Treu bis in den Tod
Lord Voldemorts letzter Kampf
Es war dunkel in dem Wohnzimmer, welches – ehemals prachtvoll und von Reichtum
zeugend – nun, wie der Rest des Manors der Zerstörung anheim gefallen war.
Silbernes Mondlicht beschien staubigen Fußboden, zersplittertes Holz, zerfetzte
Möbelstücke, unzählige leblose Körper, gebrochene Augen und verkrümmte Glieder.
Er stand mitten unter ihnen, sah auf sie herab und bedauerte ihren Tod nicht. Sie hatten ihn
verraten. Alle, die nun leblos zu seinen Füßen lagen, tot und schon bald vergessen, alle, die
ihm einst die Treue bis in den Tod geschworen hatten, Dolohow, Bellatrix, Rodolphus,
Pettigrew, Alecto, Amycus… sie alle hatten ihn verraten. Und umgehend ihre Strafe erhalten.
Er hatte sie getötet. Alle miteinander. Er hatte sie seine Macht spüren lassen und ihr
unwertes Leben aus dem Leib gerissen. Doch nun war er geschwächt…… Bellatrix Fluch
hatte ihm einen großen Teil seiner Lebenskraft geraubt und der Verrat schmerzte selbst ihn
– den Dunklen Lord.
Um ihr Leben zu retten, hätten sie ihn den Auroren ausgeliefert, hätten in Kauf genommen,
dass er getötet worden wäre, anstatt zu ihrem vor langer Zeit geleisteten Schwur zu stehen
und Seite an Seite mit ihm zu kämpfen – bis in den Tod.
Verraten!, hallte es in seinem schmerzenden Kopf wider. Deine eigenen Todesser haben
dich verraten! Alle!
Er spürte, wie die Lebensenergie weiter aus ihm heraus floss, seinen hageren Körper verließ
und in die Luft entschwand.
„Mein Lord! Sie kommen!"
Voldemort hob überrascht, aber müde den Kopf.
Wer war da? Hatte ihm doch einer seiner Todesser die Treue gehalten? Zu schwach um die
Aura zu erkennen, musste er seine Augen zur Hilfe nehmen, welche jedoch ebenfalls
langsam ihren Dienst quittierten. Er fühlte seine Schwäche und hasste sich dafür sie offen
zeigen zu müssen und nicht mehr verbergen zu können.
Im ersten Augenblick erkannte er nicht mehr als wabernde Schemen und Dunkelheit. Der
Tod ist nicht mehr fern!
„Wo seit ihr, meine treuen Todesser?"
Aus der Finsternis um ihn herum, schälten sich die Umrisse zweier Personen und als sein
Blick sich noch einmal klärte, erkannte er die beiden und zum ersten und gleichzeitig letzten
Mal erschien ein Lächeln auf den rissigen Lippen des Dunklen Lords, welches weder von
Hohn noch Verachtung zeugte, sondern lediglich seine Freude darüber ausdrückte, dass
wenigstens zwei seiner ehemals großen Anhängerschaft ihm die Treue hielten und ihn in
seiner letzten Stunde nicht verließen.
„Lucius! Severus! Seit ihr gekommen um eurem Meister das Lebenslicht auszuhauchen oder
werdet ihr euren Schwur erfüllen und mit mir zugrunde gehen?!", fragte er und wankte mehr
als das er ging auf die beiden Todesser zu. Oh wie sehr er sich für seine Schwäche hasste.
Nahe vor Lucius blieb er stehen, besah sich die ausgemergelte Gestalt des aus Askaban
entflohenen Zauberers, das verfilzte, dreckige Haar und den zerrissenen Umhang.
„Warum kommst du zu mir zurück, Lucius? Ließ ich dich nicht im Stich, als du in Askaban
darauf gewartet hast, befreit zu werden? Sag mir…… warum hältst ausgerechnet du mir die
Treue?"
Je mehr er darüber nachdachte, umso heftiger drängte sich die Frage auf, ob er so etwas
wie Treue überhaupt verdient hatte. Er selbst hätte niemals gezögert einen jeden seiner
Gefolgschaft eigenhändig zu töten. Verdient hast du sie nicht!
„Mein Leben gehört euch, mein Lord! Nichts könnte mich davon abbringen bei euch zu sein,
in diesem letzten finalen Kampf."
Voldemort wandte sich an den schweigend dastehenden Tränkemeister.
„Und du, Severus, den ich jahrelang als Spion für meine Zwecke missbraucht habe? Warum
kehrst du zurück?"
„Ich pflege zu halten, was ich verspreche, mein Lord! Und ich versprach euch ewige Treue –
gegebenenfalls bis in den Tod!"
Da standen sie, seine beiden letzten Todesser, entschlossen – wenn die Auroren in Kürze
das Manor stürmen würden – mit ihm in den Tod zu gehen.
„Lebend werden sie uns niemals in die Finger bekommen!" Lucius Stimme war fest und die
Kampfeslust deutlich herauszuhören.
„Wir werden ihnen zeigen, wie Todesser zu sterben pflegen!" Auch Severus schien zum
Kampf bereit, hatte den Zauberstab fest in der Hand und sah zur Tür, von wo aus nun die
Geräusche sich nähernder Personen deutlich zu vernehmen waren.
Die Auroren sind da!
Voldemort drängte die aufkommende Schwäche noch einmal zurück und hob seinen
Zauberstab, der so vielen Menschen das Leben entrissen hatte.
„Dann lasst sie uns gebührend empfangen, meine treuen Freunde!"
Freunde! Er hatte nie Freunde gehabt, denn immer hatte er sich dafür gefürchtet, eines
Tages könnten sie sein Vertrauen missbrauchen und ihn verraten. Ja, Lord Voldemort höchst
selbst, hatte sich gefürchtet und deshalb jegliche Art von Freundschaft gemieden. Und
dennoch hatte man ihn verraten!
Jetzt, im Angesicht des Todes, standen dennoch zwei seiner Todesser an seiner Seite,
bereit für ihn zu kämpfen. Und zum ersten Mal in seinem Leben erahnte Voldemort, was es
hieß Freunde zu haben.
„Sie sind da!"
Kaum waren die Worte über Lucius Lippen gekommen, als die Tür mit einem lauten Knall
aus den Angeln gesprengt wurde und der erste Auror das zerfallene Zimmer betrat.
„Avada Kedavra!"
Lucius Fluch riss den Mann von den Füßen und schleuderte ihn gegen die Wand, von der er
leblos abprallte und auf dem Boden aufschlug.
Den nächsten Auror, der hereingestürmt kam, kannte Voldemort nur zu gut. Mad Eye Moody,
hinter ihm Tonks und Lupin.
„Avada Kedavra!"
Der tödliche Fluch traf nicht Tonks – das von Snape ausgewählte Ziel – sondern Mad Eye,
welcher sich in letzter Sekunde zwischen die junge Frau und den grünen Blitz warf, der ihm
augenblicklich das Leben entriss.
Lupin reagierte schneller als erwartet. Aus der Spitze seines Zauberstabs schoss ebenfalls
der tödliche grüne Blitz, jedoch nicht in Severus Richtung, sondern direkt auf Voldemort zu,
der bisher noch keinen Zauber gesprochen hatte. Seine Kraft reichte schlicht und ergreifend
nicht mehr aus.
Auch dieser Fluch traf nicht das vorhergesehene Ziel, sondern riss Lucius mit sich, der – wie
geschworen – seinen Herrn mit seinem Leben schützte.
Snape fiel kurz darauf – nachdem er einen weiteren ins Zimmer stürmenden Auror erledigt
hatte – Tonks Fluch zum Opfer und blieb ebenso tot wie Lucius auf dem staubigen Boden
liegen.
Die Zeit schien für einige Sekunden stehen zu bleiben. Voldemort musterte seine beiden
letzten Gefolgsleute, die ihr Leben für das seine hingegeben hatten.
Er hatte ihre Treue nicht verdient und dennoch hatten sie zu ihm gehalten in der Stunde
seiner größten Not.
Danke, meine Freunde!
Mit diesen unausgesprochenen Worten auf der Zunge, hob er den Zauberstab und in eben
diesem Augenblick schlugen drei grüne Blitze in seine Brust.
