weil wir dann alle still waren. Wahrscheinlich hatte Harry das auch so empfunden.

Also ich kann wirklich nicht sagen ob ich Mädchen oder Jungen lieber hatte aber ich hatte den Tischschreiber von Anfang an zu einem Jungen gemacht und irgendwie wünschte ich mir auch, dass er einer war. Ob das jetzt die Sache klar machte, wusste ich nicht so genau. Irgendwie ja schon.

Aufgeregt aber dennoch vorsichtig rubbelte ich den Tesastreifen vom Tisch und faltete das Papier auseinander. Mein Herz schlug sofort noch ein bisschen schneller als ich sah, dass das ganze Blatt beschrieben war. Seine Schrift war schöner als auf dem Tisch, jeder Buchstabe sah so perfekt und schön aus. Ich dachte mir sofort dass er ein Künstler sein musste. So schön würde ich mit meiner linken Hand nie schreiben können.

Hallo

Ich dachte mir, der Tisch wird langsam zu klein für unser Gespräch. Und auf Papier lässt es sich auch einfacher schreiben, oder?

Also wenn du das scheiße findest, ist das auch okay. Wie auch immer.

Ich musste grinsen. Ich fand es kein Stück scheiße.

Du hattest davon geredet dass du nicht weißt was du mal studieren sollst. Willkommen im Club. Ich mache dieses Schuljahr meinen Abschluss und habe immer noch keine Ahnung was ich machen soll. Ich bin nirgends besonders begabt. Meine Eltern gehören zu der Kategorie „Mach mal" so ganz ohne Druck aufzuwachsen bringt einen aber auch nicht weiter. Ich mag Musik und zeichnen. Vielleicht erfinde ich einen Superheld?

Er hatte einen kleinen Superheld zwischen die Zeilen gekritzelt. Es war die Art Zeichnung, für die er wahrscheinlich 2 Minuten gebraucht hatte und es aussah als hätte er 3 Stunden daran gearbeitet. Es war ein kleines Männchen mit einer Maske und Cape. Ich wusste dass er ein Künstler sein musste. Er hatte so eine ausdrucksstarke Schrift. Nicht weiblich, stark, kantig und doch schön geschwungen. Die Schrift eines Künstlers.

Wie sind deine Eltern da so drauf?
Was machst du gerne? Du hast erzählt du magst Essen. Das kann aber kein Hobby sein, oder? Ich meine wenn du nicht gerade bei Fresswettbewerben mitmachst oder sowas. Machst du doch nicht, oder?

Jetzt musste ich richtig lachen. Fresswettbewerb? Ich hatte noch nie darüber nachgedacht aber vielleicht wär ich darin mal richtig gut.

Hast du Mathe schon zurück bekommen?

Bring den Schultag rum, bis morgen.

Ich verzog kurz das Gesicht über Mathe, wollte aber gar nicht weiter über rot leuchtende 5+ auf meiner Arbeit in meiner Tasche denken, die ich gestern schon zurück bekommen hatte.

Stattdessen schnappte ich mir meinen Block und fing an zu schreiben.

Hallo Mister X (Ich glaube ich nenn dich jetzt so)

Man klar find ich die Idee gut. Was denkst du denn?

Du solltest auf jeden Fall Comic Zeichner werden! Alter, genial! Ich kauf sie alle. Haha

Man ersthaft, meine Eltern würden das nie durchgehn lassen. Ich soll irgendwas mit Wirtschaft studieren und am besten irgendwann eine Firma leiten. Gar nicht mein Ding.

Ich weiß nicht so recht. Ich häng am liebsten mit meinen Freunden rum, geh essen und hör Musik. Ich hab irgendwie keine richtigen Hobbys, langweilig, oder? Vielleicht sollte ich jetzt wirklich bei einem Fresswettbewerb mitmachen! Haha du musst echt denken ich bin mega fett, oder?

Ich hab Mathe zurück. 5+ meine Mutter wird mich umbringen.

Hab einen schönen Tag, bis morgen

Ich hatte gar nicht bemerkt dass der Unterricht längst angefangen hatte. Mr. Williams hatte mir Gott sei dank keinerlei Beachtung geschenkt und so konnte ich auch unbemerkt das Papier falten und mit dem geliehenem Tesa von Christa, die vor mir saß, den Brief unterm Tisch befestigen.

Als mein Blick nach rechts wanderte schauten mich zwei vielsagende Augenpaare an, die ich nur mit einem Augenrollen quittierte und dann aus dem Fenster schaute.

Mister X gefiel sein neuer Spitzname. Er erzählte mir von seinen Eltern, die zwar recht locker waren aber dennoch wollten dass er gute Noten schrieb und keinen Blödsinn machte, von seinen 3 kleinen Schwestern, die ihn zum Wahnsinn trieben, die er aber trotzdem über alles liebte. Ich erzählte ihm von meinem älteren Bruder, der aufs College ging und meine strengen Eltern, die wollten dass ich mal einen guten Job hatte. Die mich aber Alkohol trinken ließen, weil wir Iren waren und Iren einfach trinken können mussten, was keinen Sinn machte aber solang ich trinken konnte, stellte ich es nicht in Frage.

Unsere Unterhaltungen hatten sich am Anfang nur über die Schule gedreht, inzwischen redeten wir kaum noch über die Schule. Mister X nannte mich Mister Y, was mich freute denn er nahm also auch an, dass ich ein Kerl war und er erzählte mir dass er gerne Fussball spielte, dass er gute Freunde hatte, sich aber manchmal einsam fühlte und ich erzählte ihm dass es mir genauso ging und dass ich ihn verstand. Machmal zeichnete er kleine Männchen an den Rand des Papiers, ich versuchte es auch, war aber eher schlecht als recht. Er fand sie trotzdem schön.

Jedes mal wenn ich ins Zimmer kam und ein neuer Brief auf mich wartete konnte ich meinen Puls kaum kontrollieren. Ich wurde hibbelig und quasselte, kicherte und giggelte nur noch mehr nachdem ich ihn gelesen hatte.

„Du bist ja sowas von verknallt!"

Mein Mund klappte auf. „Was? So ein Quatsch!" Louis lachte sofort und zeigte auf meine linke Backe. „Gott du bist knall rot! Klar hast du dich verknallt!"

Genervt schubste ich ihn von mir weg während wir uns auf den Weg zum Schulbus machten.

„Aww Niall ist verliiiebt!" Louis ging rückwärts vor mir her und formte mit seinen Händen ein Herz. Harry legte mir den Arm über die Schulter und grinste breit.

„Horan du Schürzenjäger!"

„Kommt schon! Ich kenne ihn nichtmal, was soll das?"
„Aber du würdest gerne und du redest von nichts anderem mehr!" Das war Quatsch. Klar, ich redete ab und an von ihm aber es war wirklich nicht so als wäre ich verliebt. Wir hatten etwas besonderes aber von Liebe konnte man da doch noch nicht sprechen.

„Wir kriegen raus wer es ist! Ich krieg raus wer es ist" Louis schaute mich mit ernstem Blick an und ich konnte nicht anders als den Kopf zu schütteln.

„Du hast mehr Interesse an meinem Liebesleben als an deinem!"

„Also würdest du es doch als Liebe bezeichnen?" kam es von Harry. Ich schnaubte.

„Nein! Aber er!" ich zeigte auf Louis.

Vor dem Bus standen ein paar aus der Abschlussklasse. Ein Mädchen mit langen braunen Haaren sang zur Gitarre eines Kerls.
„Wow, ich wusste gar nicht dass Zayn Malik Gitarre spielt!" kam es von Louis, der den Gitarristen offensichtlich kannte. Wir blieben einige Meter entfernt stehen und hörten zu. Sie sang ziemlich gut. Ein paar Schüler standen um die beiden herum. Ein anderes Mädchen und ein Kerl aus der selben Klasse verteilten Zettel in der Menge. Das Mädchen kam bei uns an und drückte mir einen in die Hand. „Kommt zum Konzert! Freitag 20 Uhr!" Man diese Menschen aus der Abschlussklasse hatten alle dieses Strahlen. Sie hatte schulterlanges schwarzes Haar und war so blass wie ich.
„Wenn die auch da ist, komm ich gern!" murmelte Harry als sie sich von uns entfernte. Eine Weile sahen wir drei ihr hinterher, dann zog uns Lou zum Bus. „Woher kennst du eigentlich Zayn Malik?" fragte Harry. Jetzt schaute ich noch einmal zu dem Gitarristen. Er hatte dunkelbraune, fast schwarze Haare, die er hochgestylt hatte. Er sah südländisch aus. Vielleicht türkisch? Oder indisch?

„Er ist in der Fussballmannschaft." Louis interessierte sich für Fussball, spielte sogar selbst im Verein aber nicht für die Schule. Er war ziemlich gut und wir verpassten kein Spiel von ihm.
Einen Augenblick blieb ich auf der letzten Stufe des Busses stehen, schaute den beiden beim musizieren zu, dann schaute Zayn zu uns rüber und ich hatte das Gefühl er erschrak etwas. Mir war sogar als hätte er sich kurz verspielt, dann schaute er zurück zu seiner Sängerin und ich stieg in den Bus.

„Was haben diese Leute aus der Abschlussklasse nur an sich dass sie alle so perfekt aussehn?" Während wir mit den Spätfolgen unserer Pubertät kämpften hatten die perfekte Haut ,sangen oder spielten Gitarre und sahen in ihren tollen Outfits einfach phantastisch aus.

„Ach komm Niall, du siehst gut aus!" Ich grummelte etwas und schaute mir nochmal den Flyer in meiner Hand an. Heaven here ,Vocal/Bass Carrie Patch, Guitar Zayn Malik, Drums Liam Payne

„Wir gehen definitiv hin!" informierte Lou uns. Ich schaute nach draußen auf die Wiese, auf dem die beiden weiter Musik machten. Zayn Malik schaute zum Bus und wieder hatte ich das Gefühl dass er genau mich anschaute.

„Ok" murmelte ich als der Bus losfuhr und die kleine Menschentraube immer kleiner wurde.

Ob Mister x wohl auch da sein würde?

.*.*.*.*.

„Die gesamte Abschlussklasse wird da sein! Er MUSS kommen." Lou steigerte sich gern in die Story rein.

„Wenn er kein kompletter Versager ist, was ich nicht glaube. Diese Klasse hat keine Versager." Wir schauten beide zu den Tischen der besagten Personen. Die Klasse hatte 3 Tischreihen eingenommen. Alle schienen sich prächtig zu amüsieren. Es sah aus wie in einer dieser Teeniefilme. Eine Weile sahen wir uns das ganze an. Geflirte, Gekicher und Insider Witze. Lou seufzte schwer, dann drehten wir uns zu seinen Pommes.

„Er wird völlig enttäuscht sein wenn er herausfindet dass ich ich bin!"
„Ach halt die Klappe! Ich gebe mich nicht mit hässlichen Menschen ab also hör auf mit dieser Selbstmitleidsnummer!" Er wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und versuchte mich somit zum schweigen zu bringen. Harry hob einen zustimmenden Daumen, sein Gesicht lag jedoch immer noch auf seinem anderen Arm. Ich seufzte und lies die Schultern hängen.

„Ihr schreibt seit 4 Wochen jeden Tag. Wenn er ein oberflächliches Arschloch wäre würde er sich nie die Mühe machen." jetzt sah Lou sogar richtig mütterlich aus. Manchmal verhielt er sich auch so. Er versuchte jede Situation ein bisschen lustiger und schöner zu machen. Er hatte ja auch recht. Mister X wollte nie wissen wie ich aussehe, ihm war egal wie ich aussah, er wollte einfach nur mit mir reden.

„Vielleicht will er dich auch treffen und traut sich nicht?"

„Warum sollte er? Er ist einer dieser perfekten Menschen von da drüben. Die brauchen vor nichts und niemand Angst haben." Ich zeigte mit dem Daumen über meine Schulter zu den Tischen.

„Nur weil sie glücklich und selbstbewusst aussehen, heißt das nicht dass sie es alle sind, Niall!" kam es brummend aus Harrys Richtung, dann hob er seinen Kopf. Die Haare standen ihm zu allen Seiten ab und seine Augen waren wie immer klitzeklein.

„Du bist kein schlechter Mensch Niall. Du bist niedlich. Keine Sportskanone und nicht besonders groß aber du bist einfach so eine Person die man mögen muss also mach dir keinen Kopf, Alter."

Wieso kam mir dieses Gespräch gerade so vor als würde ich es mit meinen Eltern führen? Ich fing an zu lachen, die beiden sahen sich nur kurz verwirrt an.

„Ihr zwei werdet irgendwann die besten Kinder bekommen, wisst ihr das?"

„Klar man! Ich und Lou machen die coolsten Babys!" Harry lachte dunkel und legte einen Arm über Louis Schulter.

„Mit dir mach ich keine Babys, du würdest den halben tag verpennen und nachts betrunken nach hause kommen!" Harry und ich lachten.

„Niemals Lou Bär! Ich kümmer mich um die Bälger und du gehst schön arbeiten!" Harry kuschelte sich an Louis Seite und rieb seine Nase an seiner Wange.

„Bitte Jungs, nehmt euch ein Zimmer!"

Wir lachten alle etwas dann gingen wir zurück zum Unterricht. Ich hatte meinen letzten Brief schon beantwortet. Mister X und ich hatten über unsere Kindheit geredet und er hatte mir erzählt, dass er mal eine ganze Tube Zahncreme gegessen hatte und sich danach erbrochen hatte. Danach musste ihn seine Mutter regelrecht zwingen die Zähne zu putzen. Ich hatte herzlich über die Vorstellung gelacht wie eine Frau einem Kind gewaltsam die Zähne schrubbte. Im Gegenzug hatte ich ihm erzählt wie mich meine Cousinen mal von Kopf bis Fuß mit Filzstiften bemalt hatten. Das ganze hatte 2 Stunden gedauert und hielt fast eine komplette Woche.
Wir redeten einfach über alles. Dabei ließen wir Namen, Orte oder Aussehen immer weg. Komischerweise wirkte es nicht gewollt, es war einfach nicht nötig. Wenn er von einem Kumpel erzählte sagte er nie wie er hieß oder wie er aussah und ich tat das selbe. Genauso wenig redeten wir darüber wie wir aussahen. Auch wenn Lou mich jedes mal anbettelte zu fragen wie er aussah.

So wie es war, war es schön. Trotzdem fragte ich mich insgeheim wie er aussah, wie er redete und wie er lachte. In meiner Vorstellung war es ein schönes lachen. Oh man. Hatte ich nicht gesagt es handelte sich hier nicht um Liebe?

Während also der letzte Doppelblock Mathe war und ich darüber nicht unbedingt glücklich war, schaute ich aus dem Fenster. Auf dem Sportplatz hatte eine Klasse gerade Sport. Ich konnte keine Gesichter erkennen, sie waren zu weit weg. Vielleicht war es Mister X' Klasse?